889

# S T #

Bericht des

Schweiz. Konsuls in St. Louis (Hrn. C. F. Mathey von Lode über das Jahr 1872.

(Vom 25. Februar 1873.)

An den hohen Schweiz. Bundesrath.

Tit. !

Mit Gegenwärtigem habe ich die, Ehre, Ihnen meinen fünften Jahresbericht zu übersenden, und es gereicht mir zur großen Genugthuung, im Stande zu sein, Ihnen auch dieses Mal betreffs des wachsenden Wohlstandes von Missouri, insbesondere aber von St.

Louis, günstige Nachrichten geben zu können. Nicht sei hier der Ort, mich betreffs Boden- und climatischer Verhältnisse in Weitläufigkeiten zu ergehen, indem ich Ihnen bereits in meinem ersten, Ihnen für das Jahr 1868 eingesandten Bericht hierüber eingehend geschrieben. In einer möglichst kurzen und genauen Schilderung des Fortschritts in Handel, Bauten etc. beabsichtige ich, Ihnen darzulegen, wie sehr St. Louis und in Folge dessen Missouri berechtigt ist, in Zukunft in diesem Welttheile eine bedeutende Rolle zu spielen.

, Die meisten im Laufe des Jahres 1872 an unserer Börse abgewickelten Geschäfte waren in Getreide und Colonialwaaren, und es hat sich namentlich in ersterer Branche ein großer Aufschwung bemerkbar gemacht. Die Verschiffung an Getreide und Mehl be-

890 trugen 28,895,912 Bushel» gegen 26,093,336 im Jahre vorher. In Getreide allein war die Zunahme größer. 22,595,247 Bushels wurden versandt, während sich die Verschiffungen in 1871 nur auf 18,951,296 beliefen. Die Zunahme wäre bedeutend größer gewesen, wenn die Verschiffungen von Weizen denen anderer Getreidearten entsprochen hätten. Es ist dieses die einzige Geschäftsbranche, in der eine Abnahme stattgefunden. Die Ursache dieser Verminderung ist wohl nur in dem schlechten Ausfall der Wintersaat von Kansas und Nebraska zu suchen, Staaten, von denen St. Louis den größten Theil ihres Weizens bezieht. In unserem Staate betrug die Weizenernte circa 40°/o weniger als im Jahr 1871.

In Mehl ist die Nachfrage und in Folge dessen die Ausfuhr größer gewesen als im Jahr 1871, obgleich nicht soviel wie damals fabricirt wurde. St. Louis erfreut sich betreffs dieses Artikels eines außerordentlich guten Rufes, so daß selbst Händler und Fabrikanten anderer Staaten, um ihre Waaren besser umsetzen zu können, den Fässern Namen St. Louiser Firmen einbrcnnen. Der durchschnittliche Ertrag der hiesigen Mühlen ist 10,240 Fässer täglich, den Tag zu 24 Stunden gerechnet, und es könnte nöthigen Falles die Fabrikation noch vergrößert werden.

Ueberaus günstig war der Handel in Schweinefleisch, 4,782,403 Schweine wurden in den hiesigen Schlachthäusern consumirt (gegen 3,623,404 in 1871). Verschifft wurden 187,609,300 Pfund, wovon der größte Theil nach der Pacific-Küste und dem Süden, während circa 10,000,000 Pfund nach fremden Häfen, insbesondere nach Liverpool gingen. Die Aufträge von fremden Häfen waren größer, konnten aber wegen der allzu hohen Frachtraten leider nicht alle ausgeführt werden.

Der Viehhandel war dem in Schweinefleisch ziemlich gleich.

Ich will hiervon jedoch nur bemerken, daß 263,404 Stück Rindvieh und 115,904 Schafe ankamen und 164,870 Stück Rindvieh und 29,540 Schafe verschifft wurden.

Die Aussichten im Baumwollenhandel sind die günstigsten.

16,706 Ballen kamen in Markt (circa 10,000 Ballen im Jahre vorher). Die Nachfrage war sehr groß, und ich glaube, es erfordert nur Zeit und Ausdauer, um unsere Stadt in dieser Branche zum größten Binnenmärkte der Vereinigten Staaten zu machen.

Ebenfalls waren die Geschäfte in Tabak, Häuten, Hanf und Säcken befriegend. Es würde mich jedoch zu weit fuhren, Urnen Eingehenderes hierüber mitzutheilen. In Kürze will ich Ihnen hier nur einen Auszug der Verschiffungslisten geben.

891 Es kamen in Markt 12,676 Hogshead-Tabak, verkauft wurden 9137 Bushels.

Groß war das Geschäft in Häuten. In Folge des Bostoner Feuers stiegen die Preise circa 5 "/o. 161,902 Häute und 56,703 Ballen wurden verschifft -- 112,675 Häute und 31,092 Ballen im Jahr 1871.

