1233

# S T #

Botschaft des

Bundesrathes an die Bundesversammlung betreffend Konzession einer Rhonebahn von Brig nach Airolo.

(Vorn 10. Dezember 1886.)

Tit.

Unterm 18. März 1886 überreichte Herr Ingenieur Roman Abt in Bünzen dem Bundesrathe, als Beitrag zur Lösung der Simplonfrage, eine Druckschrift über eine Rhonebahn von Brig nach Airolo zur Verbindung der bestehenden Simplonlinie mit der Gotthardbahn und ließ dieser Eingabe für den Fall, daß die Initiative zur Verwirklichung des Projektes der Privatthätigkeit überlassen werden sollte, zu Händen einer zu bildenden Aktiengesellschaft ein förmliches Konzessionsgesuch für Bau und Betrieb einer normalspurigen Eisenbahn zwischen Brig und Airolo, nebst den hiefür gesetzlich vorgeschriebeneu Vorlagen, folgen.

Wir entnehmen denselben nachstehende Angaben.

Der Konzessionspetent geht davon aus, daß die Westbahn, um die Rentabilität ihres bestehenden Netzes zu erhöhen, nothwendig der Verbindung mit Italien bedürfe, zu diesem Zwecke aber keine übermäßigen Opfer bringen dürfe, und daß die seit Langem angestrebte Verbindung über den Simplon entweder ein zu großes und daher unaufbringliches Baukapital oder bei Annahme eines Spezialsystems zu große Betriebskosten erfordere, als daß die Realisirung in absehbarer Zeit wahrscheinlich sei. Als ein anderer Weg, zum Ziele zu gelangen, soll die Verbindung mit der Gott-

1234 hardbahu durch das Rhone- und ßedrettothal dienen. Zur Begründung dieses Projektes weist der Petent auf folgende Momente h i n : !)· Die Westbahn erhält dadurch in kürzester Zeit eine direkte Verbindung mit Italien.

2) Die bisherige Sackbahu St. Moritz-Brig wird eine internationale Durchgangslinie mit einem bedeutenden Transitverkehr, und zwar ebensowohl nach Italien wie nach der Cenlralund Ostschweiz und weiter nach Nordosten.

3) Der Verlängerung von Brig bis Airolo fällt nicht nur dieser Transit, sondern ein bedeutender Lokalverkehr im Rhonethal und namentlich auch ein ganz gewaltiger Touristenverkehr zu, der heute schon besteht und nach dem Baue der Bahn noch viel größere Dimensionen annehmen wird.

4) Durch Hereinziehen des Oberwallis in das schweizerische Bahnnetz wird diesem Landestheil eine vielverheißende Zukunft eröffnet und ein neues Band geschaffen zu treuem Zusammenhalten für alle Zeiten.

5) Der Grotthardbahn, welche selbst die Frucht lauger und schwerer Bemühungen gewesen und auch heute noch bei Weitem nicht völlig erstarkt ist, sondern noch lange Zeit der Hülfe bedarf, entsteht, statt eines gefährlichen Feindes und Konkurrenten, ein mächtiger Bundesgenosse.

6) Die zur Wahrung unserer Stellung und Unabhängigkeit M l s politischer Staat von der Bundesversammlung als nöthig erachtete Landesbefestigung am Südfuße des Gotthard erhalt durch diese Linie erst ihre wahre und volle Bedeutung.

7) Endlich aber ist die einzig rationelle Lösung des SirnplonUeberganges durchaus in keiner Weise präjudizirt; sie ist im Gegentheil durch das Erstarken der Wt-stbahn mehr denn je ihrer Verwirklichung näher gerückt Nach dem vorliegenden Projekte soll die Bahn den bestehenden Bahnhof Brig auf der Höhe von 679,5 m. über Meer verlassen und auf 35 km. Länge dem Laufe der Rhone bis Obergestelcu folgen. Zur Ersteigung der Thalstufe bei Grengiols ist eine Zahnschienenrampe von 5 km. Länge mit 45 %o Steigung vorgesehen, während der übrige Theil dieser Strecke als reine Adhäsionsbalm mit 25 °/oo Maximalsteigung angelegt werden soll.

Bei Obergestelen wird die Rhone überschritten und das linksseitige Gehänge, sowie der Eintritt in das Gerenthal mit einer Zahnschienenrampe von 6 km. und 60 %o Steigung gewonnen.

1235 Der Alpentunnel soll im Gerenthal auf einer Höhe von 1715m.

beginnen und in einer Länge von 6,3 km. unter dem Kühbodenhorn durchführen mit einem Gefall von l %o auf der Nordseite und einem solchen von 15 °/uo auf der Südseite. Der Kulminationspunkt liegt 1718 m. über Meer.

Vom südlichen Tunnelausgang auf 1664 m. Höhe zieht sich die Bahn am linksseitigen Ufer des Tessin durch das Bedrettothal und erreicht die Station Airolo der Gotthardbahn auf der Höhe von 1144,8 m. Diese Strecke wird zwei Zahnschienenrampen von 7,65 km.

Gesamintlänge und 60 °/oo Gefall enthalten; das dazwischen liegende 3 km. lange Stück ist reine Adhäsionsbahn mit 20 °/oo Gefall.

Stationen sind vorgesehen außer in Brig und Airolo auf Walliserseite : bei Mo rei, Grengiols, Fiesch-Aernen, Niederwald, Ritzingen, Münster, Obergestelen, Gerenthal; auf Tessinorseite: Cassina Baggio, Bedretto und Fontana.

Die ganze Bahnlänge würde 61 km. betragen, wovon 42,347 auf Adhäsionsstrecken und 18,653 auf Zahnschienenstrecken entfallen.

D : e Spurweite ist normal und eingeleisige Anlage vorgesehen.

