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Botschaft des

Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend die Abänderung des Bundesbeschlusses vom 28. September 1934 über vorübergehende rechtliche Schutzmassnahmen für notleidende Bauern.

(Vom 14. August 1936.)

Herr Präsident!

Hochgeachtete Herren!

Hiermit beehren wir uns, Ihnen den Entwurf einer Abänderung des Bundesbeschlusses vom 28. September 1934 über vorübergehende rechtliche Schutzmassnahmen für notleidende Bauern mit der nachfolgenden Begründung zu unterbreiten : I.

Gemäss Art. 20 des Bundesbeschlusses vom 13. April 1933 wie nach dem gleichlautenden Art. 14 des Bundesbeschlusses vom 28. September 1934 über vorübergehende rechtliche Schutzmassnahmen für notleidende Bauern (vgl.

A. S. 49, 222 bzw. 50, 1075) können im bäuerlichen Sanierungsverfahren Kapitalforderungen, für die ein zum landwirtschaftlichen Betrieb des Schuldners gehörendes Grundstück als Grundpfand oder eine auf einem solchen Grundstück lastende Forderung als Faustpfand haftet oder für welche ein Viehpfand ' bestellt ist, auf höchstens vier Jahre gestundet werden. Für amortisierbare Kapitalforderungen kann die Stundung durch Herabsetzung der Annuität, Erhöhung der Zahl der Eückzahlungsquoten oder vorübergehende Einstellung dieser Leistungen bewirkt werden; jedoch darf durch diese Massnahmen die Amortisationsfrist um höchstens vier Jahre verlängert werden. Die Frist, für welche eine Kapitalstundung bewilligt werden darf, beträgt demnach de lege lata in allen Fällen maximal vier Jahre.

Es hat sich nun ergeben, wie wir in der Botschaft vom 23. Juni 1936 zum Entwurfe eines Bundesgesetzes über die Entschuldung landwirtschaft-

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licher Betriebe (Bundesbl. II, S. 230/231) bereits erwähnt haben, dass in Anwendung von Art. 20 des Bundesbeschlusses vom 18. April 1988 Kapitalstundungen bewilligt wurden, deren Maximalfrist von vier Jahren bereits im Jahre 1936 oder 1937 abläuft. Die Möglichkeit eines Ablaufes der Stundung im Jahre 1936 rührt daher, dass Nachlassbehörden in Anwendung der genannten Bestimmung eine Stundung rückwirkend für eine im Jahre 1932 fällige Kapitalforderung oder Amortisationsquote gewährt haben. Dies wurde dadurch begründet, dass die subjektiven und objektiven Voraussetzungen für eine Sanierung als gegeben erachtet wurden, jedoch die Mittel zur Tilgung dieser Kapitalforderungen nicht vorhanden waren. Wir haben festgestellt, dass in verschiedenen Kantonen im Minimum siebzig Fälle von Stundungen vorliegen, die im laufenden und nächsten Jahre ablaufen. Da es ausgeschlossen ist, die parlamentarische Behandlung der Vorlage über die Entschuldung landwirtschaftlicher Betriebe soweit zu befördern, dass das Gesetz schon auf Ende dieses Jahres oder zu Anfang 1937 in Kraft gesetzt werden könnte, so erscheinen die hier in Betracht fallenden Schuldner bedroht. Bevor überhaupt feststeht, ob jene Vorlage rechtskräftig wird oder nicht, könnten sie im Wege einer Zwangsverwertung von Haus und Hof vertrieben oder es könnte ihnen das für den Betrieb erforderliche Vieh wegversteigert werden. Mit dem Ablauf der Stundung wären die Gläubiger der gestundeten Kapitalforderungen rechtlich nicht mehr gehemmt, ihre fälligen Forderungen durch Betreibung geltend zu machen. Der Zweck des in diesen Fällen durchgeführten Sanierungsverfahrens, nämlich die Erhaltung der wirtschaftlichen Existenz des Schuldners, könnte demnach durch eine Betreibungsmassnahme des Pfandgläubigers völlig vereitelt werden. Dies wäre schon insofern stossend, als diesen Schuldnern durch öffentliche Mittel in der Sanierung geholfen wurde und die ganze Hilfe hier nutzlos und ohne Erreichung des Zweckes, der damit verfolgt wurde, vertan wäre. Geradezu unbegreiflich und rechtspolitisch unhaltbar aber wäre diese Folge für die hier in Betracht fallenden Schuldner, bei denen doch die Frage der Sanierungsmöglichkeit und der Würdigkeit bereits bejaht worden ist, so dass auf diese das Verfahren nach dem Entwurfe des Entschuldungsgesetzes bei dessen Inkrafttreten Anwendung
finden wird und so die wirtschaftliche Existenz der Schuldner dauernd und sicher erhalten werden kann. Sozusagen im Angesichte einer Dauerlösung müssten diese Schuldner zusehen, wie sie vom Staate preisgegeben werden, während ihnen doch, wenn die Stundung nicht vor dem Inkrafttreten des in Vorbereitung befindlichen Entschuldungsgesetzes abgelaufen wäre, bestimmt und durchgreifend hätte geholfen werden können. Eine Preisgabe dieser Schuldner in einem derartigen Zwischenstadium würde psychologisch, politisch und auch wirtschaftlich nicht verstanden werden.

