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Bundesblatt Bern, 21. Juni 1976

128.Jahrgang Band II

Nr. 24 Erscheint wöchentl. Preis : Inland Fr. 85.- im Jahr, Fr. 48.50 im Halbjahr ; Ausland Fr. 103.im Jahr, zuzüglich Nachnahme- und Postzustellgebühr. Inseratenverwaltung: Permedia, Publicitas-Zentraldienst für Periodika, Hirschmattstrasse 36, 6002 Luzern, Tel. 041/23 66 66

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76.043 Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend ein Abkommen mit Belgien über Soziale Sicherheit (Vom 12. Mai 1976) Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren,

Wir unterbreiten Ihnen mit dieser Botschaft das am 24. September 1975 mit dem Königreich Belgien abgeschlossene neue Abkommen über Soziale Sicherheit und das zugehörige Schlussprotokoll zur Genehmigung.

l Übersicht Das vorliegende schweizerisch-belgische Abkommen über Soziale Sicherheit vom 24. September 1975 und das zugehörige Schlussprotokoll sollen das geltende Sozialversicherungsabkommen vom 17. Juni 1952 sowie das dazugehörige Generalprotokoll ersetzen.

Mit der umfassenden Revision dieses Abkommens wird die Reihe jener Vertragsanpassungen fortgesetzt, die unser Land seit der Einführung der Invalidenversicherung vorgenommen hat; das gegenwärtige Abkommen mit Belgien gehört zu den letzten Verträgen auf dem Gebiet der Sozialen Sicherheit, die diesen wichtigen Versicherungszweig noch nicht einschliessen. Wenn auch die Zahl der an diesem Abkommen interessierten Personen bei weitem nicht so gross ist, wie bei einigen anderen Abkommen, so war eine Neugestaltung der vertraglichen Beziehungen mit Belgien dennoch notwendig, um den sozialen Bedürfnissen der beiderseitigen Staatsangehörigen besser zu entsprechen und sie diesbezüglich mit den Bürgern zahlreicher anderer Staaten gleichzustellen.

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Bundesblatt. 128. Jahrg. Bd. II

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Das neue schweizerisch-belgische Abkommen trägt dieser Forderung Rechnung, indem es alle Zweige der Sozialen Sicherheit und alle Kategorien von Erwerbstätigen einbezieht. Es bringt eine möglichst vollständige Gleichbehandlung der Angehörigen der beiden Vertragsstaaten und eine weitgehende Koordination des schweizerischen und des belgischen Systems der Sozialen Sicherheit.

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Allgemeines

Das gegenwärtige schweizerisch-belgische Abkommen, das am 17. Juni 1952 unterzeichnet wurde und auf den I.November 1953 in Kraft trat, hat während 23 Jahren gute Dienste geleistet. Es musste jedoch angesichts der mit zahlreichen anderen Staaten seither abgeschlossenen Verträge dieser Art und im Hinblick auf die vielfachen Änderungen der innerstaatlichen Rechtsvorschriften in beiden Ländern schon seit längerer Zeit als sehr lückenhafte Regelung betrachtet werden was übrigens für die wenigen vor der Einführung der Invalidenversicherung abgeschlossenen und noch nicht revidierten Abkommen gleichermassen gilt. Eine Anpassung auch des Vertrages mit Belgien an die heutigen Verhältnisse erwies sich daher als unumgänglich.

Die Revision drängte sich indessen vor allem im Interesse der in beiden Ländern lebenden schweizerischen und belgischen Staatsangehörigen auf. Die schweizerische Kolonie in Belgien zählte 1974 5604 Personen, davon 1832 schweizerisch-belgische Doppelbürger, und in der Schweiz lebten 4580 Belgier. Während die Zahl unserer Landsleute in Belgien seit 1952 mehr oder weniger unverändert geblieben ist, hat sich die belgische Kolonie in der Schweiz etwas vergrössert.

Im weitern soll daran erinnert werden, dass alle Abkommen, welche die Schweiz mit Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft abgeschlossen hat ausgenommen der Vertrag mit Dänemark -, heute auch die Invalidenversicherung einschliessen; dies gilt für die Abkommen mit der Bundesrepublik Deutschland, den Niederlanden, Italien, Luxemburg und Grossbritannien wie auch für das neue Abkommen mit Frankreich, das im letzten Jahr unterzeichnet und Ihnen vor kurzem zur Genehmigung unterbreitet worden ist.

Schliesslich wurde eine Anpassung des Abkommens von 1952 auch wegen des internationalen Abkommens über die Soziale Sicherheit der Rheinschiffer notwendig: Dieser multilaterale Vertrag, der auch die Invalidenversicherung einbezieht, verweist nämlich bezüglich der Rentenversicherung auf die von der Schweiz mit den übrigen Unterzeichnerstaaten abgeschlossenen zweiseitigen Abkommen.

Die genannten Gründe führten zur Gesamtrevision des Vertrages von 1952.

Am 7. September 1971 wurden die Verhandlungen aufgenommen, nachdem vorher eine vorbereitende Begegnung von Experten stattgefunden hatte. Die schweizerische Delegation stand unter der Leitung von Minister Dr. C. Motta, dem stellvertretenden Direktor des Bundesamtes für Sozialversicherung und Delegier-

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ten des Bundesrates für Sozialversicherungsabkommen; die belgische Delegation wurde von Herrn A. Delpérée, Generalsekretär des Ministeriums für Sozialordnung, geführt. Die Verhandlungen spielten sich in zwei Phasen ab und wurden sehr offen geführt, und die jeweils auftauchenden Probleme wurden in gegenseitigem Verständnis erörtert. So konnten die hängigen Probleme in einer für beide Vertragspartner zufriedenstellenden Weise gelöst werden, wie aus dem Abschnitt über den Inhalt des Abkommens hervorgeht; Der neue Vertrag und das zugehörige Schlussprotokoll wurden am 24. September 1975 in Bern von Bundesrat H. Hürlimann und Minister Dr. C. Motta für die schweizerische Seite und von Baron d'Anethan, Geschäftsträger der belgischen Botschaft in der Schweiz, und Herrn P. de Paepe, Minister für Sozialordnung, für die belgische Seite unterzeichnet.

