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Botschaft des

Bundesrates an die Bundesversammlung zum Abkommen mit Schweden über die Anerkennung und Vollstreckung von gerichtlichen Entscheidungen und Schiedssprüchen.

(Vom 14. April 1986.)

Herr Präsident!

Hochgeehrte Herren!

Auf Anregung der schwedischen Eegierung wurden Unterhandlungen zum Zwecke des Abschlusses eines schweizerisch-schwedischen Vollstreckungsabkommens eingeleitet. Die Verhandlungen fanden im Oktober 1934 in Stockholm statt und führten zu einer Einigung. Nachdem beide Eegierungen den Vertragstext genehmigt hatten, ist dann das Abkommen am 15. Januar 1986 unterzeichnet worden.

Das Abkommen mit Schweden lehnt sich im grossen und ganzen an die Vollstreckungsabkommen an, die die Schweiz in den letzten zehn Jahren mit andern Staaten abgeschlossen hat. Zum Teil folgt es auch dem zwischen den fünf nordischen Staaten am 16. März 1982 vereinbarten Vollstreckungsabkommen. Wie diese andern Verträge regelt das neue Abkommen die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen. Die Unterscheidung zwischen Anerkennung und Vollstreckung ist nur von Bedeutung für das Verfahren ; die materiellen Voraussetzungen sind für die Anerkennung wie für die Vollstreckung dieselben.

L Titel, die unter die vertragliche Anerkennung- und Vollstreckungspflicht fallen.

Das Abkommen erstreckt sich vor allem auf gerichtliche Entscheidungen in Zivilsachen, aber nur auf Entscheidungen der streitigen Gerichtsbarkeit.

Die freiwillige Gerichtsbarkeit fällt demnach nicht unter das Abkommen. Die Abgrenzung zwischen streitiger und freiwilliger Gerichtsbarkeit wird im Art. 8 dahin präzisiert, dass einerseits Entscheidungen über Ehescheidung und Trennung sowio über Gütertrennung immer als solche der streitigen Gerichtsbarkeit gelten, gleichviel, ob sie in einem Streitverfahren oder in einem Verfahren auf einfaches Begehren ergehen; anderseits gelten Entscheidungen über VormundBandesblatt. 88. Jahrg. Bd. I.

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682 schaft und Entmündigung immer als solche der nichtstreitigen Gerichtsbarkeit und fallen somit nicht unter das Abkommen, Ferner nimmt Art. 11 gewisse Materien aus, nämlich einerseits die Konkurs- und Nachlassvertragssachen mit Einschluss der Anfechtungsklagen, anderseits Entscheidungen über dingliche Eechte an Immobilien, die ausserhalb des Urteilsstaates gelegen sind.

Letztere Ausnahme bezieht sich jedoch nicht auf Entscheidungen in Familienoder Erbrechtsstreitigkeiten, die sich auch über Immobiliarvermögen miterstrecken.

Laut Art. 2 fallen unter das Abkommen nur diejenigen Entscheidungen der ordentlichen Gerichte, in denen über den materiellen Anspruch, also über die Streitsache selbst entschieden wird. Als ordentliche Gerichte gelten auch die schweizerischen Handelsgerichte und Gewerbegerichte (gewerbliche Schiedsgerichte). Als Zivilsachen betrachtet das Abkommen auch die Handelssachen.

Den Entscheidungen der ordentlichen Gerichte sind auch gleichgestellt die Entscheidungen der schwedischen Oberexekutoren im Urkundenprozess. Diese Oberexekutoren sind zwar Verwaltungsbehörden, jedoch ist ihre Entscheidung im Urkundenprozess unter Vorbehalt der Appellation eine rechtskräftige Entscheidung über den materiellen Anspruch; die unter gewissen Voraussetzungen überdies zulässige befristete Wiedergewinnungsklage spielt praktisch nur eine ganz unbedeutende Holle.

Auf Wunsch der schwedischen Delegierten sind im Art, 2 auch die Entscheidungen über Prozesskosten ausdrücklich erwähnt worden, und zwar werden sie als Annex der Entscheidung über die Sache selbst behandelt.

