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Bericht des

Bundesrathes an die hohe Bundesversammlung in Sachen des A l o i s B o s s a r d , ehemaligen Generaleinzügers von Zug.

(Vom 3. November 1873.)

Tit. !

Mit Schreiben vom 12. Juli 1873 hat der Schweiz. Nationalrath eine Beschwerde des gewesenen Generaleinzügers Alois Bossard von Zug, datirtvom 5. gleichen Monats, gegen das vom Obergerichte des Kantons Zug in einem Strafprozesse gegen Bossard beobachtete Verfahren zur Berichterstattung an uns überwiesen.

Nachdem wir das Obergericht des Kantons Zug angehört haben, entsprechen wir hiermit diesem Auftrage.

Der Petent ist der Bundesversammlung aus einem frühem Rekurse, der auf die gleiche Angelegenheit sich bezog, bereits bekannt.

Wir haben darüber am 21. Juni 1871 (Bundesbl. 1871, Bd. II, S. 910) der Bundesversammlung einen einläßlichen Bericht erstattet und können uns, um Wiederholungen zu vermeiden, darauf beziehen. Es genügt, daran zu erinnern, daß Bossard mit Urtheil des Obergerichtes des Kantons Zug wegen Unterschlagung öffentlicher Gelder im Betrage von Fr. 28,040. 58 Rp. und wegen qualifizirten Betruges im Betrage von Fr. 2017. 85 Rp. zu einer Zuchthausstrafe von sechs Jahren, zur Entsezung von seinem Amte und

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zur Einstellung im Aktivbürgerrechte für die Dauer von fünfzehn Jahren verurtheilt worden ist; -- daß derselbe schon v o r diesem Urtheile Reklamation erhob gegsn den Ausstand von zwei Richtern, aber am 3. Mai 1869 vom Obergerichte abgewiesen wurde; -- daß er nach dem Urtheile die Kassation des erwähnten Entscheides vom 3. Mai verlangte, aber am 25. September 1869 dieses Begehren zurükzog, jedoch am 5. Oktober 1870 dasselbe erneuerte und es mit einem Begehren um Revision des ganzen Strafprozesses kumulirte, und daß endlich das Obergericht des Kantons Zug am 21. November 1870 seinen Entscheid vom 3. Mai 1869 bestätigte. Gegen diesen Entscheid nun war der erste Rekurs des Alois Bossard gerichtet und es bezog sich hierauf unser erste Bericht vom 21. Juni 1871, auf welchen gestüzt die Bundesversammlung am 18. Juli 1871 den Beschluß faßte : es sei -- in der Voraussezung, daß ein von Alois Bossard eingereichtes Revisionsgesuch von der kompetenten Behörde des Kantons Zug werde in Behandlung gezogen werden, -- zur Tagesordnung zu schreiten. (Bandesbl. 1871, Bd. III, S. 1.)

Als dieser Beschluß gefaßt wurde, hatte Bossard dem Obergerichte des Kantons Zug bereits ein solches Revisionsgesuch eingegeben und zwar schon unterm 10/14. Juli 1871. Zur Unterstüzung seines Gesuches produzirte Bossard eine Uebereinkunft zwischen dem Stadtrathe, Namens der Stadtgemeinde Zug, und der Kuratel der Fallimentsmasse der Firma J. Bossard und Comp. zum Seefeld (bestehend aus dem Rekurrenten und dessen Bruder Johann) vom 18. März 1871, womit die Forderung der erstem auf Fr. 18,001. 60 Rp.

reduzirt worden war. Es sollte hierdurch bewiesen werden, daß das Obergericht, indem es den der Stadtgemeinde erwachsenen Schaden auf Fr. 30,058. 43 Rp. ansezte, jedenfalls zu hoch gegriffen habe, und daß somit das Strafmaß auf unrichtiger Basis beruhe.

Im Weitern behielt sich der Petent vor, bei den ordentlichen Untersuchungsbehörden den Beweis zu führen, daß er das ihm angedichtete Verbrechen überhaupt nicht begangen habe.

Ohne den Entscheid über dieses Revisionsgesuch abzuwarten, gelangte Bossard unterm 24. Oktober 1871 mit einer neuen Beschwerde an den Bundesrath, worin er einerseits über diese Verzögerung der Sache,, und andererseits auch darüber sich beschwerte, daß das Obergericht von Zug überhaupt nicht in der Weise vorgegangen sei,
wie er verlangt habe. Hierüber faßten wir am 8. Januar 1872 einen Entscheid, welcher wesentlich diejenigen Fragen beschlägt, die der Rekurrent Bossard neuerdings der Bnndesversammlung zur Prüfung unterstellt hat.

361 Bevor wir diesen Entscheid mittheilen, scheint es am Plaze zu sein, den chronologischen Verlauf der vielen Beschwerden des Bossard, die theilweise neben einander liefen, noch weiter zu verfolgen.