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Die belgische Soziale Sicherheit

Unseren Ausführungen über die Bestimmungen des Abkommens lassen wir eine kurze Darstellung des belgischen Sozialversicherungsrechts vorangehen, wobei wir uns auf das System für Arbeitnehmer beschränken, das für die Mehrzahl unserer Landsleute in Belgien massgebend ist. Es sei jedoch darauf hingewiesen, dass sich das Abkommen auch auf das belgische System der Selbständigerwerbenden bezieht.

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Das Versicherungssystem der Arbeitnehmer (allgemeines System)

Am Ende des Zweiten Weltkrieges führte die belgische Regierung durch Gesetzesbeschluss vom 28. Dezember 1944 ein obligatorisches System der Sozialen Sicherheit für alle Arbeitnehmer ein. Nur für Bergarbeiter und Seeleute der Handelsmarine wurden in der Folge Sondersysteme eingeführt, auf die wir hier nicht näher eintreten wollen; sie beruhen auf Gesetzesbeschlüssen vom 10. Januar und 7. Februar 1945.

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Der Geltungsbereich

Das allgemeine System gilt grundsätzlich für alle Arbeitgeber und Arbeitnehmer, die an einen Arbeitsvertrag gebunden sind.

Während die Arbeitnehmer auf Grund ihrer Beschäftigung versichert sind, werden die Arbeitgeber dem System unterstellt, sobald sie einen oder mehrere Arbeitnehmer beschäftigen ; beide schulden Beiträge, die der Arbeitgeber an eine zentrale Stelle, das Staatliche Amt für Soziale Sicherheit (Office national de la sécurité sociale) überweist, das die Beiträge seinerseits auf die verschiedenen leistungsgewährenden Träger verteilt. Die Beiträge berechnen sich in Lohnprozenten, entweder vom gesamten Lohn oder von einem nach oben begrenzten (plafonierten) Lohn, der alsdann dem Lebenskostenindex folgt.

836 312 Die verschiedenen Zweige In dieser Übersicht werden nur die in den Geltungsbereich des Abkommens einbezogenen Versicherungszweige des allgemeinen Systems behandelt. Nicht berücksichtigt sind daher die Arbeitslosenversicherung und die Feriengeld-Regelung.

312.1 Die Kranken- und Invalidenversicherung Seit der Umgestaltung des Systems durch das Gesetz vom 9. August 1963 zerfällt die Kranken- und Invalidenversicherung in zwei Abteilungen: die Krankenpflegeversicherung und die Krankengeldversicherung. Während das System der Krankenpflegeleistungen die weiteste Geltung hat, ist das Krankengeld, das den durch Arbeitsunfähigkeit entstandenen Lohnausfall decken soll, auf die Arbeitnehmer der Privatwirtschaft und das nicht beamtenrechtlich oder nur vorübergehend angestellte Personal von öffentlichen Unternehmen beschränkt.

Die Beiträge zur Finanzierung der Krankenpflegeleistungen werden auf dem gesamten Lohn erhoben; sie betragen 1,80 Prozent für die Arbeitnehmer und 3,75 Prozent für die Arbeitgeber. Die Beiträge zur Finanzierung der Geldleistungen werden dagegen von einem begrenzten Lohn erhoben (39 450 FB bzw. 2564 Fr.

im Monat)'), sie belaufen sich auf 1,80 Prozent für Arbeitgeber und 1,20 Prozent für Arbeiter bzw. 0,80 Prozent für Angestellte.

> Anspruch auf die Sachleistungen haben einerseits die Arbeitnehmer und die von ihnen unterhaltenen Personen, anderseits Witwen, Invalide, Rentner' und Waisen (sogenannte «V. LP.O.»-Personen). Die Geldleistungen werden an die der Sozialen Sicherheit unterstellten Arbeitnehmer, an arbeitslose Arbeitnehmer, Arbeitnehmerinnen während ihres Mutterschaftsurlaubes und an jene Personen ausgerichtet, die der Weiterversicherung (freiwilligen Versicherung) angeschlossen sind. Zu den Geldleistungen gehört auch eine Bestattungsentschädigung, die natürlichen oder juristischen Personen ausgerichtet wird, welche für diese Auslagen aufgekommen sind.

Um in den Genuss der Leistungen zu kommen, sind ausser der Versicherteneigenschaft weitere Bedingungen zu erfüllen. So muss der Antragsteller entweder einer von ihm selbst gewählten Kasse auf Gegenseitigkeit (mutualité) angehören oder bei der Kranken- und Invalidenversicherungs-Hilfskasse eingeschrieben sein.

Ferner muss er in einem Zeitraum von sechs Monaten während mindestens 120 Tagen gearbeitet oder gleichgestellte
Zeiten der Nichterwerbstätigkeit zurückgelegt haben; diese Bedingung gilt nicht für V. I. P. O.-Personen. Ausnahmen können auch für gewisse Kategorien von Arbeitnehmern vorgesehen werden.

Zu den Sachleistungen gehören alle vorbeugenden und Heilmassnahmen, die zur Aufrechterhaltung oder Wiederherstellung der Gesundheit erforderlich sind, sowie Massnahmen zur Wiedereingliederung und Umschulung.

D Stand I.Juli 1975; Wechselkurs: 100 FB = 6.50 Fr.

837 Anspruch auf die Geldleistungen der Krankenversicherung hat nur der arbeitsunfähige Versicherte selbst. Als arbeitsunfähig gilt, wer jegliche Erwerbstätigkeit aufgegeben hat und wegen seiner Verletzungen oder gesundheitlichen Störungen erwiesenermassen ausserstande ist, mehr als ein Drittel dessen zu verdienen, was eine Person im gleichen Beruf und mit gleicher Ausbildung verdienen kann oder könnte.

