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Bericht des

Bundesrathes an die Bundesversammlung, betreffend den Rekurs von Herrn Dr. Amadeo Maggetti in Ascona (Tessin) vom 31. August 1886 in Fischereisachen.

(Vom 16. November 1886.)

Tit.

Unterm 18. Dezember 1885 hat das Friedensrichteramt des Kreises Locamo Rekurs eingelegt gegen einen Beschluß des Staatsrathes des Kantons Tessin in Fischereisachen.

Der Fall ist nach den vorliegenden Akten folgender : Den 6. November 1883 verzeigten zwei in Locamo stationirte Landjäger dem genannten Friedensrichter den Domenico und den Benedetto Zurini, beide von Tegna, als auf frischer That betroffene Fischfrevler, und übergaben dem Amte zugleich 12 kg. Forellen, welche sie den Verzeigten abgenommen hatten.

Am 8. November hoben genannte Landjäger, auf erhaltenen Befehl, die sogenannte cassa, welche zum Fischfang benutzt worden war, aus der Maggia und brachten sie auf den Landjägerposten.

Auf den 10. November vor den Friedensrichter geladen, bekannten die beiden Zurini die That, deren sie beschuldigt waren, deponirten ferner, daß sie schon den 3. November mit dem Fischfang begonnen, auch das Gesetz gekannt hätten, welches den Fang der Forellen zu dieser Zeit verbiete, und fügten bei, daß sie ihre Auftraggeber, die Herren Maggetti in Intragna, auf das Gesetz aufmerksam gemacht, daß diese ihnen aber dessenungeachtet befohlen hätten, die Arbeit vorzunehmen.

902 Den 11. November begib sich der Friedensrichter an den Ort, wo die Vorrichtung zur Fischerei errichtet war, und stellte fest: 1) daß das Gitter (graticcia) noch vorhanden war, und am gleichen Tage noch Forellen in demselben gefangen worden waren ; 2) daß die Maggia quer von einem zum andern Ufer mit Holzblöcken, Verpfähl ungen, Faschinen und Mauern gesperrt war, mit Ausnahme eines kleinen Seitenwassers am Jiuken Ufer.

Der Zug der Fische flußaufwärts war dadurch vollständig unterbrochen, während alle flußabwärts ziehenden in die cassa oder auf das Gitter fielen und gefangen wurden.

Um von der Vorrichtung zum Fischfang (peschiera) eine deutliche Darstellung bei den Akten zu haben, ließ der Friedensrichter einen Plan derselben aufnehmen, von welchem eine Kopie bei den Akten liegt. Er ließ sodann das Gitter und die ganze Vorrichtung zur Fischerei entfernen und verfällte die Zurini unterm 16. November, gestützt auf -- wie im Urtheil gesagt ist -- das eidgen. Gesetz vom 8. November 1882 (welches Datum aber demjenigen der Fischerei-Uehereinkunft mit Italien und nicht demjenigen des Buudesgesetzes über Fischerei entspricht) und speziell auf Art. X desselben : 1) solidarisch in eine Buße von Fr. 15 jeden; 2) ebenfalls solidarisch in die Gerichtsspesen von Fr. 14. 81, sowie in die Spesen der Abtragung der Bauten (sponde) in Verlängerung der Fischereivorrichtung.

Fr. 12 als Erlös der den Fischern abgenommenen und verkauften Fische wurden zu Gunsten der Frevler verrechnet.

Unterm 27. November 1883 beschwerten sich die Zurini, sowie auch der Mitbesitzer der Fischerei, Dr. Amadeo Maggetti in Ascona, beim Staatsratli über obiges Urtheil, mit dem Gesuch um Aufhebung desselben. Diesem Gesuch entsprach die Regierung mit Beschluß vom 4. Dezember gleichen Jahres, gestützt unter Anderem darauf, daß in vorliegendem Falle nicht die vom Friedensrichter allegirte Fischereiübereinkunft mit Italien, sondern das Bundesgesetz über die Fischerei anzuwenden sei, und daß laut iliesem (Art. 8) die Schonzeit erst den 10. November beginne, die angebliche Uebertretung aber schon den 6. desselben Monats stattgefunden habe.