Als nämlich die neue Beschwerde des Bossard, datirt Strafanstalt Zürich, den 24. Oktober 1871, an den Bundesrath gelangte, hatte das Obergericht des Kantons Zug über das Revisionsgesuch noch nicht entschieden. Vielmehr hatte Bossard am 28. September, auch von Zürich aus, ein neues Memorial zur Begründung der Revision eingereicht unter >der Adresse: ,,An das hohe Obergericht des Kantons Zug, zunächst an die Herren Oberrichter Gügler, Hürlimann und Müller."· Am 28. Oktober 1871 kam Bossard von Zürich nach Zug und sezte auch hier seinen Eifer im Beschwerdeführen fort. Er sagt hierüber wörtlich in einem Schreiben an den Bundesrath, datirt Rathhaus Zug, den 15. November 1871 : ,,Sofort erkannte ich die herrschende Leidenschaft und Gereiztheit der streitenden Behörden gegen mich: Da schwand der lezte Funke von Zutrauen und ich reichte dein h. Bundesrathe meine Rekursschrift ein. Wohl einsehend, daß dadurch zwischen meinen bisherigen Richtern und mir eine unübersteigiiche Kluft entstehe, zögerte ich nicht, sie alle, sammt Kanzlei und Staatsanwalt, abzulehnen. Ich schrieb jedem Betheiligten expreß und beauftragte gleichzeitig den Herrn Obergerichtspräsidenten, Gr. A. Keiser, dem Herrn Vizepräsidenten Hürlimann und seinen Kollegen das Revisionsmaterial unverzüglich abfordern zu lassen, in seinen Verwahr zu nehmen und die Weisungen des h. Bundesrathes zu gewärtigen."

Diesem Begehren wurde nicht entsprochen. Am 13. November 1871 entschied das Obergericht über das Revisionsbegehren und wies dasselbe ab, worauf Bossard mit dem vorhin erwähnten Schreiben vom 15. November an den Bundesrath das Gesuch· stellte, einlochte jenen Beschluß vom 13. November aufheben, weil er im Widerspruche stehe mit den §§ 5 und 17 der zugerischen Verfassung und weil er von inkompetenten Richtern ausgegangen sei.

Wenige Tage nachher, nämlich unterin 2. November 1871, aclressirte Bossard aus seinem damaligen Verhaftslokal auf dem Rathhause in Zug auch noch eine Eingabe an den Großen Rath des Kantons Zug, worin er erklärte (Seite 3), ,,daß die Richter rechtswidrig und meineidig, einen abscheulichen Justizmord begangen haben,"1 -- (Seite 4)
,,er sei unter Verlezung des materiellen Rechtes für eine Handluua; verfolgt und verurtheilt worden,/ die im Kanton O O Zug niemals mit Strafe bedroht gewesen und niemals richterlich Bundesblatt. Jahrg. XXV. Bd. IV.

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362 verfolgt worden sei,tt -- sein Revisionsgesuch vom 14. Juli stüze sich auf neue Thatsachen und Beweismittel und das verstärkte.

Gesuch vom 27. (28.) September enthalte den einläßichen Nachweis, daß die seiner Zeit von dem Gerichte benuzten Beweismittel falsch und eingeschmuggelt seien und daß das Urtheil durch verbrecherische Handlungen erwirkt worden.

Bossard suchte diese Behauptungen durch weitläufige Erörterungen darzuthun und nachzuweisen, daß sowohl in dem Hauptprozesse als auch in dem Revisionsverfahren die §§ 5, 17, 18 und 110 der Verfassung des Kantons Zug, die §§ 16 u. ff. der Geschäftsordnung für das Polizei- und Kriminalgericht und die §§ l, 3 und 4 des Revisionsmodus dieses Kantons verlezt worden seien. Er schloß damit, daß er ,,sämmtliche Kriminalrichter, Oberrichter, Kanzlei und Staatsanwaltschaft der Verlezung der Amtspflicht und der gerichtlichen Verleumdung, soweit dieselben in seinem Prozesse amtirt haben," anklagte und die strafrechtliche Verfolgung dieser Beamten nach Maßgabe der §§ 258, 259, 260,187,188 und 190 des zürcherischen Strafgesezes verlangte. Zu diesem Ende, stellte Bossard das Gesuch, der Große Rath möchte eine Spezialkommission ernennen, mit dem Auftrage, erstens die erhobenen Anklagen zu untersuchen und über deren Erheblichkeit dem Großen Rathe Bericht und Antrag zu hinterbringen und zweitens den Petenten behufs näherer Angaben, insbesondere bezüglich der amtlichen Funktionen der Herren Substitut Weber und Fürsprecher Eberli (des gewesenen Staatsanwaltes ad hoc) einzuvernehmen.

Diese Zuschrift wurde am gleichen 20. November 1871 dem Großen Rathe des Kantons Zug voi'gelegt und in öffentlicher Sizung verlesen. Es ergab sich jedoch, daß nicht mehr die beschlußfähige Anzahl der Mitglieder anwesend war, worauf die weitere Behandlung der Sache verschoben wurde.

Am 27'. Dezember 1871 richtete Bossard eine neue Eingabe an den Großen Rath, worin er zunächst seinen Willen kund gab, daß seiner Zuschrift vom 20. November keine Folge zu geben sei, dann aber das Gesuch stellte, es möchte ihm Gelegenheit gegeben werden, sich mit den Mitgliedern der Gerichte u. s. w. persönlich in's Einvernehmen zu sezen, da er sich überzeugt habe, daß auf diesem Wege am sichersten Voreingenommenheiten und Irrthümer beseitigt würden. Zu diesem Ende wünschte er ferner, daß der Große Rath
seine einstweilige Freilassung gegen beliebige Kaution bewilligen möchte.

Der Große Rath schritt jedoch einstimmig zur Tagesordnung, da keine gesezlichen Bestimmungen vorhanden seien, welche ihm

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Angesichts eines rechtskräftigen Urtheiles eine solche Verfügung gestatten würden.

