#ST#

Schweizerisches Bundesblatt

38. Jahrgang. III.

Nr. 54.

# S T #

30. Dezember 1886.

Bundesgesetz betreffend

gebrannte Wasser.

(Vom 23. Dezember 1886.)

Die Bundesversammlung der schweizerischen Eidgenossenschaft, 1) nach Einsicht einer Botschaft des Bundesrathes vom 8. Oktober 1886; 2) in Anwendung der Art. 31, 32 und 32bis der Bundesverfassung und Art. 6 ihrer Uebergangsbestimmungen, beschließt: Art. 1. Das Recht zur Herstellung und zur Einfuhr gebrannter Wasser aus Stoffen, deren Brennen der Bundesgesetzgebung unterstellt ist, steht ausschließlich dem Bunde zu.

Der Bund ist verpflichtet, dafür zu sorgen, daß die für Verarbeitung zu Getränken bestimmten gebrannten Wasser genügend gereinigt seien.

Soweit der Bedarf durch inländische Produktion gedeckt werden soll, überträgt der Bund die erforderlichen Lieferungen an die Privatthätigkeit nach Maßgabe von Art. 2.

Art. 2. Annähernd ein Viertheil des Bedarfes an gebrannten Wassern wird durch Lieferungsverträge beschafft, Bundesblatt. 38. Jahrg. Bd. III.

92

1310 welche der Bund mit inländischen Produzenten abzuschließen hat.

Die Lieferungen werden vom Bundesrathe, nach Feststellung des Pflichtenheftes, in Loosen von mindestens 150 und höchstens 1000 Hektolitern absoluten Alkohols, fürUebernahme ausgeschrieben und auf Grund der für die einzelnen Loose eingelangten Angebote an Diejenigen vergeben, welche bei zureichender Garantie die günstigsten Bedingungen stellen.

Bei der Vergebung ist das Brennen einheimischer Rohmaterialien und der Brennbetrieb in Form landwirthschaftlicher Genossenschaften vorzugsweise zu berücksichtigen.

Keine Brennerei erhält mehr als ein Loos zugeschlagen.

Art. 3. Die Einfuhr von Qualitätsspirituosen wird zu den vom Bundesrath aufzustellenden Bedingungen und gegen eine feste Monopolgebühr von Fr. 80 per Meterzentner Bruttogewicht nebst Eingangszoll, ohne Rücksicht auf den Alkoholgehalt, auch Privatpersonen gestattet.

Art. 4. Die gebrannten Wasser werden vom Bund in Mengen von mindestens 150 Litern gegen Baarbezahlung abgegeben; der Verkaufspreis wird vom Bundesrath zeitweise festgesetzt und im Bundesblatt veröffentlicht. Derselbe soll per Hektoliter absoluten Alkohols, ohne Gebinde, nicht weniger als Fr. 120 und nicht mehr als Fr. 150 betragen.

Art. 5. Bei der Ausfuhr von Erzeugnissen, zu deren Herstellung steuerpflichtiger Alkohol verwendet wird, ist die Menge desselben nach dem Verhältnisse, in welchem er bei der betreffenden Fabrikation Verwendung findet, zu ermitteln, und es ist für den entsprechenden Monopolgewinn am Ende des Rechnungsjahres Rückvergütung zu leisten.

Diese Rückvergütung wird vom Bundesrath nach Maßgabe des durchschnittlichen Unterschiedes zwischen dem Verkaufspreis und dem Anschaffungspreis der eingeführten gebrannten Wasser (loco Magazin) berechnet.

Für Ausfuhrmengon unter 20 Litern wird die Rückvergütung nicht geleistet.

1311 Art. 6. Zur Verwendung für technische und Haushalt.ungs-Zwecke werden die hiezu geeigneten, in der Regel den wohlfeilsten Vorräthen zu entnehmenden gebrannten Wasser aus den Magazinen des Bundes in Mengen von 150 Litern an zum Selbskostenpreis, bei importirter Waare unter Hinzurechnung des betreffenden Eingangszolles, denaturirt abgegeben.

Der Bundesrath wird die Bedingungen und das Verfahren festsstellen, denen die Denaturirung unterworfen ist.

Art. 7. Das Hausiren mit gebrannten Wassern jeder Art, sowie der Ausschank von solchen und der Kleinhandel mit denselben in Brennereien und solchen Geschäften, in denen der besagte Ausschank und Kleinhandel nicht im natürlichen Zusammenhang mit dem Verkauf,, der übrigen Handelsartikel stehen würde, sind verboten. Vorbehalten bleibt der Kleinhandel mit denalurirtem Sprit und der Kleinhandel aus Brennereien nach Art. 8, Alinea 4.

Art. 8. Der Verkauf von gebrannten Wassern aller Art in Quantitäten von mindestens 40 Litern ist ein freies Gewerbe (Großhandel).

Der Handel mit kleinern Quantitäten (Kleinhandel) zerfällt in: 1. den Ausschank zürn Genuß an Ort und Stelle; 2. den Kleinverkauf über die Gasse.

