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Bundesblatt

88. Jahrgang.

Bern, den 15. Januar 1936.

Band I.

Erscheint wöchentlich, Preis 20 Franken im Jahr, 10 Franken im Halbjahr, zuzüglich Nachnahme- und Postbestellungsgebühr Einrückungsgebühr 60 Kappen die Petitzeile oder deren Raum. -- Inserate franko au Stämpfli & Cte. in Bern.

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Bericht des

Bundesrates an die Bundesversammlung über die sechzehnte. Völkerbundsversammlung.

(Vom 18. Januar 1936.)

Herr Präsident!

Hochgeehrte Herren!

Wir haben die Ehre, Ihnen folgenden Bericht über die sechzehnte Völkerbundsversammlung zu unterbreiten.

I. Einleitung.

Wie manche andere wurde auch diese Sitzung im Zeichen jenes Missbebagens eröffnet, welches die Unstetigkeit der politischen, der Nachkriegszeit entwachsenen Umstände nach sich zieht. Chinesisch-japanischer Konflikt, Scheitern der Abrüstung, Chaco-Krieg, jugoslawisch-ungarische Spannung; Deutschlands Ablehnung der militärischen Klauseln des Versailler Vertrags, alles Ereignisse, die in kurzen Abständen aufeinandergefolgt sind und die Welt in Bestürzung und Ratlosigkeit versetzt haben. Keine Prüfung ist dem Völkerbund erspart geblieben.

Das Jahr 1935 wird noch kritischer als die andern gewesen sein, war es doch ganz beherrscht vom schweren Konflikt, der zwei Mitglieder des Völkerbundes einander gegenübergestellt hat. Eine Grossmacht war bereit, zum Krieg zu schreiten, bevor sie die Mittel erschöpft hatte, die der Völkerbundspakt zur friedlichen Beilegung vorschreibt. Im Zeitpunkt der Eröffnung der Versammlung setzte der Bat die letzten Hebel in Bewegung, um das drohende Unglück abzuwenden. Die Lage war ernst, so ernst, dass die Fragen der Tagesordnung vor dem Gespenste des Krieges zu erblassen schienen. Der italieniscliabessinische Konflikt war die erste aller Sorgen, Würde der Völkerbund imstande sein, den Erfordernissen seines Amtes zu entsprechen ? Sollte er erneut seine Machtlosigkeit gestehen müssen ? Solito Bundesblatt. 88. Jahrg

Bd. I.

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34 der Welt eine neue, blutige Prüfung erspart bleiben ? Sollte man sich dazu entschliessen müssen, die Sanktionen des Artikels 16 auf den Staat anzuwenden, der die in Artikel 12 erwähnten Pflichten nicht erfüllt? Das waren die Fragen, die sich jeder angstvoll stellte und die wie ein. Alp auf dieser Versammlung lagen.

II. Tagesordnung der Versammlung und Instruktionen der schweizerischen Delegation.

Die Delegation war, mit einer Ausnahme, wie letztes Jahr zusammengesetzt 1).

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Die Tagesordnung der Versammlung wies im wesentlichen die Züge der früheren auf. Abgesehen von den laufenden Geschäften, die jedes Jahr zur Sprache kommen, waren wenig Spuren neuer Anregungen zu finden, was wohl eine Folge der gegenwärtigen politischen Umstände ist, die nicht zu neuen Plänen reizen. Allerhöchstens kann einer Anregung der norwegischen Regierung betreffend die internationale Flüchtlingshilfe Erwähnung getan werden, auf die wir weiter unten zurückkommen.

Der italienisch-abessinische Konflikt stand aber nicht auf der Tagesordnung, da der Eat selbst gemäss Artikel 12 und 15 des Paktes mit dessen Prüfung betraut worden war. Die Versammlung hat erst später an diese Frage herantreten müssen 2).

Alle auf der Tagesordnung stehenden Traktanden wurden, wie gewohnt, vorgängig durch die Vertreter des Bundesrates und die Mitglieder der schweizerischen Delegation geprüft. Im Anschluss an diese Prüfung und auf Antrag des Politischen Departements haben wir folgende Instruktionen aufgestellt: 1

) Sie war f olgendermassen bestellt : Delegierte: Herr Bundesrat Giuseppe Motta, Chef des Politischen Departements, Herr William Bappard, Direktor des Universitätsinstituts für höhere internationale Studien, Herr Walter Stucki, bevollmächtigter Minister, Direktor der Handeisabteilung.

Stellvertretende Delegierte: Herr Ständerat Robert Schöpfer, Herr Nationalrat Albert Oeri, Chefredaktor der «Basier Nachrichten», Herr Legationsrat Camille Gorgé, Chef der Sektion für Völkerbund beim Politischen Departement; Herr Gorgé amtete zugleich als Generalsekretär der Delegation.

Sekretär: Herr Henri Voirier, juristischer Beamter beim Politischen Departement.

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) Wir verweisen diesbezüglich auf unsern Bericht vom 2. Dezember 1935 betreffend die Anwendung des Artikels 16 des Völkerbundspaktes auf den italienischabessinischen Konflikt.

35 1. Allgemeine Haltung der Delegation, Die Delegation wird sich, wie bisher, an die allgemeinen Eichtlinien unserer Politik im Völkerbünde halten, so wie sie sich aus den früheren Instruktionen des Bundesrates ergeben.

Sie wird nötigenfalls besondere Instruktionen verlangen.

2. Abänderung des Völkerbundsvertrages zum Zwecke der Anpassung an den Pariser Pakt. Die vorgängigen Instruktionen werden bestätigt.

3. Staatsangehörigkeit der Frau. Die Delegation wird sich ebenfalls an die letztjährigen Instruktionen halten.

4. Bechtliche Stellung der Frau. Hinsichtlich der internationalen Verpflichtungen, die auf diesem Gebiete-vorgeschlagen werden sollten, wird die grösste Zurückhaltung gewahrt.

5. Bestellung der Völlcerbundskommissionen. Einer erneuten Prüfung der Satzung der bestehenden Kommissionen steht nichts im Wege. Eine grössere Vereinheitlichung wäre in dieser Hinsicht wünschenswert. Der Frage des Personenwechsels sollte eine besondere Aufmerksamkeit gewidmet werden, um zu verhüten, dass der Zugang zu den Kommissionen, zumal zu einigen unter ihnen, das Vorrecht einiger sei, 6. Beziehungen des Völkerbundes zur panamerikanischen Union. Um Entscheidungen treffen zu können, wird wohl ein besonderer Ausschuss die Ergebnisse einer Untersuchung über diese Frage zusammenfassen müssen.

7. Internationale Flüchtlingshilfe. Die allgemeine Frage der internationalen Flüchtlingshilfe ist allzu wichtig, als dass der Völkerbund sie übersehen könnte.

Die schweizerische Delegation wird sich dem Vorschlag der norwegischen Eegierung anschliessen, wonach in Genf «unter der Aufsicht und im Eahmen des Völkerbundes ein zentraler Organismus» geschaffen werden soll, «dem die Aufgabe zufiele, zugunsten aller Flüchtlinge, denen der Völkerbund Hilfe und Schutz wird angedeihen lassen, diejenigen Befugnisse auszuüben, die gegenwärtig das Nansenamt innehat», 8. Sklaverei, Gemäss den letztjährigeü Instruktionen wird die Delegation allen Massnahmen zustimmen, welche geeignet sind, möglichst bald die restlose Abschaffung der Sklaverei oder gewisser Formen der Zwangsarbeit herbeizuführen.

.9. Technische Organisationen. Die Delegation wird sich nach den Angaben der zuständigen eidgenössischen Departemente richten.

10. Rechnungsablegung und Voranschlag. Die Delegation ist befugt, die geprüften Abrechnungen für das sechzehnte
Eechnungsjahr (1934) zu genehmigen und dem Voranschlag für das nächste Eechnungsjahr (1986) zuzustimmen, wobei sie sich denjenigen Massnahmen anschliessen wird, die eine weitere Einschränkung der Ausgaben bezwecken, ohne den Völkerbund in seiner wesentlichen Tätigkeit zu beeinträchtigen.

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11. Rückständige Beiträge. Der Abschluss von Vereinbarungen mit den Schuldnerstaaten, die den schuldigen Betrag zahlen möchten, wäre-wünschenswert, denn es liegt viel daran, dass der Völkerbund zumindest einen Teil seiner Forderungen einziehen kann. Andererseits wäre es billig, wie vorgeschlagen die Schuldnerstaaten für die verspäteten Beiträge mit einem Zins zu belasten, während den Staaten, die zur rechten Zeit zahlen, ein Abzug gewährt würde.

12. Verteilung der Ausgaben. Es wäre wünschbar, dass. die Kommission für Verteilung der Ausgaben in naher Zukunft den gegenwärtig geltenden Verteilungsschlüssel nach möglichst befriedigenden Eichtlinien einer Eevision unterzieht, da dieser von allen Seiten.zu Beschwerden und Vorwürfen Anlass gibt. Vorläufig mögen die als notwendig oder wünschbar erscheinenden An, passungen vorgenommen werden.

13. Ratswahlen und Wahlen für den ständigen internationalen Gerichtshof.

Die erforderlichen Instruktionen werden der Delegation vor Beginn der Wahlen erteilt.

III. Eröffnung der Versammlung und allgemeine Aussprache.

Die Eröffnung der Versammlung war auf Montag, den 9. September, angesetzt worden. Es waren vierundfünfzig Länder vertreten; fünf hatten keine Delegierten abgeschickt (Deutschland, Dominikanische Republik Guatemala, Paraguay und Salvador). Vorsitzender der Eröffnungssitzung, war H. Ruiz-Guinaza (Argentinien), amtender Eatspräsident. Er rief in seiner Eröffnungsansprache kurz die wichtigsten Ereignisse des verflossenen Jahres in Erinnerung, welche die Aufmerksamkeit und das Einschreiten des Völkerbundes in Anspruch genommen hatten. Er übergab den Vorsitz bald Herrn Benes, dem tschechoslowakischen Minister des. Auswärtigen, der nahezu einstimmig zum Versammlungspräsidenten gewählt wurde.

Nachdem die Tagesordnung genehmigt, das Bureau und die Kommissionen bestellt waren 1), setzte die allgemeine Aussprache über die durch den Völker1 ) Die Versammlung verzichtet auch dieses Jahr auf die Bildung der dritten Kommission. Die fünf anderen Kommissionen wählten zu ihren Vorsitzenden: 1. Kommission (rechtliche Prägen): Herrn Limburg (Niederlande); · . -2. Kommission (technische Organisation): Herrn Zawadsk (Polen); 4. Kommission (Voranschlag und Verwaltungsfragen): Herrn Radulesco (Rumänien) ; 5. Kommission (soziale und humanitäre Fragen) : Frau Gräfin Apponyi (Ungarn) ; 6. Kommission (politische Fragen) : Herrn de Vaierà (Freistaat Irland). Das Bureau setzte sich wie gewohnt ausser dem Präsidenten der Versammlung, den fünf Kommissionspräsidenten und dem Präsidenten der Tagesordnungskommission (Herrn Motta), aus den Vertretern der sechs folgenden Staaten zusammen : Frankreich, Grossbritannien, Italien, Spanien, Belgien und Mexiko. Die U. S. S. R. hatte wohl bei der Wahl der Bureaumitglieder die Stimmenmehrheit erhalten, da sie aber aja

37 bund im Laufe des letzten Jahres geleistete Arbeit ein. Nicht weniger als dreissig Eedner bestiegen das Pult. Obwohl er nicht auf der Tagesordnung stand, bildete der italionisch-abessinische Konflikt Hauptgegenstand der Ausführungen.

Die Mehrzahl der Delegationen beteuerten ihre Treue zum Völkerbund und gaben der Hoffnung Ausdruck, er werde die drohende Kriegsgefahr abzuwenden wissen.

Sir Samuel Hoare (Grossbritannien) unterstrich die Bedeutung, die sein Land der Organisation der gemeinsamen Sicherheit und der Notwendigkeit für die Mitgliederstaaten, gemeinsam die Verantwortung für den erfolgten Friedensbruch zu tragen, zuschreibe. Er erhob sich gegen den an sein Land gerichteten Vorwurf, in der abessmischen Angelegenheit selbstsüchtige Ziele zu verfolgen. «Es ist äusserst ungerecht und gefährlich, führte er aus, irrige Vorstellungen solcher Art zu schaffen oder zu fördern. Die Haltung der Regierung seiner Majestät ist von jeher einer unerschütterlichen Treue zum Volkerbund und zu allen Grundsätzen, welche dieser vertritt, entsprungen... Die Zustimmung, welche diese Haltung bei der öffentlichen Meinung gefunden hat, beweist, wie sehr das Land mit der Eegierung einig ist was die restlose Annahme der Verpflichtungen betrifft, die ihr die Zugehörigkeit zum Völkerbünde auferlegt; diese Haltung kennzeichnet ihre auswärtige Politik.» Der britische Delegierte anerkannte überdies^ dass «die Welt nicht statisch ist» und dass «von Zeit zu Zeit Abänderungen vorgenommen werden müssen». Solche Veränderungen sollten aber .seines Erachtens «nur in durchaus notwendigen Fällen und genau im richtigen Zeitpunkt vorgenommen werden». .Es erschien ferner auch ihm angebracht, die Frage der billigen Verteilung der Bohstoffe in der Welt zu prüfen, doch scheint ihm diese Frage «eher wirtschaftlicher als politischer oder territorialer Natur» zu sein.

Herr Laval erläuterte seinerseits kurz die Stellungnahme Frankreichs im Konflikt. «Der Pakt, erklärte er, bleibt unser völkerrechtliches Gesetz. Wie könnten wir der Entkräftung eines solchen Gesetzes untätig zusehen? Das hiesse, unserem Ideal untreu werden, wogegen selbst unser Interesse spricht, Die Politik Frankreichs fusst ganz auf dem Völkerbund.» .

Der erste Delegierte Schwedens, Herr Sandler, bemerkte unter anderem, dass «die Bestimmungen des Paktes ebenso für die
kleinen wie für die grossen, für die schwachen wie für die mächtigen Länder gelten. So muss es auch sein, denn eine Bestimmung hört auf, Gesetz zu sein, sobald sie sich nicht mehr an alle wendet. Wenn die Grundlage der Gleichheit zerstört würde, so würde man einer Lage anheimfallen, bei der von Gesetzmässigkeit nicht mehr die Bede sein könnte». Herr te Water (Südafrika) beklagte sich darüber, dass der «Krieg sich langsam und offenbar unerbittlich wie eine Krankheit» über das afrikanische Festland zöge. Das möge man nie vergessen, sagte er: «das zähe siebenter Stelle kam, entging ihr ein Sitz. Indessen wurde später beschlossen, «um einen günstigen Verlauf der Versammlungsarbeiten zu sichern, den ersten Delegierten der Sowjetunion zu ersuchen, einen Sitz unter den Vizepräsidenten der Versammlung einzunehmen.