Für die offene Linie sollen keine kleinern Kurvenradien als 300 m.

vorkommen und nur in besondern Fällen mit spezieller Bewilligung des Bundesrathes darf auf solche von 250 m. herabgegangen werden.

Das Maximum der Steigung wird 25 °/oo auf reinen Adhäsionsstrecken, welche nicht höher als 1300m. über Meer liegen, und 20 °/oo betragen, sobald diese Höhe überschritten wird. Die Zahnschienenstrecken dagegen werden Steigungen bis 60 %o aufweisen.

Der Oberbau besteht in Vignolschienen aus Stahl mit flußeiserneu Querschwellen: auf den Steigungen von über 25 °/oo soll in der Bahnaxe eine Zahnschiene, System Abt, bestehend aus drei Lamellen von Flußstahl, die mittelst Stühlen aus Schmiedeisen auf die Querschwellen befestigt sind, eingelegt werden. Die dem Gesuche beiliegende Zeichnung giebt über das Zahnschienensystem nähern Aufschluß.

Was das Betriebsmaterial betrifft, so soll die ganze Bahn nach den Vorschriften für Normal bahnen ausgeführt werden, so daß sämmtliche normal gebaute Fahrzeuge anstandslos auf der ganzen Linie verkehren können. Es sollen auch die eigenen Personen- und Güterwagen durchaus nach den bestehenden Normen konstruirt werden. Dagegen ist vorgesehen, sämmtliche eigene Fahrzeuge mit kontinuirlicher Bremse auszurüsten.

1236 Eine spezielle Konstruktion sollen die Lokomotiven erhalten, indem sie nach dem bereits auf der Harzbahn im Betrieb befindlichen vom Konzessionspetenten erfundenen System gebaut werden.

Sie erhalten drei Adhäsions- und zwei Zahnradtriebachsen, nebst einem beweglichen Untergestell, wie solches in der Beilage zum Konzessionsgesuch durch eine Zeichnung verdeutlicht ist.

Als wesentlichen Vortheil dieses Spezialbetriebssystems führt Petent die Möglichkeit a n , das gesammte Betriebsmaterial der europäischen Normalbahnen über die Zahnschienenstrecken ebenso ungehindert verkehren zu lassen wie auf jeder andern Normalbahn.

Dabei weise das System folgende Eigentümlichkeiten auf: 1) Die Zuläßigkeit größerer Steigungsverhältnisse, als es die nach dem reinen Adhäsionsprinzipe betriebenen Gebirgsbahnen aufweisen ; 2) die Einlage einer Zahnschiene, welche mit dem offiziellen Profil des Fahrmaterials in keine Kollision geräth; 83 die Verwendung von Lokomotiven, welche jeder Zeit als gewöhn liche Adhäsionsmaschinen vorzügliche Dienste leisten, außerdem aber in Folge spezieller Bauart auf den mit Zahnschiene ausgerüsteten Steigungen ihre natürliche Adhäsion mit zwei Zahntriebrädern unterstützen.

Dieses vom Petenten in Aussicht genommene und von ihm erfundene System befinde sich seit 15. Mai 1885 in provisorischem und seit 27. Oktober 1885 in fahrplanmäßigem Betrieb auf der Harzbahn von Blankenburg nach Rübeland, einem Zweige der deutschen Vereinsbahnen, mit 60 °/oo Maximalsteigung, 180 Meter kleinstem Kurvenradius und einem normalen Zugsgewicht von 120 Tonnen.

Seit Anfang des Jahres stehe es ferner in regelmäßigem Betriebe auf der normalspurigen Verbindungsbahn Lehesten-Oertelsbruch mit 80 %o Maximalsteigung. Ferner finde es Anwendung zum Betrieb von vier kleinern Linien in dem Schieferwerke Oertelsbruch mit 137 %o Maximalsteigung.

Dessen Leistungsfähigkeit dürfe daher durch die bei der praktischen Ausführung erzielten Erfolge als erwiesen angesehen werden.

Das größte von einer Maschine zu befördernde Zugsgewicht, exklusive Motor, wird auf 120 Tonnen angegeben. Zwischen Brig und Obergestelen sollen sämmtliche Züge gezogen werden. Auf der Steilrampe von 45 °/oo bei Grengiols werde dadurch der Kupplung zwischen Zug und Maschine eine Inanspruchnahme von 6000 kg.

1237 zugemuthet, also weniger als die übliche Grenze. Züge von nicht über 90 Tonnen sollen auch auf den übrigen Steilrampen gezogen werden, während sich dagegen bei schwereren Zügen die Maschine stets unterhalb des Zuges befinden soll. Für solche Züge ist demnach in der Richtung Brig-Airolo Maschinenwechsel in Gestelen und vor dem Tunnel vorgesehen, während sie in der umgekehrten Richtung bis zum Tunneleingang gestoßen werden sollen und erst von da weg die Maschine an die Spitze des Zuges gestellt würde.

An Verkehr sieht das Gesuch vor: Bruttotonnen.

150,000 Reisende à 0,7 = . . . . 105,000 10,000 Tonnen Eilgut à 4,6 = . . 45,000 150,000 Tonnen Güter à 3 = . . 450,000 Zusammen 600,000 ohne Lokomotiven.

Bei Annahme eines mittleren Gewichts der Züge von 90 Tonnen ergeben sich 6667 Züge pro Jahr oder 18 Züge pro Tag, welcher Anforderung 9 Lokomotiven im täglichen Dienste leicht entsprechen, indem jede derselben bloß eine Doppelfahrt oder 122 km. Weg auszuführen hätte.

Die Leistungsfähigkeit der Bahn dagegen sei eine viel höhere.

Die größte Entfernung zweier Stationen betrage nämlich bloß 6700 m., so daß stündlich 2 Züge passiren können. Ueberdieß sei gerade diese längste Strecke mit Zalmschiene ausgerüstet, also die Möglichkeit gegeben, Züge in ganz kurzen Intervallen sich folgen zu lassen. Endlich könnten auch hier wie anderwärts Züge mit Doppelbespannung und 200 Tonnen Gewicht ausgeführt werden.

