700 # S T #

3392 Botschaft des

Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend Förderung der Innen- und Aussenkolonisation.

(Vom 14. April 1986.)

Herr Präsident!

Hochgeehrte Herren!

Wir haben die Ehre, Ihnen mit dieser Botschaft den Entwurf eines Bundesbeschlusses betreffend Förderung der Innenkolonisation und der Auswanderung zu unterbreiten.

Allgemeine Betrachtangen.

Bereits im Bericht des Bundesrates an die Bundesversammlung vom 18. September 1935 betreffend das Postulat, des Nationalrates über die Frage der Unterstützung von Kolonisationsprojekten und Organisierung der Auswanderung wird erwähnt, dass unter den in Aussicht genommenen Massnahmen zur Entlastung des einheimischen Arbeitsmarktes auch die Unterstützung von Siedlungen im In- und Ausland vorgesehen ist. In den Kommissionssitzungen des Ständerates (15. und 16. November 1985) und des Nationalrates (25. November 1985) und in der Sitzung des Ständerates vom 8. Januar 1986 wurde die Auffassung vertreten, dass der Bund keine gross angelegten KolonisationsProjekte ausarbeiten und dass auch keine planmässige Organisierung einer weitgehenden Auswanderung vorgenommen werden solle.

Hingegen wurde es als zweckmässig und nützlich erachtet, in der gegenwärtigen Krisenzeit die Auswanderung durch Gewährung bescheidener Unterstützungen etwas zu beleben. Gleichzeitig wurde aber darauf hingewiesen, dass dem Problem der Innenkolonisation die gebührende Beachtung zukommen solle ; einzelne Votanten vertraten die Ansicht, die Unterstützung und der Ausbau der im Lande vorhandenen Kolonisationsmöglichkeiten sei der staatlichen Förderung der Auswanderung vorzuziehen.

Die Probleme sind konnex, und die Fragen der Unterstützung der Innenkolonisation und der Auswanderung sollten nicht voneinander getrennt werden.

Der Buudesrat hat sich deshalb entschlossen, beide Fragen in der gleichen Vorlage zu behandeln. Die Vorschläge für die zu treffenden notwendigen und dringenden Massnahmen konnten aber erst im gegenwärtigen Zeitpunkte aus-

701 gearbeitet \verden, weil zunächst die Berichte der einzelnen Studienkormnissionen abgewartet werden mussten, die z. T. erst zu Anfang des Jahres aus den überseeischen Ländern zurückgekehrt sind.

Nunmehr mnss es als unbedingt wünschbar bezeichnet werden, dass die Vorschläge des Bundosrates, deren finanzielle Tragweite als bescheiden zu bezeichnen ist, noch in der Aprilsession behandelt werden, damit das begonnene Jahr für die Auswanderer nicht verloren geht und die durch die Studienkommission z, T. schon angebahnten Beziehungen nicht nutzlos eingeleitet worden sind.

Im Bericht des Bundesrates an die Bundesversammlung vom 18. September 1935 betreffend das Postulat des Nationalrates über die Frage der Unterstützung von Kolonisationsprojekten und Organisierung der Auswanderung, sowie in den Kommissionssitzungen der Eäte und im Ständerat ist die grundsätzliche Seite der Innen- und Aussenkolonisation bereits eingehend behandelt worden. Die hier unterbreitete Vorlage, in der namentlich auch dio finanzielle Seite noch erörtert werden soll, ist lediglich eine Ergänzung zum soeben erwähnten Bericht.

Dabei gestattet sich der Bundesrat, darauf hinzuweisen, dass es sich zunächst nur darum handelt, einen Versuch durchzuführen. Sofern die Erfahrungen, die mit der in Aussicht genommenen Siedlungsaktion gemacht werden, zufriedenstellend sind, könnten in einem spätem Zeitpunkt neue Kreditbegehren unterbreitet werden, da die in dieser Vorlage nachgesuchten Kredite, namentlich der Beitrag für die Forderung der Auswanderung, für eine grössere Aktion nicht ausreichen können. Zunächst müssen aber auch noch Erfahrungen gesammelt w.erden, ob durch die Förderung der Innenkolonisation und der Auswanderung eine spürbare Entlastung der Arbeitslosenversicherung und der Armenfürsorge herbeigeführt werden kann.