Der Kostenpunkt folgt somit der Hauptsache, wie dies auch bei unsern übrigen Vollstreckungsabkommen, wo die Kostenentscheidungen nicht ausdrücklich genannt sind, der Fall ist.

Unter das Abkommen fallen auch Adhäsionsurteile (Art. 1), wie dies nach der Praxis auch bei unserm Gerichtsstands vertrag mit Frankreich der Fall ist, während unsere übrigen Vollstreckungsabkommen sich nicht auf Adhäsionsurteile erstrecken.

Laut Art, 2, Abs. 2, fallen auch gerichtliche Vergleiche unter das Abkommen. Mit Bezug auf die Schiedssprüche verweisen wir auf Ziff. V hiernach.

Die vor dem Inkrafttreten des Abkommens gefällten Gerichtsentscheidungen und abgeschlossenen Vergleiche gehören laut Art. 12 nicht unter das Abkommen. Bei den Gerichtsentscheidungen
kommt es also für die Anwendbarkeit des Abkommens nicht auf den Zeitpunkt des Eintritts der Bechtskraft, sondern auf den Zeitpunkt der Fällung des Entscheides an. Auf Schiedssprüche bezieht sich Art. 12 nicht.

n. Voraussetzungen der Anerkennung und Vollstreckung.

Art. 4 zählt die Voraussetzungen auf. Erstes Erfordernis ist, dass für den Urteilsstaat (Staat, dessen Gerichte die Entscheidung gefällt haben) oino Gerichtszuständigkeit nach Massgabe des Art. 5 begründet sei. Art. 5 enthält nämlich eine erschöpfende Aufzählung der im andern Staate anzuerkennenden

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Zustàndigkeitsfàlle. Liegt fiir den Urteilsstaat kein Zuständigkeitsgrund des Art, 5 vor, so fällt die Entscheidung nicht unter die staatsvertragliche Anerkennungs- und Vollstreckungspflicht. In dieser Beziehung ist das Abkommen mit Schweden demjenigen mit Deutschland ähnlich, das ebenfalls eine erschöpfende Aufzählung der Zuständigkeitsfälle enthält, im Gegensatze z. B.

zu unserem Abkommen mit Italien, das noch eine subsidiäre generelle Klausel aufgestellt hat.

Der ordre public-Vorbehalt (Ziff. 2 von Art. 4) bringt durch die Passung, die darauf abstellt, ob die Entscheidung «offensichtlich» gegen den ordre public verstosst, die Tendenz zum Ausdruck, der ordre public solle keine zu ausdehnende Interpretation erfahren, Diese Fassung lehnt sich an das nordische Vollstreckungsabkommen an.

Die Ziff. 3 von Art. 4 betrifft nur Status-, Familien- und Erbrechtssachen und sieht eine Überprüfung vor, ob dasjenige Eecht angewendet worden ist, das gemäss dem internationalen Privatrecht des Vollstreckungsstaates (d. h.

des Staates, in dem die Entscheidung geltend gemacht wird) massgebend wäre; ist ein anderes Eecht angewendet worden, so wird geprüft, ob dessen Bestimmungen zu denjenigen jenes Bechtes im Widerspruch stehen. Nur im Falle eines solchen Widerspruchs wird die Anerkennung versagt. Von unseren übrigen VollBtreckunggabkommen hat nur dasjenige mit Deutschland einen ähnlichen Versagungsgrund aufgestellt.

Ziff. 4 enthält das Erfordernis, dass die Entscheidung nach dem Hechte des Urteilsstaates in Rechtskraft erwachsen sei. Ziff. 5 gilt nur für Säumnisurteile und bezieht sich auf die Nachprüfung der gehörigen Ladung.

Die Normen des Art. 6 über die Gerichtszuständigkeit finden nur Anwendung auf die Frage, ob im konkreten Fall die Gerichtszuständigkeit des Urteilsstaates im andern Staate anzuerkennen ist. Art. 5 stellt im letzten Absatz eine Sonderregelung für Status-, Familien- und Erbrechtssachen auf.