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Gedächtnis des schwarzen Afrika vergisst und verzeiht nie ein Unrecht oder eine Ungerechtigkeit». Abessinien aber erhob seine klagende Stimme in Gestalt seines Vertreters, Herrn Teclé Hawariate. Es verlangte insbesondere «die sofortige Entsendung einer Untersuchungskommission, um die gegen sein Land gerichteten Anschuldigungen auf ihren Gehalt.hin zu prüfen». Der Vertreter, hob ausserdem hervor, die Regierung von Addis-Abeba sei «bereit, jede vernünftige Anregung anzunehmen, um dem Konflikt ein Ende zu machen».

Aus den zahlreichen Eeden über dieses brennende Thema könnten wir noch zahlreiche Auszüge wiedergeben; da unser Bericht aber nur eine gedrängte Zusammenfassung der Beratungen darstellt, können wir uns wohl mit der Feststellung begnügen, dass die Treue eines, jeden zum Pakte einstimmig als unerlässlich angesehen wurde.

Nach dieser recht eindrucksvollen Kundgebung über die Pflichten der Mitgliedstaaten, vornehmlich diejenige, im Rahmen des Paktes an. der Erhaltung des Friedens mitzuarbeiten, .warfen einige Vertreter Fragen besonderer Natur auf betreffend die Gleichheit der Eüstungsrechte (Ungarn, Österreich), internationale Flüchtlingshilfe. (Norwegen), das Memelstatut (Litauen), die Ernährung durch den Staat (Australien) sowie andere, allgemeine Fragen wie Abrüstung, Tätigkeit des ständigen internationalen Gerichtshofes (Niederlande) usw.

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'·· · Nach Abschluss der allgemeinen Aussprache berieten die Versammlungskommissionen über die Fragen, die an sie überwiesen worden waren.

IV. Tätigkeit der Kommissionen').

A. Studienkommission für die Europäische Union.

Seit 1932 hat diese Kommission ihre Arbeiten nicht wieder aufgenommen.

Auf Antrag ihres Bureaus-hat sich die Versammlung damit begnügt festzustellen, «dass es die Umstände dieser Kommission nicht erlaubt haben, zusammenzutreten», und beschlossen, ihr Mandat für das nächste Jahr zu erneuern.

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B. Rechtliche Fragen.

Auf der Tagesordnung der ersten Kommission, die mit der Prüfung aller rechtlichen Fragen betraut ist, standen zunächst vier. Angelegenheiten : das Inkraftbleiben des Verfahrens, welches im Jahre 1988 hinsichtlich der Arbeits!) Die Schweiz war in den Kommissionen der Versammlung folgendermassen ver-

treten : 1. Kommission Herr Gorgo 2, 4, 5.

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Stucki Rappard Schöpfer

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méthode versuchsweise angenommen worden war, die Staatsangehörigkeit der Frau, die rechtliche Stellung der Frau und das Verhältnis des Völkerbundes zur panamerikanischen Union, In der Folge kamen noch drei weitere Angelegenheiten dazu, und zwar erstens die von der schweizerischen Delegation aufgeworfene Frage des Inkrafttretens des revidierten Statuts des ständigen internationalen Gerichtshofes, zweitens die von der belgischen Delegation unterbreiteten Vorschläge betreffend die Erteilung von Gutachten durch den Gerichtshof, und drittens, die von der französischen Delegation gemachten Anregungen im Zusammenhang mit der Tätigkeit des internationalen Institutes für die Vereinheitlichung des Privatrechts in Eom, Eine achte und letzte Frage wurde an die Kommission zurückverwiesen, nämlich diejenige der Wahl des Vizepräsidenten der Völkerbundsversammlung. Die Tagesordnung war somit eher belastet.

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1. Inkraftbleiben des im Jahre 1933 angenommenen Verfahrens, Es handelte sich um die Anwendung des Verfahrens, welches einerseits der Versammlung erlaubt, die vierte (Finanz-) Kommission auf einen Zeitpunkt einzuberufen, der höchstens acht Tage vor der Eröffnung der Völkerbundsversammlung liegt und andrerseits die Annahme der von der Kommission vorgelegten Berichte und Eesolutionsentwürfe gestattet, ohne dass dieselben in der Plenarversammlung erneut behandelt werden. Da diese beiden Vorschriften im Jahre 1988 versuchsweise eingeführt worden waren, musste geprüft werden, ob sie aufrecht erhalten werden sollten. Nach kurzer Aussprache wurde beschlossen, die erste Vorschrift vorläufig für das Jahr 1936 beizubehalten unter der Voraussetzung, dass die Versammlung diesbezüglich nächstes Jahr einen endgültigen Beschluss fasse. Die mit der zweiten Vorschrift gemachten Erfahrungen waren insofern günstig, als sie es ermöglicht hatten, die Arbeiten der Versammlung bedeutend zu vereinfachen. Man erachtete es als notwendig, sie dem Geschäftsreglement der Versammlung endgültig einzuverleiben. Herr Gorgé, unser Vertreter in der Kommission, wurde als Berichterstatter bezeichnet.

2. Staatsangehörigkeit der Frau. Die letzte Versammlung hatte auf Begehren mehrerer Delegationen beschlossen, diese Frage erneut auf die Tagesordnung der nächsten Session zu setzen, und zwar infolge des am 26. Dezember 198S in Montevideo
unterzeichneten internationalen Abkommens, dessen erster Artikel fordert, dass hinsichtlich der Staatsangehörigkeit «kein Unterschied zwischen den Geschlechtern» gemacht werde, «weder in der Gesetzgebung als solcher, noch in deren Anwendung». Der Völkerbundsversammlung war ein umfangreiches Belegmaterial unterbreitet worden, insbesondere eine ganze Eeihe von internationalen Frauenorganisationen ausgearbeiteter Abhandlungen. Die Delegationen, welche die Initiative für eine neue Debatte auf diesem heiklen Gebiet ergriffen hatten, unterliessen es, den Zweck derselben zu umschreiben.

Handelte es sich darum, den dem Abkommen von Montevideo unterliegenden Grundsätzen unverzüglich Geltung zu verschaffen ? Mehrere Delegierte, insbesondere derjenige Griechenlands, warnten vor den Illusionen, denen die

40 Befürworter der Gleichstellung der Geschlechter hinsichtlich der Staatsangehörigkeit zum Opfer fallen. «Der Umstand, erklärte Herr Politis, dass eine augenblickliche Begeisterung die Delegierten irgendeines Landes in Genf dazu bewog, diesem Grundsatz beizustimmen, genügt nicht, um ihm über die Schwierigkeiten interner Natur, denen er bei der gesetzlichen Annahme begegnen würde, zum Siege zu verhelfen.» Zahlreiche Delegationen erhoben sich gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung als solchen, da derselbe manchen als unvereinbar erschien mit dem noch wichtigeren Grundsatz der Familieneinheit.

Nichtsdestoweniger fand das Gleichbehandlungsprinzip warme Befürwortung, und verschiedene Delegationen (Chile, Kuba, Mexiko, Schweden, Norwegen, Tschechoslowakei, Türkei, U. S. S. E. usw.) schlugen vor, die Völkerbunds- .

Versammlung möchte ihre «tiefe Erkenntlichkeit» für das in Montevideo geschaffene Werk zum Ausdruck bringen. Es handelte sich dabei entschieden um eine Überstürzung. Zusammen mit andern Delegierten vertrat unser Vertreter diese Auffassung. Er legte dar, wie unfolgerichtig es sei, wenn gewisse Staaten eine Eeform befürworteten, deren Wert in ihren eigenen Augen bei weitem noch nicht erwiesen sei. Ausserdem hob Herr Gorgé den Irrtum hervor, den gewisse Kreise begingen, wenn sie einen Unterschied zwischen zweierlei Staaten machen wollten: die fortschrittlichen und die rückständigen. «In Wirklichkeit, bemerkte er, gibt es zwei Staatengruppen, nämlich diejenige, welche den Grundsatz der Gleichstellung der Frau in bezug auf die Staatsangehörigkeit befürwortet, weil gute Gründe dafür sprechen, und diejenige, welche diesen Grundsatz verwirft, weil sie die dagegen sprechenden Erwägungen für noch stichhaltiger erachtet. Kann es Sache des Völkerbundes sein, zwischen diesen beiden Gruppen zu entscheiden? Der Völkerbund ist weder ein Gericht noch eine Akademie. Wenn er in dieses Gebiet eingreifen wollte, so würde er die Grenzen seines Wirkungsfeldes überschreiten.» Des weitern hob der schweizerische Delegierte hervor, dass in den Augen der Bundesregierung der Grundsatz der Gleichstellung in bezug auf die Staatsangehörigkeit die Einheit der Familie ernstlich bedrohen würde. «Warum, frug er sich, sollen zwei Flaggen in einer Familie gehisst werden, wo doch sicherlich die Anhänglichkeit für die Schweizerflagge
die Liebe zu irgendeiner andern Fahne nicht ausschliesst?» Als Schlusserwägung führte er aus, dass übrigens das Schweizervolk auf dein Wege der Volksinitiative seiner Meinung Ausdruck geben könne, falls es wünschen sollte, das geltende System oder die vorherrschende Auffassung zu ändern. Was sie selbst anbetrifft, haben die Bundesbehörden für den Augenblick keineswegs die Absicht, den Grundsatz von Montevideo-zum ihrigen zu machen.

Nach Verhandlungen, welche sich infolge des Umstandes, dass sie von eifrigen Frauenrechtlerinnen nicht nur verfolgt, sondern auch beeinflusst wurden, nicht sehr ruhig gestalteten, einigte man sich wohl oder übel auf den Wortlaut einer Resolution, welcher die einen in keiner Weise band und den andern etwelche Genugtuung verhiess. Gemäss diesem Entwurf beschränkte sich die Völkerbundsversammlung in der Tat darauf, «mit Genugtuung auf die von den amerikanischen Staaten in Montevideo geleistete Arbeit aufmerksam zu

41 machen» und «den internationalen Frauen verbänden ihren Dank für den Beistand auszusprechen, den sie auf diesem Gebiete dem Völkerbunde bis anhin geleistet haben und inskünftig leisten werden», 3. Stellung der Frau. Die Behandlung dieser Frage war im Jahre 1934 ebenfalls auf die nächste Tagung der Völkerbundsversammlung verschoben worden, und zwar auf Verlangen mehrerer Staaten, denen es ganz besonders daran lag, den auf Grund eines weiteren Abkommens von Montevideo (Abkommen betreffend die Eechtsgleichheit vom 2.6. Dezember 1933) erzielten «Fortschritt» allgemein bekanntzugeben, welcher darin besteht, dass Männern und Frauen auf allen Gebieten menschlicher Tätigkeit gleiche Eechte eingeräumt werden. Auf diesen völkerrechtlichen Vortrag gestützt, verlangte die irische Delegation, dass der Völkerbund sich von den Eegierungen über die derzeitige politische und zivilrechtliche Stellung der Frau in jedem Lande unterrichten lasse und dass die internationale Arbeitsorganisation ihrerseits «eine Prüfung in ähnlichem Sinne vornehme über die in ihrem Wirkungsfelde liegenden Gesichtspunkte dieser Frage, nämlich die arbeitsrechtliche Gleichstellung». Die Verhandlungen hinsichtlich des irischen Resolutionsentwurfs zeigten wieder einmal, wie gross die Meinungsverschiedenheiten sind, insbesondere was die Berechtigung des Völkerbundes anbetrifft, sich in eine Angelegenheit zu mischen, für welche bisher die einzelnen Staaten ausschliesslich zuständig waren. Von mancher Seite wurden Vorbehalte gemacht. Der ungarische Delegierte^ beispielsweise, nahm Stellung gegen die Grundsätze von Montevideo. Desgleichen erklärte der belgische Delegierte, dass «nicht eine unter zehn Eegierungen so starre Grundsätze zu den ihrigen machen könne».

Er gab übrigens in einem andern Eesolutionsentwurf der Meinung Ausdruck, «die Frage der zivilrechtlichen Gleichstellung könne vom Völkerbünde dann zweckmässig geprüft werden, wenn er mit der Prüfung des allgemeinen Schutzes von Bürger- und Menschenrechten betraut werde». Die niederländische Delegation bestritt ganz besonders die Zuständigkeit des Völkerbundes in diesem Punkte. Unser Vertreter machte ähnliche Vorbehalte, erklärte aber, dass die schweizerische Delegation dem Zustandekommen einer Mehrheit für eine Besolution über das blosse Verfahren nicht im Wege stehen werde, wenn sie
auch die Zweckmässigkeit neuer und kostspieliger Erhebungen im jetzigen Augenblick, wo Sparen am Platze ist, bestreite. Sich der Stimmabgabe zu enthalten, sei das einzige, was sie tun könne. Nachdem sich sodann eine Mehrheit gebildet hatte, wurde letzten Endes eine Eesolution genehmigt, laut welcher die Eegierungen unter anderem ersucht werden, jeden nützlichen Aufschluss zu geben «über die derzeitige politische und zivilrechtliche Stellung der Frau, gemäss den Bestimmungen der nationalen Gesetzgebungen»1).

4. Das Verhältnis des Völkerbundes zur panamerikanischen Union. Diese Frage, welche im Vorjahre von Kolumbien aufgeworfen worden war, gab zu keinen langen Auseinandersetzungen Anlass. Sie war nicht spruchreif genug, *) Vgl. die Resolution in der Beilage, S. 76.

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um der Völkerbundsversammlung zu gestatten; praktische Beschlüsse zu fassen.

Ohne der Präge als solcher auf den Grund zu gehen, war die Kommission, wie vom Berichterstatter hervorgehoben wurde, in der Lage «anzuerkennen, dass eine geistige Verwandtschaft die beiden Institutionen verbinde, indem beide die friedliche Zusammenarbeit befürworten, ungeachtet der Verschiedenheit ihrer Herkunft, ihrer Bechtsstellung und ihrer Befugnisse». Da die VII. panamerikanische Konferenz von Montevideo beschlossen hatte, die Möglichkeit einer Zusammenarbeit «mit nicht-amerikanischen Staaten und Organisationen»" zu prüfen, einigte man sich dahin, das Ergebnis dieser Erhebungen abzuwarten, «bevor der Vorschlag Kolumbiens einer eingehenderen Behandlung unterzogen werde» 1 ).