Während der sogenannten primären Arbeitsunfähigkeit, die längstens ein Jahr dauert, erhält der Versicherte das sogen'annte primäre Krankengeld (indemnité d'incapacité primaire). Dieses beträgt 60 Prozent des Lohnes, wobei höchstens der beitragspflichtige Lohn in Betracht gezogen wird. Im übrigen müssen bei Arbeitern noch das Gesetz über den gewährleisteten Wochenlohn und bei Angestellten das Gesetz über den Arbeitsvertrag beachtet werden.

Ist der Versicherte nach einem Jahr noch immer arbeitsunfähig, so hat er während der zwei folgenden Jahre (sogenannte verlängerte Arbeitsunfähigkeit) Anspruch auf ein Krankengeld in der Höhe von 65 Prozent oder 43,5 Prozent des Lohnes, je nachdem ob er für den Unterhalt anderer Personen aufkommen muss oder nicht. Vom vierten Jahr an erhält der Versicherte ein eigentliches Invalidengeld in gleicher Höhe wie das verlängerte Krankengeld.

Nimmt der Versicherte eine entlöhnte Erwerbstätigkeit auf oder weigert er sich, sich Umschulungsmassnahmen zu unterziehen, so wird die Zahlung des Krankengeldes eingestellt. Dieses kann übrigens gewisse Mindestbeträge nicht unterschreiten.

312.2 Die Ruhestands- und Hinterlassenenpensionen Dieses System umfasst alle Arbeitnehmer, die in Belgien auf Grund eines Arbeitsvertrages beschäftigt sind bzw. waren. Das Pensionsalter ist für Männer auf 65 Jahre, für Frauen auf 60 Jahre festgesetzt. Der Beitragssatz beträgt 8 Prozent für den Arbeitgeber und 6 Prozent für den Arbeitnehmer. Während bei den Angestellten der beitragspflichtige Lohn auf monatlich 39 450 FB (2564 Fr.) begrenzt ist, unterliegt bei den Arbeitern der gesamte Lohn der Beitragspflicht.

Übt der Pensionsbezüger irgendeine Erwerbstätigkeit aus, so muss er dies vorher der Staatlichen Ruhestands- und Hinterlassenenpensionskasse mitteilen.

Die Pension ruht, wenn die Tätigkeit, selbständig oder unselbständig, 90 Stunden im Monat übersteigt, oder wenn der dadurch erzielte Lohn eine gewisse Grenze überschreitet.

Die nach dem I.Januar 1968 gewährten Ruhestandspensionen werden auf Grund der Zeiten der Erwerbstätigkeit berechnet, wobei der massgebende Zeitraum im allgemeinen am 1. Januar des Jahres, in dem der Bezüger sein 20. Altersjahr vollendet hat - frühestens aber am I.Januar 1926 -, beginnt und mit dem ersten Tag des Monats, der dem 65. (Männer) bzw. 60. (Frauen) Geburtstag folgt, endet.

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Für jedes angerechnete Jahr beträgt die Pension 60 Prozent (Alleinstehende) oder 75 Prozent (Verheiratete) des in diesem Jahr erzielten tatsächlichen, angenommenen oder pauschalierten Bruttolohnes, der aufgewertet wird.

Eine Witwe erhält die Witwenpension, wenn sie das 45. Altersjahr zurückgelegt hat. Diese Altersgrenze gilt nicht, wenn die Witwe ständig zu mindestens 66 Prozent invalid ist oder wenn sie ein Kind unterhalten muss oder wenn sie nachweist, dass ihr Ehegatte während mindestens 20 Jahren in einem Bergwerk unter Tag gearbeitet hat. Die Witwe' darf ausserdem, von Ausnahmen abgesehen, keine Erwerbstätigkeit ausüben.

Pensionsbezügerinnen, deren Anspruch nach dem 1. Januar 1968 entstanden ist, erhalten eine Witwenpension, die sich im allgemeinen auf 80 Prozent der Alterspension beläuft, die der verstorbene Ehegatte als Verheirateter bezogen hätte.

Die Ruhestands- und Hinterlassenenversicherung richtet noch verschiedene andere Leistungen aus: Übergangsgeld an Witwen, die keine Witwenpension beziehen können; sodann sogenannte bedingungslose Pensionen; im weitern Alters- und Witwenpensionen, die vor dem 1. Januar 1968 auf Grund von Systemen festgestellt worden waren, die auf der Kapitalisationsmethode beruhten; Ferienzulage; ferner Lieferung von Kohle in natura oder in Form einer Barentschädigung.

312.3 Die Familienleistungen Jeder Arbeitgeber, der einen oder mehrere Arbeitnehmer beschäftigt, untersteht dem Gesetz über die Familienleistungen. Der Arbeitnehmer selbst muss entweder in Belgien arbeiten oder für ein in Belgien ansässiges Unternehmen tätig sein. Die Beiträge gehen zu Lasten des Arbeitgebers und betragen 10,25 Prozent des Monatslohnes, der für die Zwecke der Beitragsbemessung auf 23 875 FB (1552 Fr.) begrenzt (plafoniert) ist.

Anspruch auf die Familienzulagen haben alle Arbeitnehmer sowie die Bezüger von Arbeitslosengeld und Pensionen, ferner Studenten und Behinderte. Die monatlichen Beträge belaufen sich auf 1154,50 FB (75 Fr.) für ein Kind, 2986,25 FB (194 Fr.) für zwei Kinder, 5494,75 FB (357 Fr.) für drei Kinder usw.

Die Familienzulagen werden an die Mutter gezahlt oder, wo sie fehlt, an die natürliche oder juristische Person, welche für den Unterhalt der Kinder sorgt.