Die allgemeine Eegelung (Abs. l, Ziff. l---8) gilt nur für die übrigen Entscheidungen.

a. Allgemeine Regelung : Die Ziffern 1--5 von Art. 5, Abs. l, entsprechen im wesentlichen dem, was nach der Praxis zum Art. 59 BV gilt, und stimmen im grossen und ganzen mit unsern übrigen neuen Vollstreckungsabkommen überein. Hervorzuheben ist eine Besonderheit hinsichtlich des Wohnsitzes in Ziff. l ; es wird da
auf den persönlichen tatsächlichen Wohnsitz abgestellt. Die Umschreibung dieses Wohnsitzes deckt sich mit Art. 23, Abs. l, ZGB, Dagegen weicht der Wohnsitzbegriff des Abkommens mit Schweden insofern von dem des ZGB ab, als der abgeleitete Wohnsitz der Ehefrau und der Person unter elterlicher Gewalt oder Vormundschaft ausser Betracht fällt; es ist somit auch bei diesen Personen auf deren eigenen wirklichen persönlichen Wohnsitz abzustellen.

Die auf Wunsch der schwedischen Delegierten aufgenommene Ziff. 6 betrifft den Fall, dass der Beklagte nach den Gesetzen des Urteilsstaates verpflichtet war, daselbst einen Vertreter zu halten. In diesem Falle wird die

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Zuständigkeit des Urteilsstaates anerkannt bei Streitigkeiten aus der Tätigkeit dieses Vertreters im nämlichen Staate. Die Ziff. 6 gelangt in Schweden z. B.

zur Anwendung auf Versicherungsgesellschaften, da diese nach der schwedischen Gesetzgebung einen Vertreter in Schweden haben müssen.

Im Gegensatz zu unsern übrigen Vollstreckungsabkommen sieht Ziff. 7 vor, dass für Ansprüche aus unerlaubten Handlungen unter bestimmten Voraussetzungen die Gerichtszuständigkeit des Staates des Begehungsortes anzuerkennen ist. Dies ist von Bedeutung sowohl für die Adhäsionsklage als auch für die selbständige Zivilklage aus unerlaubter Handlung. Soweit sich die Ziff. 7 auf die selbständige Zivilklage bezieht, weicht sie von den Grundsätzen der Praxis zum Art. 59 BV ab. Eine allgemeine Zulassung des Gerichtsstandes des Begehungsortes hätte wegen des Art. 59 BV nicht in Frage kommen können, da dieser Gerichtsstand bei uns nicht einmal von Kanton zu Kanton zugelassen ist, abgesehen von Adhäsionsklagen und von Fällen, wo er durch das Bundesrecht vorgesehen ist. Die Ziff. 7 knüpft aber die Anerkennung dieser Gerichtszuständigkeit an die Voraussetzung, dass die Ladung dem Beklagten zu eigenen Händen während seiner Anwesenheit im Urteilsstaate zugestellt worden sei.

In dieser Beschränkung konnte die Zuständigkeit des Staates des Begehungsortes unbedenklich zugelassen werden. Den Ansprüchen aus unerlaubten Handlungen werden allgemein die Ansprüche aus Verkehrsunfällen in Ziff. 7 ausdrücklich gleichgestellt, was namentlich für Automobilunfälle praktisch von Bedeutung ist.

Ziff. 8 betrifft den Fall, dass ein anderer Staatsvertrag Gerichtsstandsnormen enthält (z. B. internationale Konventionen über Luftprivatrecht); es handelt sich aber dabei nur um solche Staatsverträge, die selbst nicht Bestimmungen über die Anerkennung und Vollstreckung von Urteilen aufstellen.