Damit diese Folge nicht eintreten kann, bleibt kein anderer Weg offen, als die S t u n d u n g des Art. 14 des geltenden Bundesbeschlusses vom 28. September 1984 vorläufig auszudehnen. Es muss vorgesehen werden, dass auf Grund dieses Artikels bzw. der gleichen Bestimmung des Art. 20 des Bundesbeschlusses vom 13. April 1933 bewilligte Kapitalstundungen, die ablaufen,

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bevor feststellt, ob das Entschuldungsgesetz in Kraft tritt oder nicht, über vier Jahre verlängert werden können. Hierbei sind zwei Methoden möglich.

Der Gesetzgeber kann unter diesen Umstanden die Verlängerung der Stundung an eine neue Verfügung der Nachlassbehörde knüpfen, was aber die Durchführung eines besondern, wenn auch einfachen Verfahrens voraussetzt. Eine andere, noch einfachere Lösung besteht darin, dass der Gesetzgeber unter bestimmten Voraussetzungen die Fortdauer der bereits verfügten Kapitalstundung bis zu einem fixierten Zeitpunkt u n m i t t e l b a r anordnet. Wir haben diesem zweiten Weg den Vorzug gegeben, da er weniger kompliziert und sachlich dem Zweck der Eevisionsvorlage durchaus angemessen ist. Es handelt sich lediglich um eine Überbrückungsmassnahme. Auch dürften vermutlich alle diese Fälle so gelagert sein, dass die Nachlassbehörde auf Antrag die Verlängerung der Stundung ohne weiteres aussprechen müsste. Unter diesen Umständen hätte es wenig Sinn, ein besonderes Verfahren vorzuschreiben und den Schuldnern Kosten zu verursachen. Sollten in einem Falle die Dinge so liegen, dass der Schuldner die gesetzlich verlängerte Stundung entbehren kann, ohne in seiner wirtschaftlichen Existenz beeinträchtigt zu werden, so bleibt dem Gläubiger nach wie vor das Kecht offen, gemäss Art. 16, Abs. 4, des Bundesbeschlusses den Widerruf der Stundung zu verlangen, wie überhaupt auch die andern Widerrufsmöglichkeiten dieses Artikels gewahrt bleiben. Sollte umgekehrt bereits eine Betreibung auf Pfandverwertung eingeleitet worden sein, so soll sie dahinfallen. Aus diesen Erwägungen wird der Klarheit halber die Anwendung der Art. 15 und 16 des Bundesbeschlusses ausdrücklich erwähnt.