. S. Inkrafttreten des revidierten Statuts des ständigen internationalen Gerichtshofes. Nach Fühlungnahme mit.verschiedenen Delegationen hatte die schweizerische Abordnung der Völkerbundsversammlung vorgeschlagen, diese Angelegenheit auf die Tagesordnung zu setzen. Der Antrag wurde einstimmig angenommen. Unser Vertreter gab der ersten Kommission Kenntnis von den Erwägungen, welche für eine Behandlung dieser Frage sprechen. Das Protokoll vom 14. September 1929, betreffend Abänderungsvorschläge im Zusammenhang mit dem Statut des Gerichtshofes, ist noch nicht in Kraft getreten, weil die Eatifikàtion dreier Staaten (Brasilien, Panama und Peru) noch aussteht.

Es ist nicht normal, erklärte .Herr Gorgé, dass ein diplomatisches Instrument, -welches von der Grosszahl der Eegierungen ratifiziert worden ist, sechs Jähre nach seiner Ausarbeitung brach liegt. Der Völkerbund kann eine solche Sachlage nicht ohne weiteres hinnehmen, denn sein Stillschweigen würde schliesslich geradezu als Gleichgültigkeit einer Eeform gegenüber gedeutet, deren Wichtigkeit heute ebenso wie im Jahre 1929 auf der Hand liegt. Es hegt im Interesse .einer guten internationalen Eechtspflege, dass der Gerichtshof auf fester Grundlage aufgebaut ist. Die Anregung der Schweiz wurde einstimmig gutgeheissen, und der Delegierte Prankreichs, Herr Paul-Boncour, ergriff diese Gelegenheit, um darzulegen, wie viele Bemühungen auf internationalem Gebiete . fruchtlos blieben infolge der Gleichgültigkeit gewisser Staaten. Der Völkerbund hat unter dieser Sachlage gelitten; er hat Sympathien verwirkt. Es
wäre ratsam, in diesem Punkte Abhilfe zu schaffen.

Die Kommission nahm nach diesen interessanten Auseinandersetzungen einen Eesolutionsentwurf an, welcher von der schweizerischen Delegation eingereicht worden war. Herr Gorgé wurde als Berichterstatter bezeichnet. Die Resolution ersuchte den Völkerbundsrat, die erforderlichen Massnahmen zu ergreifen, um das Protokoll auf den 1. Februar 19S6 in Kraft treten zu lassen, «es sei denn, dass die letzten Eatifikationsurkunden in der vorgesehenen Frist nicht hinterlegt seien 2) und unter der Bedingung, dass die Staaten, welche 1

) Vgl. die Resolution in der Beilage, S. 78.

) Laut Erkundigungen des VölkerbundsBekretariats hatten die drei säumigen Staaten mitgeteilt, dass ihre Ratifikationsurkunden in Bälde in Genf eingereicht ·würden.

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noch nicht ratifiziert haben, nicht mittlerweile gegen das vorgeschlagene Verfahren Einspruch erheben»1).

6. Einholung von Gutachten beim ständigen internationalen Gerichtshof.

Im Jahre 1928 hatte die Völkerbunds Versammlung auf Grund einer äusserst interessanten, von der schweizerischen Delegation angeregten Debatte - den Völkerbundsrat ersucht, «sobald es die Umstände erlaubten, die Frage zu prüfen, ob "der Bat oder die Versammlung mit einfachem Mehr ein Gutachten im Sinne des Artikels 14 des Völkerbundspaktes verlangen können». Wie hervorgehoben wurde, «ist dieser Wunsch nie verwirklicht worden». Zu wiederholten Malen «stiess der Völkerbundsrat, dem der Vorschlag gemacht worden war, über gewisse Fragen vom Gerichtshof ein Gutachten einzuholen, wiederum auf Meinungsverschiedenheiten unter seinen Mitgliedern hinsichtlich der Art und Weise, wie in solchen Fällen abgestimmt werden solle. Diese Schwierigkeit ist nie von ihm behoben worden. Er hat sich nämlich bisher nur auf einstimmigen Beschluss hin an den Gerichtshof gewandt». Da es nun wichtig war, diese Frage nicht länger als unumgänglich auf sich beruhen zu lassen und zu prüfen, ob tatsächlich einer Mehrheit des Bates das Becht zustehe, ein Gutachten einzuholen, reichte die belgische Delegation einen Besolutionsentwurf ein, welcher sowohl von der schweizerischen wie auch von der norwegischen, der holländischen und der schwedischen Delegation unterstützt wurde und der bezweckte, die Besolution vom Jahre 1928 erneut aufzugreifen und dem Wunsch Ausdruck zu geben, «dass, falls der Völkerbundsrat diesbezüglich zu keinem Schlüsse kommen könne, die Frage als solche dem Gerichtshöfe selbst zur Begutachtung unterbreitet werde». Die Delegationen, um die es sich handelt, verheimlichten keineswegs, dass sie dem System der Abgabe eines Gutachtens auf Grund eines einfachen Mehrheitsbeschlusses den Vorzug geben, aber sie wollten einem Entscheide nicht vorgreifen. Sie verlangten lediglich vom Völkerbundsrate, oder gegebenenfalls vom ständigen internationalen Gerichtshof, diesbezüglich ihre Meinung zu äussern. «Eines steht fest, erklärte der norwegische Delegierte, und kann nicht bestritten werden: nämlich die Zweckmässigkeit, ja die Notwendigkeit, ohne Verzug eine Lösung zu dieser Frage zu finden.» Unser Vertreter führte seinerseits aus, dass die schweizerische
Delegation im Jahre 1928 diese Angelegenheit aufgegriffen hatte, um Klarheit zu schaffen, und dass dies auch der Grund ist, weshalb sie sich dieses Jahr der belgischen Initiative anschloss. Er verlangte eine eingehende Prüfung des Grundprinzipes, «indem die derzeitige Ungewissheit einen Staat in bestimmten Fällen der Vorteile eines Verfahrens berauben könnte, welches vielleicht seine einzige Bettung bedeutet». Andere Delegationen (Jugoslawien, Bumänien, usw.) verheimlichten ihrerseits nicht, dass sie Bedenken hegen hinsichtlich einer Änderung des status quo, und sie waren eher dazu geneigt, jegliches Eintreten auf die Frage seitens des Völkerbundsrates zu verhindern. Herr Bolin (Belgien) verlegte sich darauf, alle Bedenken zu widerlegen, die gegen 1

) Vgl. die Besolution in der Beilage, S. 74,

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eine liberale Anwendung des Verfahrens geltend gemacht wurden. Er erhob eich gegen die Gepflogenheit des Kates, die Eegelung von Streitfällen Juristenausschüssen zu überlassen, die unter Ausschluss der Öffentlichkeit und ohne jegliches kontradiktorisches Verfahren tagen. Der Vertreter Bumäniens bemühte sich, mit einer langen Verteidigungsrede den status quo aufrechtzuerhalten. Seiner Ansicht nach würde dadurch, dass die Einholung von Gutachten erleichtert wird, der Bat dazu getrieben, seine Verantwortlichkeit auf den Gerichtshof abzuwälzen. Was für-Eumänien vor allem von Interesse bleibt, ist die politische Tätigkeit des Völkerbundsrates. Es steht nun aber fest, erklärte Herr Visoianu, «dass, wenn der ständige Gerichtshof zu oft um Abgabe von Gutachten ersucht wird, die Gefahr besteht, dass Konflikte sich verfestigen, was die Vermittlungstätigkeit des Eates, also seine Hauptaufgabe, nur erschweren würde». Er kam zum Schlüsse, dass der Eesolutionsentwurf keinem Bedürfnis entspricht. Doch fand seine Ansicht wenig Anklang, .indem die Kommissionsmehrheit erachtete, die Frage sei tatsächlich von Bedeutung.. Gewisse Delegationen verlangten immerhin, dass die Prüfungsfreiheit des " Völkerbundsrates nicht eingeschränkt werde und dass vorderhand davon Abstand genommen werde, dem Haager Gerichtshof eine so heikle rechtliche sowohl wie auch politische Frage vorzulegen. Andere Delegationen machten geltend, dass es übrigens unmöglich sei, den Mehrheitsgrundsatz in allen Fällen durchzuführen. Es wird zu unterscheiden sein zwischen materiellrechthchen und bloss prozessrechtlichen Fallen. Man wird auch Streitfälle, die bereits ausgebrochen sind, anders als die übrigen behandeln müssen und wird sogar, wie der griechische Vertreter bemerkte,. einen Unterschied machen müssen zwischen Zwistigkeiten, für welche Artikel 11 des Völkerbundspaktes in Betracht fällt, und denjenigen, welche dem Artikel 15 entspringen.

Da die einzige zu beantwortende Frage eine Verfahrensfrage war, indem festgestellt werden musste, ob der-Völkerbundsrat dem Begehren vom Jahre 1928 : Folge geben könne, so wäre es überflüssig, näher auf die materiellrechtlichen Argumente einzutreten, welche von beiden Seiten, für oder gegen die Einholung von Gutachten auf Grund eines Mehrheitsbeschlusses, geltend gemacht wurden.

Im Lauf der Verhandlungen
wurde der Besolutionsentwurf, der von den oben erwähnten Delegationen eingereicht worden war, gekürzt und zugleich genauer umschrieben. Statt die Eesolution vom Jahre 1928 einfach zu erneuern, gab man dem Wunsche Ausdruck, «der Völkerbundsrat möchte die Voraussetzungen und Bedingungen prüfen, unter denen laut Art. 14 des Paktes ein Gutachten verlangt werden könne».

Es ist zu hoffen, dass dieses Mal die Eesolution nicht ein frommer Wunsch bleibe.

7. Internationales Institut für die Vereinheitlichung des Privatrechts in Born. Dieses Institut ist wohl weniger bekannt als andere Institutionen, welche sich in der Sphäre des Völkerbundes bewegen. Doch leistet es nützliche Arbeit.

Kürzlich hat es Entwürfe ausgearbeitet, auf Grund derer ein internationales

45 Gesetz über den Kaufvertrag geschaffen und die zivilrechtliche Haftung der Gastwirte einförmig festgelegt werden sollen. Noch weitere Gesetzesentwürfe sind in Vorbereitung. Es war von Nutzen, die Rechtskommission der Völkerbundsversammlung und durch sie die Mitgliedstaaten erneut über diese Tätigkeit zu unterrichten. Auf Antrag der französischen Delegation, der sich mehrere andere Delegationen --.auch die schweizerische -- anschlössen, nahm die Kommission eineResolutionn an, gemäss welcher die Versammlung die vom Institut bereits geleistete Arbeit mit Genugtuung zur Kenntnis nimmt und die Aufmerksamkeit derRegierungenn «auf die Zweckmässigkeit einer baldigen und wohlwollenden Prüfung der beiden Gesetzesentwürfe» lenkt *).

8. Abänderung der Geschäftsordnung in bezug auf das Bureau der Volkerbundsversammlung. Nach dem, was sich anlässlich der Wahl der Vizepräsidenten der Völkerbundsversammlung zugetragen hatte, wurde es vom Bureau für wünschbar erachtet, «die ersten Delegierten der ständigen Mitgliedstaaten des Völkerbundsrates vonRechtss wegen zu Mitgliedern dés Bureaus zu machen», sowie auch den Präsidenten derTagesordnungskommission,, der bis anbin auf Sonderbeschluss der jeweiligen Völkerbundsversammlung hin dem Bureau zugeteilt wurde. Gegen Ende der Tagung hatte die französische Delegation der ersten Kommission Abänderungsvorschläge in diesem Sinne vorgebracht.

Einzelne Delegationen waren jedoch der Ansicht, dass dieseReformm weitergehen sollte. So hat die norwegische Delegation vorgeschlagen, den Nachteilen des Systems dadurch abzuhelfen, dass «ein Ausschuss bestellt würde, der Kandidaten vorzuschlagen hätte und die Aufgabe übernähme, die Vorbereitungen für die Wahl zu Beginn jeder Völkerbundsversammlung zu erleichtern, ohne indessen das freie Bestimmungsrecht der letztern einzuschränken». Die nachfolgenden Verhandlungen führten zum Beschluss, die Behandlung dieser Frage auf den Zusammentritt der nächsten Völkerbundsversammlung zu vorschieben, da die Mehrzahl der Delegationen der Ansicht war, dass der Sache eine gewisse Wichtigkeit zukomme und es bedauerlich wäre, deren Erledigung zu überstürzen. Mit einer Lösung könnte ein Jahr zugewartet werden 2). Wir schlössen uns dieser Meinung an, ohne uns aber einer sofortigen Erledigung entgegenzusetzen.

: C. Technische Fragen.

Diese Fragen
betreffen die Tätigkeit der vier technischen Organisationen des Völkerbundes: Wirtschafts- und Finanzorganisation,.Organisation für die Verkehrswege und den Durchgangsverkehr, Hygieneorganisation und Organisation für geistige Zusammenarbeit. Sie wurden, wie gewohnt, von der zweiten Kommission behandelt, mit Ausnahme der Fragen über die geistige Zusammenarbeit, welche, wie in den vorigen Jahren, in der sechsten Kommission zur Sprache kamen. Da das Problem der Ernährung und ihrer Beziehungen zur 1

) Vgl. die Resolution in der Beilage, S. 77.

) Vgl. die Eesolution in der Beilage, S. 74.

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öffentlichen Gesundheit gleichfalls in der zweiten Kommission behandelt wurde, werden wir auch hierüber unter dem Titel «technische Fragen» berichten,

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1. Wirtschafts- und Finanzorganisation.

a. W i r t s c h a f t s f r a g e n . Seit der letzten Versammlung hatte der Wirtschaf tsausschuss zweimal getagt.

In der zweiundvierzigsteïi Sitzung, vom April/Mai 1935, hatte er sich vornehmlich mit der Frage des landwirtschaftlichen Zollschutzes sowie mit einem, vom Ausschuss für die Prüfung der Clearingabkommen ausgearbeiteten Bericht befasst1). Ein Bericht über den landwirtschaftlichen Zollschutz war im Mai 1985 dem Bat vorgelegt worden. In diesem Schriftstück waren die Folgen der immer strenger werdenden Massnahmen dargelegt, die die Begierungen zum Schutz ihrer nationalen Landwirtschaft getroffen haben (Einfuhrzölle, die höher sind als der Weltmarktpreis, übertriebene Kontingente, Produktions- und Ausfuhrprämien, Monopole usw.). Die Notwendigkeit gewisser Schutzmassnahmen auf diesem Gebiete hat der Ausschuss anerkannt, doch schlug er zur Behebung des gegenwärtigen Übelstandes die allmähliche Bückkehr zu einer massigen Schutzpolitik, wie sie vor Zeiten üblich war,.vor.