Das zulageberechtigte Kind muss in Belgien erzogen werden. Die Zulagen werden bis zur Vollendung des 14. Altersjahres gewährt oder, wenn das 14. Altersjahr vorher erreicht wird, bis zur Beendigung der obligatorischen Schulpflicht.

In einigen Fällen werden die Zulagen weiter gewährt, nämlich - bis zum 16. Altersjahr für Kinder, die keine ständige Erwerbstätigkeit ausüben; bis zum 21. Altersjahr für Lehrlinge und bis zum 25. Altersjahr für Mädchen,

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die im Haushalt die Mutter vertreten oder als Haushalthilfe tätig sind, sowie für Studenten; - ohne Altersgrenze für behinderte oder arbeitsunfähige Kinder.

Zu den Familienleistungen gehören : die ordentlichen Familienzulagen (siehe oben); die besonderen Familienzulagen (für Kinder von Pensionsbezügern, für Waisen, Kinder von invaliden Arbeitnehmern, Kinder von Studenten usw.); die nach dem Alter des Kindes abgestuften Zuschläge ; die Zuschläge für behinderte Kinder; die Geburtsbeihilfen; die Ferienzulagen.

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Die übrigen Zweige der Sozialen Sicherheit 321 Die Arbeitsunfallversicherung

Das Gesetz gilt für die der Sozialen Sicherheit unterstellten Arbeitgeber und Arbeitnehmer sowie für Schiffsbesitzer, die auf ihrem eigenen Schiff fahren. Die einbezogenen Arbeitgeber sind verpflichtet, für ihr Personal eine Arbeitsunfallversicherung bei einer allgemeinen Versicherungskasse oder bei einer anerkannten Versicherungsgesellschaft mit festen Prämien abzuschliessen. Unterzieht sich der Arbeitgeber der Versicherungspflicht nicht, so wird er von Amtes wegen dem Fonds für Arbeitsunfälle angeschlossen. Dort müssen sich übrigens auch die Schiffseigner und Seeleute obligatorisch versichern. Der Verunfallte und seine Hinterlassenen haben einen direkten Anspruch gegenüber dem Versicherer.

Die Kosten für ärztliche Versorgung, die vorübergehende oder dauernde Erwerbsunfähigkeit sowie Einkommensverlust und Bestattungskosten bei tödlichen Unfällen sind Gegenstand der Entschädigung. Die Höhe der Leistungen bestimmt sich nach dem plafonierten Lohn, den der Verunfallte während des Jahres vor dem Unfall bezogen hat.

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Die Versicherung gegen Berufskrankheiten

Das Gesetz gilt - im Sinne des Solidaritätsprinzips - für alle Unternehmen, die Personal beschäftigen. Entschädigungsansprüche haben der Verunfallte selbst und seine Hinterlassenen. Das System wird durch Beiträge der Arbeitgeber, Subventionen des Staates und Beiträge der freiwillig Versicherten finanziert.

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Das garantierte Mindesteinkommen

Das Gesetz vom l. April 1969 zur Einführung eines garantierten Einkommens für Betagte gilt für alle betagten Personen, deren Einkommen einen bestimmten Betrag nicht übersteigt. Von den Leistungen dieses Gesetzes sind damit praktisch ausgeschlossen die Bezüger von Pensionen auf Grund einer vollen, einheitlichen oder gemischten Versicherungslaufbahn in den Systemen der öffent-

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liehen Dienste, der Arbeitnehmer in der Privatwirtschaft und der Selbständigerwerbenden. Hingegen kommen Personen, die nicht eine Erwerbstätigkeit ausgeübt haben, die ihnen zum Anspruch auf Leistungen der erwähnten Systeme verhelfen konnte, oder Personen, die nur so kurze Zeit erwerbstätig waren, dass sie bloss eine sehr niedrige Rente erhalten, in den Genuss des garantierten Einkommens.

Das garantierte Einkommen steht nur in Belgien wohnenden Personen zu, die das 65. (Männer) bzw. das 60. Altersjahr (Frauen) erreicht haben und die belgische Staatsangehörigkeit besitzen oder Angehörige von Staaten sind, mit denen Belgien eine entsprechende Gegenseitigkeitsvereinbarung getroffen hat. Im letzten Fall müssen die betreffenden Personen überdies während mindestens fünf dem Leistungsanspruch unmittelbar vorausgegangenen Jahren in Belgien gewohnt haben.

Das garantierte Einkommen beträgt jährlich 51 850 FB (3370 Fr.) für verheiratete und 37 785 FB (2456 Fr.) für die übrigen Bezüger.

Der Ausrichtung des garantierten Einkommens geht eine Abklärung der Mittel des Antragstellers und gegebenenfalls seines Ehegatten voraus. Dabei werden alle Einkünfte berücksichtigt, die der Antragsteller und sein Ehegatte beziehen. Nicht angerechnet werden, ungeachtet ihrer Höhe, die Familienzulagen, die Leistungen der öffentlichen oder privaten Fürsorge, Unterhaltszahlungen von Familienmitgliedern usw. Das Einkommen des Bezügers darf bei verheirateten Personen monatlich 12500FB (812.50 Fr.) oder bei alleinstehenden Personen monatlich 10000 FB (650 Fr.) nicht übersteigen (Stand 31. Januar 1974). Den Aufwand für das Gesetz vom I.April 1969 trägt in vollem Umfang der Staat.

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Der Inhalt des Abkommens

Mit dem Inkrafttreten des neuen Abkommens, das wir Ihnen hier unterbreiten, wird das Abkommen über Sozialversicherung vom 17. Juni 1952 aufgehoben werden.

Dieses Abkommen war auf die Alters- und Hinterlassenenversicherung sowie die Versicherung gegen Betriebsunfälle und Berufskrankheiten beschränkt ; es besass somit einen sehr engen sachlichen Geltungsbereich und sah überdies auch keine Koordinierung der beiderseits einbezogenen Systeme vor.