Inzwischen lagen die oben erwähnten Eingaben des A. Bossard vom 24. Oktober und 15. November 1871 zur Vernehmlassung bei der Regierung und bei dem Obergerichte des Kantons Zug, und es giengen deren Antworten an uns ein, ohne daß wir von den soeben erzahlten Verhandlungen vor dem Großen Rathe des Kantons Zug Keontniß erhielten. Das bezügliche Memorial wurde vom Bossard erst mit dem neuen Rekurs an die Bundesversammlung produzirt und die Beschlüsse des Großen Rathes mußten nachträglich besonders reklamirt werden.

Nachdem die Antworten von der Regierung und vom Obergerichte des Kantons Zug eingegangen waren, wurde die ganze Angelegenheit einer nähern Prüfung unterstellt. Wir konnten jedoch die Beschwerden und Begehren des Petenten auch dieses Mal nicht als begründet finden und wiesen seinen Rekurs ab. Dieser Beschluß ist vom 8. Januar 1872 datirt, und da er einige neue Beschwerdepunkte berührt, die im frühern Bericht nicht erwähnt sind, so folgt derselbe hier in extenso.

Der s c h w e i z e r i s c h e B u n d e s r a t h hat in Sachen des A l o i s Boss a r d, gewesenen Generaleinzügers der Stadt Zug, betreffend Verfassungsverlezung; Nach angehörtem Berichte des Justiz- und Polizeidepartementes und nach Einsicht der Akten, woraus sich ergeben: I. Mit Eingabe an den Bundesrath vom 24. Oktober 1871 erhob Alois Bossard von Zug, anknüpfend an sein der Bundesversammlung eingereichtes Memorial vom 30. November und 2. Dezember 1870, Beschwerde gegen die Zugerischen Gerichtsbehörden, und zwar über folgende drei Punkte : a. Als am 13. März 1869 die erste Verhandlung in seinem Strafprozesse vor dern Zugerischen Kriminalgerichte stattgefunden, sei von keiner Seite Einwendung gegen die Vollständigkeit der Akten erhoben, vielmehr seien diese als geschlossen anerkannt worden. Nichtsdestoweniger seien sowohl in dem Urtheile des Kriminalgerichtes vom 21. April 1869, als auch in demjenigen des Obergerichtes vom 10. Mai gleichen Jahres zehn Erwägungen enthalten über Thatsachen, wovon in den Untersuchungsakten kein Wort stehe; zudem enthalten die gleichen Urtheile dreizehn weitere Erwägungen, deren thatsächliche Voraussezungen unwahr oder entstellt seien.

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Er sei also auf Grundlage von erheblichen thatsächlichen Momenten ohne Verhör verurtheilt worden. Dieses Verfahren stehe im Widerspruch mit dem Art. 8 der Zugerischen Organisationsund Geschäftsbestirnmungen und mit § 17 der Kriminalgerichtsordnung. Somit seien der Art. 17 der Verfassung des Kantons Zug, wonach Niemand gerichtlich verfolgt werden dürfe, als in der durch das Gesez bestimmten Form, sowie der Art. 5 der gleichen Verfassung, welcher die Gleichheit vor dem Geseze garantire, verlezt.

b. Der gegen seinen, des Rekurrenten, Antrag verfügte Ausstand der Stadtzuger'schen Mitglieder des Obergerichtes stehe ebenfalls im Widerspruche mit den Artikeln 17, 18 und 5 der Zugerischen Verfassung. Diese Frage sei noch eine offene ; es erscheine daher zuläßig, sie neuerdings den Bundesbehörden vorzulegen.

c. Am 14. Juli 1871 habe er dem Vizepräsidenten des Obergerichtes ein Gesuch um Revision seines Prozesses eingegeben und um Ueberweisung an die Zuger'sche Untersuchungsbehörde nachgesucht. Es sei ihm aber hierauf noch keine Antwort zugekommen, ungeachtet der seither verflossenen langen Zeit und ungea.chtet er wiederholt über die Verzögerung sich beschwert habe. Diese Verschleppung komme einer Rechtsverweigerung gleich.

Ueberdies seien durch das Verfahren, das mit Bezug auf sein Revisionsgesuch eingeschlagen worden, die Artikel 3 und 4 der Verordnung des Obergerichtes des Kantons Zug vom 28. April 1870, betreffend den Revisionsmodus, verlezt worden. Der Art. 3 der zitirten Verordnung schreibe nämlich voi', daß ein Revisionsgesuch behufs Konstatirung der Thatsachen, auf welche jenes gestüzt werde, ·dem Verhöramte zu übermitteln sei. Sein Gesuch aber sei diesem Amte nie zugestellt worden und vergebens habe er wiederholt seine Stellung vor das Verhöramt begehrt. Dagegen habe der Vizepräsident des Obergerichtes seine Eingabe dem Stadtrathe von Zug zur Vernehmlassung übergeben und hierauf mit der Antwort des leztern dem Staatsanwalte zur Begutachtung Übermacht. Ihm sei also die Vertheidigung verweigert, der Kläger aber sei angehört worden.

Endlich habe das Obergericht, nachdem ihm die Angelegenheit vorgelegt worden, die Sache nicht spruchreif gefunden und dieselbe zum weitern Untersuch an eine a u ß e r o r d e n t l i c h e K o m m i s s i o n gewiesen.