6. Sonderregelung für Status-, Familien- und Erbrechtssachen : Für diese Materien gilt nicht die Liste des ersten Absatzes, sondern nur die Klausel des letzten Absatzes, die auf der Methode des «analogen Falles» beruht. Die Zuständigkeit des Urteilsstaates soll dann anerkannt werden, wenn der Vollstreckungsstaat sich unter analogen Voraussetzungen als zuständig betrachtet. Um diese Formel zu handhaben, musa man mit einem supponierten «analogen» (oder, besser
gesagt, umgekehrten) Fall operieren und die Frage beantworten, ob im letzteren Falle nach den im Vollstreckungsstaate geltenden Normen über die internationale Zuständigkeit der Gerichte die Gerichte des Vollstreckungsstaates zuständig wären. Es ist immer vom konkreten Fall auszugehen, und die Umkehrung findet einfach in der Weise statt, dass « Schweiz, Schweizerbürger, schweizerisch» und «Schweden, schwedischer Bürger, schwedisch» miteinander zu vertauschen sind. In den Verhandlungen sind die in Betracht fallenden Materien und ihre verschiedenen Varianten der Fälle eingehend geprüft worden, um sieh über die praktischen Auswirkungen dieser Klausel Beohenschaft zu geben, und es hat sich gezeigt, dass die gewählte Formel zu befriedigenden, Ergebnissen führt.

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Zwei Beispiele mögen die Handhabung der Klausel verdeutlichen. Handelt es sieh um ein schwedisches Scheidungsurteil über schweizerische Ehegatten, die beide in Schweden Wohnsitz haben, so bilden schwedische Ehegatten, die beide in der Schweiz wohnen, den umgekehrten Fall ; für diesen sind die schweizerischen Gerichte nach Art. 7 h NAG zuständig, und daher ist in ersterem Fall die Zuständigkeit der schwedischen Gerichte anzuerkennen (was mit Art. 7 g, Abs. 3, NAG übereinstimmt). Handelt es sich um ein schwedisches Urteil über eine Erbschaftsstreitigkeit betreffend einen schweizerischen Erblasser, der seinen letzten Wohnsitz in Schweden hatte, so erhält man als umgekehrten Fall eine Erbschaftsstreitigkeit betreffend einen schwedischen Erblasser mit letztem Wohnsitz in der Schweiz; hiefür sind die schweizerischen Gerichte nach Art. 28 NAG zuständig, und daher ist im ersteren Falle die schwedische Zuständigkeit anzuerkennen (was nach Art. 28 NAG mit Ausnahme schweizerischer Liegenschaften ebenfalls der Fall wäre),

m. Verfahren im Vollstreckungsstaate.

Das Verfahren richtet sich nach den Landesgesetzen. Art. 8 stellt bloss den Grundsatz auf, dass, wenn die Voraussetzungen der Anerkennung gegeben " sind, auf Begehren einer Partei auch die Vollstreckung zu bewilligen ist. Art. 6 sohliesst eine materielle Revision der Streitsache selbst aus ; im Vollstreckungsstaate sind nur die Voraussetzungen der Anerkennung und Vollstreckung zu prüfen, diese aber können selbständig nachgeprüft werden ohne Bindung an die Feststellungen der Entscheidung (z. B. an tatsächliche Feststellungen über den Wohnsitz des Beklagten).

Art. 9 betrifft das Verfahren zur Erwirkung der Vollstreckung. In der Schweiz findet die Vollstreckung von schwedischen Urteilen auf Grund des Abkommens auf dem Betreibungswege statt, wenn die Vollstreckung auf eine Geldzahlung oder Sicherheitsleistung gerichtet ist ; falls der Schuldner Rechtsvorschlag erhebt, kann der Gläubiger das Rechtsöffnungsbegehren stellen, und dann entscheidet der Eechtsöffnungsrichter darüber, ob die staatsvertraglichen Voraussetzungen der Vollstreckbarkeit erfüllt sind. In den übrigenFällen richtet sich das Verfahren nach kantonalem Eecht. In Schweden muss, um dort die Vollstreckung eines schweizerischen Urteils zu erwirken, das Exequatur beim Appellationshof in Stockholm nachgesucht -werden.

Art. 10 enthält nähere Vorschriften über die Belege, die von der die Vollstreckung nachsuchenden Partei beizubringen sind. Immer sind das vollständige Urteil und eine Rechtskraftbescheinigung vorzulegen. Gegebenenfalls sind laut Ziff. 3 des Art. 10 noch weitere Urkunden beizubriugen, soweit solche für die Feststellung der Zuständigkeit gemäss Art. 5, Abs. l, noch nötig sind. Ferner ist im Falle eines Säumnisurteils auch eine Bescheinigung über die gehörige Ladung des Beklagten vorzulegen. Der Abs. 2 des Art. 10 befasst sich mit den Belegen, die nötig sind, um die Vollstreckung eines gerichtlichen Vergleichs zu erlangen. Abs. 3 und 4 betreffen die Beglaubigung und die Übersetzungen.