Auf die Kassation seines Urthcils seitens des Staatsrathes hin wandte sich der Friedensrichter von Locamo auf dem Wege des Rekurses au den Großen Rath, wurde aber von diesem abgewiesen, weil ein Friedensrichter nicht befugt sei, gegen einen Beschluß einer höhern Instanz zu rekurriren.

903 Der Bundesrath hat sich, nachdem der eingangs erwähnte Rekurs des Friedensrichters bei ihm eingelangt war, mit Schreiben vom 1. Juni an den tessinischen Staatsrath gewendet, demselben vom Rekurse Kenntniß gegeben, zugleich aber auch Folgendes mitgetheilt : ,,Der Bundesrath erachte sich im Hinblick auf Art. 59, Ziff. 8, des Bundesgesetzes vom 27. Juni 1874 über die Organisation der Bundesrechtspflege als kompetent, über die vorliegende Rekursbeschwerde zu urtheilen. Er halte auch bestehender Praxis gemäß den Rekurskläger, das Friedensrichteramt Locamo, für formell zur Anhebung der Beschwerde berechtigt.

,,Wenn er deßhalb in die Prüfung des vorliegenden Rekurses materiell eintrete, so wolle er immerhin nicht unterlassen, dem Staatsrathe von vorneherein darin beizupflichten, daß nicht die internationale Uebereinkunft von 1882, sondern des Bundesgesetz von 1875 über die Fischerei zur Anwendung kommen müsse. Dagegen müsse auf einen Irrthum aufmerksam gemacht werden, in dem der Staatsrath bei Beschlußfassung vom 4. Dezember 1883 befangen gewesen sei und ohne welchen er unzweifelhaft zu einem andern Schlüsse gekommen wäre.

,,Art. 8 des Buudesgesetzes vom 18. September 1875 über die Fischerei enthalte nämlich in der e r s t e n Auflage der italienischen Uebersetzung den Druckfehler, daß der Beginn der Schonzeit auf den 10. November verlegt werde, während dieselbe nach dem richtigen Geseteestexte mit 10. O k t o b e r anfange.

,,Der Staatsrath mosse offenbar bei seiner Beschlußfassung diese irrthümliche Ausgabe vor sich gehabt haben. Dieser Urnstand sei allerdings bedauerlich und man bitte, die noch vorhandenen Exemplare der ersten Ausgabe des fraglichen Gesetzes an der erwähnten Stelle korrigiren oder aber sich in Zukunft nur an die b e r i c h t i g t e Ausgabe halten zu wollen. Von letzterer seien der tessinischen Staatskanzlei von der Druckerei Veladini in Lugano unterm 21. N o v e m b e r 1877 500 Exemplare zugestellt worden. Dieselben tragen die ausdrückliche Bezeichnung: ,, E d i z i o n e re t ti ficata.a ,,Angesichts der irrthümlichen Grundlage des Staatsrath lieh en Kassationsentscheides vom 4. Dezember 1883 in Sachen Zurini ersuche man den Staatsrath, auf denselben zurückzukommen. Dabei überlasse man es-ihm, diejenige Form zu finden, die er zu beförderlichster Herstellung einer richtigen, das Gesetz berücksichtigenden Sentenz in Sachen des Fischereifrevels der Zurini als zweckdienlich erachte.