Der Art. 4 des Revisionsmodus schreibe aber vor,
daß das Obergericht entweder sogleich über ein solches Gesuch zu entscheiden, oder noch ein vorhergehendes mündliches und summarisches Verfahren zu verfügen, oder auch die Akten zur Vervollständigung nochmals an das V erhör am t zurükzuweisen habe.

365 Es sei also das Verhöramt wiederholt umgangen und ihn» das rechtliche Gehör verweigert worden. Auch dieses Verfahren qualifizire sich als ein willkürliches und als eine weitere Verlezuns; der O Art. 17 und 5 der zugerischen Verfassung.

Alois Bossard schloß mit dem Antrage, es möchte das ganze gegen ihn geführte Prozeßverfahren aufgehoben, die Richter aus der Gemeinde Zug in ihre amtlichen Befugnisse eingesezt und die Revision des fraglichen Prozesses im Sinne von Art. 5 des zilirten Revisionsmodus verfügt werden.

II. Zu dieser Beschwerde gab Bossard noch einen vom 15. November 1871 datirten Nachtrag ein, worin er folgende neue Anbringen machte: Nach Einlegung seines Rekurses an den Bundesrath habe eiserne sämmtlichen bisherigen Richter mit der Kanzlei und dem Staatsanwalt, als befangen, abgelehnt. Nichtsdestoweniger seien die gleichen Richter in die BehandlungO seines Revisionsgesuches einO O getreten und haben dasselbe abgewiesen. Dies sei geschehen, ohne daß vorher Zeugen einvernommen worden seien, ohne Verhör mit dem Petenten und ohne Kenntnißgabe des Termins an diesen. Ei1 habe also seine Rechte nicht wahren können. Die Nichtbeachtung seiner Rekusation stehe im Widersprüche mit den §§ 2 und 3 der zugerischen Zivilprozeßordnung, und die Abweisung selbst sei dein § 121 des gleichen Gesezes widersprechend.

III. Gegenüber diesen Beschwerden antwortete das Obergericht des Kantons Zug mit Zuschrift vom 28. November 1871, wie folgt : Ad a. Es sei der Bossard'sche Straffall von den zugerischen Gerichten nur nach den Akten und nach den einschlägigen gesczlichen Bestimmungen gewürdigt worden. Alle von Bossard gegen diese Gerichte erhobenen Beschuldigungen seien unbegründet.

Die Akten, auf welche die fraglichen Urtheile sich stüzen, seien amtlich erhoben worden. Ein lezter Theil derselben sei auf spezielles Verlangen des Angeklagten bei der Stadtkanzlei in Zug erhoben und am Gerichtstage (13. März 1869) dem Richter vorgelegt worden.

Der Aktenschluß sei nicht am 13. März 1869 verfügt worden, vielmehr habe das Kriminalgericht, wie dessen Protokoll ausweise, die Akten erst am 21. April 1869, bevor es in die Beurtheilung des Falles eingetreten, als vollständig und spruchreif erklärt.

A d b. .Den zweiten Punkt der Beschwerde halte das Obergericht für erledigt, nachdem die in seiner frühern Antwort vom 21. Januar 1871 mit Bezug auf jene Ausstandsfrage ausgesprochene

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Anschauung sowohl vom Bundesrathe als auch von der Bundesversammlung durch Abweisung des Beschwerdeführers gebilligt worden sei.

Ad c. In der Revisionsangelegenheit, sei analog dem Revisionsmodus vom 28. April 1870 gehandelt worden; eine Verfassungsverlezung bestehe nicht.

Es sei unrichtig, daß Petent nicht angehört worden sei. Derselbe habe die Vernehmlassung des Stadtrathes von Zug zur Einsicht bekommen und dieselbe mit Eingabe vom 28. September einläßlich beantwortet. Ebenso sei die Behauptung des Bossard unrichtig, daß ihm keine amtliche Kenntniß über den Gang der Revisionsangelegenheit gegeben worden.

Von einer Umgehung des Verhöramtes könne nicht die Rede sein. Laut § 5 des zitirten Revisionsmodus gelange ein Revisionsgesuch erst dann vor das Verhöramt, wenn das Obergericht die Wiederaufnahme des Prozesses bewilligt habe. Der Art. 3 aber habe hier nicht zur Anwendung kommen können. Dieser Artikel normire den Fall, wo ein Petent auf Thatsachen sich stüze, die erst durch Einvernahme von Zeugen erhoben werden müssen, bevor ein Gesuch um Revision überhaupt behandelt werden könne. Bossard habe aber nicht auf neue Zeugen sich berufen, sondern einzig auf eine ,,Gütige Uebereinkunft" vom 28. März 1871 zwischen dem Stadtrathe von Zug und der Kuratel der Fallimentsmasse der Firma J. Bossard & Cie. zum Seefeld.

Uebrigens habe der Vize-Präsident des Obergerichtes, da anfänglich Zweifel darüber habe bestehen können, ob die Thätigkeit des Verhöramtes zur Klärung der Sachlage nöthig sei, die Vernehmlassung des Stadtrathes von Zug veranlaßt. Aus dessen Antwort habe er dann erkannt, daß eine Ueberweisung des Gesuches an das Verhöramt nicht erforderlich sei. Diese Ansicht sei vom zugerischen O bergeri elite einstimmig gutgeheißen worden, welches dann am 13. November 1871, ohne übrigens die Antwort des Stadtrathes weiter in Berüksichtigung zu ziehen, das Revisionsgesuch abgewiesen habe.