686 IV. Litìspendenz,

Wie im Abkommen mit Italien wird durch Art. 7 dee Abkommens mit Schweden die Einrode der Streitanhängigkeit zugelassen. Die Tatsache, dass der gleiche Eechtsstreit schon vor den Gerichten des einen Vertragsstaates anhängig ist, muss laut Art. 7 vom Eichter des andern Staates auch von Amtes wegen berücksichtigt werden. Voraussetzung ist, dass dieser Eichter von jener Tatsache Kenntnis habe und dass die Gerichte des Staates, wo der Prozess zuerst angehoben worden ist, nach Massgabe von Art. 5 als zuständig anzuerkennen seien.

V. Schiedssprüche.

Wie unser Abkommen mit Deutschland und in Abweichung von unsern übrigen Vollstreckungsabkommen, beschränkt sich der Vertrag mit Schweden darauf, auf das Genfer Abkommen zur Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche, vom 26, September 1927, zu verweisen, wobei immerhin im Verhältnis zwischen den beiden Staaten der Anwendungsbereich des Genfer Abkommens etwas erweitert und seine Handhabung durch die Bestimmung, dass die in Art. l, Abs. l, des Genfer Abkommens enthaltenen Beschränkungen wegfallen, vereinfacht wird. Im übrigen bestimmen sich die Voraussetzungen der Anerkennung und Vollstreckung von Schiedssprüchen nach dem Genfer Abkommen und nicht nach Art. 4 des Vertrages mit Schweden.

Vergleiche, die vor Schiedsgerichten abgeschlossen werden, fallen nicht unter das Abkommen.

VI. Schlussbestimmungen.

Art, 14 stellt fest, dass anderweitige Vereinbarungen, die Bestimmungen über die Gerichtszuständigkeit und die Urteilsvollstreckung enthalten, durch das neue Abkommen nicht berührt werden. Art. 15 enthält den Batifikationsvorbehalt und die Vorschriften über den Zeitpunkt des Inkrafttretens und über die Kündigungsfrist.

Durch das Abkommen wird die Möglichkeit geschaffen, schweizerische Urteile in Schweden zu vollstrecken. Die gegenseitige Vollstreckung ist erwünscht und geeignet, die rechtlichen Beziehungen zwischen den beiden Staaten zu fördern. Wir beantragen Ihnen, das Abkommen durch Annahme des nachstehenden Beschlussesentwurfes zu genehmigen.

Genehmigen Sie, Herr Präsident, hochgeehrte Herren, die Versicherung unserer vollkommenen Hochachtung.

Bern, den 14. April 1936.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates : Der Bundespräsident: Meyer.

Der Bundeskanzler: G. Bovet.

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(Entwurf.)

Bundesbeschluss betreffend

das Abkommen mit Schweden über die Anerkennung und Vollstreckung von gerichtlichen Entscheidungen und Schiedssprüchen.

Die Bundesversammlung der schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsicht einer Botschaft des Bundesrates vom 14. April 1986, beschliesst :

Art. 1.

Das Abkommen zwischen der Schweiz und Schweden vom 15. Januar 1986 über die Anerkennung und Vollstreckung von gerichtlichen Entscheidungen und Schiedssprüchen wird genehmigt.

Art. 2.

Der Bundesrat wird mit dem Vollzuge dieses Beschlusses beauftragt.

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Übersetzung.

Abkommen zwischen

der Schweiz und Schweden über die Anerkennung und Vollstreckung von gerichtlichen Entscheidungen und Schiedssprüchen.