Die Schweiz gewährte grundsätzlich die ordentlichen Alters- und Hinterlassenenrenten an belgische Staatsangehörige, wenn diese bei Eintritt des Versicherungsfalles während mindestens fünf Jahren Beiträge entrichtet hatten. Obschon Belgien seinerseits Schweizer Bürgern bereits nach einem einzigen Beitragsjahr die Leistungen zusprach, war uns eine vollständige Gleichbehandlung der belgischen Staatsangehörigen mit unseren Bürgern nicht möglich, denn unsere Gesetzgebung sah damals noch eine garantierte Mindestrente vor, die wir ausländischen Staatsangehörigen nicht schon nach einem Jahr gewähren konnten. Dagegen verzichtete

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die Schweiz auf die zu jener Zeit in Artikel 40 AHVG vorgesehene Kürzung der Renten um einen Drittel. Schliesslich sah das Abkommen schweizerischerseits vor, dass die von belgischen Staatsangehörigen an die AHV entrichteten Beiträge (inkl. der Arbeitgeberbeiträge), wenn aus diesen Beiträgen kein Leistungsanspruch entstanden war, entweder ihnen vergütet oder an die belgischen Versicherungen überwiesen wurden.

Belgien seinerseits gewährte unseren Landsleuten alle Leistungen der belgischen Versicherung unter den gleichen Voraussetzungen wie seinen eigenen Staatsangehörigen. Schweizer Bürger mussten allerdings zusätzlich eine von der belgischen Gesetzgebung vorgesehene Wartezeit erfüllen, um Anspruch auf die vollen Leistungen der belgischen Versicherung zu haben.

Im weitern sah dieses Abkommen die Auszahlung der Leistungen nur im Gebiet der beiden Vertragsstaaten vor. Diese Regelung beruhte auf einer einschränkenden Bestimmung des innerstaatlichen belgischen Rechts.

Verglichen mit dem geschilderten Vertrag stellt das Abkommen vom 24. September 1975 einen entscheidenden Fortschritt in den gegenseitigen Beziehungen dar und bringt gewichtige Verbesserungen für die Berechtigten in beiden Ländern.

Eine der bedeutendsten Verbesserungen ist sicher der beträchtlich erweiterte sachliche Geltungsbereich, der schweizerischerseits die Alters- und Hinterlassenenversicherung, die Invalidenversicherung, die Versicherung gegen Betriebs- und Nichtbetriebsunfälle sowie gegen Berufskrankheiten, die Familienzulagen für landwirtschaftliche Arbeitnehmer und Kleinbauern sowie in gewissem Umfange auch die Krankenversicherung umfasst. Auf der belgischen Seite sind die Gesetzgebungen über die Kranken- und Invalidenversicherung, die Ruhestands- und Hinterlassenenpensionen, die Entschädigung bei Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten, die Familienleistungen sowie das garantierte Einkommen für Betagte einbezogen.

Der persönliche Anwendungsbereich erstreckt sich, abgesehen von einigen Ausnahmen, auf die Angehörigen der beiden Vertragsstaaten. Der neue Vertrag umschreibt ferner genau die Gebiete, in denen das Abkommen gilt (örtlicher Anwendungs bereich).

Die bedeutendste Neuerung jedoch stellt die enge Koordination der beiden Sozialversicherungssysteme dar. Dies und die so weitgehend wie möglich verwirklichte Gleichbehandlung
der Angehörigen beider Vertragsstaaten machen aus dem vorliegenden Abkommen ein Vertragswerk, das all jenen einen guten sozialen Schutz verschafft, die ihn beanspruchen werden.

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Die allgemeinen Bestimmungen

Zwar ist der Grundsatz der Gleichbehandlung (Art. 3 Abs. 1) von zentraler Bedeutung für das Abkommen, allerdings mit den allgemeinen Ausnah-

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men, die von der Schweiz beim Abschluss von Verträgen über Soziale Sicherheit stets ausbedungen werden. Dazu gehören unter anderem die freiwillige Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung für Auslandschweizer, die Fürsorgeleistungen an Schweizer Bürger, die ausserhalb der Schweiz wohnen (Art. 3 Abs. 2 Satz 2) sowie die beitragslosen Leistungen (Art. 16 und 24 Abs. 1).

Die Gleichstellung versteht sich im allgemeinen auch für die Zahlung von Leistungen .der Sozialversicherungen bei Aufenthalt der Berechtigten im Ausland.

So gewährleistet Artikel 3 Absatz l die Zahlung von Leistungen an jeden beliebigen Wohnort, doch gilt dieser Grundsatz nicht für die Renten der Invalidenversicherung, die nur im Gebiet der Vertragsstaaten ausgerichtet werden (vgl. Ziff. 43).

Ein wichtiger Bestandteil des Abkommens sind die Bestimmungen über die anwendbare Gesetzgebung. Staatsangehörige des einen Vertragsstaates, die im anderen Vertragsstaat eine Erwerbstätigkeit ausüben, sind einem allgemein anerkannten Grundsatz folgend der Gesetzgebung am Erwerbsort unterstellt (Art. 6).

Wird nun eine Erwerbstätigkeit in beiden Vertragsstaaten ausgeübt, so folgt daraus eine Unterstellung der betreffenden Person unter die Sozialversicherungsgesetzgebungen beider Staaten (Art. 6 Abs. 3). Aus praktischen Erwägungen sehen die Artikel 7 und 8 einige Ausnahmen vom Erwerbsortsprinzip vor- für Arbeitnehmer, die für verhältnismässig kurze Zeit von einem Staat in den anderen entsandt werden, für Arbeitnehmer von Transportunternehmen und öffentlichen Verwaltungsdiensten sowie für die Mitglieder und Angestellten von diplomatischen und konsularischen Vertretungen. Schliesslich sei noch die Ausweichklausel (Art. 9) erwähnt, die es den zuständigen Behörden gestattet, in besonderen Fällen abweichende Regelungen zu treffen.