Der Kostenvoranschlag ist sehr summarisch gehalten und beruht bei Fehlen näherer Vermessungsarbeiten auf einer generellen Schätzung, die für die einzelnen Strecken folgendes Resultat ergab : Fr.

Fr.

Brig-Grengiols . . . . . 10 km. h 260,000 = 2,600,000 Grengiols-Fiesch . . . . . 6 300,000 = 1,800,000 T!

·n Fiesch-Niederwald .

. 5 250,000 = 1,250,000 ·n n Niederwald- Obergestelen . . 14 200,000 == 2,800,000 n n Obergestelen-Tunneleingang . 7,8 n ·n 380,000 = 2,774,000 1,200,000 = 7,560,000 Tunnel . 6,8 .

12,4 340,000 = 4,216,000 Bedrettothal Zusammen 61 oder per krn. rund Fr. 377,000.

km.

= 23,000,000

1238 Bei dem oben angegebenen Verkehr von 150,000 Reisenden und 160,000 Tonnen Güter nimmt Petent unter Zugrundlegung der aus dem Konzessionsschema ersichtlichen Tarife eine jährliche Bruttoeinnahme von Fr. 2,640,000 an und berechnet die jährlichen Betriebsausgaben auf Fr. 1,650,000, was einen Reingewinn von Fr. 990,000 oder rund l Million ergibt und eine Verzinsung des Baukapitals von 23 Millionen zu 4,s °/o ermöglichen würde.

Was die besondern Begehren des Petenten in Bezug auf die Konzessionsbedingungen anbelangt, so kommen wir unten dartiuf zu sprechen.

Von den betheiligten Kantonsregierungen des Tessin und des Wallis, welche nach Vorschrift des Art. 2 des Eisenbahngesetzes zur Vernehmlassung eingeladen wurden, begrüßt die erstere das vorliegende Projekt, das dem Bedrettothal eine bessere Verbindung mit dem Livinenthal und dem Kanton eine solche mit dem Wallis bringe. In Betreff des Tracé und der technischen Anlage behält sich der Staatsrath von Tessin anläßlich der Vorlage der Ausführungspläne nähere Prüfung und Vernehmlassung vor.

Der Staatsrath des Kantons Wallis dagegen spricht sich in seinem Schreiben vom 1. Juni gegen das Projekt und die Konzessionirung desselben aus, indem er anführt, daß nach seinem Dafürhalten das Projekt weder in technischer noch in finanzieller Beziehung genügend vorbereitet sei und daher die nöthigen Garantien nicht biete.

Sodann stelle sich diese Linie als ein Konkurrenzprojekt des Simploniibergangs dar, dessen Verwirklichung das Ziel der Wünsche des Wallis sei. So lange letzteres Projekt, das von allgemeinem Interesse für das ganze Wallis sei, noch Aussicht auf Verwirklichung habe, sei die Regierung des Wallis nicht im Falle, andern Plänen zuzustimmen, die möglicher Weise keine andere Wirkung haben, als dem erstem zu schaden. Nur wenn der Gedanke des Alpenübergangs über den Simplem aufgegeben werden müßte, könnte das Wallis zu andern Unternehmen Hand bieten.

Die nämliche Stellung wie in ihren Vernehmlassungen nahmen die beiden Regierungen bei den nach Mitgäbe von Art. 2 des Eisenbahngesetzes veranstalteten konferenziellen Verhandlungen ein.

Was nun die ablehnende Haltung des Wallis anbelangt, die immerhin nicht als eine förmliche Einsprache im Sinne des Art. 4 des Eisenbahngesetzes geltend gemacht wurde und sich auch nicht an und für sich zu einer solchen qualifizirt, so sind die dafür vorgebrachten Gründe nach unserm Dafürhalten keineswegs stichhaltig.

1:239 Bezüglich der gerügten ungenügenden Vorbereitung des Projektes in technischer und finanzieller Beziehung theilen wir die Ansicht des Petenten, welcher in der Konferenz vom 30. Oktober erklärte, daß er sich als Konzessionsbevverber zu einem weitern Nachweise in dieser Richtung laut Gesetz nicht für verpflichtet halte, und ausführte, daß das vorliegende Projekt in technischer Beziehung ebenso vorbereitet sei, wie irgend ein anderes, dessen Konzessionirung unbeanstandet stattgefunden habe. In der That sind die in der Verordnung zum Eisenbahngesetz vom 1. Februar 1875 für die Konzessionsbewerbung vorgesehenen technischen Vorlagen vom Petenten eingelegt worden, und sie enthalten alle vorgeschriebenen Angaben. In Betreff des für den Betrieb in Aussicht genommenen sogenannten gemischten Systems detaillirtere Nachweisungen zu verlangen, wäre schon deßhalb nicht gerechtfertigt,, weil dies auch bei Konzessionirung der Bahn Maloja-Castasegna,.

für welche das gleiche System vorgesehen ist, nicht geschah und trotzdem die Konzession unbedenklich von Ihnen ertheilt wurde. Es darf vollständig genügen, wenn zugleich mit den Ausfuhrungsplänen die Details des Systems vorgelegt werden, in welchem Zeitpunkt die diesfällige genauere Prüfung vorzunehmen sein wird.

Eine Zeichnung der Lokomotive ist übrigens den Akten heigegeben.

Ueberdies beruft sich Petent mit Recht darauf, daß das in Aussicht genommene, von ihm erfundene System, wenn auch nicht in der Schweiz, so doch in Deutschland bei der Harzbahn mit Erfolg zur Anwendung gelangte und sich gegenwärtig in Betrieb befinde.