Im Bericht über die Kompensations- und Clearingabkommen. wa,ren die Ergebnisse seiner Untersuchung über Ursache, Tragweite, Verfahren und Wirkung dieser Abkommen, mit einem Kommentar, zusammengefasst. Die besagten Abkommen werden als ein notwendiges Übel bezeichnet, dessen Ursache die Devisenkontrolle und dessen Folge die Einschränkung des internationalen Güteraustausches nach Menge und Wert sei. « . . . Eine Lösung -- nicht die einzige, aber die beste -- würde darin bestehen, schloss der Bericht, dass man die Überwachung des Devisenhandels vollständig abschaffte, was durch gleichzeitiges und allseitiges Anstreben dauerhafter Vereinbarungen über die finanziellen Schulden erleichtert würde, und andererseits darin, dass eine weniger engherzige Handelspolitik der Ausfuhr ein Mindestmass von Sicherheit böte.

Ist eine vollständige Abschaffung unmöglich, so müssten zumindest die Handelsgeschäfte von den Fesseln der Devisenkontrolle befreit werden.» Die Ergebnisse der dreiundvierzigsten Tagung des Wirtschaftsausschusses (September 1935) sind in den ^Bemerkungen über den gegenwärtigen Stand der wirtschaftlichen Beziehungen zwischen den Staaten» veröffentlicht und zusammengefasst worden. Der Ausschuss suchte die gegenseitige Abhängigkeit von nationaler und internationaler Wirtschaft zu
beleuchten sowie die Dringlichkeit der Bückkehr zu einer festen Währung, denn «während die Krise nachlässt, vermehren sich die Hemmungen im Güter- und Geldumlauf». «Von diesen beiden Übeln, fügte die besagte Schrift hinzu, ist nunmehr das zweite das schlimmere und muss daher bekämpft werden.» -1) Siehe unsero, letztjährigen Bericht über die Arbeiten der .Versammlung, Bundesbl. 1935, I, S. 171.

47 Die Verhandlungen der zweiten Kommission drehten eich in weitem Masse um die Schlüsse, die sich aus den genannten Berichten über, die Clearingabkommen, den landwirtschaftlichen Zollschutz und die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen den Staaten ergeben. Die Beratungen wurden durch eine Bede des Herrn G, Bonnet (Frankreich) eröffnet, worin dieser seinem Bedauern darüber Ausdruck gab, dass die Empfehlungen des Völkerbundes unberücksichtigt bleiben. Er hob die Bedeutung der in Genf ausgearbeiteten Lehren, hervor. Es gibt Zeichen der Gesundung und des Wiederaufstieges, sagte Herr Bonnet, doch müssen die internationalen Strömungen von Produktionsgütern und Kapital wieder in Gang kommen, dies aber wird so lange unmöglich sein, als Währungsschwankungen fortdauern, «Wir wollen in Genf, sagte der Delegierte Frankreichs, dieselbe Sprache wie im eigenen Lande reden. Die Krise kann nur durch gemeinsames Vorgehen der Begierungen und Völker überwunden werden. Frankreich ist für seinen Teil bereit, an einem solchen Vorgehen teilzunehmen.» Der Berichterstatter, Herr Lanschot (Holland), welcher bereits in einem Vorbericht anhand von Zahlen auf den seit mehr als einem Jahre anhebenden Wiederaufstieg hingewiesen hatte, gab für sein Land eine ähnliche Erklärung ab.

Er billigte die Schlussfolgerungen des Berichtes über den landwirtschaftlichen Zollschutz und ging sodann zur Prüfung der Clearingabkommen über. « Solange ein Schuldnerland, betonte er, plamnässig seine Preise hebt, während der Gläubigerstaat die seinen herabsetzt, wird kaum ein Clearing, das auf einem vorherigen Währungsstand aufgebaut ist, aus eigener Kraft imstande sein, dem endlosen Kreislauf: Eückgang der Einfuhr und Eückgang der Ausfuhr, der daraus entsteht, zu entrinnen.» Dieser Nachteil, fügte der Bedner hinzu, könnte durch Anwendung von «Kompensationsentschädigungen» verringert werden, doch gilt es vor allen Dingen, «die ernsthaften Widerstände, die von einem mit, den wirtschaftlichen Umständen nicht im Einklang stehenden Wechselkurse herrühren, zu beheben». Um andererseits jetzt schon der gelegentlichen Wiederaufnahme internationaler Anleihen den Weg zu ebnen, schlug der niederländische Delegierte die Ausarbeitung von Musterbestimmungen vor, die in den internationalen Anleiheverträgen Aufnahme finden und dazu beitragen könnten, dass diesbezügliche
Streitfälle in vermindertem Masse auftreten.

Herr Minister Künzl-Jizersky stimmte letzterem Vorschlag im Namen der tschechoslowakischen Delegation bei. Er erklärte, die Clearingabkommen hätten in der Tschechoslowakei zur Folge gehabt, dass die Ausfuhr von der Einfuhr und nicht etwa die Einfuhr von der Ausfuhr bestimmt wurde, was die Produktion wie auch die Staatseinnahmen beeinträchtigt habe. Er anerkannte, wie wichtig die Aufhebung der Kontingentierungen, der Prohibitivzölle und der Devisenüberwachung wäre, betonte die Notwendigkeit einer schrittweisen Anpassung und kam zum Schluss, dass der Völkerbund sich die «Koordination der verschiedenen nationalen Planwirtschaften, und nicht deren Abschaffung» zum Ziele setzen .sollte. Herr Christiani, der Delegierte Dänemarks, befürwortete die Erneuerung, im Jahre 1986, zahlreicher Handelsverträge, die ihre Ent-

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.

. ·

stehung der Krise verdanken. Was die «Sterling-Länder» und den Gold-Block angeht, sprach er sich für eine Vereinigung dieser beiden Gruppen, «sei es auf dem Wege der Deflation, sei es auf dem der Entwertung, sei es auf dem der Hebung der Weltmarktpreise» aus. Was die Währungsentwertung betrifft, so hat diese seiner Ansicht nach nicht unbedingt eine Verteuerung der Eohstoffe zur Folge, da «ein Land seine Einfuhr nicht mit Geld, sondern mit seiner Ausfuhr bezahlt». Herr Burgin führte aus, dass die englische Begierung eher den Verbrauch zu fördern als den Absatz einzuschränken sucht und dass sie weder Devisenkontrolle noch irgendwelche Unterscheidung zwischen fremden Ländern aufgestellt hat. Nach Darlegung der Gründe, weshalb «nach Ansicht der Begierung des Vereinigten Königreiches der Grundsatz der Meistbegünstigungsklausel von besonderer Wichtigkeit in der Zeitspanne ist, in deren Verlauf die besagten Einschränkungen der Handelsfreiheit hoffentlich aufgehoben werden», schloss Herr Burgin mit der Versicherung, seine Begierung «werde die Erklärungen des Herrn Bonnet mit der grössten Aufmerksamkeit prüfen».

Der Delegierte Belgiens, Herr van Langenhove, pflichtete ebenfalls Herrn Bonnets Erklärungen bei, vorausgesetzt, dass die übrigen Länder eine liberalere Wirtschaftspolitik befolgten und dass ihre Währung in einem festen Verhältnis zu den andern bliebe. Er betonte die Bedeutung der Verknüpfung .von Handelspolitik und Währungsfragen. Ferner gab er seiner Befriedigung über das Nachlassen der wirtschaftlichen Absonderungspolitik Ausdruck sowie über die faktische Festigkeit des Pfundes und des Dollars und stellte die zwischen Belgien und den Vereinigten Staaten und Schweden getroffenen Handelsabkommen, die eine beträchtliche Herabsetzung der Zollschranken mit Abänderungsmöglichkeit im Falle bedeutender Währungsschwankungen vorsehen, als Vorbilder hin. Letztere Klausel hat es Belgien ermöglicht, auf dem Wege zweiseitiger Abkommen eine liberalere Richtung einzuschlagen, trotz der 28%igen Entwertung seines Frankens.

Unser Delegierter, Herr Stucki, hob die Tatsache hervor, dass auch die Schweiz von der Notwendigkeit der Herabsetzung der Zollschranken überzeugt ist, hat doch unser Land den Übereinkommen zur Erleichterung der internationalen Beziehungen seinen Beitritt nie versagt. Was die Wahrzeichen einer
wirtschaftlichen Gesundung angeht, so machte er keinen Hehl aus den Zweifehl, die er in dieser Hinsicht hegt. Die erhöhte Produktion und die verminderte Arbeitslosigkeit scheinen ihm mehr oder minder mit der ungewöhnlich starken Tätigkeit der Waffenindustrie zusammenzuhängen. Wenn die Rohstoffpreise im Steigen begriffen sind, bemerkte er, so zeugt hingegen der Auslandshandel von keinerlei Besserung. Die Zahl der Goldblockländer ist seit dem letzten Jahre von fünf auf drei herabgesunken; die schweizerischen Hotelbesitzer wissen andererseits, was sie von der Stabilität des Pfundes zu halten haben.

Was nun die Berichte des Wirtschaftsausschusses betrifft, so erfahren sie keine genügende Verbreitung, um den günstigen Einfluss auszuüben, von dem die Rede ist; auch sind sie so abgefasst, dass jeder eine Stütze für seine Auffassung.

darin finden kann. Unser Vertreter denkt, der Schutz der Landwirtschaft

49 sei so lange berechtigt, als nicht erwiesenermassen dem Bauern das Leben verhältnismässig zu leicht gemacht werde. Ferner sollten die eigentlichen Ursachen der Clearingabkommen in Angriff genommen werden, nicht die Clearingabkommen selbst, dank welchen die Schweiz über eine halbe Milliarde zurückerlangt hat. Entgegen manchen Delegierten ist Herr Stucki für die Politik der zweiseitigen Handelsverträge eingetreten, die seines Erachtens für ein kleines Land wie die Schweiz die einzig mögliche ist. Zu den Erklärungen " des Herrn Bonnet fügte er verschiedene Bemerkungen bei. Die Schweiz wird ungeachtet aller Kritiken von der Goldwährung nicht abweichen. Ihren Standpunkt ändern hiesse nach ihrem Dafürhalten viel verlieren und nichts gewinnen.

Nicht nur würde eine Entwertung, sagte Herr Stucki, die Kaufkraft unseres Landes schmälern, sie würde auch sicher in der Schweiz eine im Vergleich zu andern Ländern verhältnismässig stärkere Preissteigerung zur Folge haben.

Er legte anhand statistischer Angaben dar, dass die Länder, die sich schützen müssen, :vor allem mit Kontingenten, für den Welthandel keinen grösseren Hemmschuh als die andern Länder darstellen und dass zwischen Kontingentierung und Abnahme der Einfuhr kein Parallelisrnus bestehe. Zum Schluss verfocht unser Vertreter den alten Grundsatz, wonach für ein Land die Vermehrung der Ausfuhr immer besser als die Verminderung der Einfuhr sei, weil der Vorteil --· Giiterabsatz und Beschäftigung von Arbeitern -- im ersten Falle sicher ist und im zweiten ungewiss. Es wäre zweckmassiger, erklärte er, diesen einfachen Grundsatz, anstatt gelehrter Theorien, zu verbreiten.

Nachdem noch andere Delegierte zu Worte gekommen, genehmigte die Kommission vier Eesolutionen (vgl. Beilage). Der Kommissionsbericht enthielt eine Einleitung über die Handelspolitik in Verbindung mit den Währungsfragen und behandelte dann die Clearingabkommen, die internationalen Anleiheverträge, die Koordination des Verkehrs usw, Der letzte Teil bestand ans besonderen Fragen, worunter wir nur eine erwähnen : die drei tierärztlichen Übereinkommen, abgeschlossen und gezeichnet am 20. Februar 1985 von den Delegierten von sechs Ländern, auch der Schweiz.

&. Finanzielle Fragen. Wie in den verflossenen Jahren hat der Finanzausschuss seine Zeit zum grossen Teil dazu verwendet, durch Vermittlung
fachmännischer Berater technische Batschläge an gewisse Begierungen zu erteilen.

In Österreich ist eine wesentliche Verbesserung eingetreten. Neue Geldmittel sind der Nationalbank zugeflossen; der Schuldendienst ist regelmässig und pünktlich erfolgt. Das wichtigste Jahresereignis auf diesem Gebiete der Völkerbundstätigkeit ist die erfolgreiche Konversion der Anleihe von 1923 gewesen. Auf diese Weise spart der Österreichische Staat schätzungsweise 60 Millionen für die späteren Jahre. Die zweite Kommission hat mit Befriedigung von diesem neuen Fortschritt Kenntnis genommen, den der Völkerbund in seiner mehr als 10jährigen Wiederaufbautätigkeit erreicht hat.

In Bulgarien sind in den Staatsfinanzen und in der Staatsverwaltung einige Eeformen angebracht worden, trotz Schwierigkeiten, die von einer schlechten Bundesblatt. 88. Jahrg. Bd. I.

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Ernte herrühren und sich auf das ganze Jahr erstreckt haben, trotz Sinken der Produktion und Rückgang der Ausfuhr.

In Ungarn, wo die Ernte ebenfalls einen Verlust bedeutet hat, haben sich die Staatsfinanzen gebessert. Die ungarische Eegierung und die ungarische Nationalbank haben eingreifende Finanzmassnahmen getroffen. Die erneute Festigkeit des PengÖ im Ausland, das Steigen der Depotbeträge haben Ende August die Herabsetzung des Diskontsatzes ermöglicht.

Ausser ihren regelmässigen Sessionsarbeiten haben einige Mitglieder des Finanzausschusses anlässlich der Saaryerhandlungen ihre fachmännischen Kenntnisse zur Verfügung gestellt.

Die zweite Kommission hat die finanziellen Fragen nicht besonders zur Aussprache gebracht.