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flDer Bundesrath halte es für angemessen, bevor er eine definitive Schlußnahme in dieser Angelegenheit fasse, obige Einladung; an den Staatsrath ergehen zu lassen und gewärtige gerne dessen beförderlichen Bericht über die von ihm in Sachen getroffene Verfügung tt Nachdem sodann die Regierung von Tessin unterm 15. Juni erklärt hatte, sie stelle es dem Bundesvalh anheim, in Sachen des vorliegenden Rekurses einen endgültigen Entscheid zu fassen, da ein diesbezüglicher großräthlicher Beschluß bestehe, dessen Aufhebung außer ihrer Kompetenz liege, wurde unterm 20. Juli, gestützt auf Art. 102, Ziff. 2, der Bundesverfassung und Art. 59, Ziff. 8, des Organisationsgesetzes über die Bundesrechtspflege beschlossen*) : 1) Der auf einem offenbaren Irrthum beruhende Beschluß de* Tessiner Staatsrathes vom 4. Dezember 1883, wodurch da* oberwähnte friedensrichterliche Erkenntniß kassirt wurde, sowie derjenige des tessinischen Großen Käthes vom 20. November 1885, wodurch der Rekurrent mit seiner Beschwerde aus formellen Gründen abgewiesen wurde, sind aufgehoben.

2) Auf die vom Rekurrenten formulirten Begehren zivilrechtlicher Natur (Aberkennung der Entschädigungsansprüche der Zurini gegen ihn und Zuerkennung einer Kostenersatzsumme von Fr. 60) wird nicht eingetreten.

Mit Zuschrift vom 27. August zeigte Herr Dr. Amadeo Maggetti dem Bundesrath an, daß er für sich und Mitinteressenten gegen letzterwähnten Beschluß nächstens Rekurs einreichen werde und ersuchte um Suspension der Vollziehung, worauf ihm unterm 31. August erwidert wurde, daß gegen denselben nur noch an die Bundesversammlung rekurrirt werden könne und der Bundesrath nach Eingang des Rekurses über die Suspensionsfrage beschließen werde.

Dies letztere geschah mit Beschluß vom 2. November im Sinne der Bewilligung der Suspension, nachdem die Rekursschrift unterm 3. September eingegangen war.

Diese schließt dahin : 1) Es möge dem Bundesrath gefallen, auf seinen Beschluß vom 20. Juli 1886 zurückzukommen; in zweiter Linie, wenn dies nicht thunlich wäre : 2) es möchte genannter Beschluß von der Bundesversammlung aufgehoben und die Beurtheilung des vorliegenden Falles der *) Siehe Beilage: obgedachten Bnndesrathsbeschluß.

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kantonalen, als der allein kompetenten Behörde (autorità cantonale) in letzter Instanz überwiesen werden; 3) der Bundesrath wolle, im Einverständniß mit der kantonalen Regierung, das Gesuch um eine billige Entschädigung für den Schaden, den Rekurreat durch die Bestimmungen des Bundesgesetzes über die Fischerei und die betreffenden kantonalen Gesetze erlitten, in Erwägung ziehen, indem durch dieselben das Fischereirecht verringert, ja faktisch ganz aufgehoben werde, während es durch das erwähnte Bundesgesetz selbst ausdrücklich vorbehalten sei.

Was das unter 1) gestellte Gesuch betrifft, so sehen wir uns nicht veranlaßt, auf unsero unterm 20. Juli 1886 gefaßten Beschluß ·zurückzukommen, und es werden daher die hohen eidgenössischen Käthe über das unter 2) gestellte Verlangen des Rekurrenten auf Kassation unseres Beschlusses zu entscheiden haben.

Das unter 3) enthaltene Gesuch werden wir prüfen, nachdem die hoheu eidgenössischen Räthe über das zweite Begehren entschieden haben werden.