In finanzieller Beziehung sodann verlangt das Gesetz vom Konzessionsbevverber keinerlei weitere Vorlagen oder Nachweisungen, als einen summarischen Kostenvoranschlag, per Kilometer berechnet und auf analoge Unternehmen hnsirt. Ein solcher Kostenvoranschlag liegt vor, und als Mangel kann daran bloß bezeichnet werden, daß der Hinweis auf analoge Unternehmen fehlt. Es ist indessen kaum zu bezweifeln, daß der Petent als Fachmann sich bei seinen Berechnungen auf solche gestutzt hat, und es kann daher deren Nichtaufführung keinen Grund abgeben, das Konzessionsgesuch als ungenügende Vorlage abzuweisen.

Wenn weiter der Kanton Wallis, im Hinblick auf das von ihm; in erster Linie angestrebte Simplouprojekt, dem vorliegenden Konzessionsgesuch glaubt
entgegentreten zu sollen, so erscheint uns auch mit dieser Motiviruug die ablehnende Haltung nicht gerechtfertigt und keineswegs durch die Interessen des Wallis bedingt, denea das gegenwärtige Projekt im Gegentheil nur förderlich sein kann.

Denn es kann dasselbe vor Allem nicht als ein eigentliches Konkurrenzprojekt des Simplon angesehen werden, wie es beispielsweise

1240 bei dem Col Ferret-Projekt der Fall war, da eine Rhonebahn auch selbstständige Existenzberechtigung hat und den Simplonübergang weder aussehließt noch durch denselben ausgeschlossen ist. Es will das Projekt dem Wallis und der Waadt allerdings eine Verbindung mit Italien schaffen, aber nicht eine direkte, sondern vermittelst Anschlusses an die Gotthardbahn, und es enti'ällt insoweit seine Bedeutung, sobald der, eine weit günstigere Verbindung vermittelnde, Simplondurchstich erfolgt. Als Verbindung mit Italien wird daher die Rhonebahn nur in Betracht kommen, so lange der Simplonübergang nicht besteht und diese in den Verhältnissen selbst begründete sekundäre Bedeutung schließt daher eine eigentliche Konkurrenz; gegenüber dem Simplonprojekt aus. Wenn also auch der Kanton Wallis zunächst seine finanzielle und moralische Hülfe dem Simplonunternehmen zuwenden will, so hat er damit noch keinen Grund, einem faktisch bloß in zweiter Linie stehenden Projekt feindlich entgegenzutreten, das auf der andern Seite gerade für den Kanton Wallis unbestreitbare Vortheile bietet, indem es ihm nicht nur eine gute Verbindung mit dem Tessin, sondern auch mit dem centralschweizerischen Schienennetze schafft, und bei Nichtzustandekommen des Simplon geeignet ist, als etwelcher Ersatz desselben zu dienen.

Es ergibt sich hieraus, daß die von Wallis erhobeneu Einwendungen unbegründet sind.

Auf der andern Seite darf nicht übersehen werden, daß der andere von der Rhonebahn berührte Kanton (Tessin) das Unternehmen freudig begrüßt und dessen Realisirung lebhaft wünscht.

Wir glauben unter diesen Umständen Ihnen das Gesuch nur Entsprechung empfehlen zu sollen. Es kann dies, da eine eigentliche Einsprache von Wallis nicht vorliegt, geschehen, ohne daß ein Vorbehalt im Sinne des Art. 4, AI. 2, des Eisenbahngesetzes nothwendig wird.

Die Ko nzessionsbedingungen, welche wir Ihnen für die Konzession vorschlagen, schließen sich der Normalkonzession in allen Theilen an, ausgenommen was die Taxen betrifft, in Bezug auf welche der Konzessionsbewerber einzig davon abweichende Begehren formulili hat.

Für die Berechnung der zu erhebenden Taxen kommen die Bestimmungen der Botschaft des Bundesrathes betreffend die Taxerhöhungen für Eisenbahnstrecken mit größeren Steigungen, vom 11. September 1873 (Bundesblatt 1873, III, 708 u. ff.), in Betracht, Hienach sind für Bahnen mit Steigungen nicht über 10 °/oo die nor-

1241 malen Taxen (zu vergi. Art. 15, 17, 18 in der sogen. Normalkonzession, Thun-Konolfingen, vom 17. September 1873, E. A. S.

n. F. I, 137) zu bewilligen; von da an vermehrt durch die folgenden Koeffizienten : 1,19 für Strecken von 10--15 %o 1,40 ,, ,, ,, 15-20 o/oo 1,62

,,

,,

,,

20-250/00

1,85 ,, ,, ,, 25--30 °/no 2,ii ,, ,, ,, 30--35 °/oo 2,39 ,, ,, ,, 35-40 °/oo 2,69 ,, ,, ,, 40-45 o/oo 3 ,, 45-500/00 mit der Maßgabe, daß Steigungen, welche bei einer längeren Bahn nur auf eine kurze Strecke vorkommen, nicht in Betracht zu ziehen sind, wogegen die größere Steigung für die ganze Linie in Betracht gezogen werden darf, wenn die Züge danach eingerichtet werden müssen.

Die Bahn Brig-Airolo wird nun vom Potenten selbst in zwei Sektionen eingetheilt, die Thalbahn, Brig-Obergestelen, mit einer Steigung von 45 °/oo auf 5 Kilometer und von 25 und weniger als 25 °/oo auf etwa 30 Kilometer, und die Bergbahn ObergestelenAirolo mit einer Maximalsteigung von 60 °/oo auf annähernd 14 Kilometer, 20 und 15°/oo auf annähernd 7 Kilometer und weniger als 10 °/oo auf der ebenfalls über 6 Kilometer langen Tunnelstrecke.

Wenn man annehmen will, daß die Steigung von 45 °/oo die Last- und Zugki'aft auf der ganzen Strecke dei- Thalbahn bedingt, so wären für diese die folgenden Maximaltaxen per Kilometer zuläßig :

Für P e r s o n e n v e r k e h r : III. Klasse 5 X 2,69 = 13,45 Rp.