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2. Organisation für die Verkehrswege und den Durchgangsverkehr. Diese Organisation hat die Prüfung der im Laufe der letzten Jahre behandelten Fragen fortgesetzt. Die von achtunddreissig .Staaten eingesandten Antworten über die öffentlichen Arbeiten in den einzelnen Ländern sowie eine Abhandlung über die Zusammenarbeit auf dem Gebiete der zivilen Luftschiffahrt sind veröffentlicht worden. Ferner hat das Sekretariat einen Bericht über die radioelektrische Station des Völkerbundes im Jahre .1934 ausgearbeitet ; aus den statistischen Angaben dieses Berichtes geht hervor, dass sich der Privatverkehr der Station langsam aber sicher entwickelt, so dass die Einnahmen steigen.

Ein Sachverständigenausschuss hat die 1984 von Grossbritannien1) aufgeworfene Frage der Verunreinigung des Meeres durch KohlenwasserstoffVerbindungen geprüft, und die Organisation ist mit der Vorbereitung eines Entwurfes zu einem Abkommen betraut worden.

Von den ständigen Ausschüssen der Organisation sind ihrer zwei im verflossenen Amtsjahre zusammengetreten. Der Ausschuss für Eisenbahnverkehr hat sich vornehmlich mit dem Konkurrenzverhältnis zwischen Eisenbahn und Automobil und mit dem Grenzverkehr der Eisenbahnen befasst. Der Ausschuss für Strassenverkehr hat sich der Frage der Strassensignalisierung und der Vereinheitlichung der Lichtsignale zugewendet. Beide Ausschüsse haben die Ausarbeitung eines Abkommens betreffend die Signalisierung bei Bahnübergängen befürwortet.

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Das Sekretariat hat die Eegierungen befragt, wie sie sich zum Abschluss einer Übereinkunft zur Erteilung der Zollfreiheit für flüssige,
für den Luftverkehr bestimmte Brennstoffe einstellten. Es sind im allgemeinen zustimmende Antworten eingegangen.

Über die Arbeiten der Organisation hat der bulgarische Delegierte der zweiten Kommission Aufschluss erteilt. Nach einein kurzen Meinungsaustausch hat die Kommission die in der. Beilage wiedergegebene Eesolution gefasst *).

^Vgl. unsern letztjährigen Bericht, Bundesbl. 1935, I, S. 177.

") Siehe S. 7 8 .

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3. Hygieneorganisation. Die Organisation hat ihre wissenschaftlichen Arbeiten auf dem Gebiete des Gesundheitswesens und der sozialen Medizin fortgesetzt und wie üblich Erkundigungen eingezogen und Verbindungen aufrechterhalten. Ausserdem hat sie gewissen Ländern, wie Chile und China, ihre Mitarbeit zur Verfügung gestellt.

Die Kommission für biologische Standardisation hat in Kopenhagen, im September 1934, Musterpräparate und internationale Einheitswerte für fünf neue Seren genehmigt. Unter der Aufsicht der Sumpffieberkommission sind Versuche über die Wirksamkeit neuer synthetischer Vorbeugung»- und Heilmittel gegen Sumpffieber ausgebaut worden.

Neben ihren Untersuchungen über Ernährungsfragen *) hat die Organisation das Wohnungsproblem in Städten und auf dem Lande einer vergleichenden Prüfung in soziahnedizinischer wie auch in gesundheitspolitiseher Hinsicht unterzogen. Auch die gesundheitlichen Bedingungen auf dem Lande hat die Organisation besprochen und die Möglichkeit einer Ausstellung erwogen. Das Orientbureau in Singapore und das internationale Lepra-Amt in Eio de Janeiro haben ihrerseits ihre Tätigkeit in förderlicher Weise fortgesetzt.

Der Bericht über die von der Organisation geleistete Arbeit ist der zweiten Kommission vom Delegierten Jugoslawiens vorgelegt worden. Die Vertreter Italiens, Ungarns und Indiens haben die Bedeutung dessen, was im Bereiche des Gesundheits- und Wohnungswesens auf dem Lande unternommen worden ist, besonders hervorgehoben. Herr Fera erklärte, Italien habe die Vornahme einer neuen Zählung der Landbevölkerung angeordnet, was den Ausgangspunkt einer Hilfstätigkeit bilde, die den Bauern anständige Häuser verschaffen will; diese ist unerlässlich, wenn man dem Zug vom Lande in die Stadt Halt gebieten möchte.

4. Organisation für geistige Zusammenarbeit. Die internationale Kommission für geistige Zusammenarbeit hat in ihrer Jahressitzung im Juli die Leistungen der Organisation der Eeihe nach behandelt. Der ständige Ausschuss für Literatur und Kunst ist in Nizza zusammengetreten; er hat sich mit der Bildung und der Erziehung des modernen Menschen befasst.

Die wissenschaftliche Prüfung der internationalen Beziehungen wurde fortgesetzt. Die ständige Konferenz für höhere internationale Studien hat ihre Tagung in London abgehalten; Gegenstand ihrer Erörterungen bildete
die Frage der gemeinschaftlichen Sicherheit ; für die nächste Tagung ist das Thema gewählt worden: die Mittel "zur friedlichen Beilegung der Konflikte mit Berücksichtigung besonderer Anwendungsfälle.

Hinsichtlich des Unterrichtswesens mag die dritte Zusammenkunft der Hochschulvorsteher, an der die Schweiz zürn erstenmal durch einen Beobachter vertreten war (Prof. Arnold Beymond), erwähnt werden. Der Ausschuss hat die Organisation des Hochschulunterrichtes besprochen, dessen Beziehungen *) Siehe unten S. 53,

52 zum Staat und die innere Einrichtung der Hochschulen. Das Pariser Institut hat die Bevision der Schulbücher zum Gegenstand eines Musterentwürfes zweiseitiger Abkommen gemacht, sowie eines. «Erklärungs»-Entwurfes, der den.

Mitgliedern der Gesellschaft zur Zeichnung offen steht. Er hat die Frage des Rundfunks und die des Schülerbriefwechsels wiederum zur Sprache kommen lassen und sich bemüht, die Eeisen und internationalen Tauschbeziehungen zu fördern. Schritte sind unternommen worden, um eine Zusammenarbeit mit dem internationalen Erziehungsbureau in Genf zu ermöglichen. Diese Zusammenarbeit ist in jeder Hinsicht wünschbar, .denn es wäre zwecklos, für das Pariser Institut, Untersuchungen vorzunehmen, die in vorteilhafter Weise von Fachmännern des Genfer Bureaus gemacht werden können.

Im Bereiche der Wissenschaft ist. zu erwähnen, dass die wissenschaftlichen Museen sich entwickelt haben und dass-das Institut die Möglichkeit erwogen hat, den internationalen Bat der wissenschaftlichen-Verbände an der geistigen Zusammenarbeit zu beteiligen. Auch manche künstlerischen Fragen haben die Aufmerksamkeit der Organisation in Anspruch genommen. In Madrid hat eine Konferenz über Museumswesen stattgefunden. Die Begelung der internationalen Kunstausstellungen wurde zur Bearbeitung übergeben. Das Amt für archäologische und kunstgeschichtliche Institute hat sein Wirkungsfeld auf die aussereuropaischen Länder erstreckt.

Ausserdem ist auf dem Gebiete des Bibliotheks- und Archivwesens zweckmässige Arbeit geleistet worden. Ferner hat das Institut verschiedene, im Zusammenhang mit der bevorstehenden Revision der Berner Übereinkunft betreffend den Schutz der Werke von. Literatur und Kunst stehende Fragen erörtert. Es hat das internationale Abkommen über Bundfunk und Frieden, das während der Versammlung von 1986 von einer besonderen Konferenz behandelt wird, endgültig ausgearbeitet.

Das Römer Lehrfilminstitut hatte sich im Laufe der letzten Jahre besonders der Frage des Wertes und der Verwendbarkeit des Films für den Unterricht zugewendet. Seit dem Bömer Kongress von 1984 hat es sich bemüht, die Einführung des Filmes in den Schulen zu empfehlen und an der Erhöhung des geistigen, künstlerischen und sittlichen Gehalts des Filmes beizutragen.

Das Institut hat seine. Untersuchungen über die Verwendung des Filmes zu "
volks- und sprachkundlichen Zwecken sowie über die Herstellung einer medizinisch-chirurgischen Filmenzyklopädie fortgesetzt. Es ist ein Zentrum für das Fernsehwesen beim Institut geschaffen worden,. unter finanzieller Mitwirkung Italiens.

, ' '.

Den Bericht über die geistige Zusammenarbeit hat Herr Herriot der sechsten Kommission vorgelegt. Die Aussprache zeichnete sich durch eine entschiedene Beregsamkeit für geistige Zusammenarbeit auch von selten aus fernen Weltteilen kommender Vertreter aus, während bis anhin die Tätigkeit der Organisation eher auf Europa beschränkt geblieben ist. Zahlreiche südamerikanische Delegierte unterstützten den Antrag auf Herstellung einer.

Sammlung von Werken über die einheimischen Kulturen und den Ursprung

53 der Zivilisation in Amerika. - Der rumänische Delegiert© regte seinerseits an, mit Hilfe der beteiligten Länder eine Sammlung von Schriften aus den europäischen Literaturen regionalen Gepräges zu veröffentlichen. Dieser Vorschlag zog andere nach sich, von Seiten Indiens und Chinas zum Beispiel. Der polnische Delegierte machte die Kommission auf den Abschluss zweiseitiger regionaler Abkommen geistigen Belangs aufmerksam, welche in den- Augen der polnischen Eegierung ein wirksames Annäherungsmittel darstellt.

Herr Oeri sprach im Namen unserer Delegation seine Genugtuung aus über die ersten Erfolge, welche die fruchtbare Zusammenarbeit zwischen dem Pariser Institut und dem internationalen Erziehungsbureau eingebracht hat; er gab der Hoffnung auf eine praktisch wirksame Entwicklung dieser Zusammenarbeit Ausdruck. Herr Cazàres (Spanien) schloss sich diesem Wunsche an und bemerkte, dass im Bereiche der erzieherischen Bibliographie von einer gemeinsamen Arbeit gute Ergebnisse zu erwarten seien und dass ein Abkommen zwischen beiden besagten Instituten nach dem Vorbild desjenigen getroffen werden könnte, das im Zusammenhang mit dem internationalen Eat der wissenschaftlichen Verbände erörtert wurde.

In der Beilage finden sich die von der Versammlung mit Bezug auf die geistige Zusammenarbeit genehmigten Besolutionen 1).

5. Die Ernährungsfrage in Aren Besiehungen zur öffentlichen Gesundheit.

Diese Frage, deren Erörterung durch die Versammlung von zwölf Delegationen beantragt worden war, hat eine dreitägige Aussprache hervorgerufen, an welcher etwa zwanzig Delegationen teilgenommen haben.

Wie vom australischen Delegierten, Herrn Bruce, dargelegt worden ist, erfasst folgender Widerspruch den Kern des Problems: der Landwirt steht vor einem überladenen Markte; ein grosser Teil der Menschheit leidet unter einem Mangel an sogenannten «schützenden Nahrungsmitteln». Aus der Aussprache haben sich folgende drei Feststellungen ergeben: die gesteigerte Produktion verschafft den Eegierungen neue Mittel zur Verbesserung der öffentlichen Gesundheit ; sie können dieses Ziel durch eine Erweiterung ihrer Tätigkeit auf dem Gebiete der Ernährung erreichen. Es stellt dies ein unmittelbares und zweckmässiges Mittel dar, um das Problem des Überschusses an landwirtschaftlichen Erzeugnissen und der daraus entstandenen Schrumpfung
der Preise zu lösen. Der Delegierte Neuseelands erklärte, die Lösung müsse dadurch angestrebt werden, dass der Überschuss an Nahrungsmitteln denjenigen Volksschichten zugeführt werde, denen die Mittel fehlen, um sie zu kaufen. Mehrere Delegierte zeigten ebenfalls, dass oft der Inlandsabnehmer für die Ausfuhrprämien und Unterstützungen die Kosten trägt.

In Grossbritannien, Polen, Kanada und Australien sind unentgeltliche Mahlzeiten und Spenden von Getreide und Milch veranstaltet worden; auf diese Weise ist dem Grundsatz Eechnung getragen worden, wonach eine Steigerung l

) Siehe S. 90.

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des Verbrauchs einer Verminderung der Produktion vorzuziehen ist. Einhellig anerkannte die Kommission die Notwendigkeit einer gründlicheren Kenntnis der tatsächlichen Umstände. Daher ist die Gesundheitsorganisation ersucht worden, gemäss der von der Kommission genehmigten Kesolution ihre Untersuchungen über die Ernährungsfrage in ihren Beziehungen zur öffentlichen Gesundheit gemeinsam mit den andern Organisationen des Völkerbundes sowie mit dem internationalen Arbeitsamte und dem internationalen Institut für Landwirtschaft fortzusetzen. Ein Sachverständigenausschuss wird der nächstjährigen Versammlung einen Gesamtbericht über diese Frage vorlegen.

6. Bestellung und Tätigkeit der Völkerbundskommission. Auf Antrag des Eates hatte das Sekretariat im Jahre 1984 eine Untersuchung vorgenommen, deren Ergebnis der fünfzehnten Versammlung vorgelegt wurde. Diese ersuchte den Bat, einen Sonderausschuss 1), der im Juni in Genf bestellt wurde, mit der Prüfung der Frage zu betrauen. Dieser Ausschuss billigte im allgemeinen die Grundsätze, von denen man zur Bestellung der letzten Kommissionen ausgegangen war, sprach aber einige Empfehlungen aus, die eine bestmögliche Vereinheitlichung der Grundbestimmungen über die Zusammensetzung, die Tätigkeit und die Erneuerung jedes dieser Organe bezweckte. Es wurden ausserdem einige Abänderungen vorgeschlagen, z.B. hinsichtlich der Organisation für die Verkehrswege und den Durchgangsverkehr und für die Hygieneorganisation. Was die erste angeht, -wurde vorgeschlagen, die allgemeinen Konferenzen aufzuheben und dafür die Zusammensetzung der beratenden Kommission zu erweitern, so dass alle Mitglieder des Völkerbundes daran teilnehmen können.