Der Schweizerische Bundesrat und seine Majestät der König von Schweden, von dem Wunsche geleitet, die Beziehungen zwischen den beiden Ländern im Hinblick auf die Anerkennung und Vollstreckung von gerichtlichen Entscheidungen und Schiedssprüchen zu regeln, haben beschlossen, hierüber ein Abkommen zu schliessen und haben zu diesem Zwecke zuihren Bevollmächtigtenn ernannt :

Der Schweizerische Bundesrat: Herrn Charles Lardy, ausserordentlichen Gesandten und bevollmächtigten Minister der schweizerischen Eidgenossenschaft in Stockholm;

Seine Majestät der König von Schweden: Herrn B. J. Sandler, seinen Minister für die auswärtigen Angelegenheiten; die nach Mitteilung ihrer Vollmachten, die in guter und gehöriger Form befunden worden sind, folgende Bestimmungen vereinbart haben:

Art. 1.

Die im einen Vertragsstaate in Zivilsachen gefällten Entscheidungen der streitigen Gerichtsbarkeit, mit Einschluss der in einem Strafverfahren gefällten Entscheidungen über zivilrechtliche Ansprüche, werden im andern Staat anerkannt, wenn sie die in den nachstehenden Artikeln bezeichneten Voraussetzungen erfüllen.

Art. 2.

Als gerichtliche Entscheidungen im Sinne des gegenwärtigen Abkommens gelten die von den ordentlichen Gerichten gefällten Entscheidungen, die über die Streitsache selbst befinden. Das gleiche gilt für die Verurteilungen in Prozesskosten, die infolge der Entscheidung über die Streitsache selbst ergehen.

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Als ordentliche Gerichte werden auch die oberen schwedischen Vollstreckungsbehörden («Oeverexekutor»), soweit sie über schriftlich anerkannte Schuldverpflichtungen («lagsökning») urteilen, sowie die schweizerischen Handelsgerichte und gewerblichen Schiedsgerichte betrachtet.

Die gerichtlichen Vergleiche werden in Ansehung ihrer Wirkungen den gerichtlichen Entscheidungen gleichgestellt,

Art. 8.

Die Entscheidungen, die über Gütertrennung, Trennung und Scheidung der Ehe ergehen, werden als Entscheidungen der streitigen Gerichtsbarkeit angesehen, auch wenn sie auf Begehren der Beteiligten ergangen sind. Dagegen werden die in Vormundschafts- und Entmündigungssachen ergangenen Entscheidungen in keinem Palle als Entscheidungen der streitigen Gerichtsbarkeit betrachtet.

Art. 4.

Die Anerkennung der Entscheidung ist an folgende Voraussetzungen geknüpft : 1. dass die Entscheidung von einem nach den Bestimmungen des Art. 5 zuständigen Gerichte gefällt wurde; 2. dass die Anerkennung der Entscheidung nicht mit der öffentlichen Ordnung des Staates, in dem die Entscheidung geltend gemacht wird, offensichtlich unvereinbar sei; 8. falls es sich um eine in Personenstands-, Familienrechts- oder Erbrechtssachen ergangene Entscheidung handelt, dass sie nicht auf einem Gesetze beruhe, dessen materielle Bestimmungen im Widerspruch stehen zu jenen des Gesetzes, das nach dem internationalen Privatrecht des Staates, in dem die Entscheidung geltend gemacht wird, anwendbar ist; 4. dass die Entscheidung nach dem Eechte des Staates, in dem sie gefällt wurde, die Bechtskraft erlangt hat; 6. dass im Falle eines Versäumnisurteüs die den Prozess einleitende Verfügung oder Ladung rechtzeitig der säumigen Partei, sei es persönlich oder an ihren ermächtigten Vertreter, zugestellt wurde.

Art. 5.

Die Zuständigkeit der Gerichte des Staates, in dem die Entscheidung gefällt wurde, ist im Sinne des gegenwärtigen Abkommens in den folgenden Fällen begründet: 1. wenn der Beklagte im Zeitpunkt der Klageerhebung seinen tatsächlichen Wohnsitz oder, falls es sich nicht um eine natürliche Person handelt, seinen Sitz in diesem Staate hatte ; als tatsächlicher Wohnsitz ist der Ort verstanden, wo der Beklagte sich mit der Absicht dauernden Verbleibens aufhält; 2. wenn der Beklagte sich durch ausdrückliche Vereinbarung der Zuständigkeit des Gerichts unterworfen hatte, das die Entscheidung gefällt hat;