Die Bewilligungen zum Ausschank und Kleinverkauf werden von den kantonalen Behörden ertheilt und sind an eine der G-röße und dem Werthe des Umsatzes entsprechende Verkaufssteuer zu knüpfen, welche bis zum Erlaß eines Bundesgesetzes von den Kantonen festgesetzt wird.

Brenner jedoch, welche im nämlichen Jahre höchstens 40 Liter nicht bundessteuerpflichtigen Branntwein darstellen, dürfen ihr Erzeugniß in Quantitäten von mindestens 5 Litern frei verkaufen.

Die Gefässe der Sehankstellen sind eichpflichtig.

1312 Art. 9. Die Kantone sind verpflichtet, die Aufsicht über den Handel mit den vom Bunde abgegebenen gebrannten Wassern, sowie über die Fabrikation und den Verkauf des nicht bundessteuerpflichtigen Branntweins zu üben.

Art. 10. Die Durchführung des .Gesetzes in seineu übrigen Theilen liegt dem Bundesrathe ob, welcher hiefür die nöthigen Vollziehungsverordnungen erlassen und die erforderlichen Organe bezeichnen wird. Der Bundesrath kann die Mitwirkung der Kantone beanspruchen, in welchem Falle denselben nachgewiesene Kosten zu vergüten sind.

Der Bund wird die zur Durchführung des Gesetzes erforderlichen Summen der Monopol Verwaltung vorschießen, welche dieselben zu verzinsen, beziehungsweise in angemessenen Zeiträumen zu amortisiren hat.

Art. 11. Der Bund bezieht von allen eingeführten Spirituosen die betreffenden Zollgebühren und hat die Kosten der 'Monopolverwaltung und die der Zollverwaltung durch das Monopol verursachten Mehrkosten in Anrechnung zu bringen.

Art. 12. Die Reineinnahmen der Monopol ver waltung werden, vorbehaltlich der Vorschriften im Artikel 6 der Uebergangsbestimmungen zur Bundesverfassung, unter die sämmtlichen Kantone nach Verhältnis der durch die jeweilige letzte eidgenössische Volkszählung ermittelten faktischen Bevölkerung vertheilt.

Der Rechnungsabschluß findet jeweilen auf den 31. Dezember statt.

Art. 13. Die Kantonsregierungen haben über die Verwendung der zur Bekämpfung des Alkoholismus nach Art. 32bi8 der Bundesverfassung bestimmten 10 °/o ihrer Einnahmen jedes Jahr an den Bundesrath Bericht zu erstatten, und es sind die bezüglichen Berichte der Bundesversammlung gedruckt vorzulegen.

1313 Art. 14. Wer den Bestimmungen dieses Gesetzes zuwiderhandelt, indem er unbefugter Weise gebrannte Wasser erzeugt, oder die befugter Weise erzeugte Menge an solcher Waare nicht vollständig abliefert, oder sich eine ungerechtfertigte Rückvergütung zuwendet, oder denaturirt bezogene Waare zu andern als den gestatteten Zwecken verwendet, oder auf unrechtmäßige Weise sich gebrannte Wasser verschafft, ist mit einer Geldbuße zu belegen, welche das Fünf- bis Dreißigfache der dem Staate unterschlagenen Summe beträgt.

Kann die letztere nicht ermittelt werden, so tritt Geldbuße von Fr. 200 bis 10,000 ein.

Befindet sich der Fehlbare im Rückfalle, oder bestehen erschwerende Umstände, so kann die Geldbuße verdoppelt und überdies auf Gefängniß bis zu sechs Monaten erkannt werden.

Der Versuch der in diesem Artikel mit Strafe bedrohten Handlungen wird der Vollendung gleich gehalten.

Art. 15. Außer den im vorigen Artikel genannten Fällen wird jede Uebertretung dieses Gesetzes oder der zur Ausführung desselben erlassenen Verordnungen mit Geldbuße von Fr. 20--500 bestraft. Die Buße beträgt Fr. 50 bis 1000, wenn der Fehlbare die Vornahme der amtlichen Kontrole zu verhindern gesucht hat. Vorbehalten bleibt Artikel 47 des Bundesstrafrechts.

Art. 16. Von den Bußen und Geldstrafen, welche auf Grund dieses Gesetzes bezogen werden, kommt ein Dritttheil dem Anzeiger, ein Dritttheil dem Kanton und ein Dritttheil der Gemeinde zu, in welcher die Widerhandlung stattgefunden hat. Wo kein Anzeiger ist, fällt auch der Anzeigerantheil in die Kantonskasse. In Fällen, wo die Uebertretung durch Beamte oder Bedienstete der Zollverwaltung ermittelt wird, geschieht die Vertheilung nach Artikel 57 des Zollgesetzes vom 27. August 1851.

1314 Art. 17. Mit Bezug auf das Verfahren bei Uebertretungen dieses Gesetzes oder der zur Ausführung desselben erlassenen Verordnungen gilt das Bundesgesetz vom 30. Juni 1849 betreffend das Verfahren bei Uebertretungen fiskalischer und polizeilicher Gesetze.