Auf die Rekursschrift selbst hier näher einzutreten, finden wir nach obiger ausführlicher Berichterstattung nicht für nothwendig; nur erlauben wir uns noch zu bemerken, daß wir den Staatsrath von Tessin als Kassationsbehörde bezüglich strafgerichtlicher, in Vollzug von Bundesgesetzen und somit auch des Bundesgesetzes über die Fischerei erlassener Urtheile nicht anerkennen können, und verweisen diesfalls auf den bundesräthlichen Geschäftsbericht pro 1878 (Bundesbl. 1879, II, 195), laut welchem dem Art. 16 der kantonalen Vollziehungsverordnung vom 28. Juli 1876 zum Bundesgesetz über Jagd und Vogelschutz, insoweit der Staatsrath als Kassationshof für die von den Friedensrichtern verhängten Strafen für Uebertretungen in Jagdsaehen aufgestellt worden war, durch Bundesrathsbesehluß vom 20. Juli 1878 die Genehmigung auf den 31. Dezember 1878 entzogen wurde. Auf Ansuchen Tessins haben wir zwar die Inkrafttretung obigen Beschlusses suspendirt, indessen wurde dann vom Großen Rathe ein Dekret angenommen, welches dem kantonalen Obergericht die Entscheidung von Rekursen als oberster Instanz überträgt. (B. B. 1880, II, 155 und 1881, II, 67.)

Wir b e a n t r a g e n : Es sei Herr Dr. Amadeo Maggetti mit seinem Rekurse abzuweisen.

906 Wir benützen diesen Anlaß, Sie, Tit., unserer vollkommensten Hochachtung zu versichern.

B e r n , den 16. November 1886.

Im Namen des Schweiz. Bundesrathes, Der Bundespräsident: Deucher.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft · O

Ringier.

«.

Beilage.

Bundesrathsbeschluß in

Sachen des Rekurses des Herrn Dr. Amadeo Maggetti in Ascona (Tessin).

(Vom 20. Juli 1886.)

Der schweizerische Bundesrath hat in der Angelegenheit des Friedensrichteramtes Locamo, bezüglich eines Entscheides der Kantonsregierung von Tessia vom 4. Dezember 1883 und des Großen Rathes von Tessin vom 20. November 1885, betreffend Kassation des friedensrichterlichen Strafurlheils vom 16. November 1883 gegen die des Fischereifrevels schuldigen Domenico und Benedetto Zurini von Tegna, Kantons Tessin, folgende Thatsachen festgestellt: 1) Der Friedensrichter von Locamo hat durch Urtheil vom 16. November 1883 die gewissen Domenico und Benedetto Zurini

907 von Tegna, weil sie vom 3. bis 8. November 1883 in der Maggia gefischt hatten, in Anwendung der internationalen Ueberdnkunft zwischen der Schweiz und Italien vom 8. November 1882, betreffend die Fischerei in, den beiden Staaten angehörenden Gewässern, solidarisch in eine Buße von je Fr. 15, sowie zur Bezahlung der Kosten des Gerichtsverfahrens und der Kosten der Abtragung der Fischereivorriehtung verfällt.

Fr. 12 als Erlös aus den den Frevlern abgenommenen Fischen wurden zu Gunsten der Verurtheilten verrechnet.

2) Auf eine bezügliche Rekursbeschwerde der Zurini kassirte der Staatsrath des Kantons Tessin das friedensrichterliche Urtheil, wesentlich auf das Motiv gestützt, daß nicht die schweizerischitalienische Fischereikonvention vom 8. November 1882, sondern, falls wirklich eine Uebertretung vorliege, das schweizerische Bundesgesetz über die Fischerei vom 18. September 1875 zur Anwendung komme, welch1 letzteres aber in Art. 8 den Fischfang vom 10. N o v e m b e r bis 2ü: Januar verbiete.

3) Gegen dieses Kassationserkenntriiß des Tessiner Staatsratb.es wandte sich unterm 17. Dezember 1883 der Friedensrichter von Locamo im Rekurswege an den tessinischen Großen Rath; er wurde aber mit seinem Kassationsbegehren durch Beschluß vom 20. November 1885 abgewiesen, weil ein Friedensrichter nicht befugt sei, gegen eineu Beschluß der höhern Instanz zu rekurriren.