Die betroffenen Pfandgläubiger können sich gegenüber der beantragten Abänderung des geltenden Sanierungsrechtes nicht wohl beklagen. Damit wird einerseits bloss eine Gleichstellung mit den andern Pfandgläubigern hergestellt, denen gegenüber eine Stundung bis zum Ablauf der Geltungsdauer des Bundesbeschlusses ausgesprochen wurde. Soweit es sich um gedeckte Pfandforderungen handelt, darf dem Gläubiger die vorläufige Stillhaltefrist wohl zugemutet werden. Fallen ungedeckte Pfandforderungen in Betracht, so wäre es unbillig, wenn die Gläubiger das stundungsfreie Stadium benützen könnten, um die bisherigen Massnahmen
illusorisch zu machen, indem sie den einer später allenfalls möglichen Entschuldung würdigen und tüchtigen Schuldner noch schnell von seinem Heimwesen vertreiben. Damit die Verlängerung der Stundung auch dann Gejtung hat, wenn der Gläubiger im freiwilligen Sanierungsverfahren (Art. 7 ff.) einer Kapitalstundung unter der Bedingung zugestimmt hat, diese solle mit Ablauf von vier Jahren dahinfallen, muss ausdrücklich gesagt werden, dass die Erstreckung «in allen Fällen» erfolgt.

Was die Frist der Verlängerung der Stundung anbelangt, so kann heute noch nicht gesagt werden, in welchem Zeitpunkte das Schicksal der Entschuldungsvorlage abgeklärt sein wird. Immerhin gilt der Bundesbeschluss vom 28. September 1934 bis Ende 1938, so dass bis dahin entschieden sein muss, ob der Entwurf des Entschuldungsgesetzes Gesetz wird oder nicht.

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Deshalb ist es zweckmässig, die Verlängerung bis zum 31. Dezember 1988 anzuordnen.

Sachlich müssen auch Stundungen nach Art. 14 des geltenden Bundesbeschlusses inbegriffen werden für den Fall, dass solche rückwirkend auf eine 1988 fähige Pfandforderung ausgesprochen worden sind.

In formeller Hinsicht lässt sich diese Revision durch einen besondern Artikel am deutlichsten durchführen. Da hier vor allem Stundungen in Betracht fallen, die auf Grund von Art. 20 des Bundesbeschlusses vom 18. April 1988 verfügt wurden, so ist die Einfügung eines Artikels 57^^ die gesetzgebungstechnisch, richtigste Lösung; die Anfügung eines dritten Absatzes zum Art. 14 würde weniger befriedigen und könnte leicht zu Verwirrung Anlass geben.

II.

Wir möchten diese Gelegenheit benützen, um einer ungleichen Anwendung des Art. 17 des Bundesbeschlusses vom 28. September 1934 zu steuern. Die französische Fassung dieser Bestimmung hat vielfach zu der irrigen Annahme geführt, dass ein Zinsfuss unter 4% Prozent nicht über den vertraglich geltenden Zinsfuss erhöht werden dürfe. In der Folge hat sich dann bei dieser Auslegung ergeben, dass gegenüber dem bescheidenen Gläubiger, der weniger als 4% Prozent Zins gefordert hat, eine Zinsfussbeschränkung auf diesen geltenden Zinssatz ausgesprochen wurde, während gegenüber dem anspruchsvolleren Pfandgläubiger, der 4% Prozent Zins oder darüber bezogen hatte, nur eine Zinsbeschränkung auf 4% Prozent verfugt wurde. Diese Behandlung führte bei gleicher Sicherheit zu Unbilligkeiten. Die ratio legis ging jedoch dahin, dass unter «Zinssatz» des letzten Halbsatzes nur der Zinssatz von 4% Prozent verstanden werden kann, wie er im ersten Halbsatz umschrieben wird.