Die zweite Kommission genehmigte diskussionslos die meisten Beschlüsse des Ausschusses. Dem Vertreter Italiens, der verlangt hatte, dass der Arbeitsplan des wirtschaftlichen Komitees von einem aus Begierungsdelegierten zusammengesetzton Fachorganismus aufgestellt würde, erwiderte Lord de la Warr (Grossbritannien), dass die gewünschte Aufsicht bereits durch don Bat ausgeübt werde. Nach der Ansicht Herrn van Langenhoves (Belgien) wäre es zum mindesten voreilig gewesen, einen neuen Organismus in einem Zeitpunkt zu schaffen, in dem die wirtschaftliche Lage an einem Wendepunkt ihrer Entwicklung steht. Herr Stucki und Herr Georges Bonnet
(Frankreich) sprachen dieselbe Ansicht aus. Nach Auffassung des polnischen Delegierten mussten die Vorarbeiten im allgemeinen notwendigerweise Sachverständigen anvertraut werden, die mit der Politik ihres Landes eng verknüpft sind und auf diese Politik einen gewissen Einfluss ausüben. Der Vorschlag des Ausschusses betreffend die Hygieneorganisation stiess andererseits auf einen gewissen Widerstand, und es wurde daher beschlossen, eine besondere Untersuchung vorzunehmen, während im übrigen einige vorübergehende Abänderungen zur Verbesserung gewisser Ubelstände genehmigt wurden.

' .

*) Vgl. Bundesbl. 1935, I, 8.244, die Besolution vom 27. September 1934.

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D. Sicherheit und Abrüstung.

Die die Sicherheit und die Abrüstung betreffenden Fragen sind in den letzten Jahren nicht mehr durch die Völkerbundsversammlung geprüft worden. Zurzeit ist hierfür die Abrüstungskonferenz zuständig, die zwar gescheitert ist, ihre Arbeiten jedoch offiziell nicht abgeschlossen hat. Die Kommission der Völkerbunds Versammlung (III.. Kommission), die sich mit diesen Problemen befasste, ist somit nicht zusammengetreten.

E. Budget- und Verwaltungsfragen.

Wie im vergangenen Jahre, gab das Budget keinen Änlass zu einer sehr wichtigen Aussprache. Die Lage hat sich etwas gefestigt. Bestrebungen zur Sparsamkeit wurden gemacht, da jedoch die Gehälter davon nicht berührt wurden, waren die Einsparungen nicht sehr beträchtlich. Sie sind aber dennoch willkommen.

l, Rechnungsabschluss des sechzehnten Rechnungsjahres und Voranschlag des achtzehnten Rechnungsjahr es. Das allgemeine Kassenkonto wies am 81. Dezember 1984 einen Aktivsaldo von 8,878,641.73 Goldfranken auf, obschon der Völkerbund von den im Voranschlag für 1934 aufgeführten Einnahmen von Fr. 80,827,805 nur Fr. 22,186,191.76 bezog. An rückständigen Beiträgen blieben ihm Fr. 8,641,613.24 geschuldet. Der Überschuss kam daher, dass der Völkerbund während des Eechnungsjahres Fr. 6,643,378.98 an Bückständen für frühere Bechnungsjahre erhielt, Fr. 1,368,544.88 an verschiedenen Einnahmen buchen konnte und nur Fr. 26,819,473.89 ausgab (Einnahmen 80,198,115.62, Ausgaben: 26,319,478.89, Saldo: 8,878,641.73 Goldfranken).

Am 31. Dezember 1934 beliefen sich die unbezahlten Beiträge auf Fr. 28,473,930.75, In der Zeit vom 1. Januar bis zum 80. April 1935 wurden Fr. 8,455,284.01 eingenommen. Die Bückstände betrugen somit ain I.Mai ungefähr 25 Millionen. Die Lage hatte demnach seit dem vergangenen Jahr eine leichte Verbesserung, erfahren. Der Fortschritt war indessen nur bedingt, da die letzte Völkerbundsversammlung Fr. 3,356,000 an rückständigen Schulden gestrichen hatte.

In seinem Bechnungsprüfungsbericht hob der Bechnungskommissar, Herr Ceresa, hervor, «dass der Prozentsatz der im Jahre 1984 erzielten Einsparungen auf die bewilligten Kredite, im Vergleich zu den beiden vorhergehenden Bechnungsjahren, eine Erhöhung von 0,62 % für das Sekretariat und von 5,98% für den ständigen internationalen Gerichtshof aufweist, während für das internationale Arbeitsamt eine Verminderung von 1,03 % zu verzeichnen ist». Abschliessend führte er unter anderem Nachstehendes aus: «Die Finanzverwaltung des Völkerbundes befand sich in den vergangenen Jahren wegen Nichtbezahlung oder verspäteter Bezahlung der geschuldeten Beiträge durch gewisse Staaten in ernsten Schwierigkeiten, und die Jahresrechnung .konnte nur mit grosser Mühe mit einem bescheidenen Kassenüberschuss abgeschlossen

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werden. Das Kassenkonto für 1984 .wies im Gegenteil einen Einnahmenüberschuss von Fr. 8,900,000 gegenüber den Ausgaben auf. Dieses Ergebnis ist einer klugen Politik der Ausgabenbeschränkung, jedoch auch, und dies in erster Linie, bedeutenden Einnahmen an rückständigen Beiträgen zu verdanken.» : Die Kontrollkommission hatte nach Kenntnisnahme der Feststellungen und Schlussfolgerungen von Herrn Ceresa .beschlossen,. der Versammlung die Annahme der Bechnung zu empfehlen, so wie diese- abgeschlossen worden war.

Hinsichtlich der allgemeinen Finanzlage des Völkerbundes bemerkte sie im besonderen folgendes: «... die Kommission hat festgestellt, dass in der Bezahlung der laufenden Beiträge im Jahre 1934, verglichen mit den früheren Bechnungsjahren, ein Bückschritt zu verzeichnen ist. Ist diese Verminderung gegenüber dem voraus- .

gehenden Hechnungsjahr auch nicht sehr bedeutend (0,6 %), so muss sie doch beunruhigen, da die das eigentliche B,echnungsjahr betreffenden Einnahmen nur 71,97 % des Voranschlages erreichten. Wenn somit das Ergebnis des Bechnungsjahres einen Überschuss von Fr. 8,878,641.73 aufweist, so ist der Grund hierfür einerseits in der Begleichung von Eückständen, die sich auf 21,s % des Budgets beliefen, was ein um 11,B % höheres Verhältnis gegenüber dem vorhergehenden Bechnungsjahr bedeutet, und anderseits in den in den drei Verwaltungen und besonders im Sekretariat erzielten Einsparungen zu suchen. Die Kommission möchte daher die Mitglieder des Völkerbundes vor jedem übertriebenen Optimismus warnen. Sie erachtet es als ihre Bflicht, die Aufmerksamkeit der Mitglieder darauf hinzulenken, wie-überaus wichtig es ist, dass die Beiträge regelmässig im Laufe des betreffenden Bechnungsjahres bezahlt werden.» Der Entwurf zum Budget für 1936 sah 29,090,856 G o l d f r a n k e n vor. Er blieb somit um mehr als 1% Millionen hinter dem für 1935 angenommenen Voranschlag zurück. Man konnte.sich hierüber freuen. Es darf jedoch nicht ausser acht gelassen werden, dass die Tätigkeit des Völkerbundes eine erhebliche Einschränkung erfuhr. Wären nicht die Personalausgaben, die sich wegen der Verträge schwer beschneiden lassen, welchen gegenüber trotz der schwierigen Zeiten und besonders unabhängig von den Lebenskosten der Grundsatz «ne deleantur» vertreten wird, so liesse-sich denken, dass der Völkerbund auf
dem Gebiet der Einsparungen noch weitere Eesultate erzielen könnte.

Indessen kann man aus dem Bericht der Kontrollkommission mit Befriedigung entnehmen, dass «trotz des Wegfalls von 80 Einheiten, die sich aus dem Austritt .Japans und dem angekündigten Austritt Deutschlands ergeben, das Generalsekretariat in voller Übereinstimmung mit der Kontrollkommission alles daran setzen wird, um -- wie ihm dies für das Jahr 1936 gelungen ist --· die auf jedes Mitglied entfallenden Lasten nicht zu erhöhen».

Die vierte Kommission billigte nach kurzer Aussprache den Abschluss der Bechnung für 1934 und prüfte dann den allgemeinen Voranschlag des Völkerbundes für 1936. Diese Debatte-war durch eine Intervention der französischen Delegation gekennzeichnet, die vorschlug, die Beiträge der Mitghedstaaten

57 um 10 % herabzusetzen. Ministerpräsident Laval unterstützte persönlich das Begehren seiner Delegation, Er erinnerte an die «energischen Budgeteinschränkungen», zu denen sich Frankreich gezwungen sah und erklärte, dass nach seiner Auffassung «die internationalen Institutionen ein ähnliches Opfer bringen sollten». Das französische Budget sah bereits eine Verminderung von 10 % der auf Frankreich entfallenden Quote der Ausgaben des Völkerbundes vor. «Wenn die vierte Kommission und die Kontrollkommission, so erklärte Herr Lavai, die Forderungen der französischen Regierung als übertrieben erachten und der angeregten Reduktion nicht zustimmen, so wird es notwendig sein, das französische Parlament in der Folge um einen Zusatzkredit anzugehen, welches Ansinnen eine öffentliche Debatte nach sich ziehen wird.» Herr Bap-' pard ergriff das Wort, um seine Genugtuung über die bereits erzielten Einsparungen zu bekunden. Er lobte die französische Initiative, bemerkte jedoch, das darin bestehende Vorgehen, die Beiträge global um 10 % zu verringern, sei verhältnismässig leicht. Schwerer sei es, sich darüber Bechenschaft abzulegen, wo Einsparungen tatsächlich erzielt werden können. «Man kann, so führte Herr Rappard aus, Einsparungen auf eine doppelte Weise bewerkstelligen.

Entweder beschränkt man die Tätigkeit des Völkerbundes, nämlich seine Ziele, oder man verringert die Mittel, welche aufgewendet werden, um diese Ziele zu erreichen.» Das Leben selbst sorgt dafür, dass die internationale Tätigkeit eine Einschränkung erfährt. In Krisenzeiten haben nämlich die Staaten eine gewisse Neigung, sich in sich selbst zurückzuziehen, was unvermeidlicherweise eine Verlangsamung in der internationalen Zusammenarbeit mit sich bringt.

Was die Einsparungen an sich anbelangt, so sind sie mit Schwierigkeiten verbunden. Die Budgeteinschränkungen werden aufgehoben durch die automatische Erhöhung der Gehälter. Um diese Sachlage etwas zu verbessern, meint Herr Bappard, «dass man darauf verzichten sollte, einen Beamten, der den Höchstgehalt erreicht hat, durch einen Beamten gleichen Grades zu ersetzen, und dass man vielmehr einen jüngeren Beamten anstellen sollte, der mit dem tiefsten Gehalt der Skala beginnt». Es ist unerlässlich, so schloss der schweizerische Delegierte, «dass der Völkerbund ein Personal in seinen Diensten hat,
das von der ganzen Welt nicht nur wegen seiner Tüchtigkeit und seiner Hingabe, sondern auch wegen seiner Selbstlosigkeit geschützt wird».

Der Vorschlag von Herrn Laval wurde selbstredend nicht in seiner Tendenz bekämpft. Verschiedene Delegierte liessen jedoch Zweifel hinsichtlich der Verwirklichungsmöghchkeit der durch ihn vorgeschlagenen Methode globaler Einschränkungen laut werden. Nach einer kurzen Debatte und um den Willen zu bekunden, keine wesentliche Einsparung zu vernachlässigen, wurden sowohl der französische Vorschlag wie Tauch die Gesamtheit des Voranschlages der Kontrollkommission überwiesen.

Diese Kommission legte darauf einen Bericht vor, worin auf das gesamte Budget Einsparungen in der Höhe von Fr. 1,950,000 vorgesehen sind. Anlässlich der Aussprache über den Vorschlag der Kontrollkommission führte Herr Hambro (Norwegen) aus, Frankreich habe eine bevorzugte Stellung in

58 Genf, da der Gesamtbetrag der an die französischen Völkerbundsbeamten ausbezahlten Gehälter eine Höhe von 8,100,000 Schweizerfranken erreiche, welche Summe um ungefähr Fr. 900,000 die Beiträge Frankreichs an die Ausgaben des Völkerbundes übersteigt. Herr Eappard setzte sich seinerseits dafür ein, dass die französische Delegation nicht auf ihrem Verlangen einer globalen Budgetreduktion bestehe. «Eine globale Beduktion von 10 % verlangen, erklärte er, heisst die wirksame Einzelarbeit gefährden, die notwendig ist, wenn Ersparnisse erzielt werden sollen.» Nachdem die französische Delegation den Vorschlägen der Kommission zugestimmt hatte, konnte diese an eine Prüfung der Einzelheiten des Voranschlages herantreten.

Beim Kapitel über die internationale Organisation der Arbeit brachte unser Vertreter einige Bemerkungen besonderer und allgemeiner Natur an. Er lenkte hauptsächlich die Aufmerksamkeit der Kommission auf die Schwierigkeiten hin, die eich für die Völkerbundsversammlung aus einem Budget ergeben, das durch einen Verwaltungsrat aufgestellt wird, der ihrer Kontrolle entzogen ist.

«Da die Arbeitskonferenz dahin neigt, jährlichen Charakter anzunehmen, was die Urheber des TYiedensvertrages nicht vorgesehen hatten, fragt sich Herr Eappard, ob nicht ein System in Aussicht genommen werden könnte, in dem das Budget der Arbeitsorganisation vom Völkerbundsbudget getrennt wäre und jährlich durch die Vertreter der Begierungen an der internationalen Arbeitskonferenz angenommen würde ?» Dies würde eine Eevision der Friedensverträge voraussetzen. Es handelt sich hier jedoch um einen Gedanken, so erklärte unser Vertreter, der eine Prüfung verdienen würde. Der Direktor des internationalen Arbeitsamtes anerkannte die Eichtigkéit der durch Herrn Eappard gemachten Bemerkungen konstitutioneller Natur. Diese Fragen müssen einmal näher untersucht werden, eine Lösung kann jedoch, so führte er aus, heute noch nicht ins Auge gefasst werden. Jeder Eeformversuch «würde sich an Hindernissen stossen, die unüberwindbar scheinen».

Nach Gewährung gewisser neuer Kredite, die durch andere Kommissionen für die Erfüllung besonderer Aufgaben verlangt worden waren, wurde der Voranschlag, unter selbstverständlichem Vorbehalt der Zustimmung durch die Völkerbündsversaihmlung, wie folgt aufgestellt: Goldfranken

I.

II.

III.

IV.

V.

VI.

VII.

VIII.

Sekretariat . . .

Internationales Arbeitsamt Ständiger internationaler Gerichtshof Ständiger Zentralausschuss für Opium Internationales Nansenamt für Flüchtlinge.

Immobilien in Genf Pensionen.

Assyrier aus dem Irak. . .

, .