4) Mittelst Rekursschrift vom 18. Dezember 1885 stellte hierauf der Friedensrichter von Locamo beim Bundesrathe das Begehren, es möaren die Entscheide der tessinischen Behörden vom 4. Dezember O 1883 und vom 20. November 1885 aufgehoben und demzufolge erklärt werden, es schulde der Friedensrichter von Locamo den verurtheilten Zurini keinerlei Entschädigung, dagegen seien ihm, dem Friedensrichter, die dieser Administrativstreitigkeit wegen ergangenen Kosten im Betrage von Fr. 60 zu ersetzen.

5) Vom Bundesrathe in einem Sehreiben vom 1. Juni 1886 aufmerksam gemacht, daß das Bundesgesetz über die Fischerei vom 18. September 1875 in Art 8 die Schonzeit vom 10. O k t o b e r und nicht erst vom 10. November an beginnen lasse, anerkennt der Staatsrath in seiner Antwort vom 15. Juni 1886, daß er sieh bei seinem Entscheide vom 4. Dezember 1883 im Irrthume befunden habe, und eröffnet, daß er keinen Anstand nehmen würde, deu Entscheid als null und
niehtig zu erklären, wenn derselbe nicht vom Großen Rathe genehmigt wäre. Gegen den Beschluß des Großen Rathes stehe dem Staatsrathe keine abändernde Vorkehr zu. Der Staatsrath gebe es deshalb dem Bundesrathe anheim,

908 gestützt auf Art. 59, Ziff. 8, des Organisationsgesetzes über die Bundesrechtspflege in Sachen einen definitiven Entscheid zu treffen; und hierauf in Erwägung gezogen: a. Der Bundesrath ist gemäß Art. 102, Ziff. 2, der Bundesverfassung befugt, von s i c h aus o d e r auf eingegangene Beschwerde die zur Beobachtung der Bundesvorschriften erforderlichen Verfügungen zu treffen. Zufolge Art. 59, Zift'. 8, des Organisationsgesetzes über die Bundesrechtspflege hat er insbesondere über Beschwerden betreffend die Anwendung der in den Art. 25, 33, 34, 39, 40 und 69 der Bundesverfassung vorgesehenen Bundesgesetze zu urtheilen, also auch über Beschwerden betreffend die Anwendung des Fischereigesel7.es vom 18. September 1875.

Ohne deshalb die Frage, ob der Friedensrichter von Locamo befugt sei, gegen Verfügungen der tessinischen Oberbehörden betreffend das Bundesgesetz über die Fischerei an den Bundesrath zu rekurriren, hierorts in Untersuchung ziehen zu müssen, ist der Bundesrath schon kraft des Art. 102, Ziff. 2, der Bundesverfassung, d. h.

vermöge seines Oberaufsichtsrechtes bezüglich der Handhabungö der O O Bundesgesetze kompetent, die vorliegende Streitfrage materiell zu erledigen.

b. Es ist unbestritten, daß die beiden Zurini sich der Uebertretung von Art. 8 des Bundesgesetzes vom 18. September 1875 schuldig gemacht haben, indem sie zur gesetzlichen Schonzeit in der Maggia Fische gefangen haben; demnach sind sie gemäß Art. 14 des gleichen Gesetzes strafbar und mit einer Buße von Fr. 300--400 zu belegen, welche dem Kanton anheimfällt; ihre Strafbarkeit wird durch den Umstand, daß sie in fremdem Auftrage handelten, nicht aufgehoben, sondern höchstens vermindert; übrigens anerkennen sie, das Gesetz gekannt und ihre Auftraggeber auf dasselbe ausdrücklich aufmerksam gemacht zu haben.

c. Da der Friedensrichter von Locamo gegen die erwähnte Handlung ein Strafurtheil erlassen hat, das sich inner dem Rahmen der gesetzlichen Strafandrohung hält, so kommt es einer Mißachtung des Gesetzes gleich, wenn der Staatsrath beziehungsweise der Große Rath von Tessin dieses Urtheil aufheben, in der irrthümlichen Meinung, der angezogene Art. 8 des Gesetzes laute anders, als er wirklich lautet.