Wenn also ein niedrigerer Zinssatz als 4% Prozent galt, so hatte eine Zinsbeschränkung den Sinn, dass dieser unter Umständen erhöht werden durfte, jedoch nicht über 4% Prozent hinaus. Um diese Auslegung für die Praxis festzulegen, beantragen wir Ihnen, die der ratio legis klarer Ausdruck gebende Formulierung des Art. 88, Abs. l, des Entwurfes eines Bundesgesetzes über die Entschuldung landwirtschaftlicher Betriebe, vom 23. Juni 1936, an die Stelle des Art. 17 aufzunehmen. Damit wird dann in Zukunft jede Auslegungsschwierigkeit behoben.

III.

Die Form der Bevision dürfte zu keinen Zweifeln Anlass geben. Ein dringlicher Bundesbeschluss ist hier, wie für den geltenden Bundesbeschluss, den die Vorlage lediglich ergänzt, jedenfalls begründet. Damit keine Verwertungen vollzogen werden können in Fällen, in denen die Stundung bereits

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abgelaufen ist, muss die Vorlage in der Septembersession von beiden Kammern durchberaten und sofort in Kraft gesetzt werden können.

Wir beantragen Ihnen die Annahme des beiliegenden Beschlussesentwurfes und bitten Sie, Herr Präsident, hochgeehrte Herren, den Ausdruck unserer vollkommenen Hochachtung zu genehmigen.

Bern, den 14. August 1936.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident:

Meyer.

Der Vizekanzler: Leimgrnber.

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(Entwurf.)

Bundesbeschluss betreffend

Abänderung des Bundesbeschlusses vom 28. September 1934 über vorübergehende rechtliche Schutzmassnahmen für notleidende Bauern.

Die Bundesversammlung der schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsicht einer Botschaft des Bundesrates vom 14. August 1936, beschliesst :

Art. 1.

Der Art. 17 des Bundesbeschlusses vom 28. September 1934 über vorübergehende rechtliche Schutzmassnahmen für notleidende Bauern *) wird aufgehoben und durch folgende Bestimmung ersetzt: A. Zinsfussbeschränkung.

I. Für gedecktes Kapital.

Art. 17.

Die Nachlassbehörde kann für die pfandgesicherten, gedeckten Kapitalforderungen mit Wirkung vom letzten vor Eröffnung des Verfahrens (Art. 6) liegenden Zinstermin an bis längstens zum Ablauf der Kapitalstundung eine mit Einschluss von Kommissionen und derartigen Zuschlägen viereinhalb Prozent übersteigende Verzinsung auf diesen Zinsfuss beschränken und, sofern ein niedrigerer Zinsfuss vereinbart worden ist, anordnen, dass dieser nicht über viereinhalb Prozent erhöht werden darf.

Art. 2.

Der vorerwähnte Beschluss wird durch folgenden Art. 57bls ergänzt :

Art. 57bls.

BW«. VerKapitalstundungen, die auf Grund des Art. 20 des Bundesbeschlusses längerung 2 der Kapi- vom 13. April 1933 ) über vorübergehende rechtliche Schutzmassnahmen talstunfür notleidende Bauern oder nach Art. 14 dieses Beschlusses verfügt dung.

oder in einem freiwilligen Sanierungsverfahren nach Massgabe dieser Beschlüsse genehmigt worden sind, deren Frist jedoch abgelaufen ist oder vor Ende 1938 abläuft, werden in allen Fällen ohne weiteres bis zum 31. Dezember 1938 verlängert.

Art. 15 und 16 dieses Beschlusses sind anwendbar.

Art. 3.

Dieser Beschluss wird dringlich erklärt und tritt sofort in Kraft.

1 ) 2

A. S. 50, 1075.

) A. S. 49, 222.

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Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend die Abänderung des Bundesbeschlusses vom 28. September 1934 über vorübergehende rechtliche Schutzmassnahmen für notleidende Bauern. (Vom 14. August 1936.)

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19.08.1936

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