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Bundesrathsbeschluss über

den Rekurs des Hrn. Andreas B a u m a n n , von Silenen, betreffend Verfassungsverlezung durch Amtszwang.

(Vom 10. April 1873.)

Der schweizerische Bundesrath hat in Sachen des Herrn A n d r e a s B a u m a n n , von Silenen, Kts. Uri, betreffend Verfassungsverlezung durch Amtszwang; nach angehörtem Berichte des Justiz- und Polizeidepartements und nach Einsicht der Akten, woraus; sich ergeben: I. Im Juni 1872 wurde der Rekurrent von der Gemeinde Silenen, Kantons Uri, zum Gemeindepräsidenten und Dorfvogt, gewählt. Er leimte jedoch die Wahl ab, allein mit Beschluß der Regierung des Kantons Uri vom 25. November 1872 wurde, gestüzt auf den § 8 des Gesezes über c en Amtszwang, verfügt, daß er jene Beamtungen anzunehmen oder sogleich die Gemeinde Silenen zu verlassen habe. Im Falle weder dns Eine noch das Andere geschehe, sei der Gemeinderath ermächtigt, die entsprechenden amtlichen Funktionen auf Kosten und Verantwortlichkeit des Baumann verwalten zu lassen, bis er die Gemeinde verlassen haben werde.

Da der Rekurrent auf seiner Ablehnung beharrte, so wurde im Dezember 1872 der erwähnten Androhung Folge gegeben.

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IL-(.uteri Baumann rekurrirte anden Landrath von Uri und verlangte,, gestüzt .auf Art. 18 der kantonalen Verfassung und auf die §§ 5: und 6. des Gesezes über den Amtszwang, die Entlassung von-der fraglichenStelle und die Aufhebung der Verfügung der Regierung, vom 25. November 1872. Er sei von 1862 an stets und meistentheils gleichzeitig mit mehreren unentgeltlichen Bezirksund Gemeindebeamtung belastet gewesen, und habe irrt Jahr 1870 namentlich auch die Stelle eines Vizepräsidenten des Gemeinderathes von Silenen bekleidet. .In Folge dessen könne er zur, Uebernahme eines neuen Amtes nicht angehalten werden, zumal er .durch eia solches in seinem Privatgeschäfte, das seine volle Thätigkeit in Anspruch nehme, empfindlichen Schaden erleiden müßte.

Der Landrath von Uri wies jedoch am 28. Dezember 1872, unter Bestätigung des Beschlusses der Regierung, den Rekurs als unbegründet ab.

III. Mit Eingabe vom 24. Januar 1873 beschwerte sich nun Herr Fürsprecher Dr. Joh. Winkler in Luzern, Namens des Herrn Baumann, bei dem Bundesrathe und führte zur Begründung an : Der gegen Baumann ausgeübte Amtszwang sei im Widerspruche mit dem Art. 18 der Kantonsverfassung, indem dieser Artikel eine zwekmäßige Vertheilung der Lasten und Beschwerden von Beamtungen in Aussicht nehme. Jedenfalls aber sei die Art und Weise, wie der Amtszwang gegen ihn exequirt werden wolle, willkürlich und somit unstatthaft, weil im Geseze nicht vorgesehen. Rekurrent werde dadurch in eine Situation gesezt, die seinen vollständigen ökonomischen Ruin zur Folge haben könnte: Es qualifizir sich das gegen ihn beobachtete Verfahren als ein Eingriff in seine persönliche Freiheit und Rechtssphäre, somit als eine Verlezung des Art, 13 : der "Verfassung von Uri, sowie der Art. 2 und 5 der Bundesverfassung. .

· IV. Die Regierung des Kantons Uri trug in ihrer Antwort vom 24. März a. c. auf Abweisung der Rekursbeschwerde an, indem sie Folgendes geltend machte: . · Gemäß Art. 18 der kantonalen Verfassung gelte für die Beamtungen welche durch Volkswahl oder durch den Landrath übertragen werden, im Kanton -der Amtszwang als.Prinzip. Sonach könne von einer Verlezung der Verfassung-nicht die Rede sein.

In dem. gleichen Art., 18 werden dann allerdings Vorschriften zur Beschränkung des Amtszwanges vorgesehen und die Aufstellung dieser ,Vorschriften der .Gesezgebung übertragen. Die Anwendung des daherigen Gesezes vom, 4. .Mai;18,51,: sei aber ausschliesslich Sache der kantonalen Behörden; der Bund könne hierüber keine

827 Kontrolc ausüben, da nicht behauptet worden sei, daß dieses Gesez selbst im Widerspruche mit der Verfassung stehe. Uebrigens sei in § 5 desselben vorgeschrieben, daß derjenige, welcher eine Wahl nicht annehmen zu müssen glaube, bei der nächsten Versammlung der Wahlbehörde um Entlassung einkommen könne, inzwischen aber sein Amt fortzuführen verpflichtet sei. Der Rekurrent habe aber diesen Weg nicht eingeschlagen, obwohl seit seiner Wahl mehrere ordentliche Gemeindeversammlungen abgehalten worden seien. Es habe; daher sein Rekurs an den Landrath schon aus formellen Gründen abgewiesen werden müssen.

