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Bericht des

Bundesrathes über eine Beschwerde des Gottlieb Baumann von Oberentfelden, in Freiburg, betreffend Entschädigung für Verhaftung.

(Vom 15. Dezember 1873.)

Tit.!

Am 29. November d. J. haben Sie uns die Eingabe des Gottlieb B au m a n n von Ober-Entfelden, Kts. Aargau, wohnhaft in Freiburg vom 17. gl.

Mts. zum Berichte überwiesen.

O Indem wir diesem Auftrage hiemit nachkommen, bemerken wir zum voraus, daß wir uns nicht veranlaßt sehen, weder für unsern Entscheid, gegen welchen die Beschwerde des Baumann gerichtet ist, noch zum Zweke des gegenwärtigen Berichtes weitere Erhebungen bei den Behörden des Kantons Freiburg zu machen, weil der Thatbestand durch ein gerichtliches Unheil klar gemacht ist und die Begründung des Rekurses nur auf einer Kritik dieses Urtheils beruht, die nach unserer Ansicht von den Bundesbehörden nicht gewürdigt werden kann, weil eben die ganze Angelegenheit nur gerichtlicher Natur ist.

Der Thatbestand ist nach dem Urtheil des Kantonsgerichtes von Freiburg vom 3. November 1869 folgender: Am 19. Januar 1869 deponirte Friedrich Remund, Pächter zu Uebenwyl, Pfarrei Düdingen, bei dem Oberamte Freiburg eine Anzeige, dahin gehend, daß er am 17. gl. Mts. auf dem Heimwege

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von einem Burschen angegriffen, mißhandelt und beraubt worden sei. Auf spezielles Befragen erklärte Remiind, daß er Verdacht habe auf einen Gottlieb Baumann, wohnhaft in der Au in Freiburg, jedoch könne er es nicht mit Bestimmtheit behaupten.

Nachdem der Herr Oberamtmann durch den Landjäger Borgognon in Erfahrung gebracht, daß Baumann ein unstetes Leben führe, zu jeder Stunde der Nacht ein- und ausgehe, und überhaupt keinen guten Leumund genieße, ließ er diesen am 20. Januar verhaften und eröffnete dia Untersuchung, Nach deren Schluß wurden die Akten der Anklagekammer vorgelegt, welche mit Beschluß vom 10. Februar 1869 den Baumann wegen Mangel an hinreichenden Beweisen von der Anklage befreite und die erlaufenen Kosten dem Fiskus auferlegte. Dagegen wurde ihm wegen der ausgestandenen Präventivhaft keine Entschädigung zugesprochen. Baumann1 erhob daher mit Kundmachung vom S. April 1869 sowohl gegen Friedrich Remuncl, als auch gegen den Staat Freiburg eine Klage, indem er für die willkürliche Verhaftung und die dreiwöchentliche Präventivhaft eine Entschädigung von 600 Franken nebst Zins vom Datum der Klage an bis zur Bezahlung forderte.

Diese Forderung wurde jedoch von der ersten und 'zweiten Instanz als unbegründet abgewiesen. In dem Urtheil des Kantonsgerichtes von Freiburg, datirt vom 3. November 1869, ist diese Abweisung begründet wie folgt: Nach Art. 3SO der Strafprozeßordnung sei zwar der Angeklagte, berechtigt, gegen den Staat und gegen den Anzeiger eine Entschädigungsklage einzuleiten, er habe jedoch im Sinne von Art. 1358 des Zivilgesezbuches zu beweisen, daß ihm durch Verschulden entweder des Klägers oder der Staatsbeamten ein Schaden zugefügt worden sei. Nun sei durch ärztlichen Befund vom 19. Januar 1869 bewiesen, daß Friedrich Remund wirklich angegriffen und schwer mißhandelt worden sei. Der Herr Oberamtmann von Freiburg habe kraft seines Eides infolge der von Friedrich Remund wegen Straßenraub gemachten Anzeige nicht unthätig bleiben können, sondern es sei dessen Pflicht gewesen, den ihm zwar unbestimmt als Thäter bezeichneten Baumann näher zu überwachen und eine Untersuchung gegen ihn einzuleiten. Es sei erwiesen, daß die über Baumann eingeholten Erkundigungen für diesen sehr ungünstig gelautet haben; auch sei Baumann wegen seiner schlechten Aufführung unter polizeilicher Aufsicht
gestanden, und seine Aussagen in der Untersuchung stimmen mit den Angaben der Zeugen nicht immer überein. Endlich habe die Anklagekammer den Baumann. bloß aus Mangel an genügenden Beweisen von der Anklage freigesprochen, somit dessen Unschuld bezweifelt, und aus diesem Grunde diesem keine Entschädigung zugesprochen.