Schließlich bemerkte das zugerische Obergericht, daß es auf eine eingehende "Würdigung der zweiten Eingabe des Alois Bossard, der heute die Richter anerkenne und den Revisionsmodus als maßgebend annehme, morgen aber die gleichen Richter rekusiren und die Zivilprozeßordnung als Norm aufstellen wolle, verzichten müsse, und den Entscheid des Bundesrathes gewärtige.

I n E r w ä ff u n ff: 1) Es kann sich nicht mehr darum handeln, -auf das gegen Alois Bossard geführte strafrechtliche Prozeßverfahren und auf die ö

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frühern Urtheile zurükzukommen, weil die Bundesversammlung bereits im* Juli abhin über die daherigen Beschwerden zur Tagesordnung geschritten ist, allerdings in der Voraussezung, daß die kompetenten Behörden des Kantons Zug ein vom Rekurrenlen eingereichtes · Revisionsgesuch in Behandlung ziehen werden ; 2) Das Obergericht von Zug hat seither wirklich das Revisionsgesuch des Verurtheilten in Behandlung gezogen, aber abgewiesen, worin die Veranlaßung zur neuerlichen Beschwerdei'ührung liegt. Da die Bundesbehörde weder Appellations-, noch Kassationsoder Revisionsinstanz ist, und ihr überhaupt keine Einmischung in die Strafjustiz der Kantone zusteht, sofern nicht Vorschriften der Bundes- oder Kantonsverfassung verlezt sind, so kann die Beschwerde' ·nur mit Rüksicht auf die behauptete Verlezung von Verfassungsbestimmungen untersucht werden; 3) Das Revisionsgesuch wurde nach Anleitung der Verordnung -vom 28. April 1870 über die Wiederaufnahme des Prozesses in ·Strafsachen behandelt, derselben aber nicht diejenige Anwendunggegeben, wie Rekurrent voraussezte. Wenn das Obergericht fand, es seien keine solchen Momente zum Vorschein gekommen, welche ·auf das Urtheil in strafrechtlicher Beziehung von Einfluß sein können, und daher die Wiederaufnahme der Untersuchung und die Ueberweisung an das Verhöramt verweigerte, so könnte höehsens gesagt werden, es sei den Bestimmungen der fraglichen Verordnung eine etwas strikte Anwendung gegeben worden, aber eine Verlezung der angerufenen Art. 5, 17 und 18 der Verfassung kann in dem obergerichtlichen Abweisungsbeschluß so wenig als bei der frühern Beschwerde gefunden werden; \ beschlossen: Es sei der Rekurs als unbegründet abgewiesen.

Mit der im Eingange dieses Berichtes erwähnten Eingabe vom 5. Juli 1873 stellt nun Alois Bossard an die Bundes Versammlung folgende Gesuche : 1) Das gegen ihn eingeleitete und durchgeführte Prozeßverfahren sei zu kassiren ; 2) eventuell sei der Beschluß des Obergerichtes des Kantons Zug vom 13. November 1871, betreffend das Revisionsgesuch, aufzuheben.

Zur formellen Rechtfertigung* dieser beiden Gesuche bemerkte ·der Petent, es habe der Bundesbeschluß vom 18. Juli 1871 den Sirin, daß die Bundesversammlung auf das strafrechtliche Verfahren gegen ihn und auf die bezüglichen Urtheile zurükkommen ·werde, wenn den von ihr ausgesprochenen Erwartungen nicht entsprochen würde. Diese Eventualität sei nun eingetreten.

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In materieller Beziehung bezog sich der Petent wesentlich auf die gleichen Beschwerdepunkte, die schon im faktischen Theile unseres Beschlusses vom 8. Januar 1872 aufgezählt sind. Insbesondere behauptet er, das ganze Prozeßverfahren sei zu kassiren, wegen widerrechtlicher Besezung der Gerichte, wegen wesentlicher Beeinträchtigung der Vertheidiguug und wegen der Inkompetenz, des Gerichtes.

Die beiden ersten Gründe sind schon früher erörtert worden. Den dritten Grund stüzte Petent auf die Behauptung, daß die konkreten Handlungen im Kanton Zug zu keiner Zeit mit Strafe bedroht gewesen seien. Es liege weder eine strafrechtliche, noch eine zivilrechtliche Schädigung vor, da er binnen 24 Stunden volle Dekung erwirkt habe und zwar bevor er ein Verhör bestanden und ohne Mitwirkung der Bürgen. Seine Verfolger haben zwar die Dekung abgewiesen, denn sie haben seine Person gewollt.

Das Gericht hätte sich aber nicht auf diesen Standpunkt stellen sollen, denn das von ihm benuzte Luzerner Strafgcsezbuch bestimme bezüglich der Unterschlagung in § 217: ,,Hat der Betreffende auf erfolgte Aufforderung die gänzliche Zufriedeustellung des Berechtigten binnen vierundzwanzig Stunden bewirkt, und ist die Sache eine vertretbare, so findet keine Bestrafung statt."· Die AufhebungO des Beschlusses betreffend das Revisionsgesuch o begründet Petent wie folgt: Mit der Eingabe vom 28. September 1871 habe sein Anwalt,.

Hr. Fürsprecher Villiger, dem Obergerichte des Kantons Zug umfassendes Aktenmaterial zur Begründung des Revisionsgesuches eingegeben. Diese Akten seien aber von dem betreffenden Beamten bei Seite gelegt und bei dem Entscheide vom 13. November 1871 nicht gewürdigt worden, weil sie zu spät und nur einem Mitgliede der obei-gerichtlichen Kommission eingegeben worden und weil im .,,Revisionsmodus"' nachträgliche Eingaben nicht vorgesehen seien.