Die Vollziehung der provisorischeu Besorgung des Amtes sei durch die Urnstände geboten gewesen, indem die Funktionen des Gemeindepräsidenten nicht haben suspendirt werden können und der Rekurrent dennoch seinen Wohnsiz in Silenen beibehalten habe.

Zum Erlaß einer bezüglichen Vollziehungsverordnung sei die Regierung zuständig gewesen (Art. 58 und 60 der Verfassung), und es sei auch die fragliche Verfügung selbst dem § 8 des Gesezes über den Amtszwang durchaus konform. Es könne hier von einer Beeinträchtigung der persönlichen Freiheit des Rekurrenten nicht, gesprochen werden, ansonst jede Vollziehung gegen Personen unmöglich würde, und hiemit der Grundsaz des Amtszwanges dahinfallen müßte.

In E r w ä g u n g : 1) Der Art. 18 der Verfassung des Kantons Uri erklärt sämmtliche Bürger als pflichtig, jede Beamtung die ihnen durch unmittelbare Volkswahl übertragen wird, anzunehmen und wenigstens eine volle Amtsdauer zu versehen.

2) In Uebereinstimmung mit dieser VerfassungVorschrift wird in Art. 7 und 8 des Gesezes über den Amtszwang näher erklärt, wer sich der Amts Verweigerung schuldig mache und welche Folge diese Weigerung nach sich ziehe.

Rekurrent befindet sich in diesem Falle und muß sich daher den gesezlich Vorschriften fugen, worüber er sich um so weniger zu beklagen hat, da er von der Fakultät, welche ihm der Art. 5 des besagten Gesezes einräumt, keinen Gebrauch gemacht hat.

3) Ob der Landrath mit Rüksicht auf die durch den Rekurrenten schon früher bekleideten Aemter und auf seine Lebensstellung überhaupt seinem Gesuche hätte entsprechen sollen, ist hierorts nicht zu beurtheilen; das Gesez selbst stellt jener Behörde anheim, solche Entlassungsgesuche nach Billigkeit zu entscheiden.

828 4) Unter diesen Umstanden kann von einer Verlezung des Art. 13 der Verfassung des Kantons Uri, der hier überhaupt nicht zutrifft, keine Rede sein. Auch die Art. 2 und 5 der Bundesverfassung, die nur allgemeine Grundsaze aufstellen, finden nach dem bereits Angebrachten hier keine Anwendung (vergi. Ullmer, Bd. II, Nr. 1136); beschlossen.

1. Es sei der Rekurs als unbegründet abgewiesen 2. Sei dieser Beschluß der Regierung des Kantons Uri, sowie dem Herrn Fürsprecher Dr. Job. Winkler in Luzern, als Anwalt und zuhanden des Rekurrenten, unter Rukschluß der Akten mitzutheilen.

Also beschlossen, Bern, den 10. April 1873.

Im Namen des Schweiz. Bundesrathes Der Bundespräsident

Ceresole.

Der Kanzler der EidgenossenschaftSchiess.

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Botschaft des

Bundesrathes an die hohe Bundesversammlung, betreffend die Ergänzung des Art. 19 im Geseze vom 19. Juli 1872 über die eidgenössischen Wahlen und Abstimmungen.

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(Vom 6. Juni 1873.)

T i t. !

Bei Anlaß der Prüfung der bestri ttenen Wahlen in den Nationalrath wurde von demselben folgendes Postulat angenommen: ,,Der Bundesrath ist eingeladen, die Frage in Erwägung zu ziehen, ob es nicht zur Herstellung eines überall gleichmäßigen Verfahrens erforderlich wäre, den Art. 19 des Gcsezes vom 19. Juli 1872, betreffend die eidgenössischen Wahlen und Abstimmungen durch eine besondere Vorschrift über Behandlung derjenigen Stimmzedel, welche weniger !

Namen tragen als Stellen zu besezen sind, angemessen zu ergänzen und hierüber Bericht und Antrag vorzulegen.

Um die nöthigen Materialien zur richtigen Erledigung dieser Angelegenheit zu erhalten, ersuchte der Bundesrath sämmtliche eidgenössische Stände um Berichterstattung über ihr Verfahren, sowie um eine Ansichtsäußerung darüber, welches Verfahren ihnen ala das der Wahrheit des Wahlaktes entsprechende erscheine. .

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Bundesrathsbeschluss über den Rekurs des Hrn. Andreas Baumann, von Silenen, betreffend Verfassungsverlezung durch Amtszwang. (Vom 10. April 1873.)

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28.06.1873

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