Insgesamt

14,591,635 6,699,450 2,321,200 119,463 270,000 2,884,00.0 1,544,153 400,000.

28,279,901

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Eine Einsparung von ungefähr Fr. 800,000 war den anfänglichen Budgetberechnungen gegenüber bewerkstelligt worden. Man war weit entfernt.von den durch die französische Delegation vorgeschlagenen 10 %. Die Ersparnis ist aber dennoch sehr schätzenswert, wenn man dem unangreifbaren Charakter der Völkerbundsgehälter Eechnung trägt.

2. Rückständige Beiträge. Die Völkerbundsversammlung von 1984 hatte einen Sonderausschuss mit unbeschränkten Vollmachten ernannt, «um mit den Staaten Vereinbarungen zwecks einer billigen Eegelung ihrer aus den am Ende des Jahres 1982 unbezahlt gebliebenen Beiträgen sich ergebenen Schuld anzubahnen und abzuschliessen». Wenn man von den konsolidierten Kückständen absieht, die sieh auf ungefähr 8 Millionen. Goldfranken beliefen, erreichten die in Betracht kommenden Eückstände eine Höhe von ungefähr 16% Millionen, während die Bückstände für 1938 schon mehr als 3 Millionen betrugen. Der Aüsschuss hatte vor der Völkerbundsversammlung vier Sitzungen abgehalten, während welcher er die Vertreter von sieben Staaten (Chile, China, Kuba, Ungarn, Panama, Peru und Uruguay) anhörte und die schriftlichen Vorschläge von drei andern Ländern (Guatemala, Liberia und Nicaragua) einer Prüfung unterzog. Der Ausschuss wurde eingeladen, seine Tätigkeit fortzusetzen und im Jahre 1936 einen neuen Bericht vorzulegen.

3. Verteilung der Ausgaben. Die Kommission für die Ausgabenverteilung war eingeladen worden, einen neuen Verteilungsschlüssel vorzuschlagen. Sie trat während der Völkerbundsversammlung zusammen. Nach Prüfung der Lage gelangte sie zur Schlussfolgerung, dass es, «angesichts der Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit und der grossen technischen Schwierigkeit des Problems nicht möglich sei, irgendeine Änderung am gegenwärtigen Schlüssel zur Verteilung der Ausgaben vorzunehmen». Sie empfahl daher, den Beitrag der Staaten für 1936 mit der gleichen Zahl von Einheiten festzusetzen wie für das Jahr 1935. Sie behielt sich indessen vor, das Problem nach allen Gesichtspunkten aufmerksam zu prüfen, um anlässlich der nächsten Sitzung der Völkerbundsversammlung einen abgeänderten und befriedigenderen Schlüssel als den jetzigen vorzuschlagen.

Dem Bericht und den Schlussfolgerungen der Kommission wurde zugestimmt, nachdem mehrere Delegationen das Bedauern ihres Landes darüber zum Ausdruck gebracht hatten,
noch einen in ihren Augen übersetzten Beitrag an die Ausgaben des Völkerbundes leisten zu müssen.

4. Pensions- und Personalkasse. Die Kommission nahm Kenntnis vom fünften Bericht des durch Herrn Bappard präsidierten Verwaltungsrates der Kasse. Derselbe machte auf die Schwierigkeiten hinsichtlich der Kapitalanlagen durch die Kasse, auf die Zinsverluste und auf die Titelentwertung aufmerksam. Diese Schwierigkeiten wurden dennoch, wie der Berichterstatter der vierten Kommission hervorhob, «dank der wertvollen Mithilfe des Ausschusses für Kapitalanlagen teilweise überwunden». Der Verwaltungsrat bo-

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schloss dessen ungeachtet, zu Beginn des Jahres 1986 eine neue aktuarische Bewertung der Kasse vornehmen zu lassen. Ein diesbezüglicher Bericht wird der nächsten Völkerbundsversammlung vorgelegt werden.

Hinsichtlich aller wichtigen, durch die vierte Kommission angenommeneu Entscheidungen darf übrigens auf die in der Beilage zum vorhegenden Bericht aufgeführten Eesolutionen verwiesen werden.

F. Soziale und humanitäre Fragen.

Die fünfte Kommission hat sich mit Fragen des Kinderschutzes, des Frauen-^ und Kinderhandels, des Handels mit Betäubungsmitteln, des Strafrechts- und Gefängniswesens und des internationalen Hilfsverbandes hefasst.

1. Kinderschutz. Der ständige Ausschuss für den Kinderschutz hatte seine alljährliche Session vom 25. April bis zum 8. Mai abgehalten. Nachdem der Ausschuss die durch die Eegierungen zugestellten Berichte über die Anstalten für verwahrloste und verbrecherische Kinder geprüft und die Organisation und den Betrieb dieser Anstalten eingehend studiert hatte, hatte er verschiedene Empfehlungen angenommen, so namentlich diejenige, welche den Wunsch aussprach, dass Gefängnisstrafen für Kinder überall abgeschafft und durch Massnahmen erzieherischen Charakters ersetzt würden. Der Ausschuss hatte andererseits das erhaltene Belegmaterial über die zu ergreifenden Massnahmen, um blinde Kinder ausfindig zu machen, über die Folgen der Wirtschaftskrise und der Arbeitslosigkeit bei Kindern und Jugendlichen sowie über den Film als Erholungsmittel für Jugendliche ebenfalls geprüft. Der Ausschuss nahm endlich Kenntnis von einem Plan über die Entwicklung des Völkerbundssekretariats als Auskunftsstelle auf dem Gebiete des Kinderschutzes.

Die Beratung der Kommission wurde durch die Ausführungen des Berichterstatters eröffnet. Nachdem Herr Gajardo die Arbeiten des Kinderschutzausschusses nochmals geschildert hatte, erinnerte er daran, .dass der Ausschuss.

in seiner ersten Sitzung erachtet habe, man müsse sich insbesondere mit dem normalen Kinde befassen und das Gewicht auf die aufbauende Seite dos Kinderschutzes legen. Indessen, stellte er fest, die bis jetzt unternommenen Arbeiten haben zum grössten Teil anormale Kinder betroffen. Der chilenische Delegierte schlug vor, in Zukunft mehr Zeit für normale Kinder zu verwenden. Es scheine ihm insbesondere nützlich, sich einerseits mit
vorschulpflichtigen Kindern und andererseits mit der Berufsberatung von Kindern, die die Schule verlassen haben, abzugeben. Ein anderes Problem von Belang scheine ihm die Ausbildung der sozialen Assistentinnen.

Fräulein Vacaresco (Bumänien) lenkte die Aufmerksamkeit des Ausschusses auf die Frage der Vernachlässigung von Kindern, die im Jahre 1982 auf Initiative der rumänischen Delegation geprüft wurde. Andererseits hob sie hervor, dass infolge verschiedener Vorkommnisse, die bewiesen, «welche Verheerungen durch den Film in einzelnen Kinderköpfen -hervorgerufen werden», die Behörden ihres Landes den Kindern den Zutritt zu den Lichtspieltheatern untersagt hätten.

61

Der Ausschuss stimmte dieser Auffassung nicht einstimmig zu. Herr Carton de Wiart (Belgien) und Fräulein Horsbrugh (Grossbritannien) legten dar, der Film, weit entfernt davon, immer- eine Gefahr zu bedeuten, könne und solle eine grosse Eolle bei den Kindern spielen, und zwar sowohl als Erholungswie auch als Erziehungsmittel.

2. Unterstützung unbemittelter Ausländer. Die Versammlung konnte letztes Jahr den Vertragsentwurf und die vierzehn Empfehlungen betreffend Unterstützung unbemittelter Ausländer nicht eingehend prüfen, da die Beobachtungen zu vieler Eegierungen noch ausstanden. Seither sind neue Antworten eingetroffen. Frau Hubicka (Polen) schlug daher vor, den zu diesem Zwecke aufgestellten Expertenausschuss einzuladen, abermals zusammenzutreten, um das gesammelte Material zu prüfen. Dieser Vorschlag wurde von der Kommission diskussionslos angenommen, 3. Frauen- und Kinderhandel. Im Laufe seiner Sitzung vom 2. bis 9. Mai hatte der Ausschuss für Frauenhandel die Behandlung des Zuhältertums fortgesetzt. Er hatte die verschiedenen Vorschläge geprüft, die ihm namentlich vom internationalen Bureau zur Vereinheitlichung des Strafrechts unterbreitet worden waren, um ein internationales Abkommen über diese Materie abzuschliessen. Der Ausschuss hatte jedoch festgestellt, dass noch verschiedene Punkte einer eingehenden Prüfung bedürfen und dass es daher verfrüht wäre, den Eegierungen einen Vertragstext vorzulegen. Ein Unteransschuss war bestellt worden, der die Arbeiten mit Hufe des Bureaus für Vereinheitlichung des Strafrechts und der internationalen Kommission für Kriminalpolizei fortsetzen sollte.

.

Der AusschuBS hatte sich ebenfalls der Frage der sittlichen Bettung der Prostituierten zugewendet, der er schon in der vorhergehenden Sitzung anlässlich der Besprechung über die Abschaffung der Lusthäuser seine Aufmerksamkeit geschenkt hatte. Da die durch das Sekretariat vorgenommene Untersuchung sich hinsichtlich der erwachsenen Frauen, deren Eettung gerade die grössten Schwierigkeiten verursacht, als ungenügend erwiesen hatte, hatte der Ausschuss vorgeschlagen, die Eegierungen um einen ergänzenden Bericht zu bitten.

Der Ausschuss hatte ferner Kenntnis vom Ergebnis der unternommenen Schritte genommen, um in Singapore eine Konferenz über den Frauenhandel im Orient einzuberufen; er hatte ausserdem
eingehende Berichte über die Lage der geflüchteten Bussinnen im Fernen Osten erhalten. Nach gründlicher Aussprache kam er zum Schluss, dass das beste Mittel, dieses unglückliche Problem zu lösen, darin liege, die soziale Hilfeleistung zugunsten der russischen Frauen in Kharbin und in der Mandschurei auszubauen. Um diese Aktion durchführen zu können, müssten jedoch finanzielle Mittel gefunden werden.

Die österreichische Delegierte unterbreitete der Kommission den üblichen Bericht. Nachdem sie die Fortschritte der internationalen Gesetzgebung über den Frauenhandel sowie die Arbeiten des Ausschusses behandelt hatte, schloss

62 sie ihren Bericht init einem Aufruf zugunsten der geflüchteten Russinnen, wobei sie insbesondere anregte, einen Sonderagenten des Völkerbundes zu bezeichnen, der sich dieser Frauen annehmen würde. Dieser Vorschlag wurde durch die Delegierte Dänemarks und Schwedens unterstützt.

Der Unterausschuss, dem diese Angelegenheit noch einmal überwiesen wurde, war der Meinung, es werde sehr schwierig sein, die erforderlichen Kredite sowie die Persönlichkeit zu finden, welche die Aufgabe als unbezahlter Agent des Völkerbundes übernehmen würde. Nach seiner Ansicht sei dies übrigens eher eine Angelegenheit des Nansenkomitees, Die Schlussfolgerungen des. Unterausschusses wurden von verschiedenen Delegationen kritisiert. Angesichts der derzeitigen Verhältnisse erachtete es der Unterausschuss nichtsdestoweniger als angezeigter, mit Hilfe der philanthropischen Gesellschaften eine Persönlichkeit zu suchen, die die Stellung eines unbezahlten Agenten des Völkerbundes annehmen würde.

Ein Meinungsaustausch erfolgte ebenfalls hinsichtlich der Abschaffung der Lusthäuser. Die spanische Delegation gab zur Kenntnis, dass die gesetzliche Regelung der Prostitution in Spanien aufgehoben worden sei. Die Vertreter Uruguays und Chiles erklärten, dass ihre Regierungen sich im "Gegenteil veranlagst gesehen hatten, dieses System wieder einzuführen. Hinsichtlich der Zuhälter hob der britische Vertreter hervor, dass es illusorisch sein dürfte, eine Übereinkunft abzuschliessen, solange einzelne Länder nicht in der Lage waren, die öffentlichen Häuser abzuschaffen und demgemäss gegen die.

Eigentümer derartiger Häuser Strafmassnahmen zu ergreifen.

In der Beilage findet sich der Beschluss, welcher der Versammlung unterbreitet und von derselben angenommen wurde, 4. [Handel mit Betäubungsmitteln und dessen Überwachung, Seit der letztjährigen Versammlung hatte die beratende Völkerbundskommission für den Handel mit Opium und andern schädlichen Drogen zwei Sitzungen abgehalten, die eine im November 1934, die andere im Mai-Juni 1935. Sie hatte dem Handel mit Betäubungsmitteln und der geheimen Herstellung von Rauschgiften sowie der Frage der strengeren Anwendung des BeschrankungBabkommens von 1981 besondere Aufmerksamkeit gewidmet.

Honduras und Ecuador haben sich den fünfzig Staaten angeschlossen, die vom Abkommen von 1925 erfasst werden,
Österreich, Norwegen und Honduras den fünfundvierzig Vertragsparteien des Abkommens von 1981. Die Kommission hat mit Genugtuung vom chinesischen Gesetzesentwurf Kenntnis genommen, der einen genauen Zeitpunkt festlegt, bis zu dem die Gewohnheit des Opiumrauchens und die Mohnpflanzungen aus der Welt geschafft sein sollen.

Sie hat die gegenwärtig zwischen den chinesischen Behörden und den fremden Behörden in China bestehende Mitarbeit erneut zur Sprache gebracht. Was die geheime Herstellung und den Schleichhandel anbetrifft, hat das Unterkomitee für Beschlagnahmungen die Aufmerksamkeit auf die Bedeutung der wasserlosen Essigsäure und des Kaffeins für die Herstellung von Heroin und

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Morphium gelenkt, und die beratende Kommission hat von den Eegierungen Erkundigungen eingezogen betreffend die besonders ausgebildeten Polizeikräfte sowie die Pässe der Schleichhandeltreibenden. In Ausführung des Abkommens von 1931 sind die Eegierungen ersucht worden, zu verhindern, dass die beschlagnahmten Bauschgifte wieder in den Handel kommen, und neue Herstellungsbewillgungen nur darin zu gestatten, wenn die bestehende Produktion für die Bedürfnisse des inneren und äusseren Marktes nicht ausreicht.