I.

A. Unterstützung der Innenkolonisation.

Auf Grund des Bundesgesetzes betreffend die Förderung der Land Wirtschaft durch den Bund vom 22. Dezember 1893 werden verschiedene Massnahmen unterstützt, die in das Gebiet der Innenkolonisation gehören. Als solche sind vor allem die Bodenverbesserungen zu nennen. Das Bodenverbesserungswesen hat sich seit der Wirksamkeit des Bundesgesetzes von Jahr zu Jahr mehr entwickelt. Anfänglich wurden zur Hauptsache grössere und kleinere Entwässerungsunternehmen unterstützt. Hiezu kamen nach und nach verschiedene andere Meliorationen. Eine ganz außerordentliche Erweiterung ergab sich durch die Zunahme der Güterzusammenlegungen, der landwirtschaftlichen Güterwege und Verbmdungsstrassen, sowie durch die Berücksichtigung der besonderen Bedurfnisse der Berggegenden. Die Zunahme der Subventionsgesuche war eine aussergewöhnliche. Im Jahre 1929 wurden 509

702 Projekte genehmigt mit einer Voranschlagssumme von ca. 26,B Millionen Franken, und an deren Kosten wurden 9,2 Millionen zugesichert.

Bis Mitte des Jahres 1935 waren über 15,000 Bodenverbesserungen abgerechnet und subventioniert mit einem Gesamtkostenaufwand von über 850 Millionen Franken. Für die Innenkolonisation sind von besonderer Bedeutung die Entwässerungen mit einem Gebiet von ca. 68,500 ha, sowie die Güterzusammenlegungen, die sich auf eine Fläche von 84,000 ha erstrecken.

In den letzten Jahren wurde die Subventionspraxis erweitert, und seit dem Jahr 1926 werden aus dem Kredit für Bodenverbesserungen auch Beiträge gewährt an Wasserversorgungen, an Wohnräume für das Alppersonal, an die Lokale für die Verarbeitung von Milch und Milchprodukten in den Berggegenden, an landwirtschaftliche Siedelungabauten. In Verbindung mit Güterzusammenlegungon wurden seither 128 Siedelungsbauten, veranschlagt zu oa. 7 Millionen Franken, subventioniert.

Es ist ausser Zweifel, dass durch all diese Werke die Erzeugungsfähigkeit des Landes gehoben wurde und der einheimische Boden intensiver bewirtschaftet werden kann. Dadurch vermag er auch eine um so zahlreichere Bevölkerung zu beschäftigen und zu ernähren. Das eidgenössische Volkswirtschaftsdepartement und in ihm die Abteilung für Landwirtschaft hat von jehtìr diesen Bestrebungen die grossie Aufmerksamkeit geschenkt.

Infolge der schwierigen Finanzlage der Kantone und des Bundes mussten in den letzten Jahren die Beitragsquoten für all diese Unternehmen reduziert weiden. Im Jahre 19S4 war man gezwungen, den Bodenverbesserungskredit auf 8,6 Millionen Franken herabzusetzen. Wegen der grossen Zahl der Subventionsgesuche musste überdies zur Kontingentierimg geschritten werden.

Bei der ordentlichen Unterstützung von Bodonverbesserungen ist die Bundeshilfe in der Eegel an gleich hohe Kantonsbeiträge geknüpft. Um eine ausserordentliche Aktion fördern zu können, ist ein gewisser Spielraum bei der Gewährung der Unterstützungen notwendig. Für die Unterstützung von Siedelungen im Inland wird es notwendig sein, von Fall zu Fall zu prüfen, ob nicht ausnahmsweise auch angemessene Beiträge gewährt werden sollen, wenn von Seiten des Kantons nur kleinere Unterstützungen geleistet werden können. Je nach den besonderen Umständen wäre auch, statt die Unterstützung durch
Beiträge à fonds perdu zu gewähren, eine solche in Form von Darlehen zu erwägen.