II.

,,

7 X

2,09

= 18,83

,,

T.

,, 10 X 2,69 = 26,9o ,, Für das G e p ä c k : per 100 Kilogramm 5 X 2,69 = 13,40 Für die G ü t e r : per 100 Kilogramm 2 X 2,69 = 5,38 Für V i e h per Stück: I. Klasse 16 Ì ( = 43,
II.

III.

,,

8

,,

3 J

X

2,69

=

{ =

21,53

,,

8,07 ,,

1242 Für die Bergbahn mit einer Maximalsteigung von 60 °/oo wäre für die auf die letztere berechnete Taxe der Koeffizient von 3,s (d. h. 3 auf 50 °/oo und 0,83 auf die weitern 10 °/oo) anzuwenden, was folgende kilometrische Ansätze ergibt : Personenverkehr: III. Klasse 5 X 3,8 = 19 Rp.

II.

,, 7 X 3,8 = 26,6 ,, I.

,, 10 X 3,8 = 38 ,, Gepäck: 100 Kilogramm 5 X 3,s = 19 Rp.

Güter: 100 Kilogramm 2 X 3,s = 7,6 Rp.

V i e h per Stück : I. Klasse 16 X 3,s = 60,s Rp.

E.

,, 8 X 3,8 = 30,4 ,, III.

,, 3 X 3,8 = 11,4 ,, Der Konzessionspetent nun verlangte in der Konzessionseingabe die Bewilligung folgender Sätze : auf der auf der Thalstrecke : Bergstrecke :

im Pers.-Verk. I. Kl. 25 Rp.

40 Rp.

II. ,, 15 ,, 25 ,, III. ,, 1 0 ,, 18 ,, für je 100 Kilogramm Gepäck auf der ganzen Linie 20 Rp.

,, ,, 100 ,, Güter ,, ,, ,, 10 ,, für den Viehtransport pro Stück und Kilometer ebenfalls auf der ganzen Linie I. Klasse 50 Rp.

II ,, 25 ,, III.

,, 10 ,, Die Regierung des Kantons Tessin hat die auf der Bergstrecke für die III. Personenklasse mit 15 Rp. eingestellten 18 Rp. zu hoch bezeichnet und deren Reduktion auf 15 Rp. verlangt.

Der Petent hinwieder hat im Verlauf der Konferenzverhandlungen an dem verlangten Ansatz festgehalten, dagegen die Reduktion der Maximalgütertaxe auf 7,5 Rp. per 100 Kilogramm und Kilometer in seiner nachträgliehen Eingabe anerboten.

Es wird nicht darüber zu streiten sein, daß die Last- und Zugkraft auf jeder der beiden Sektionen je nach dem größten Gefäll sich richten muß, da dieses den Betrieb auf der einen und auf der andern bedingt, und unter diesem Gesichtspunkt mag zugegeben

1243 werden, daß sowohl die für die einzelnen Sektionen, als die für die gesammte Linie vorgeschlagenen mittlem Sät/e nicht außer Verhältniß sind, abgesehen vielleicht von den 7,5 Rp., welche für den Gütertransport als Durchschnittssatz auf der ganzen Bahn gefordert werden und welche um 0,i Rp. unter der für die Bergstrecke berechneten Quote, aber l ,62 Rp. über derjenigen stehen, welche auf die Thalbahn Bezug haben.

Indessen darf nicht übersehen werden, daß die Botschaft von 1873 nicht ein unwandelbares Gesetz, sondern Normen aufstellt, an welche man sich als Mittel halten soll, die aber besonderen Betrachtungen weichen müssen, welche sich z. B. aus unverhältnißmäßig großen oder geringen Baukosten, oder aus den örtlichen Bedürfnissen ergeben. In dieser Richtung dürfte die Ansicht der Regierung von Tessin nicht außer Betracht fallen, daß für die niedrigste Personenwagenklasse eine Taxe von 15 Rp. hoch genug wäre, indem die Verhältnisse der anwohnenden Bevölkerung diese Rücksichtnahme fordern, wogegen umgekehrt, nachdem der Petent die ursprünglich für den Gütertransport geforderten 10 Rp. auf 7,6 Rp. reduzirt hat und eine weitere Ermäßigung diesfalls von keiner Seite beantragt wurde, eine solche zu verlangen auch wir keinen Grund haben.

Die Klausel im Art. 24, daß die Taxen ermäßigt werden sollen, wenn sie drei Jahre lang zu einem Reinertrag von mehr als 6 % geführt haben, sichert davor, daß das Unternehmen nicht in ungewöhnlicher Weise sich bereichern wird.

Wir benutzen auch diesen Anlaß, um Sie, Tit., unserer vollkommenen Hochachtung zu versichern.

B e r n , den 10. Dezember

1886.

Im Namen des Schweiz. Bundesrathes, Der B u n d e s p r ä s i d e n t :

Deucher.

Der Kauzler der Eidgenossenschaft: Riiigier.

1244

Bundes beschlnß betreffend

Konzession einer Eisenbahn von Brig nach Airolo.

Die Bundesversammlung der schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsicht 1) einer Eingabe des Herrn R. A b t , Ingenieur, in Bünzen, vom 25. April 1886; 2) einer Botschaft des Bundesrathes vorn 10. Dezember 1886, beschließt: Dem Herrn R. A b t , Ingenieur, in Bünzen, zu Händen einer zu bildenden Aktiengesellschaft, wird die Konzession für den Bau und Betrieb einer Eisenbahn von Brig nach Airolo unter den in nachfolgenden Artikeln enthaltenen Bestimmungen ertheilt: Art. 1. Es sollen die jeweiligen Bundesgesetze, sowie alle übrigen Vorschriften dei1 Bundesbehörden über den Bau und Betrieb der schweizerischen Eisenbahnen jederzeit genaue Beachtung finden.