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8, wenn der Beklagte sich vorbehaltlos auf den Eechtsstreit eingelassen hat; 4. im Falle einer Widerklage, die mit der Hauptklage in rechtlichem Zusammenhange steht; 5. wenn der Beklagte, der im Gebiete des Staates, wo die Entscheidung gefallt wurde, eine geschäftliche Niederlassung oder Zweigniederlassung hat, dort für Streitigkeiten aus ihrem Betriebe belangt worden ist; 6. wenn der Beklagte, der im Gebiete des Staates, wo die Entscheidung gefällt wurde, einen Vertreter hat, zu dessen Bestellung er durch das Gesetz dieses Staates verpflichtet war, dort für Streitigkeiten aus dessen Tätigkeit in diesem Staate belangt worden ist; 7. wenn die Entscheidung Ansprüche aus einer unerlaubten Handlung betrifft, die vom Beklagten im Staate begangen worden ist, wo die Entscheidung gefällt wurde, und die Ladung itirn persönlich während seiner Anwesenheit in diesem Staate zugestellt worden ist; dabei besteht die Meinung, dass diesen Ansprüchen gleichgestellt sind solche aus Unfällen, die durch den Gebrauch irgendeines Transportmittels verursacht worden sind; 8. wenn die Entscheidung von einem Gerichte gefällt wurde, dessen Zuständigkeit durch einen Staatsvertrag vorgesehen ist, der selbst keine Bestimmungen über die Anerkennung und Vollstreckung enthält.

Die Bestimmungen des vorstehenden Absatzes finden keine Anwendung auf Personenstands-, Familienrochts- und Erbrechtssachen. In diesen Sachen ist die Zuständigkeit des Gerichts des Staates, wo die Entscheidung gefällt wurde, dann anzuerkennen, wenn unter analogen Voraussetzungen ein Gericht des Staates, wo die Entscheidung geltend gemacht wird, zustandig wäre.

Art. 6.

Die Behörden des Staates, in dem die Entscheidung geltend gemacht wird, haben sich auf die Prüfung zu beschränken, ob die in den vorstehenden Artikeln vorgesehenen Voraussetzungen erfüllt sind. Bei dieser Prüfung sind sie nicht an die tatsächlichen Feststellungen der Entscheidung gebunden.

Art. 7.

Die Gerichte des einen der beiden Staaten haben das Eintreten auf ihnen vorgelegte Streitigkeiten abzulehnen, wenn sie davon Kenntnis haben, dass diese Streitigkeiten schon vor einem Gerichte des andern Staates anhängig sind, vorausgesetzt, dass dieses Gericht nach Massgabe der Bestimmungen des gegenwärtigen Abkommens zuständig ist.

Art. 8.

Die im einen Vertragsstaate gefällten Entscheidungen, die gemäss den Bestimmungen der vorstehenden Artikel im Gebiete des andern Staates anzuerkennen sind, sollen auf Begehren einer Partei im andern Staate vollstreckt werden.

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Art. 9.

In der Schweiz bestimmen eich die Zuständigkeit und das Verfahren für die Zwangsvollstreckung, wenn diese auf eine Geldzahlung oder Sicherheitsleistung gerichtet ist, nach den hundesrechtlichen Vorschriften über Schuldbetreibung und Konkurs (Bundesgesetz vom 11. April 1889 und Nachträge) und in den übrigen Fällen nach dem Prozessrechte des Kantons, wo die Vollstreckung stattfinden soll.

In Schweden ist das Begehren um Vollstreckbarerklärung an den Appellationshof in Stockholm (Svea hovrätt) zu richten.

Art. 10.

Die Partei, die die Vollstreckung nachsucht, hat beizubringen: 1. die Entscheidung in der Urschrift oder in einer beweiskräftigen Ausfertigung; 2. eine Bescheinigung darüber, dass die Entscheidung in Bechtskraft erwachsen ist; 3. die Gerichtsprotokolle oder andere Urkunden, die dartun, dass die im Art. 5, Abs. l, vorgesehenen Voraussetzungen erfüllt sind; 4. im Falle eines Versäumnisurteils die Urschrift oder eine als richtig bescheinigte Abschrift der Urkunden, aus denen hervorgeht, dass die säumige Partei gemäss den Bestimmungen von Art. 4, Ziff. 5, oder gegebenenfalls von Art. 5, Abs. l, Ziff. 7, geladen worden ist.