Auf Grund dieser Darlegungen und von diesem Gesichtspunkte aus betrachtet, rechtfertigt sich die Bereitstellung eines ausserordenthchen Kredites zur Unterstützung innenkolonisatorischer Massnahmen, trotzdem der ordentliche Bodenverbesserungskredit wesentlich gekürzt wurde.

Die Schweizerische Vereinigung für Innenkolonisation und industrielle Landwirtschaft hat zu Beginn dieses Jahres auf Ersuchen des Bundesamtes für Industrie, Gewerbe und Arbeit Vorschläge zur Durchführung von Krisenaufgaben der Innenkolonisation ausgearbeitet. Diese Vorschläge umfassen:

703

1.

2.

8.

4.

5.

Aufnahme eines Kolonisationskatastors Landwirtschaftliche Primitivsiedelungen Dienstbotensiedelungen in den Landgemeinden Kleine Siedelungen für Arbeitslose Verschiedene andere Ausgaben

Fr.

» » » » Zusammen

100,000 760,000 500,000 500,000 150,000

Fr. 2,000,000

Diese Angaben und Berechnungen werden als generelles Programm ausserordentlicher Krisemnassnahmen zwecks Arbeitsbeschaffung und Schaffung neuer Existenzmöglichkeiten angesehen.

Diese Vorschläge wurden von den zuständigen Fachvertretern geprüft und beraten. Die Aufnahme eines Kolonisationskatasters wird für bestimmte Gebiete, die im Einvernehmen mit der Abteilung für Landwirtschaft festzulegen wären, grundsätzlich befürwortet. Die Finanzierung dieser Erhebungen soll aber aus bereits bewilligten ausserordentlichen Krediten erfolgen.

Die Frage der Unterstützung von Dienstbotensiedelungen in Landgemeinden bedarf noch einer eingehenden Prüfung und Abklärung ; sie ist heute nicht spruchreif. Zurzeit fallen als ausserordentliohe Krisenmassnahmen in Betracht : a. die Erstellung landwirtschaftlicher Primitivsiedelungen; b. Kleinsiedelungen für Arbeitslose.

a. Landwirtschaftliche Primitivsiedelungen.

Es wird vorgeschlagen, die landwirtschaftliche Siedelung als besondere Krisenaktion zu behandeln, weil bei den heute knappen Öffentlichen Mitteln die Lösung des landwirtschaftlichen Siedelungsproblems in eigentlichen Primitivsiedelungen gesucht werden muss. Die Erstellungskosten einer Primi tivsiedelung für Wohnhaus und Ökonomie, für 10 Stück Vieh ausreichend, sollen sich ohne Landzukauf aber inklusive' Umgebungsarbeiten und Wasserversorgung auf höchstens Fr. 80,000 belaufen. Bei den zu erstellenden Gebäuden der Primitivsiedelungen ist der Gedanke «Verknappung der Bäume» wegleitend. Brauchbare Siedelungstypen dieser Art sind geschaffen. Der Ausdruck «Primitivsiedelung» ist mit Absicht gewählt worden, um übertriebene Bauansprüche der Siedler zum vornherein abzustoppen. Der Siedler kann seine Behausung später aus eigenen Mitteln ausbauen.

b. Kleinsiedelungen für Arbeitslose.

Da die Arbeitslosigkeit heute in erster Linie die Industriegebiete betrifft, dürfte es eine besonders wichtige Krisenhilfsaktion sein, eine grössero Anzahl Siedelungen dieser Art zu erstellen. Geplant ist die Schaffung von Kleinsiedelungen für Nichtlandwirte mit Wohnung, Ökonomie und bis zu 20 Aren Wirtschaftsland. Diese Siedelungen dürfen nicht zu weit von den Beschäftigungsorten liegen. Die Kleinsiedelungen reichen für eine volle Existenz ein-

704

zelner Familien nicht aus. Es -wird eine ergänzende Einkommensquelle notwendig sein. Das den Wohneinheiten beizugebende Wirtschaftsland soll deshalb nicht nach einer starren Eegel bemessen werden. Es wird in Aussicht genommen, dass in diese Kategorie auch Kleinsiedelungen einbezogen werden, bei denen es sich um vollbeschäftigte Gärtnereikleinsiedelungen handelt.