Daß der Friedensrichter sich auf eine in casu nicht anwendbare Bestimmung -- den schweizerisch-italienischen Fischereivertrag von 1882 -- beruft, hätte die Oberbehörden nur veranlaßen sollen, die r i c h t i g e G-esetzesallegation an die Stelle der unrichtigen zu

909 setzen, konnte sie aber nicht berechtigen, das Gesetz selbst, das respektirt werden soll, unangewetidet zu lassen.

ci. Auf die Begehren des Friedensrichters von Locamo betreffend A b ei'kennung von Entschädigungsansprüchen der Zurini gegen ihn und Z u erkennung einer Kostenersatzsuni me von Fr. 60 an ihn kann im staatsrechtlichen Rekursverfahren nicht eingetreten werden.

Demnach wurde vom Bundesrathe e r k a nn t:

1. Die Beschlüsse des Staatsrathes von Tessin vom 4. Dezember 1883 und des Großen Käthes vom 20. November 1885 betreffend das Strafurtheil des Friedensrichteramtes Locamo in Sachen contra die obgenannten D. und B. Zurini vom 16. November 1883 sind aufgehoben.

2. Auf die vom Friedensrichter von Locamo formulirten Begehren zivilrechtlicher Natur kann der Bundesrath als administrative Bundesbehörde nicht eintreten.

3. Dieser Bechluß ist dem Staatsrathe von Tessin, für ihn und zuhanden des Großen ßathes, sowie dem Friedensrichteramt Locamo schriftlich mitzutheilen.

B e r n , den 20. Juli 1886.

Im Namen des Schweiz. Bundesrathes, Der Bundespräsident:

Deucher.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft : Ringier.

Bundesblatt. 38. Jahrg. Bd. III.

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Botschaft des

Bundesrathes an die Bundesversammlung betreffend zwei Zusatzartikel zum Bundesgesetz über Kontrolirung und Garantie des Feingehaltes -der Gold- und Silberwaaren.

(Vom 23. November 1886.)

Tit.

Das Bundesgesetz vom 23. Dezember 1880 betreffend die Kontrolirung und Garantie des Feingehaltes der Gold- und Silberwaaren hat sehr gute Resultate hervorgebracht. Es hat die zahlreichen Mißbräuche, die vorher zu Klagen Anlaß gegeben haben, kurzweg beseitigt, und im Fernern den eidgenössischen Kontroistempel, welcher je länger je mehr geschätzt und verlangt wird , im Ausland vortheilhaft bekannt gemacht; die zunehmende Thätigkeit der Kontrolämter, worüber der Geschäftsbericht jährlich eine Uebersicht bringt, bildet dafür den besten Beweis.

Wenn wir heute mit dem Ansuchen an Sie gelangen, diesem Gesetze zwei Abänderungen oder vielmehr Zusätze beizufügen, so geschieht es, weil im Auslande Vorkommnisse eingetreten sind, die zur Zeit der Ausarbeitung des Gesetzes nicht vorgesehen werden konnten, und ihren Einfluß auf unsere einheimische Fabrikation, welche wesentlich für den Export arbeitet, ausgeübt haben.

Das erste dieser Vorkommnisse hat sich in Deutschland vollzogen. Den 16. Juli 1884 hat der Reichstag ein Reichsgesetz über den Feingehalt der Gold- und Silberwaaren angenommen, aus welchem die Einführung einer amtlichen Feingehaltsbezeichnung

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Bericht des Bundesrathes an die Bundesversammlung, betreffend den Rekurs von Herrn Dr. Amadeo Maggetti in Ascona (Tessin) vom 31. August 1886 in Fischereisachen. (Vom 16.

November 1886.)

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1886

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3

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49

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27.11.1886

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901-910

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