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Die Kranken- und Mutterschaftsversicherung

Die Krankenversicherung ist in den Anwendungsbereich des Abkommens eingeschlossen. Um den engen Beziehungen zwischen Kranken- und Invalidenversicherung im belgischen System Rechnung zu tragen, wurden die Bestimmungen über die Krankenversicherung ins Abkommen selbst aufgenommen und nicht ins Schlussprotokoll wie bei den meisten anderen Verträgen. Die diesbezüglichen Artikel unterscheiden sich allerdings nicht von denjenigen in anderen Abkommen und bringen schweizerischerseits den beteiligten Krankenkassen auch keine neuen Pflichten. Bekanntlich verunmöglichen es die Besonderheiten der schweizerischen Krankenversicherung, für diesen Versicherungszweig beispielsweise eine eigentliche Verwaltungshilfe, eine Bevorschussung von Leistungen oder eine Übernahme von Krankheitskosten für im Ausland lebende Familienangehörige durch die schweizerischen Krankenkassen vorzusehen. Dank der Mitwirkung einiger schweizerischer Krankenkassen ist es aber möglich, den Übertritt von der Krankenversicherung des einen in diejenige des anderen Staates für Personen, die ihren Wohnort vom einen Land in das andere verlegen, zu erleichtern. Diese Kassen erklärten sich wie schon bei anderen Abkommen auch hier bereit, aus Belgien

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kommende belgische und schweizerische Staatsangehörige ohne Rücksicht auf ihr Alter als Mitglieder aufzunehmen, sofern sich diese innert drei Monaten seit ihrem Ausscheiden aus der belgischen Versicherung um die Aufnahme bewerben.

Ferner berücksichtigen die Kassen die in Belgien zurückgelegten Versicherungszeiten sowohl für die Erfüllung der Wartezeit von drei Monaten, die einige Kassen bis zum Beginn der Leistungsberechtigung vorsehen, als auch für die Dauer des Vorbehalts für bereits bestehende Krankheiten (Art. 10). Diese Regelung gilt hinsichtlich der Krankenpflegeversicherung auch für die Familienangehörigen eines Versicherten, soweit diese Mitversicherte im Sinne der belgischen Gesetzgebung sind. Schliesslich bezieht sie sich mit gewissen Einschränkungen auch auf den Erwerb des Anspruchs auf Mutterschaftsleistungen durch schwangere Frauen.

Für Belgien ist eine ähnliche Regelung vorgesehen (Art. 11), indem die in einer schweizerischen anerkannten Krankenkasse zurückgelegten Versicherungszeiten für den Erwerb des Anspruchs auf Leistungen aus der obligatorischen belgischen Krankenversicherung angerechnet werden.

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Die Invalidenversicherung

Das vorliegende Abkommen mit Belgien folgt der Linie unserer jüngsten Verträge mit den Niederlanden, Spanien, der Türkei und Griechenland, die alle bezüglich der Invalidenversicherung nach dem Risikoprinzip geregelt sind; vor allem aber gleicht es dem - ebenfalls auf diesem Prinzip beruhenden - neuen schweizerisch-französischen Abkommen, mit dem es in vielen Teilen übereinstimmt. Dies hängt einerseits damit zusammen, dass sich das belgische und das französische Invalidenversicherungssystem sehr ähnlich sind, und anderseits damit, dass beide Verträge nahezu gleichzeitig ausgehandelt und unterzeichnet worden sind.

Unter diesen Umständen und um Wiederholungen zu vermeiden, können wir hier auf eine Schilderung der vertraglichen Regelung der Invalidenversicherung verzichten und auf die Botschaft vom 19. November 1975 zum Abkommen mit Frankreich verweisen, wo die Vorteile, insbesondere auch auf dem Gebiet der Verwaltung, der Risikolösung dargelegt sind. Im Belgien-Abkommen wurde wiederum versucht, die beiden Systeme möglichst weitgehend zu koordinieren, um den betroffenen Personen einen lückenlosen Versicherungsschutz zu gewährleisten.

Die Bestimmungen über die beitragslosen Leistungen bilden nicht Gegenstand eines Sonderprotokolls wie bei Frankreich, sondern finden sich im Abkommen selbst. Wie in allen andern von der Schweiz geschlossenen Abkommen können die ausserordentlichen Invalidenrenten an belgische Staatsangehörige gewährt werden, wenn sie Wohnsitz in der Schweiz haben und hier unmittelbar vor dem Rentengesuch ununterbrochen während fünf Jahren gewohnt haben (Art. 16). ,

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Auf einen wichtigen Punkt sei noch hingewiesen, nämlich auf die Zahlung von Invalidenrenten ins Ausland. Da Belgien uns nicht Gegenrecht zusichern konnte, konnten wir belgischen Staatsangehörigen die Zahlung unserer Renten nach Drittstaaten nicht gewähren. Die belgische Gesetzgebung sieht nämlich die Auszahlung ihrer Leistungen nur innerhalb des belgischen Gebiets vor. Dank des Abkommens kann diese Zahlung künftig auch in die Schweiz erfolgen. Schweizerischerseits wurde unter diesen Umständen, in Abweichung vom Grundsatz der Gleichbehandlung, die Zahlung der Invalidenrenten an belgische Staatsangehörige auf Belgien und die Schweiz beschränkt (Ziff. 4 des Schlussprotokolls).

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Die Alters- und Hinterlassenenversicherung

In Anwendung des Grundsatzes der Gleichbehandlung haben belgische Staatsangehörige unter den gleichen Voraussetzungen wie Schweizer Bürger Anspruch auf die ordentlichen Renten der Alters- und Hinterlassenenversicherung.

Dementsprechend entsteht der Anspruch auf eine ordentliche Rente, wenn die betreffende Person während mindestens eines Jahres Beiträge bezahlt hat. Die Berechnung der Rente erfolgt ausschliesslich nach unseren innerstaatlichen Rechtsvorschriften.