Art. 2. Die Konzession wird auf die Dauer von achtzig Jahren r vom Datum des gegenwärtigen Beschlusses an gerechnet, ertheilt.

Art. 3.

Der Sitz der Gesellschaft ist in Brig.

Art. 4. Die Mehrheit der Mitglieder der Direktion und des Verwaltungsrathes oder weitern Ausschusses soll aus Schweizerbiirgern, welche ihren Wohnsitz in der Schweiz haben, bestehen.

Art. 5. Binnen einer Frist von 24 Monaten, vom Datum des Konzessionsaktes an gerechnet, sind dein Bundesrathe die vorschrifts-

1245 mäßigen technischen und finanziellen Vorlagen nebst rien Statuten der Gesellschaft einzureichen.

Innert sechs Monaten nach stattgefundener Plangenehmigungist der Anfang mit den Erdarbeiten für die Erstellung der Bahn zu machen.

Art. 6. Innert drei Jahren nach erfolgter Plangenelimigung ist die ganze konzessionirte Linie zu vollenden und dem Betriebe zu, übergeben.

Art. 7. Der Bundesrath ist berechtigt, auch nach Genehmigung des Tracé eine Abänderung desselben zu verlangen, wenn eine solche durch Fürsorge '& für die Sicherheit des Betriebes geboten istArt. 8. Die Bahn wird mit normalspurigem Unterbau und eingeleisig erstellt, unter Einlegung einer Zahnstange, wo die Steigungen dies nothwendig machen.

Art. 9. Gegenstände von wissenschaftlichem Interesse, welche durch die Bauarbeiten zu Tage gefördert werden, wie Versteinerungen, Münzen, Medaillen u. s. w., sind Eigenlhum desjenigen Kantons, auf dessen Gebiet sie gefunden worden, und an dessen Regierung unentgeltlich abzuliefern.

Art. 10. Den Bundesbearaten, welchen die Ueberwachuug der Bahn hinsichtlich der Bauten oder des Betriebes obliegt, hat die Bahnverwaltung behufs Erfüllung ihrer Aufgabe zu jeder Zeit Einsicht von allen Theilen der Bahn und des Materials zu gestatten und das zur Untersuchung nöthige Personal und Material zur Verfügung zu stellen.

Art. 11. Der Bundesrath kann verlangen, daß Beamte oder Angestellte der Gesellschaft, welche in der Ausübung ihrer Funktionen zu gegründeten Klagen Anlaß geben und gegen welche die Gesellschaft nicht von sich aus einschreitet, zur Ordnung gewiesen, bestraft oder nötigenfalls entlassen werden.

Art. 12. Die Beförderung von Personen soll täglich mindestens drei Mal nach beiden Richtungen von einem Endpunkt der Bahn zum andern, und unter Anhalt bei allen Stationen erfolgen.

Personenzuge, einschließlich der sogenannten gemischten Züge, haben mit einer mittlern Geschwindigkeit von mindestens 10 km.

auf den Zahnschienenstreeken und 20 km. auf den Adhäsionsstrecken in einer Zeitstunde zu fahren. Eine geringere Fahrgeschwindigkeit, darf nur in Folge besonderer Bewilligung des Bundesrathes zur Anwendung gelangen.

1246 Art. 13. Die Gesellschaft hat sich dem Transportreglement der schweizerischen Eisenbahnen zu unterziehen. Soweit sie Aenderungen nothwendig findet, können dieselben nur nach eingeholter Genehmigung des Bundesrathes eingeführt werden.

Art. 14. Die Gesellschaft wird zur Personenbeförderung Wagen nach amerikanischem System mit drei Klassen aufstellen. lu der Kegel sind allen Personenzügen Wagen aller Klassen beizugeben; Ausnahmen kann nur der Bundesrath gewähren. Die sogenannten gemischten Züge mögen ohne Wagen erster Klasse kursiren.

Die Gesellschaft hat stets ihr Möglichstes zu thun, damit alle Auf einen Zug mit Personenbeförderung sich Anmeldenden durch denselben, und zwar auf Sitzplätzen, befördert werden können.

Auf Verlangen des Bundesrathes sind auch mit Waarenzügen Personen zu befördern. In diesem Falle findet die Vorschrift von Art. 12, Absatz 2 keine Anwendung.

Art. 15. Die Gesellschaft wird ermächtigt, für den Transport von Personen Taxen bis auf den Betrag folgender Ansätze zu beziehen : Auf der Strecke Brig-Obergestelen : in der ersten Wagenklasse 25 Rappen, in der zweiten Wagenklasse 15 Rappen, in der dritten Wagenklasse 10 Rappen per Kilometer der Bahnlänge.

Auf der Strecke Obergestelen-Airolo: in der ersten Wagenklasse 40 Rappen, in der zweiten Wagenklasse 25 Rappen, in der dritten Wagenklasse 15 Rappen.

Die Taxen für die mit Waarenzügen beförderten Personen sollen um mindestens 20 % niedriger gestellt werden.

Für Kinder unter 3 Jahren, sofern für solche kein besonderer Sitzplatz beansprucht wird, ist nichts, für solche zwischen dem dritten und dem zurückgelegten zehnten Altersjahre die Hälfte der Taxe in allen Wagenklassen zu zahlen.

10 Kilogramm des Reisendengepäcks sind frei, sofern es ohne Belästigung der Mitreisenden im Personenwagen untergebracht werden kann.

Für das übrige Gepäck der Reisenden kann eine Taxe von höchstens 20 Rappen per 100 Kilogramm und per Kilometer bezogen werden.

Für Hin- und Rückfahrt sind die Personentaxen mindestens 20% .niedriger anzusetzen, als für einfache und einmalige Fahrten.