641 Baumann ließ nun diese Angelegenheit beinahe vier Jahre lang liegen, bis er sich veranlaßt sah, sich an uns zu wenden (24. September 1873) und das Gesuch zu stellen, daß wir das Urtheil des Kantonsgerichtes von Freibura; vom 3. November 1869 aufheben o O möchten. Er begründete sein Begehren damit, daß er unschuldig verhaftet worden sei, denn in der Untersuchung habe er das Alibi bewiesen. Er habe daher gemäß Art. 380 der Str. Pr. Ordn. und 1358 des Zivilgesezbuches des Kantons Freiburg einen Anspruch auf Entschädigung. Da er mit dem diesfälligen Ansprüche abgewiesen worden, so seien ihm gegenüber die Art. 4 und 5, Art. 41, Ziff. 4 und Art. 48 der Bundesverfassung verlezt. Er sei als aargauischer Bürger und evangelischer Konfession nicht behandelt worden, wie ein Bürger des Kantons Freiburg im gleichen Falle behandelt worden wäre. Es seien vor und nach seiner Civilklage gegen Friedrich Remund und gegen den Staat Freiburg von Bürgern des Kts. Freiburg ähnliche Civilklagen gegen die Ankläger und den Staat erhoben worden und haben für sie günstige Urtheile erzielt. HieSurch sei der Beweis, daß er ungleich behandelt worden, vollkommen peleistet.

Am 27. September 1873 ist diese Beschwerde uns zum Entscheide vorgelegen. Nach näherer Prüfung mußten wir finden, daß diese Angelegenheit nicht in unsere Kompetenz falle, und daß wir deßhalb auf das gestellte Rechtsbegehren nicht eintreten können.

Die Begründung dieses Entscheides geht dahin : das Strafrecht liege zur Zeit noch ausschließlich in der Kompetenz der Gerichte des betreffenden Kantons. Nun haben die Gerichte des Kantons Freiburg dieser Kompetenz entsprechend die Klage des ßa-umann auf Schadenersaz wearcn ungerechter Verhaftungo untersucht und beurtheilt.

O ö Wenn sie aber gefunden haben, diese Klage sei unbegründet, so könne gegen diesen Entscheid nicht an den Bunderrath rckurrirt werden, weil derselbe weder Appellations- noch Kassationsinstanz gegen Urtheile kantonaler Gerichte sei, welche von leztern innerhalb ihrer Kompetenz erlassen worden.

Gegen diesen Entscheid ist nun die Beschwerde gerichtet, welche Gottlieb Baumann unterm 17. November d. J. der Bundesversammlung eingereicht hat, und worin er das Gesuch stellt, es möchte die Bundesversammlung das Urtheil des Appellationshofes des Standes Freiburg vom 3. Wintermonat 1869 und unsern
Beschluß vom 27. September 1873 aufheben.

Da jedoch der Rekurrent zur Begründung dieses Gesuches keine neuen Gesichtspunkte anzuführen im Falle ist, so sind wir auch unsererseits einer weitern Begründung unsers Entscheides enthoben.

Es genügt auch in der That ein kurzer Einblik in diese AngclegenBundesblatt. Jahrg. XXV. Bd. IV.

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642 heit, um sogleich zu erkennen, daß sie in keiner Weise in die Kompetenz der Bundesbehörden als bloßen Administrativbehörden fallt.

Es handelt sich lediglich um einen zivilrechtlichen Anspruch, der überall vor die Gerichte gehört. Die Entschädigungsklage des Petenten wurde von ihm selbst ganz richtig bei den Gerichten des.

Kantons Freiburg angehoben, und wenn diese fanden, daß der Petent keinen begründeten Anspruch auf Entschädigung habe, so sind die Bundesbehörden, ganz abgesehen davon, ob die Ansicht der freiburgischen Gerichte materiell die richtige sei oder nicht, durch keine bundesrechtlichen Vorschriften befähigt, jene Ansicht einer Kritik zu unterwerfen oder gar die betreffenden Urtheile aufzuheben.

Wir schließen daher mit dem Antrage, es sei auf die Beschwerde des Gottlieb Baumannn nicht einzutreten.

Genehmigen Sie, Tit., die Versicherung unserer vollkommensten Hochachtung.

Bern, den 15. Dezember 1873.

Im Namen des Schweiz. Bundesrathes, Der B u n d e s p r ä s i d e n t :

Ceresole.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Schiess.

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Bericht des Bundesrathes über eine Beschwerde des Gottlieb Baumann von Oberentfelden, in Freiburg, betreffend Entschädigung für Verhaftung. (Vom 15. Dezember 1873.)

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1873

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20.12.1873

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639-642

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