In diesem Verfahren liege eine schwere Amtspflichtverlezung. Er habe es der Regierung von Zug signalisirt, allein mit Schreiben vom 6. Februar 1873 die Antwort erhalten, daß sie in dem Verfahren des Obergerichtes keine strafbare Handlung finden könne.

Der ,,Revisionsmodusa vom 28. April 1870 bestimme, daß das Revisionsgesuch dem Obergerichtspräsidenten einzureichen und so weit möglich rechtsförmig zu belegen sei. Es ergebe sich hieraus, daß ein Revisionsgesuch mit nachträglichen
Eingaben unterstüzt und ergänzt werden könne. Uebrigens sei notorisch, daß in Strafsachen nicht die Verhandluagsmaxime gelte, und'daß Beweise für die Unschuld eines Angeklagten oder Verurtheilten jederzeit angenommen werden müssen, ja selbst, auf Verlangen der Anver-

369 wandten, nach dem Tode des Verurtheilten (§ l des Revisiousmodus). Im vorliegenden Falle habe die nachträgliche Eingabe ihren besondern Grund darin gehabt, daß das Revisionsgesuch dem Damnifikaten zur Beantwortung mitgetheilt worden sei, weßhalb er, Bossard, genöthigt worden, auf dessen Einreden, die er ohne Wissen des Obergerichtes sich zu verschaffen gewußt, am 28. September 1871 die ergänzenden Akten einzugeben. Die Adresse habe keinen Zweifel gestattet und die Eingabe'sei nicht verspätet gewesen, da der Entscheid des Obergerichtes erst über 40 Tage später erfolgt sei. Von der Thatsache, daß seine nachträgliche Eingabe bei Seite gelegt worden, habe er erst nach seinen Freilassung (Mai 1872) Kenntniß erhalten.

Das Obergericht des Kantons Zug bezog sich in seiner Antwort zunächst auf die frühern Eingaben, wodurch es die Handlungsweise der zugerischen Gerichte gerechtfertigt habe. Im Weitern wies das Obergericht die Behauptungen des Rekurrenten in der Ausstandsfracre zurük,/ und erklärte die vorgebliche Beeinträchtigung O O O O des Rechtes zur Verteidigung völlig unbegründet. Bezüglich der behaupteten Inkompetenz des Gerichtes bemerkte das Obergericht, daß Bossard behandelt werden müsse, wie Andere, die sich mit der bürgerlichen Rechtsordnung in Widerspruch sezen. Es sei unrichtig, daß Handlungen, wie jene, deren Bossard sich schuldig gemacht, im Kanton Zug nie bestraft worden seien. Im Januar 1869 sei Postablagehalter Eisener in Menzingen wegen Veruntreuung öffentlicher Gelder, verbunden mit Fälschung, auch zu 6 Jahren Gefängniß verurtheilt worden. Es sei ebenfalls unrichtig, daß Bossard Dekung der unterschlagenen Summe geleistet oder anerboten habe. Gerade mit Rüksicht auf § 217 des Luzerner Strafgesezbuches habe der Präsident der Finanzkommission am Morgen des 10. Juli 1868 den Bossard zur Dekung aufgefordert und erst dann, als dessen Bemühungen, die betreffende Summe zu sichern, erfolglos gewesen, sei bei der Untersuchungsbehördc Klage erhoben worden, worauf der Angeklagte am 13. Juli das erste Verhör bestanden habe. Die einzige Sicherung, welche die geschädigte Stadtgemeinde im Laufe der Untersuchung ha1 se erhalten können, sei in der Abtretung des Inventars auf der Liegenschaft ,,Seefeld" bestanden, woraus nach dem Fallimente der Firma J. Bossard und Comp. zum Seefeld ein Erlös von
Fr. 5354. 50 erzielt worden sei. Diese Summe habe jedoch erst am 8. Oktober 1870, resp. den 16. Januar 1871 realisirt werden können. Es bleibe daher die Thatsache fest, daß am Tage des Urtheiles (10. Mai 186!))

die Stadtgemeinde Zug im Betrage von Fr. 30,058. 43 geschädigt gewesen. Bossard habe auch die Höhe dieser Summe nie bestritten. Nach Abzug der erwähnten Einnahme sei die Forderung

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der Stadt Zug (inklusive Zinsen) auf Fr. 25,552. 54 reduzirt und am 30. November 1869 im Fallimente J. Bossard und Comp.

unter die ,,laufenden Forderungen" gestellt worden. Seither sei noch aus diversen Aktiven der erwähnten Firma der Betrag von Fr. 1446. 85 eingenommen worden, wovon die Stadtgemeinde 21/4 °/o oder Fr. 574. 95, die andern Gläubiger 81/* °/o erhalten haben. In dieser Weise habe sich das Guthaben der Stadt Zug auf Fr. 24,977. 59 ohne Zinsen reduzirt. Diese Summe sei noch gegenwärtig ausstehend, indem die Bürgen des Bossard deren Bezahlung verweigern und deßhalb gegenwärtig einen Zivilprozeß mit der Stadtgemeinde bestehen.