Die Ausfuhr von Hanf betrug 20,790 Ballen (circa 15,292 in 1871), in Säcken 89,801 Stück (gegen 77,800 Stück im Jahre vorher).

Im Bauliolzhandel wird St. Louis Chicago nie überflügeln. Große Quantitäten Bauholz werden hier zwar verbraucht ; der größte Theil hievon muß jedoch von nördlichen Staaten importirt werden, da der .Staat Missouri, obgleich er große Waldungen von Cedern, Pappeln und Gelbfichten besitzt, an sonstigem Bauholz Mangel leidet.

Unsere Eisenindustrie ist noch in der Kindheit, hat ober trotzdem schon riesige Dimensionen angenommen. In dieser Branche, sowie in Steinkolilen, verspricht Missouri ein zweites Pennsylvanien zu werden.

Die ihrer Vollendung sich nahende Missisippibrücke verspricht ein wahres Meisterstück von Baukunst zu werden; man hofft, die selbe noch bis zum 1. September d. J. dem Verkehr übergeben zu können. Sie .und die vierzehn Eisenbahnlinien, mit denen St. Louis bereits in Verbindung ist, werden ihr Möglichstes beitragen, Missouri in nicht allzu ferner Zeit zu einem wohlhabenden und volkreichen Staate zu machen.

Während des verflossenen Jahres wurden hier 1559 neue Bauten ausgeführt zu einem Preise von $ 6,765,375. Viele von ihnen hatten große Dimensionen; und ihr Styl nebst ihren architectonischen Verzierungen bewiesen, daß es uns an guten Baumeistern durchaus nicht mangelt. -- Da ich gerade von Bauten spreche, verfehle ich nicht, Ihnen die Gründungen sogenannter Hausbaugesellschaf'ten anzuempfehlen; es existiren hier circa fünf, und ihr Zweck ist die Erbauung billiger, praktischer und gesunder Wohnungen. Mir sind wenige Institute bekannt, die eine sicherere Capitalanlage gewähren und der Menschheit von größerem Nutzen sind, als diese Gesellschaften. Das älteste der hiesigen Institute dieser Art ist die ,,St. Louis Hausbaugesellschaft auf Gegenseitigkeita (St. Louis Mutual House Building Company); sie wurde -vor ungefähr dreizehn Jahren gegrimdrt und verfügt über ein Capital von fast einer halben Million.

892 Die Zunahme der schweizerischen Bevölkerung dieser Stadt zeigte die Nothwendigkeit einer Hilfsgesellschaft, um unseren bedürftigen Landsleuten mit Rath und That zur Seite zu stehen. Eine-solche ist in letzter Zeit in's Leben getreten, welche, wie ich hoffe, ihren Zweck erfüllen und Gutes leisten wird.

Abermals sehe ich mich genöthigt, Sie zu bitten, die Einwanderung aus der Schweiz nach ländlichen Districten zu lenken und schon dort die Auswanderer vor Niederlassung in großen Städten zu warnen, da die Lage derselben dort oft bedauernswert!! ist. Mit der Sprache und den Sitten des Landes nicht bekannt, ist es ihnen selten .möglich, Beschäftigung zu finden, und sie sind daher oft gänzlich auf die Mildherzigkeit ihrer Landsleute angewiesen. Es ist aber eine Sache der Unmöglichkeit, allen diesen Leuten zu helfen.

Ueberhaupt sollten nur Leute nach hier auswandern, die körperlich zu arbeiten im Stande sind, d. h. sich entweder als Handwerker oder Ackerbauer ernähren können ; diese Klasse von Leuten haben, so sie mit der nöthigen Energie zu Werke gehen und sich in ländlichen Gegenden niederlassen, eine sichere Zukunft hier vor sich.

Anders verhält es sich mit jungen Kaufleuten, von denen die Vereinigten Staaten fast überschwemmt werden. Diese haben, selbst wenn sie gute und gründliche Kenntnisse besitzen, selten das Glück, zu Stellen zu kommen; junge Leute, die hier geboren sind, werden in Geschäften meistens bevorzugt.

-333ÇVSS»-«

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Bericht des Schweiz. Konsuls in St. Louis (Hrn. C. F. Mathey von Locle) über das Jahr 1872. (Vom 25. Februar 1873.)

In

Bundesblatt

Dans

Feuille fédérale

In

Foglio federale

Jahr

1873

Année Anno Band

3

Volume Volume Heft

44

Cahier Numero Geschäftsnummer

---

Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

04.10.1873

Date Data Seite

889-892

Page Pagina Ref. No

10 007 887

Das Dokument wurde durch das Schweizerische Bundesarchiv digitalisiert.

Le document a été digitalisé par les. Archives Fédérales Suisses.

Il documento è stato digitalizzato dell'Archivio federale svizzero.