Die Träger der Aktion von Kleinsiedelungen werden in der Eegel Genossenschaften sein. In besondern Fällen, namentlich dort, wo der Kleinsiedler noch über Eigenkapital verfügt, soll er direkt Eigentümer einer Siedelung werden können. Wie bei den andern Kategorien von Siedelungen soll die Unterstützung an die Bedingung maximaler Baukoston, im Einzelfalle ca. 10,000 Franken ohne Landerwerb, geknüpft werden.

B. Ausiedlung schweizerischer Auswanderer in Frankreich.

In Verbindung mit der Plazierung von schweizerischen Spozialarbeitern nach Frankreich und gestützt auf die in frühern Jahren gemachten guten Erfahrungen bezuglich der Ansiedlung einiger Landsleute als Pächter und Halbpächter ist neuerdings wieder die Frage der Ansiedlung von schweizerischen Landwirtsfamilien in unserm Nachbarlande geprüft worden.

Bereits im Bericht des Bundesrates an die Bundesversammlung vom 13. September 1985 betreffend das Postulat des Nationalrates über die Frage der Unterstützung von Kolonisationsprojekten und Organisierung der Auswanderung wurde darauf hingewiesen (BundesbL, II, 815) dass nach den gemachten Feststellungen die im südlichen Teile Frankreichs vorhandenen Ansiedlungsmöglichkeiten für Pächter und Halbpächter hiefür geeigneten auswanderungswilligen schweizerischen Landwirtsfamilien zugänglich gemacht werden könnten.

Durch Bundesratsbeschluss vom 9. August 1985 wurde dem Bundesamt für Industrie, Gewerbe und Arbeit ein Kredit von Fr. 50,000 eröffnet zwecks Erleichterung der Ansiedlung von Landwirtsfamilien in Frankreich und zum Unterhalt des von der Schweizerischen Vereinigung für Innenkolonisation und industrielle Landwirtschaft geführten Beratungsdienstes.

Dieser Beratungsdienst ist sofort aufgenommen worden. Das Interesse unserer einheimischen, namentlich der Arbeitslosenfamilien, für die Ansiedlung in Frankreich ist sehr gross. Die Preislage der dortigen Betriebe und die geforderten Pachtzinse sind bedeutend niedriger als in der Schweiz. Die Eendite der französischen Landwirtschaft muss gegenwärtig allerdings als nicht sehr günstig bezeichnet werden. Trotzdem ist festzustellen, dass die Möglichkeit vorhanden ist, mit relativ niederen Beträgen eine neue Existenz zu schaffen.

Daher besteht die Absicht, würdigen, unverschuldet in Not geratenen Familien von Arbeitslosen, die mit den landwirtschaftlichen Arbeiten vertraut sind, durch Gewährung von vorübergehenden Hilfeleistungen m Form von Vorschüssen, Darlehen -- eventuell von Beiträgen à fonds perdu -- die Ansiedlung in Frankreich aus öffentlichen Mitteln zu erleichtern.

705

Die Schweizerische Vereinigung für Innenkolonisation in Zürich ist beauftragt worden, Gesuche von Auswanderern, die sich in Frankreich ansiedeln ·wollen, entgegenzunehmen, die Würdigkeit und Tüchtigkeit der Gesuchsteller sowio die Eignung in Frage kommender Objekte zu prüfen und abzuklären, ob eine vorübergehende Beitragsleistung aus öffentlichen Mitteln gewährt werden könne. Der Bundesbeitrag wird ausgerichtet, sofern Kanton und Gemeinde ebenfalls einen angemessenen Anteil des Beitrages aus Öffentlichen Mitteln, der in der Begel insgesamt Fr. 3000 nicht übersteigen soll, zu übernehmen bereit sind. Indessen zögern Kantone und Gemeinden in vielen Fällen, die ihnen zugemuteten Hilfeleistungen zu übernehmen, was meistens darauf zurückgeht, dass wegen der beruflichen und persönlichen Fähigkeit und Zuverlässigkeit der Gesuchsteuer gewisse Bedenken auftauchen.