Bezüglich seines Verfahrens betreffend das Revisionsgesuch wiederholte das Obergericht die schon in unserm Beschlüsse vom 8. Januar 1872 reproduzirten Aufschlüsse und erklärte im Weitern, es habe die Mittheil uns; des Revisionsgesuches an den Stadtrath O O von Zug im Interesse des Potenten gelegen, weil es sieh darum gehandelt habe zu erfahren, in welchem Verhältnisse die von lezterm produzirte Uebereinkunft vom 18. März 1871 und die darin auf Fr. 18,001. 60 reduzirte Forderung der Stadt zu dem Strafurtheile vom 10. Mai 1869 stehe. Dem Petenteu sei von dieser Mittheilung Kennntniß gegeben worden und zwar durch Vermittlung der Strafhausdirektion Zürich mit Schreiben vom 14. August 1871. Aus der Antwort des Stadtrathes habe sich ergeben, daß jene Uebereinkunft das Urtheil nicht zu alteriren vermöge, sondern daß vielmehr durch neuere Rechnungsabschlüsse die im Urtheil angenommene Summe von Fr. 30,058. 43 um Fr. 129. 24 höher sich stelle.

Das weitere Verfahren im Revisionsprozeß schließe'sich genau den Vorschriften des Revisionsmodus vom 28. April 1870 an.

Andere n e u e Beweismittel außer der erwähnten ^Uebereinkunft^ habe der Petent mit der Eingabe vom 16. Juli 1871 nicht produzirt. In dem Entscheide vom 13. November 1871, womit das Revisionsgesuch vom Obergericht einstimmig abgewiesen worden, seien alle Rechtsmomente, auf welche das Begehren sich berufen und die dem Richter früher nicht vorgelegen, einer einläßlichen materiellen Würdigung unterstellt. Nachträgliche Eingaben des einen oder andern Theils seien im ,,Revisionsmodus" nicht vorgesehen, deßhalb habe das Gericht bei seinem Entscheide auch keine solche berüksi'chtigen dürfen. Eine mündliche Schlußverhandlung
zwischen den Parteien, mit Replik und Duplik, sei nur unter Umständen statthaft, die hier nicht vorhanden gewesen. Es sei dem Potenten nichts im Wege gestanden, jederzeit von dem Stande der Sache Kcnntniß zu nehmen. Nach seiner Freilassung; habe er den-

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noch mehr als ein halbes Jahr zugewartet, bis er die nachträglich produzirten Schriftstüke reklamirt und erhalten habe. Dennoch habe er seither keine weitern Schritte gethan, um dein Gerichte seine Nova in gehöriger Form einzureichen und deren Prüfung und Würdigung zu verlangen. Das Gericht mache es sich auch fernerhin zur Pflicht, bisher noch nicht produzirte Fakta, die zur Entlastung des Bossard dienen könnten, einer genauen Prüfung zu unterstellen, vorausgesezt, daß sie in gehöriger Form und in nüzlicher Frist produzirt werden, was bei den in Frage stehenden Schriftstüken nicht der Fall gewesen, da einerseits ihre Eingabe verspätet gewesen und andererseits die vorschriftsgemäße Form nicht beachtet worden sei, indem die Einsendung mit Umgehung des Obergerichtspräsidenten direkt an drei beliebige Mitglieder stattgefunden habe, ein Umstand, der, wenn auch nicht wesentlicher Natur, doch immerhin einige Beachtung verdient und veranlaßt habe, daß jene Schriftstüke einfach liegen geblieben und zur Disposition des Einsenders gehalten worden seien.

Hiermit sind wir am Ende unseres Berichtes, womit wir alle in dieser Angelegenheit zur Sprache kommenden Verhältnisse Ihnen vorlegen zu sollen glaubten, damit Jedermann Gelegenheit finde, sie in ihrem Werthe oder Unwerthe beurtheilen zu können.

Es wird Niemanden entgehen, daß ein klarer Einblik in diese Angelegenheit durch das eigene Vorgehen des Potenten selbst sehr erschwert ist. Noch vor dem Entscheide der Bundesversammlung gab er ein Revisionsgesuch bei dem Obergerichte des Kantons Zug ein, produzirte aber nicht alle Gründe und Akten, so daß er genöthigt war, einen Nachtrag zu machen. Bevor das Obergericht entschieden hatte, rekurrirte er schon wieder unter dem Titel der Rechtsverweigerung an den Bundesrath. Dann folgte der Entscheid des Obergerichtes und nachträgliche Beschwerde gegen das Verfahren desselben. Ohne den Entscheid des Bundesrathes abzuwarten, gab Bossard auch noch eine Beschwerde bei dem Großen llathe des Kantons Zug ein, zog sie in der Hauptsache wieder zurük und modifizirte sie in neuen Eingaben etc. etc. Ein beständiges An^ klagen aller Behörden, ein maßloses Hin- und Herschreiben ohne umfassende, klare Erschöpfung des Stoffes, immer neue Beschwerden gegen jeden neuen Akt der Behörden, dessen Urivollstiindigkeit er vielleicht selbst
veschuldet hat, -- so charakterisirt sich das Verfahren des Petenten, dessen neue Beschwerden gegenwärtig die Bundesversammlung wieder beschäftigen.

Bossard ist sich auch in seiner neuen Eingabe nicht klar, gegen welche Behörde und gegen welchen Entscheid er hauptsächlich sich 'richten soll. Gegen den Großen Rath des Kantons Zug, der in.