Auf belgischer Seite ist dagegen die Methode der zwischenstaatlichen Totalisation und Proratisation vorgesehen. Dabei kann die Anwendung dieser Methode auf die Fälle beschränkt werden, in denen die betreffende Person nicht bereits auf Grund der in Belgien zurückgelegten Versicherungszeiten die von der belgischen Gesetzgebung vorgesehenen Anspruchsvoraussetzungen erfüllt.

Im Ergebnis laufen die beiden Methoden für die Feststellung der Leistungen fast immer aufs gleiche hinaus. Unser Bestreben, für die Verwaltung stets einfache Regelungen zu treffen und die Berechnung der in der schweizerischen Versicherung erworbenen Leistungen möglichst nur nach den innerstaatlichen Rechtsvorschriften vorzunehmen, fand erfreulicherweise Verständnis.

Im Gegensatz zu den Renten und übrigen Leistungen der Invalidenversicherung können die Alters- und Hinterlassenenrenten bzw. -pensionen beider Vertragsstaaten gestützt auf den Grundsatz der Gleichbehandlung auch in Drittstaaten ausbezahlt werden. Dies ist dem Umstand zu verdanken, dass nach einer Änderung des. belgischen Rechts vom l. April 1970 belgische Staatsangehörige ihre belgischen Alters- und Hinterlassenenleistungen nunmehr in jedem beliebigen Drittstaat erhalten können.

Für die ausserordentlichen Renten haben wir uns an die Regelung gehalten, welche sich in allen von der Schweiz seit 1960 abgeschlossenen Abkommen findet (Art. 24 Abs. 1): belgische Staatsangehörige haben Anspruch auf diese Leistungen, wenn sie im Falle einer Altersrente während mindestens zehn Jahren und im Falle einer Hinterlassenenrente oder einer eine Hinterlassenen- oder Invalidenrente ablösenden Altersrente während mindestens fünf Jahren in der Schweiz

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gewohnt haben. Die Renten werden nur ausbezahlt, solange die betreffenden Personen Wohnsitz in der Schweiz haben.

Umgekehrt haben Schweizer Bürger Anspruch auf das garantierte Einkommen für betagte Personen unter den von der belgischen Gesetzgebung hiefür vorgesehenen Voraussetzungen (Art. 24 Abs. 2). Der Anspruch auf diese Leistung, die grundsätzlich unseren ausserordentlichen Altersrenten vergleichbar ist, steht ihnen zu, wenn sie unmittelbar vor der Eröffnung des Anspruchs während fünf Jahren in Belgien wohnten.

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Die Versicherung gegen Unfälle und Berufskrankheiten

Die Bestimmungen des Abkommens über diesen Versicherungszweig (Art.

27-30) halten sich im Rahmen der bereits in anderen Verträgen getroffenen Lösungen. Sie umfassen die gegenseitige Leistungsaushilfe bei der Gewährung von Sachleistungen wie auch die Bevorschussung von Taggeldern, wenn ein schweizerischer oder belgischer Staatsangehöriger, der nach der Gesetzgebung eines der Vertragsstaaten versichert ist, einen Unfall im Gebiet des anderen Vertragsstaates erleidet. Die Artikel 28 und 29 enthalten im weitem besondere Bestimmungen über die Leistungsberechnung bei Berufskrankheit, insbesondere wenn sich die im einen Vertragsstaat zum ersten Mal festgestellte Berufskrankheit im anderen Staat verschlimmert.

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Die Familienleistungen

Bezüglich der Familienleistungen enthält Artikel 32 Absatz l lediglich eine Bestätigung des innerstaatlichen schweizerischen Rechts, das nicht zwischen Schweizer Bürgern und Ausländern unterscheidet und nach dem Kinderzulagen auch für die sich im Ausland aufhaltenden Kinder ausgerichtet werden. Da anderseits nach belgischem Recht die Familienleistungen grundsätzlich nur für die in Belgien wohnenden Kinder gewährt werden, war hier eine besondere Bestimmung notwendig, um den Export dieser Leistungen zu gewährleisten (Art. 32 Abs. 2, Art. 33 Abs. l Satz l und Abs. 2 Satz 2).

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Die Bestimmungen über die Durchführung und das Inkrafttreten des Abkommens

Im vorliegenden Abkommen finden sich die üblichen Bestimmungen über die Verwaltungshilfe zwischen den mit der Durchführung des Abkommens betrauten Stellen (Art. 35), über das Eintreten des leistungspflichtigen Trägers in den Schadenersatzanspruch des Versicherten gegenüber dem haftpflichtigen Dritten (Art. 38) und über die Behebung allfälliger Meinungsverschiedenheiten zwischen den beiden Vertragsparteien mittels eines Schiedsverfahrens (Art. 40). Die

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Überweisung von Geldbeträgen, die sich aus der Durchführung des Abkommens ergeben, ist gewährleistet; sollte der eine oder andere Vertragsstaat Bestimmungen zur Einschränkung des Devisenverkehrs erlassen, so würden unverzüglich Massnahmen getroffen, um die Überweisung der beiderseits geschuldeten Beträge sicherzustellen (Art. 37).

Mit dem Inkrafttreten des neuen Vertrages tritt das Abkommen vom 17. Juni 1952 ausser Kraft, ausgenommen für den sehr seltenen Fall, in dem der Anspruch auf eine schweizerische Alters- oder Hinterlassenenrente noch vor dem I.Januar 1960 (Einführung der Pro-rata-temporis-Renten) entstanden ist, aber erst nach Inkrafttreten des neuen Abkommens geltend gemacht wird (Art. 42).

Auf alle anderen Fälle, einschliesslich jene, die vor Inkrafttreten des vorliegenden Abkommens eingetreten sind, ist grundsätzlich das neue Abkommen anwendbar (Art. 41 Abs. 1). Leistungen auf Grund dieses Abkommens werden indessen erst von seinem Inkrafttreten an ausgerichtet (Art. 41 Abs. 2).