Es wäre daher zu begrüssen, wenn die Eignung der Auswanderer, die um finanzielle Hilfeleistungen einkommen, in besonderen Lagern oder Gutsbetrieben vorerst geprüft werden könnte. Aus diesem Grunde schlägt der Bundesrat vor, den nachgesuchten Kredit für die Förderung der Innenkolonisation in gewissem Umfang auch zu verwenden für die Erleichterung der Ansiedlung schweizerischer Auswanderer in Frankreich, sowie für den Ausbau de» Beratungsdienstes und für die Bereitstellung von Mitteln, um schweizerischen Auswanderern in einem Lager oder auf einem Gute Gelegenheit zu geben, ihre Eignung als Ansiedler nachzuweisen.

Für die Durchführung der unter L4 und B beantragten Massnahmen wird vorgeschlagen, einen Kredit von l Million Franken in Aussicht zu nehmen. Dieser Kredit wäre dem eidgenössischen Volkswirtschai'tsdepartement zur Vorfügung zu stellen. Dieses würde die weitern Vorkehren treffen und darüber entscheiden, wem die Durchführung der verschiedenen ausserordenthohen Aktionen zu übertragen sei.

II.

Unterstützung überseeischer Kolonisation.

Es ist nicht zu verkennen, dass der Plan einer Förderung überseeischer Siedlungen vielfach ernsten Bedenken, wenn nicht gar eigentlichem Widerstreben begegnet, und zwar aus Gründen, denen, wie aus unserm Bericht vom 18. September 1935 hervorgeht, eine Berechtigung nicht abzusprechen ist.

So hat man darauf hingewiesen, die staatliche Hilfe werde dazu führen, dass namentlich tüchtige und unternehmende Landsleute die Heimat verlassen werden, die, einmal in überseeischen Staaten niedergelassen, trotz aller Heimatstreue wirtschaftlich und mit der Zeit wohl auch kulturell dem fernen Vaterland verloren gehen. Die von der öffentlichen Hand für solche Zwecke ausgeworfenen Summen kamen somit letzten Endes der neuen Wahlheimat der Ausgewanderten zugute, während die Entlastung, die durch eine überseeische Siedlungsförderung dem einheimischen Arbeitsmarkto gebracht werde, unbedeutend, vomber-

706

gehend und durch den dauernden Verlust wertvoller «Landskraft» zu teuer «rkauft sei.

Ungeachtet dieser gewiss nicht leicht zu nehmenden Überlegungen sind wir der Ansicht, dass hei Anwendung des Mittels der Siedlungsförderung zur Schaffung neuer Existenzgrundlagen gerade dio Ausrichtung von Unterstützungen für Ansiedlungen im Auslande sich vor allem rechtfertigt. Denn bei den beschränkten, in der Schweiz noch zu urbarisierenden Gebieten wird die Innenkolonisation um so weniger ausschliesslich in Betracht kommen, als mit dem für schweizerische Siedlungen erforderlichen Finanzaufwand in verschiedenen ausländischen Staaten bei den dortigen geringern Unkosten einer mehrfachen Zahl von Familien die Errichtung einer Heimstätte ermöglicht werden kann. Es ist ferner nicht zu vergessen, dass nicht eine staatliche Förderung der Auswanderung in Frage steht, sondern einzig und allein eine Unterstützung zum Auswandern entschlossener Männer und Frauen, denen bei uns infolge der kritischen Zeitumstände die Aussicht auf ein wirtschaftliches Fortkommen genommen ist. Bei der Durchführung der Unterstützungsaktion soll dafür gesorgt worden, dass die aufgewendeten Mittel, sowohl was die in Betracht gezogenen Siedlungsgebiete als die unterstützten Personen betrifft, gut angelegt werden und dem Bund aus der gewährten Hilfe keine weitern Verpflichtungen erwachsen.