Art. 18. Die Eigenthümer der bestehenden Brennereien werden von dem Bunde für den Minderwerth entschädigt, welchen ihre zur Fabrikation von gebrannten Wassern verwendeten Gebäude und Einrichtungen durch die Vollziehung des Art. l dieses Gesetzes erleiden.

Bei der Ausmessung dieser Entschädigung darf der bisher durch die Brennerei erzielte Gewinn nicht in Rechnung gebracht werden.

Der Anspruch auf Entschädigung ist auf diejenigen Eigenthümer beschränkt, deren Brennereien vor dem 25. Oktober 1885 errichtet und bis zu diesem Zeitpunkte betrieben wurden und welche überdies auf die durch Art. 32 bi » der Verfassung gestattete Fabrikation verzichten.

Wo eine gütliche Verständigung über die Höhe der Entschädigung nicht stattfinden kann, hat die Ausmittlung derselben durch Schätzungskommissionen zu geschehen.

Diese Schätzungskommissionen sollen aus je drei Mitgliedern bestehen, wovon das erste durch das Bundesgericht, das zweite durch den Bundesrath, das dritte durch die Regierung desjenigen Kantons zu ernennen ist, in dessen Gebiet die zu entschädigende Brennerei sich befindet.

Gegen den Entscheid der Sehätzungskommission kann jeder Betheiligte innerhalb 30 Tagen nach Zustellung des Entscheides beim Bundesgericht .Beschwerde führen.

Geschieht dies nicht, so ist der Entscheid der Schätzungskommission als in Rechtskraft erwachsen anzusehen.

Das von dem Bundesgericht und den Schätzungskommissionen einzuhaltende Verfahren wird durch eiue besondere, von dem Bundesgericht aufzustellende Verordnung geregelt, für welche das Gesetz vom 1. Mai 1850. betreifend die Abtretung von Privatrechten, als Grundlage zu dienen hat.

1315 Art. 19. Der Bund hat das Recht, die bei dem Inkrafttreten des Gesetzes im Lande befindlichen, über r/2 Hektoliter betragenden Vorräthe monopolisirter gebrannter Wasser :gegen Entschädigung an sich zu ziehen, insoweit die Eigenthümer solcher Vorräthe es nicht vorziehen, dieselben gegen Entrichtung der betreffenden Steuer zu behalten.

Erklärt der Bund die Uebernahme der Vorräthe, so sind die Besitzer zur Anmeldung verpflichtet. Verheimlichung der Waare hat Konfiskation derselben und Bestrafung nach Art. 14 zur Folge. Der Uebernahmspreis wird durch Kommissionen von Sachverständigen festgestellt, welche der Bundesrath zu diesem Zwecke zu bestellen hat.

Bei Feststellung der nach diesem Artikel zu übernehmenden Spirituosen haben die Kantone gegen eine nach der Zahl der Abgeber und der Gesammthöhe des Uebernahmspreises bemessene Vergütung dem Bund auf Verlangen ihre .Mitwirkung zu leisten.

Art. 20. Der Bundesrath ist mit der Vollziehung des gegenwärtigen Bundesgesetzes beauftragt.

Art. 21. Der Bundesrath ist beauftragt, auf Grundlage der Bestimmungen des Bundesgesetzes vom 17. Juni 1874, betreffend Volksabstimmung über Bundesgesetze und Bundesbeschlüsse, die Bekanntmachung dieses Gesetzes zu veranstalten und den Beginn der Wirksamkeit desselben festzusetzen.

Also beschlossen vom Nationalrathe, B e r n , den 22. Dezember 1886.

Der Präsident: Morel.

Der Protokollführer: Rillgier.

Also beschlossen vom Ständerathe, B e r n , den 23. Dezember 1886.

Der Vizepräsident: Scherb.

Der Protokollführer: Schatzmann.

1316 Der schweizerische B u n d e s r a t h beschließt: Aufnahme des vorstehenden Bundesgesetzes in das Bundesblatt.

B e r n , den 24. Dezember 1886.

Im Namen des Schweiz. Bundesrathes, Der B u n d e s p r ä s i d e n t :

Deucher.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Ringier.

N o t e . Datum der Publikation: 30. Dezember 1886.

Ablauf der Einspruchsfrist: 30. März 1887.

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Bundesgesetz betreffend gebrannte Wasser. (Vom 23. Dezember 1886.)

In

Bundesblatt

Dans

Feuille fédérale

In

Foglio federale

Jahr

1886

Année Anno Band

3

Volume Volume Heft

54

Cahier Numero Geschäftsnummer

---

Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

30.12.1886

Date Data Seite

1309-1316

Page Pagina Ref. No

10 013 351

Das Dokument wurde durch das Schweizerische Bundesarchiv digitalisiert.

Le document a été digitalisé par les. Archives Fédérales Suisses.

Il documento è stato digitalizzato dell'Archivio federale svizzero.