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Die finanziellen Auswirkungen des Abkommens

Vergleichen wir die belgische Kolonie in der Schweiz mit derjenigen anderer Staaten, die mit unserem Land durch ein zweiseitiges Abkommen über Soziale Sicherheit verbunden sind, so kommt ihr zahlenmässig nur eine geringe Bedeutung zu. Auch die Wanderungsbewegung von Belgien in unser Land ist verhältnismässig bescheiden; die belgischen Staatsangehörigen sind zu einem guten Teil schon lange in der Schweiz ansässig. Die dauernd hier wohnhaften Ausländer sind aber in die Berechnungen über die finanzielle Entwicklung der AHV/IV seit je einbezogen. Da sich im übrigen bereits der alte Vertrag von 1952 auf die AHV bezog, wird das neue Abkommen ohne spürbaren Einfluss auf diesen Versicherungszweig bleiben. Unter diesen Umständen und unter Berücksichtigung der für den Bereich der Invalidenversicherung getroffenen Regelung nach dem Risikoprinzip dürften die jährlichen Mehraufwendungen für alle drei Risiken (Alter, Tod, Invalidität) eine halbe Million Franken nicht übersteigen.

Die Durchführung dieses umfassenderen und verfeinerten Abkommens wird zwar einen etwas vermehrten Verwaltungsaufwand zur Folge haben, die entsprechenden Kosten werden jedoch aus den erwähnten Gründen beschränkt sein.

Dabei wird die zusätzliche Belastung - wie übrigens bei allen bisher abgeschlossen nen Abkommen - in erster Linie bei der Schweizerischen Ausgleichskasse in Genf, die Versicherungsträger und Verbindungsstelle zugleich ist, spürbar sein, ohne indessen eine volle Arbeitskraft mehr zu erfordern.

Bei der Unfallversicherung werden sich die finanziellen Auswirkungen in bescheidenem Rahmen halten, war dieser Versicherungszweig doch schon ins alte Abkommen einbezogen. Im Bereich der Familienzulagen ergeben sich keine finanziellen Auswirkungen, weil das Abkommen nur die innerstaatliche Bundesgesetzgebung bestätigt. Die Erleichterung im Zusammenhang mit dem Übertritt

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von der Krankenversicherung des einen in diejenige des anderen Staates dürfte den an der Durchführung dieser Bestimmungen mitwirkenden Krankenkassen keine nennenswerten zusätzlichen Belastungen verursachen.

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Verfassungsmässigkeit

Der Bund ist auf Grund der Artikel 34bis, 34quater und 34 quinquies der Bundesverfassung zur Gesetzgebung auf den Gebieten der Kranken- und Unfallversicherung, der Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung sowie der Familienzulagen befugt. Artikel 8 der Bundesverfassung gibt dem Bund das Recht, zwischenstaatliche Verträge abzuschliessen. Die Verfassungsmässigkeit des neuen Abkommens mit Belgien ist folglich gewährleistet.

Die Zuständigkeit der Bundesversammlung beruht auf Artikel 85 Ziffer 5 der Bundesverfassung.

Da das Abkommen von Jahr zu Jahr auf drei Monate gekündigt werden kann (Art. 46 Abs. 1), unterliegt es nicht dem für langfristige internationale Abkommen vorgesehenen Referendum nach Artikel 89 Absatz 4 der Bundesverfassung.

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Schlussbemerkungen und Antrag

Die Schweiz hat sich in den letzten Jahren bemüht, einerseits mit jenen Staaten Abkommen abzuschliessen, aus denen in grösserer Zahl Arbeitskräfte in unser Land kamen, und anderseits die älteren Verträge zu revidieren und den Entwicklungen des innerstaatlichen und zwischenstaatlichen Sozialversicherungsrechts anzupassen. Dieses letzte Ziel ist heute zu einem guten Teil erreicht, beziehen sich doch nur mehr die Abkommen mit Schweden, Dänemark und der Tschechoslowakei nicht auf den Zweig der Invalidenversicherung.

Wenn auch das Abkommen mit Belgien keine grundlegenden Neuerungen bringt, sondern vielmehr auf der Linie der in den letzten Jahren mit anderen Ländern abgeschlossenen Verträge liegt, so möchten wir doch hervorheben, dass die damit verwirklichte weitgehende Gleichstellung der Angehörigen der beiden Vertragsstaaten und die enge Koordination der beiderseitigen Invalidenversicherungssysteme das vorliegende Abkommen zu einem den sozialen Bedürfnissen der Berechtigten in beiden Ländern wohl angepassten Vertragswerk machen.

Gestützt auf unsere Ausführungen beantragen wir Ihnen, das am 24. September 1975 mit Belgien unterzeichnete Abkommen über Soziale Sicherheit und das zugehörige Schlussprotokoll zu genehmigen.

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Wir versichern Sie, sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

Bern, den 12. Mai 1976 · Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Der Bundespräsident : Gnägi

Der Bundeskanzler : Huber

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(Entwurf)

Bundesbeschluss betreffend das Abkommen über Soziale Sicherheit mit Belgien

Die Bundesversammlung der Schweizerischen Eidgenossenschaft, gestützt auf Artikel 8 der Bundesverfassung, nach Einsicht in eine Botschaft des Bundesrates vom 12. Mai 1976 ", beschliesst: Einziger Artikel 1 Das am 24. September 1975 unterzeichnete Abkommen zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und dem Königreich Belgien über Soziale Sicherheit mit Schlussprotokoll wird genehmigt.

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Der Bundesrat wird ermächtigt, es zu ratifizieren.

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Dieser Beschluss untersteht nicht dem Staatsvertragsreferendum.

» BEI 1976 II 833

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Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend ein Abkommen mit Belgien über Soziale Sicherheit (Vom 12. Mai 1976)

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21.06.1976

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