Zur Lösung dieser Fragen musste untersucht werden, welche überseeischen Länder zu Siedlungszwecken sich für schweizerische Auswanderer besonders eignen, wie die notwendige Auslese der zu unterstützenden Siedler vorzunehmen sei und die richtige Verwendung der Gelder durch eine zweckmässige Organisation der Hilfsaktion nach Möglichkeit sichergestellt werde.

Von aussereuiopäischen Ländern kommen zur Kolonisierimg für Schweizer in erster Linie solche in Betracht, die nach Klima, Bevölkerung und Arbeitsformen nicht zu grosse Unterschiede gegenüber den schweizerischen Verhältnissen aufweisen. Deshalb scheiden aus alle tropischen Gebiete, da sie, soweit sie nicht in einer gewissen Höhenlage sich befinden, meistens ungesund sind und schwere Arbeit dort nur von einheimischen Arbeitskräften besorgt werden kann, welche die Grundlage der Plantagenwirtschaft bilden. Einzelne Höhenlagen, die an sich klimatisch günstig wären, kommen wegen ihrer Abgelegenheit nicht in Frage,
da zur Verbindung der Siedlungen mit den Absatzmärkten, wo solche in der Nähe überhaupt vorhanden sind, kostspielige Verkehrswego erst geschaffen werden müssten.

Von den in der subtropischen und in der gemässigten Zone gelegenen Ländern sind von vornherein jene Gebiete auszunehmen, die für schweizerische Siedler gesundheitlich nachteilig sind oder in wirtschaftlicher Hinsicht ohne Investierung erheblicher Kapitalbeträgo keine Entwicklungsmöglichkeiten bieten. Sn fallen beispielsweise für unsere Zwecke Nordafrika und Südafrika ausser Betracht, weil dort der Einzelsiedler zum Betrieb eines landwirtschaftlichen Unternehmens mindestens über 15,000--20,000 Franken verfügen muss ; öffentliche Mittel könnten nun aber in solchem Ausmass nicht flüssig gemacht

707

werden. Es ist ferner darauf Bedacht zu nehmen, dass für Schweizer Siedler sich bloss Gebiete eignen, bei denen die Voraussetzungen für eine gemischte Wirtschaftsform (Viehzucht, Ackerbau und Obstbau) auf kleinbäuerlicher Grundlage gegeben sind und auch Verkehrswege und Absatzmärkte nicht fehlen.

Es ist begreiflich, dass nicht sehr zahlreiche überseeische Siedlungsmöglichkeiten mehr übrig bleiben, und in der Tat werden praktisch für Kolonisten, die zur Durchführung ihres Vorhabens im wesentlichen auf staatliche Unterstützung angewiesen sind, nur gewisse Gebiete Argentiniens und Brasiliens und unter Umständen Canadas in Betracht fallen. Das will natürlich nicht besagen, dass Siedlungsgründungen in andern Ländern von vornherein von der Gewährung von Beihilfen ausgeschlossen seien; sie werden auch berücksichtigt werden können, wenn jeweilen das Vorhandensein der nötigen Grundbedingungen nachgewiesen wird.

Über die Aussichten, welche die eben angeführten Gebiete Südamerikas und Canadas fur schweizerische Kolonisten bieten, liegen nun Berichte schweizerischer Kommissionen vor, die mit Unterstützung aus Bundesmitteln jene Gegenden bereist haben. Das Gesamtergebnis, zu dem die «südamerikanische» Kommission gelangt ist, lässt sich dahin zusammenfassen, dass den sogenannten Camp-Siedlungen in der Nähe grosser Absatzzentren der Vorzug vor abgelegenen Urwaldsiodlungen zu geben sei. Die Liegenschaftenpreise für landwirtschaftliche Güter sind z. T. sehr niedrig, so dass gewisse Entwicklungsmöglichkeiten für ausdauernde, tüchtige Siedler, bei schuldenfreier Wirtschaft gegeben sein sollten. Die Urwaldsiedlungen stellen dagegen nicht nur weit höhere Ansprüche an den Siedler und dessen Familie in bezug auf Entbehrungen aller Art, sondern sie geben offenbar auch nicht eine Gewähr für ein wirtschaftliches Fortkommen, weil der Erlös für die Bodenerzeugnisse sehr bescheiden und unsicher ist, so dass der Boden oft überzahlt erscheint.