1247 Für Abonnementsbillets zu einer mindestens 12maligen Benutzung der gleichen Bahnstrecke für Hin- und Rückfahrt während drei Monaten wird die Gesellschaft einen weitern Rabatt bewilligen.

Art. 16. Arme, welche als solche durch Zeugniß zuständiger Behörde sich für die Fahrt legitimiren, sind zur Hälfte der Personentaxe zu befördern. Auf Anordnung eidgenössischer oder kantonaler Polizeistellen sind auch Arrestanten mit der Eisenbahn zu spediren. Der Bundesrath wird hierüber die nähern Bestimmungen aufstellen.

Art. 17. Für den Transport von Vieh mit Waarenzügen dürfen Taxen bis auf den Betrag folgender Ansätze bezogen werden : Per Stück und per Kilometer für: Pferde, Maulthiere und über ein Jahr alte Fohlen 50 Rp.; Stiere, Ochsen, Kühe, Rinder, Esel und kleine Fohlen 25 Rp.; Kälber, Schweine, Schafe, Ziegen und Hunde 10 Rp.

Für die Ladung ganzer Transportwagen sind die Taxen um mindestens 20 °/o zu ermäßigen.

Art. 18. Im Tarif für den Transport von Waaren sind Klassen aufzustellen, wovon die höchste nicht über 7,5 Rappen, die niedrigste nicht über 3 Rappen per 100 Kilogramm und per Kilometer betragen soll.

Eine ganze Wagenladung (d. h. mindestens 5000 Kilogramm oder 5 Tonnen) hat gegenüber den Stücksendungen Anspruch auf Rabatt.

Die der Landwirthschaft und Industrie hauptsächlich zudienenden Rohstoffe, wie fossile Kohlen, Holz, Erze, Eisen, Salz, Steine, Düngungsmittel u. s. w., in Wagenladungen sollen möglichst niedrig taxirt werden.

Für den Transport von baarem Gelde und von Kostbarkeiten mit deklarirtem Werthe soll die Taxe so berechnet werden, daß für 1000 Fr. per Kilometer höchstens l Rappen zu bezahlen ist.

Wenn Vieh und Waaren in Eilfracht transportirt werden sollen, so darf die Taxe für Vieh um 40 °/o und diejenige für Waaren um 100 °/o des gewöhnlichen Ansatzes erhöht werden.

Traglasten mit landwirtschaftlichen Erzeugnissen, welche in Begleitung der Träger, wenn auch in besonderen Wagen, mit den Personenzügen transportirt und am Bestimmungsort sogleich wieder in Empfang genommen werden, sind, soweit sie das Gewicht von 25 Kilogramm nicht übersteigen, frachtfrei. Für das Mehrgewicht ist die Taxe für Waaren in gewöhnlicher Fracht zu bezahlen.

Bundesblatt. 38. Jahrg. Bd. III.

87

1248 Die Gesellschaft ist berechtigt, für den Transport von Fahrzeugen aller Art und außergewöhnlichen Gegenständen besondere Taxen festzusetzen.

Das Minimum der Transporttaxe eines einzelnen Stückes kann auf 50 Rappen festgesetzt werden.

Art 19. Bei eintretenden Nothständen, insbesondere bei ungewöhnlicher Theuerung der Lebensmittel, ist die Gesellschaft verpflichtet, für den Transport von Getreide, Mehl, Hülsenfrüchten, Kartoffeln u. s. w. zeitweise einen niedrigem Spezialtarif einzuführen, dessen Bedingungen vom Bundesrathe nach Anhörung der Bahnverwaltung festgesetzt werden.

Art. 20. Bei Festsetzung der Taxen werden Bruchtheile eines Kilometers für einen ganzen Kilometer gerechnet.

In Beireff des Gewichtes gelten Sendungen bis auf 20 Kilogramm für volle 20 Kilogramm. Das Mehrgewicht wird nach Einheiten von je 10 Kilogramm berechnet, wobei jeder Bruchtheil von 10 Kilogramm für eine ganze Einheit gilt. Bei Geld- und Werthsendungen repräsentiren Bruchtheile von Fr. 500 volle Fr. 500.

Ist die genaue Ziffer der so berechneten Taxe keine durch 5 ohne Rest theilbare Zahl, so darf eine Abrundung nach oben auf die nächstliegende Zahl, welche diese Eigenschaft besitzt, erfolgen.

Art. 21. Die in den Art. 15, 17 und 18 aufgestellten Taxbestimmungen besehlagen bloß den Transport von Station zu Station. Die Waaren sind von den Aufgebern an die Stationsladplätze abzuliefern und vom Adressaten auf der Bestimmungsstation abzuholen. Auf den Hauptstationen hat jedoch die Gesellschaft von sich aus die gehörigen Einrichtungen für das Abholen und die Ablieferung der Güter im Domizil des Aufgebers, beziehungsweise des Adressaten zu treffen. Das Auf- und Abladen der Waaren ist Sache der Gesellschaft, und es darf eine besondere Taxe dafür in der Regel nicht erhoben werden. Ausnahmen hievon sind nur unter Zustimmung des Bundesrathes zuläßig für einzelne Klassen von Wagenladungsgütern, für lebende Thiere und andere Gegenstände, deren Verladung mit besondern Schwierigkeiten verbunden ist.

Art. 22. Für die Einzelheiten des Transportdienstes sind besondere Réglemente und Tarife aufzustellen.

Art. 23. Die sämmtlichen Tarife sind mindestens sechs Wochen, ehe die Eisenbahn dem Verkehr übergeben wird, dem Bundesrathe zur Genehmigung vorzulegen.