Betrifft das Begehren um Vollstreckung einen Vergleich, so muss es von einer durch die zuständige Behörde als richtig bescheinigten Abschrift des Protokolls und von einer Bescheinigung begleitet sein, dass der Vergleich vor einem Gericht abgeschlossen oder von diesem bestätigt worden ist und dass er im Staate, in dem er geschlossen wurde, vollstreckbar ist.

Die vorstehend erwähnten Urkunden werden in Schweden durch die Kanzlei des Gross-Gouverneurs von Stockholm oder von einer Provinzialverwaltung ausgestellt oder beglaubigt und in der Schweiz durch die zuständigen Behörden ausgestellt und durch die Bundeskanzlei beglaubigt.

Alle vorzulegenden Urkunden müssen von einer Übersetzung in die Amtssprache der ersuchten Behörde begleitet sein ; die Übersetzung muss durch einen diplomatischen oder konsularischen Vertreter des einen oder des andern Vertragsstaates oder durch einen öffentlichen Dolmetscher des Landes, wo die Entscheidung geltend gemacht wird, als richtig bescheinigt sein.

Art. 11.

Das gegenwärtige Abkommen findet keine Anwendung auf Entscheidungen und Vergleiche: 1. in Konkurs- oder Nachlassvertragssachen, mit Einschluss der Anfechtung von Verträgen des Schuldners;

692 2. betreffend Jodes dingliche Rocht an Grundstücken, die ausserhalb des Staates, wo dio Entscheidung gefällt wurde, gelegen sind, sowie betreffend die Verpflichtung, in bezug auf solche Rechte Verfügungen zu treffen, oder die Rechtsfolgen aus der Nichterfüllung einer solchen Verpflichtung ; jedoch bleibt das Abkommen auf die Entscheidungen und Vergleiche in Familien- und Erbrechtssachen anwendbar.

Art. 12.

Das Abkommen findet keine Anwendung auf die vor seinem Inkrafttreten gefällten Entscheidungen oder abgeschlossenen Vergleiche.

Art. 13.

Die Anerkennung und Vollstreckung der in einem der beiden Staaten gefällten Schiedssprüche bestimmt sich im andern Staate nach dem in Genf am 26. September 1927 abgeschlossenen Abkommen zur Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche. Jedoch wird die Anerkennung und die Vollstreckung nicht an die Voraussetzungen geknüpft, die in Art. l, Abs. l, des genannten Abkommens vorgesehen sind.

Art. 9 und Art. 10, letzter Absatz, des gegenwärtigen Abkommens finden Anwendung auf das Verfahren zur Erwirkung der Vollstreckbarkeit von Schiedssprüchen.

Art. 14.

Die Bestimmungen der Vereinbarungen, die hinsichtlich besonderer Bechtsgebiete die Gerichtszuständigkeit und die Urteilsvollstreckung regeln, werden durch das gegenwärtige Abkommen nicht berührt.

Art. 15.

Das gegenwärtige Abkommen soll durch den schweizerischen Bundesrat und durch seine Majestät den König von Schweden, mit Zustimmung des Riksdag, ratifiziert werden, und die Ratifikationsurkunden sollen sobald als möglich in Bern ausgetauscht werden.

Es tritt in Kraft am 1. Januar oder 1. Juli, der auf den Ablauf einer Frist von zwei Monaten nach dem Zeitpunkt des Austausches der Ratifikationsurkunden folgt; es bleibt in Kraft bis zum 1. Januar oder 1. Juli, der auf den Ablauf einer Frist von einem Jahre nach dem Zeitpunkt der Kündigung durch einen Vertragsstaat folgt.

Zu TJrkund dessen haben die Bevollmächtigten dieses Abkommen unterzeichnet.

So geschehen, in doppelter Ausfertigung, in Stockholm am 15. Januar 1986.

(gez.) Charles L, E. Lardy.

--

(gez.) Rickard Sandler.

.-=5.1

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