Die nach Canada entsandte Studienkommission hat besonders die Provinz Britisch-Columbien besucht und feststellen können, dass dort vielfach vorteilhafte Siedlungsmöglichkeiten bestehen. Während im Süden der Provinz der Boden in verschiedenen Gegenden bewässert werden inuss und dadurch verteuert wird, gibt es in nördlicher gelegenen Teilen Britisch-Columbiens noch Gebiete mit klimatisch
und wirtschaftlich günstigen Bedingungen, ohne dass die für eine Siedlung aufzubringenden Geldmittel allzu hoch wären.

Für eine Urwaldsiedlung bedarf es mindestens Fr. 3000--4000, für eine Camp-Siedlung (landwirtschaftliches Gut) in Südamerika oder Britisch-Columbien Fr. 6000--8000 an Kapital.

Es darf indessen nicht verschwiegen werden, dass die Einreise in die genannten Länder nicht frei ist. In Brasilien ist die Einreise sogar kontingentiert, die schweizerische Quote beträgt nur 178 Personen jährlich. In Canada werden im allgemeinen mit Staatshilfe unterstützte Siedler, die daneben kein eigenes Kapital besitzen, nicht zugelassen. So nuBsten für unterstützte Siedler in

708

Unterhandlungen mit den betreffenden Staaten für sie erst noch die Tore geöffnet werden.

Die Errichtung einer grössern schweizerischen Kolonie durch den Bund muse, wie nochmals betont sei, ausgeschlossen erscheinen. Die Gründe unserer Stellungnahme haben wir in unserm Bericht vom 18. September 1935 einlässlich dargelegt, und sie haben auch nach dem Ergebnis der beiden Studienreisen an Gewicht nichts eingebüsst.

Eine Hilfe aus Bundesmitteln lässt sich nur durch individuelle Unterstützung des Einzekiedlers durchführen, und da musa am Anfang jeder solchen Unterstützungsaktion die strenge Auslese der Siedler stehen. Denn jede Ansiedlung in Übersee ist ein grosses Wagnis, dem Personen nicht ausgesetzt werden dürfen, die von vornherein nicht die nötige Gewähr für ein Aushalten in schwierigen Lebenslagen zu gehen vermögen. Ferner muss möglichst dafür Vorsorge getroffen werden, dass die Unterstützungsgelder nicht durch Unerfahrenheil oder Ungeschicklichkeit verloren gehen und die Siedler dann mittellos im Elend verkommen müssen. Die Bundesverwaltung kann sich mit der Lösung dieser rein technischen Fragen nun nicht wohl befassen, und es ist deshalb eine Organisation vorgesehen, die mit der Durchführung der erwähnten Aufgaben zu betrauen wäre. Einer solchen Zentralstelle für überseeisches Siedlungswesen wäre weckmässigerweise die Form einer privatrechtlichen Gesellschaft zu geben, in der natürlich auch die Behörden vertreten seinmüssten.

Die Leitung der Institution würde Fachleuten anvertraut werden, die auf Grund erhaltener Weisungen und Richtlinien vorzugehen hätten. Die Siedlungsanwärter müssten sich mit ihren Gesuchen an diese Stelle wenden. Durch besondere Organe hätte dann die Prüfung und Erledigung der Begehren zu erfolgen. Die Erledigung bestände in grundsätzlicher Zulassung, vorlaufiger Zurückstellung und endgültiger Ablehnung des Gesuches. Die grundsätzlich genehmigten Fälle mussten der Bundesverwaltung gemeldet werden, die im Verkehr mit Kantonen und Gemeinden die Unterstützungsbeiträge zuhanden der Zentralstelle flüssig zu machen hätte. Die bewilligten Gelder könnten den Siedlern z. B. in Form von Vorschüssen zugute kommen, die ihnen aber nicht zu Eigentum und nicht in vollem Umfang ausbezahlt würden; deren zweckmässige Anlogung und Büßkzahlung zu überwachen würde zu den Obliegenheiten der
Zentralstelle gehören. Für Gesuchsteller, bei denen erst abgeklärt werden müsste, ob in persönlicher Hinsicht die erforderlichen Voraussetzungen erfüllt seien, könnte vorab die Beschäftigung in einem schweizerischen Arbeitslager in Aussicht genommen werden.