1249 Art. 24. Wenn die Bahnunternehmung drei Jahre nach einander einen sechs Prozent übersteigenden Reinertrag abwirft, so ist das nach gegenwärtiger Konzession zuläßige Maximum der Transporttaxen verhältnißmäßig herabzusetzen. Kanu diesfalls eine Verständigung zwischen dem Bundesrathe und der Gesellschaft nicht erzielt werden, so entscheidet darüber die Bundesversammlung.

Reicht der Ertrag des Unternehmens nicht hin, die Betriebskosten, einschließlich die Verzinsung des Obligationenkapitals, zu decken, so kann der ßundesrath eine angemessene Erhöhung obiger Tarifansätze gestatten. Solche Beschlüsse sind jedoch der Bundesversammlung zur Genehmigung vorzulegen.

Art. 25. Die Gesellschaft ist verpflichtet, den vom Bundesrathe mit der Kontrole über den Betrieb beauftragten Organen freien Zutritt in den Balinhöfen und die unentgeltliche Benutzung eines geeigneten Lokals zu gewähren.

Art. 26. Die Gesellschaft wirr) für Aeuffnung eines genügenden Erneuerungs- und Reservefonds sorgen und eine Pensions- und Unterstiitzuugskasse für ihr Personal errichten. Die darüber aufzustellenden besondern Vorschriften unterliegen der Genehmigung des Bundesrathes.

Art. 27. Für die Geltendmachung des Rückkaufrechtes des Bundes oder, wenn er du von keinen Gebrauch machen sollte,' der Kantone Wallis und Tessin gelten folgende Bestimmungen: a. Der Rückkauf kann frühestens auf 1. Mai 1903 und von da an jederzeit erfolgen. Vom Entschluß des Rückkaufes ist der Gesellschaft drei Jahre vor dem wirklichen Eintritte desselben Kenntniß zu geben.

b. Durch den Rückkauf wird der Rückkäufer Eigenthümer der Bahn mit ihrem Betriebsmaterial und allen übrigen Zugehören.

Immerhin bleiben die Drittrnannsreehte hinsichtlich des Pensionsund Unterstützungsfonds vorbehalten. Zu welchem Zeitpunkte auch der Rückkauf erfolgen mag, ist die Bahn sammt Zugehör in vollkommen befriedigendem Zustande dem Bunde, beziehungsweise den Kantonen Wallis und Tessin abzutreten. Sollte dieser Verpflichtung kein Genüge gethan werden, und sollte auch die Verwendung der Erneuerungs- und Reservefonds dazu nicht ausreichen, so ist ein verhältnißmäßiger Betrag von der Rückkaufssumme in Abzug zu bringen.

c. Die Entschädigung für den Rückkauf beträgt, sofern letzterer bis 1. Mai 1918 rechtskräftig wird, den 25fachen Werth des durchschnittlichen Reinertrages derjenigen zehn Jahre, die

1250 dem Zeitpunkte, in welchem der Rückkauf der Gesellschaft notifizirt wird, unmittelbar vorangehen ; -- sofern der Rückkauf zwischen dem 1. Mai 1918 und 1. Mai 1933 erfolgt, den 221/2facheii Werth; -- wenn der Rückkauf zwischen dem 1. Mai 1933 und dem Ablauf der Konzession sich vollzieht, den 20fachen Werth des oben beschriebenen Reinertrages, -- immerhin in der Meinung, daß die Entschädigungssumme in keinem Falle weniger als die nachgewiesenen erstmaligen Anlagekosten der bestehenden Einrichtungen, jedoch unter Abzug des Betrages des Erneuerungs- und Reservefonds, betragen darf.

Bei Ermittlung der Anlagekosten und ' des Reinertrages darf lediglich die durch diesen Akt konzedirte Eisen bahnunternehmung mit Ausschluß aller anderen etwa damit verbundenen Geschäftszweige in Betracht und Berechnung gezogen werden.

d. Der Reinertrag wird gebildet aus dem gesammten Ueberschuli der Betriebseinnahmen über die Betriebsausgaben, zu welch' letztern auch diejenigen Summen zu rechnen sind, welche auf Abschreibungsrechnung getragen oder einem Reservefond einverleibt wurden.

e. Im Falle des Rückkaufes im Zeitpunkte des Ablaufs der Konzession ist nach der Wahl des Rückkäufers entweder der Betrag der erstmaligen Anlagekosten für den Bau und Betrieb oder eine durch bundesgerichtliche Abschätzung zu bestimmende Summe als Entschädigung zu bezahlen.

f. Streitigkeiten, die über den Rückkauf und damit zusammenhängende Fragen entstehen möchten, unterliegen der Entscheidung des Bundesgerichtes.

Art. 28. Haben die Kantone Wallis und Tessin den Rückkauf der Bahn bewerkstelligt, so ist der Bund nichts desto weniger befugt, sein daheriges Recht, wie es im Artikel 27 deflnirt worden, jederzeit auszuüben, und die genannten Kantone haben unter den gleichen Rechten und Pflichten die Bahn dem Bunde abzutreten, wie Letzterer dies von der konzessionirten Gesellschaft zu fordern berechtigt gewesen wäre.

Art. 29. Der Bundesrath ist mit dem Vollzuge der Vorschriften dieser Konzession, welche mit dem Tage ihrer Promulgation in Kraft tritt, beauftragt.

=SJCa*

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Botschaft des Bundesrathes an die Bundesversammlung betreffend Konzession einer Rhonebahn von Brig nach Airolo. (Vom 10. Dezember 1886.)

In

Bundesblatt

Dans

Feuille fédérale

In

Foglio federale

Jahr

1886

Année Anno Band

3

Volume Volume Heft

52

Cahier Numero Geschäftsnummer

---

Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

18.12.1886

Date Data Seite

1233-1250

Page Pagina Ref. No

10 013 336

Das Dokument wurde durch das Schweizerische Bundesarchiv digitalisiert.

Le document a été digitalisé par les. Archives Fédérales Suisses.

Il documento è stato digitalizzato dell'Archivio federale svizzero.