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372 erster Linie berufen wäre, den in seinen Rechten beeinträchtigten Bürger nach Maßgabe der kantonalen Verfassung und Geseze zu schüzen, beschwerte er sich nicht, sondern er begnügte sich blos, die an denselben gerichtete Eingabe zu produziren, ohne das weitere Schiksal derselben mitzutheilen. Gegen unsern Entscheid vom 8. Januar 1872 beschwerte er sich formell auch nicht, er erwähnte blos dieses Entscheides als einer Zwischenverhandlung und bemühte sich keineswegs, die Begründung desselben zu widerlegen. Vielmehr knüpfte der Rekurrent an den Entscheid der Bundesversammlung vom 18. Juli 1871 an, indem er von der Ansicht ausgieng, daß nach diesem Entscheide das Obergericht des Kantons Zug sein Revisionsgesuch hätte begründet erklären müssen und daß er, weil dieses nicht geschehen, zu neuer Beschwerde berechtigt sei. Diese Ansicht entspringt aber offenbar einem Mißverständnis. Die Bundesversammlung war nicht der Meinung, daß Bossard nur ein Revisionsgesuch einzugeben brauche, um die kompetente Behörde des Kantons Zug sofort zur Wiederaufnahme des Strafprozesses zu veraulaßen. Ihr Beschluß hatte nur den Sinn, daß ein von Bossard eingereichtes Revisionsgesuch nicht ohne Weiteres abgewiesen, sondern geprüft werde, wobei dann stillschweigend vorausgesezt wurde, daß tfie nach der BedeutungO der neuen Vertheidiaunarsmittel entweder O O die Revision zugelassen oder abgewiesen werden könne. Die Bundesversammlung k o n n t e keine andere Meinung haben, ohne mit dem übrigen Inhalte ihres Beschlusses im Widerspruch zu stehen, denn über die Hauptbeschwerde wurde zur Tagesordnung geschritten, weil in dem Verfahren gegen Bossard keine Verfassungsverle/ung gefunden wurde und gegen allfällige unrichtige Anwendung bloßer Geseze ein Rekurs an die Bundesversammlung nicht zuläßig sei; es ist daher nicht denkbar, daß man dennoch gleichzeitig über die Anwendung eines solchen Gesezes habe endgültig entscheiden wollen.

Auf diesem formellen Boden muß daher Rekurrent abgewiesen werden. Es ist aber nach der Natur der Sache und nach dem chronologischen Verlaufe der Verhandlungen der gegenwärtige Rekurs materiell so zu behandeln, als sei er unmittelbar gegen unsern Entscheid vom 8. Januar 1872 und mittelbar gegen den Entscheid des Obergerichtes des Kantons Zug vom 13. November 1871 gerichtet.

Von diesem Standpunkte aus können
wir uns auf die Bemerkung beschränken, daß wir aus den in unserm Entscheide entwikelten Gründen annehmen, die Bundesversammlung sei auch heute nicht im Falle, auf die Beschwerde des Rekurrenten einzutreten. Die Gründe sind wesentlich die gleichen, die schon in unserm Berichtevom 21. Juni 187J enthalten sind, und da der Entscheid der Bun-

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desversammluns; mit unsern Beschlüssen übereinstimmte, so sind.

wir zu dei' Annahme berechtigt, daß sie es auch mit den Vordersäzen gewesen sei. Allerdings hat damals das Verfahren des Obergerichtes von Zug bezüglich des Revisionsbegehrens von Bossard noch nicht der Prüfung der Bundesversammlung unterlegen; allein das Princip für den Entscheid der leztern ist dasselbe und es muß daher auch die neue Beschwerde aus den gleichen Gesichtspunkten abgewiesen werden.

Indessen müssen wir beifügen, daß wir abermals voraussezen, es werde das Obergericht des Kantons Zug, wie es in dem lezten Berichte in Aussicht stellt, ein neues Revisionsgesuch des Bossard an die Hand nehmen und nach den Vorschriften des ,,Revisionsmodusa möglichst genau prüfen, um die Revision des Strafprozesses zu gewähren, wenn sich ergeben sollte, daß die von dem Petenten beizubringenden Nova muthmaßlich ein anderes Urtheil bewirkt hätten, wenn sie schon früher bekannt gewesen wären. In dieser Weise wird der Petent dazu kommen, die neuen Beweise zu produziren, die im ersten Revisionsverfahren bei Seite gelegt wurden.

Dieses leztere Verfahren scheint uns keineswegs gerechtfertigt zu sein, da das erste Revisionsbegehren an die richtige Adresse kam und der Nachtrag dazu von der zur Prüfung niedergesezten Kommission ganz wohl hätte mitgeprüft werden können. Indeß kann aus dieser Unterlassung nicht die Nichtigkeit des Entscheides über den geprüften Theil des Revisionsmateriales folgen. Dagegen ist zu hoffen, daß endlich Bossard sein sämmtliches Material gehörig gesammelt an die richtige Adresse eingeben und daß der Gerichtshof dasselbe mit dem der S a c h e gebührenden Ernste prüfen werde.

Für die Bundesbehörden wird dieses Geschäft mit der zu treffenden Schlußnahme hoffentlich aus Abschied und Traktanden fallen.

Genehmigen Sie, Tit., die Versicherung unserer ausgezeichneten Hochachtung.

B e r n , den 3. November 1873.

Im Namen des Schweiz. Bundesrathes, Der Vizepräsident: Ceresole.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Schiess.

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Bericht des Bundesrathes an die hohe Bundesversammlung in Sachen des Alois Bossard, ehemaligen Generaleinzügers von Zug. (Vom 3. November 1873.)

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22.11.1873

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