Die Ausrichtung der erforderlichen Bundesbeiträge an die einzelnen Siedler wird an die Bedingung geknüpft, dass durch Kantone oder Gemeinden in jedem Einzelfalle ca. 50 % der Gesamtunterstützungaufzubringensind. Der Bundesrat schlägt vor, es sei für den gedachten üweck zur Arbeitsbeschaffung om Kredit von einer Million Franken zu gewähren, der dem Politischen Departement (Auswanderung&amt) zur Verfügung gestellt werden soll.

709

III.

Finanzierung.

In der Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung (vom 22. November 1985) über neue ausserordentliche Massnahmen zur Wiederherstellung des finanziellen Gleichgewichtes im Bundeshaushalt in den Jahren 1986 und 1937 ist im Voranschlag für 1986 eine Summe von 3 Millionen Franken für die Massnahmen zum Schutze der Wirtschaft vorgesehen. Eine Million Franken hiervon soll gemäss der Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung vom 8. März 1936 betreffend Gewährung einer weiteren Subvention an dio Stickerei-Treuhand-Genossenschaft in St. Gallen verwendet werden. Die verbleibenden 2 Millionen Franken könnten für die Unterstützung der Innenkolonisation und der Auswanderung verwendet werden.

Auf Grund der vorstehenden Ausführungen unterbreitet der Bundesrat den gesetzgebenden Eäten den Entwurf eines Bundesbeschlusses betreffend Unterstützung der Innenkolonisation und der Auswanderung mit dem Ersuchen, die Vorlage in der Fiühjahrssession 1986 abschliessend zu beraten, da die Angelegenheit dringend ist. Wie bereits dargelegt, war es bedauerlicherweise nicht möglich, diese Botschaft schon früher zu unterbreiten, da das Ergebnis der Erfahrungen der ans überseeischen Ländern zurückgekehrten Studienkommissionen abgewartet werden musste.

Wir benützen den Anlass, Sie, Herr Präsident, hochgeehrte Herren, unserer vollkommenen Hochachtung zu versichern.

Bern, den 14. April 1936.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident : Meyer.

Der Bundeskanzler: G. Bovet.

710 (Entwurf.)

Bundesbeschluss betreffend

Förderung der Innen- und Aussenkolonisation.

Die Bundesversammlung der schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsicht einer Botschaft des Bundesrates vom 14. April 1986, beschliesst :

Art. 1.

Dem Bundesrat wird für die Förderung der Innen- und Aussenkolonisation zum Zwecke der Entlastung des schweizerischen Axbeitsmarktes für das Jahr 1936 ein Kredit von 2 Millionen Franken zur Verfügung gestellt. Die Ausrichtung der Bundesbeiträge aus diesem Kredite erfolgt unter der Bedingung, dass von Kantonen oder Gemeinden im Einzelfalle jeweilen ca. 50 % der Gesamtunterstützung aufgebracht wird.

Der Bundesrat ist ermächtigt, über die Verwendung dieses Kredites die nötigen Vorschriften aufzustellen.

Art. 2.

Dieser Bundesbeschluss wird als dringlich erklärt und tritt sofort in Kraft.

Der Bundesrat wird mit dessen Vollzug beauftragt.

-·£*<>*$-

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend Förderung der Innenund Aussenkolonisation. (Vom 14. April 1986.)

In

Bundesblatt

Dans

Feuille fédérale

In

Foglio federale

Jahr

1936

Année Anno Band

1

Volume Volume Heft

16

Cahier Numero Geschäftsnummer

3392

Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

15.04.1936

Date Data Seite

700-710

Page Pagina Ref. No

10 032 924

Das Dokument wurde durch das Schweizerische Bundesarchiv digitalisiert.

Le document a été digitalisé par les. Archives Fédérales Suisses.

Il documento è stato digitalizzato dell'Archivio federale svizzero.