Ausserdem sind.die Eegierungen hinsichtlich des Abkommensentwurfs für die Unterdrückung des Schleichhandels zu Bäte gezogen worden, welcher Entwurf die Arbeitsgrundlage an einer Konferenz bilden wird, 'die im kommenden Juni zusammentritt. Die fünfte Kommission hat der gegenwärtigen Lage grosse Aufmerksamkeit geschenkt. Sie hat feststellen können, dass man zwar in nahezu allen Ländern eine wirksame Überwachung der gesetzmässigen Herstellung erzielt hat, dass aber der unerlaubte Handel nichtsdestoweniger, weiterhin sein Unwesen treibt, dank der geheimen Herstellung. Die Mehrzahl der Delegierten betonte die Notwendigkeit, die Übereinkommen von 1925 und 1981 auf die ganze Welt zu erstrecken. Die Delegierte Grossbritanniens gab ihrem Bedauern Ausdruck, dass Iran, welches an den Haager- und Genferabkommen nicht Vertragspartei ist, grosse Mengen Opium nach China ausgeführt hat. Der Delegierte Irans erwiderte, sein Land habe es vorgezogen, die besagten Abkommen zum grossen Teil auszuführen, ohne sie zu unterzeichnen, als sie zu unterzeichnen, ohne sie auszuführen. Immerhin sprach er die Hoffnung aus, bald die Batifikation des Abkommens von 1925 durch Iran bekanntgeben zu können.

Der Vertreter Chinas legte die Anstrengungen dar, die von den chinesischen Behörden gemacht worden sind, um die Opiomanie und besonders den Genuss fertiggestellter Bauschgifte zu bekämpfen. Er zählte die in China eingeführten Straf- und Vorbeugungsmassnahmen auf, und hob hervor, welchen Wert die Behörden darauf legen, dass die exterritorialen Mächte ihre wegen Schleichhandels verurteilten Staatsangehörigen aus China ausweisen, Herr Hoo sprach ausserdem seine Befriedigung über die in Aussicht genommene Einberufung einer Konferenz aus, welche die Möglichkeit, Mohnpflanzungen zu beschränken und zu beaufsichtigen, zum Gegenstand haben
soll ; die Gefahr, führte er aus, kann nur «durch ein internationales Zusammenhalten all derjenigen, welche die Möglichkeit und den Willen haben, einzugreifen», aus dem Wege geräumt werden. Herr Cavazzoni (Italien) betonte, dass trotz dem Feldzug, welcher in den meisten Ländern gegen das Baüschgiftlaster geführt wird, nur zwei Prozent der Betäubungsmittel, die dem Schleichhandel dienen, haben festgenommen werden können, während vor einigen Jahren dieses Verhältnis zehn Prozent betrug. Er fragte sich daher, ob nicht «mit Hilfe falscher Ausweise Hunderte und Tausende von Kilogramm Opium und Bauschgifte sich auf der Welt im Umlaufe befinden».

Die Kommission schloss ihre Aussprache durch Genehmigung eines Berichtes, aus dem hervorging, dass die Mitwirkung der öffentlichen Meinung und

64 der Presse fui die Bekämpfung des Schleichhandels und der geheimen" Herstellung Von Betäubungsmitteln wertvoll ist.

5. Fragen des Strafrechts- und Gefängniswesens. Wie wir bereits in unserm letzten Berichtx) ausführten, hatte die "Versammlung «die Gesamtheit der Vorschriften über die Behandlung der Gefangenen», welche von der Kommission für internationales Strafrecht und Gefängniswesen ausgearbeitet worden war, genehmigt und den Begierungen empfohlen, ihre Gesetzgebung denselben anzupassen. Sie hatte ausserdem das Sekretariat beauftragt, Auskünfte über die Anwendung dieser Vorschriften und über die im Gefängniswesen erreichten Verbesserungen zu sammeln. Zwanzig Staaten hatten der Einladung des Sekre. tariates Folge geleistet.

.

Die durch die Eegierungen übermittelten Auskünfte wurden in einem durch den Berichterstatter, Herrn Pella (Eumänien), verfassten Bericht geprüft.

Dieser beanstandete mit Nachdruck gewisse Massnahmen der Polizei, die in mehreren Ländern gebräuchlich sind. Als Beispiele führte, er .an: die Anwendung von Zwangsmitteln auf den Polizeiposten und in den Gefängnissen, um Geständnisse oder Zeugenaussagen zu erpressen, die Gefangenhaltung von Frauen unter Aufsicht männlicher Gefangenenwärter, die Tatsache, dass die Gefangenen zu so schweren Arbeiten genötigt werden, dass ihre Lage mit einer Art Sklaverei verglichen werden kann, sowie die Unterernährung der Gefangeneu. Zahlreiche Delegationen schlössen sich den Kritiken der rumänischen Delegierten an. Der Vertreter Irlands sprach die Ansicht aus, dass die Eegierungen die Vorschriften, um die es sich handelt, veröffentlichen und ausdrücklich genehmigen sollten.

Unser Vertreter erinnerte seinerseits daran, dass in unserm Land die Vorschriften in «ihrer Gesamtheit» weitgehend angewendet werden, dass es aber infolge der kantonalen Kompetenzen kaum möglich sei, dieselben obligatorisch zu erklären.

Der Resolutionsentwurf, welcher der Versammlung vorgelegt wurde 2), lud die Eegierungen ein, den Vorschriften für die Behandlung der Gefangenen eine möglichst weitgehende Verbreitung zu geben, und machte sie auf die von der Kommission erwähnten Massnahmen aufmerksam.

6. Welthüfsverband. Der Vertreter Venezuelas unterbreitete der Kommission einen Bericht, aus dem hervorging, dass die wesentliche Absicht des Ausschusses im Laufe des
verflossenen Jahres darin bestanden hatte, die Arbeitsmethoden und die Grundlagen ihrer zukünftigen Tätigkeit festzusetzen. Herr ParraPerez .gab der Hoffnung Ausdruck, dass neue Beitritte die finanziellen Mittel des Verbandes vermehren möchten. Die Delegierten Italiens und Belgiens sprachen ihrerseits ihre Genugtuung für die bis jetzt durch den Verband 3) geleistete Arbeit aus, " ; *) Vgl. Bundesbl. 1935, I, S. 198 ff.

*) Vgl. S. 87.

s ) Vgl. die Resolution in der Beilage, S. 89.

65 G. Politische Fragen.

Die sechste Kommission hatte sich dieses Jahr mit den Fragen der Sklaverei, der Mandate, des Flüchtlingswesens, der Ansiedlung von Assyriern aus Irak und dem Konflikt zwischen Bolivien und Paraguay zu befassen. Des weitern prüfte sie, wie schon in frühem Jahren, die Tätigkeit der Organisation für geistige Zusammenarbeit1), Das Minderheitenproblem wurde diesmal vor der Kommission nicht zur Sprache gebracht.

1. Sklaverei. Die beratende Expertenkommission für Sklaverei war zum zweiten Male vom 1. bis zum 10. April zusammengetreten. Nachdem sie das von verschiedenen Eegierungen eingereichte Belegmaterial sowie gewisse Abhandlungen einzelner Mitglieder studiert hatte, schenkte sie ihre besondere Aufmerksamkeit verschiedenen Begleiterscheinungen der Sklaverei (Stellung der Sklaven, Eaubzüge von Sklavenhändlern, Abtretung von Sklaven, gelegentlicher Verkauf freier Personen, die individuelle Freiheit beeinträchtigende Machenschaften, häusliche und landwirtschaftliche Knechtschaft, die Gepflogenheiten der «Muitsai» in China usw.). Die Arbeiten fanden ihren Abschluss in einer Eesolution, welche u. a. den Wunsch zum Ausdruck brachte, die Eegierungen um gewisse Erläuterungen zu ersuchen, um eine Weiterverfolgung der Erhebungen zu ermöglichen.

Der Zeitpunkt der Eröffnung der Völkerbundsversammlung fiel zusammen mit den von Italien gegenüber Abessinien erhobenen Beschwerden, welche der Sklavenfrage erneute Bedeutung gaben. Wenn dieselben auch im Schosse der Kommission nicht zur Sprache kamen, beeinflussten sie deren Verhandlungen nichtsdestoweniger. Lord Granborne (Grossbritannien) hob hervor, dass die beratende Expertenkommission hinsichtlich der auf der ganzen Welt verbreiteten Sklaverei an einem gewissen Mangel an Auskunft leide, so dass ihrem ersten Bericht kaum mehr als vorläufige Bedeutung zukomme. Ohne eine Abänderung der mit Mühe im Jahre 1932 erzielten Vereinbarung über die Befugnisse der Kommission vorzuschlagen, verhehlte er nicht, dass seines Erachtens die Bewegungsfreiheit der Kommissäre zu vielen Beschränkungen unterworfen sei. Er teilte die Auffassung des Völkerbundsrates, welcher bereits beschlossen hatte, auf das Jahr 1936 die Kommission zu einer ausserordentlichen Tagung einzuberufen. Der Vertreter Prankreichs glaubte dieser Stellungnahme zwar nicht entgegentreten
zu müssen, doch machte er Vorbehalte hinsichtlich der Auslagen, welche eine Zusammenkunft der Experten im Jahre 1936 verursachen würde. Er gab anderseits auch der Befürchtung Ausdruck, eine zu weitgehende Ausdehnung der Kommissionsvollmachten würde «materiellen Interessen mit äusaerst gefährlichen Auswirkungen» Vorschub leisten, «Interessen, welche sich unter dem Deckmantel der Menschlichkeit und Philanthropie auf die angebliche Freiheit der Eingeborenen stützen, um Autorität und Ordnung zu 1 ) Da das Institut für geistige Zusammenarbeit eine der technischen Organisationen des Völkerbundes ist, sind die betreffenden Prägen in Kapitel C (technische Prägen) behandelt.

Bundesblatt. 88. Jahrg. Bd. 1.

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bekämpfen, die in einem wohlverwalteten Kolonialreich unerlasslich sind».

Herr Sandler, der schwedische Aussenminister, unterstützte eindringlich den Standpunkt Grossbritanniens, und zwar sowohl was die Ausdehnung der Kommissionsvollmachten anbetrifft als auch hinsichtlich der Einberufung der Kommission zu einer ausserordentlichen Tagung. Der irische Delegierte gab derselben Meinung Ausdruck. Die belgische und portugiesische Delegation nahmen jedoch eine bedeutend zurückhaltendere Stellung ein. Der von Herrn Sandler eingebrachte Kommissionsbericht über die Sklaverei enthält einen Besolutionsentwurf 1 ), welcher die Eegierungen auffordert, der beratenden Kommission alle von ihr benötigten Aufschlüsse zu geben, um ihre Bestrebungen zu verwirklichen.

2. Mandate. Die ständige. Mandatkommission war seit der letzten Völkerbundsversammlung zu zwei Sitzungen zusammengetreten. Sie hatte verschiedene Berichte der Mandatarmächte geprüft und Petitionen zur Kenntnis genommen, die grösstenteils mit Syrien und dem Libanon im Zusammenhang standen. Sie hatte überdies gewisse Sonderfragen geprüft,-wie"beispielsweise die Grenzlinie zwischen Euanda-Urundi und dem Tanganjikagebiet, die Stellung der eingeborenen Frau in Afrika, die Vereinbarkeit eines zwischen Frankreich und Grossbritannien abgeschlossenen Handelsabkommens mit Forderungen der Handelsfreiheit in Mandatgebieten.

Wie die Sklavenfrage, so hatte auch diejenige der Mandate infolge der Ereignisse in Ostafrika neue Bedeutung gewonnen, Herr Lange (Norwegen), welcher die Verhandlungen der sechsten Kommission eröffnete, brachte die Auffassung vieler Delegierter zum Ausdruck, indem er erklärte, dass diese Frage für das Weltfriedenswerk als solches von ausschlaggebender Bedeutung sein könnte.

«In der grossen Öffentlichkeit, sagte er, findet man die Meinung ziemlich verbreitet, dass sich auf diesem Gebiete vielleicht die Möglichkeit bieten werde, Mittel und Wege zu finden, um Kriegsursachen auszuschalten, und zwar dadurch, dass diesbezüglich einer weitsichtigen und liberalen Politik die Wege geebnet werden.» Seiner Ansicht nach könne das Eingreifen der Kommission dadurch erleichtert werden, dass ihre Befugnisse ausgedehnt und die ihr zur Verfügung stehenden Hilfsmittel vermehrt werden. Indem er auf die im Völkerbundsrat bereits zum Ausdruck gekommene Auffassung
zurückkam, erklärte er, dass es ihm kaum verständlich sei, wie eine mit der Aufsicht über ein entferntes Gebiet betraute Kommission «ohne Augen und ohne Ohren» nutzbringende Arbeit leisten könne. Er drängte darauf, dass das Prinzip der wirtschaftlichen Gleichberechtigung von Wichtigkeit sei, und unterzog die Tendenzen gewisser Mandatarmächte, welche alle Unterschiede zwischen Mandatgebieten und den angrenzenden Kolonien aufzuheben suchen, einer scharfen Kritik. Seiner Ansicht nach sei es von Wichtigkeit, der Meinung den Boden zu entziehen, dass Mandate nichts anderes bedeuten als «eine geschickte Verschleierung eines tatsächlichen Kolonialbesitzes», i) Vgl. S. 90.

67 Die verschiedenen Punkte der Ausführungen des Herrn Lange gaben den Anlass zu einer interessanten Aussprache. Mehrere Delegierte, insbesondere derjenige Italiens, äusserten sich zugunsten einer Ausdehnung der Vollmachten der Mandatkommission. Herr Bastid (Frankreich) machte Vorbehalte hinsichtlich der finanziellen Folgen, ohne jedoch das theoretische Interesse der Frage zu verneinen. Er erklärte ausserdem, sein Land beabsichtige keineswegs, der Selbständigkeit der Mandatgebiete, betreffend Budget 'und Verwaltungsfragen, irgendwie Eintrag zu tun. Die Vertreter Grossbritanniens und der Südafrikanischen Union gaben im Namen der ihnen anvertrauten Mandate ähnliche Erklärungen ab. Eine Anzahl Delegationen endlich sprachen die Hoffnung aus, dass Palästina noch eine grosse Zahl jüdischer Flüchtlinge aufnehmen könnte. Herr Oeri (Schweiz) schloss sich diesem Wunsche an. Der Vertreter Spaniens machte immerhin geltend, wie wünschenswert es sei, dass die Ansiedlung von Flüchtlingen in Palästina durchgeführt werde, «ohne dass die Jahrhunderte alten Rechte und die rechtmässigen Belange der selbständigen arabischen Bevölkerung auf irgendeine Weise verletzt werden».

3. FlücMingswesen. Die Frage der internationalen Flüchtlingshilfe war auf Ersuchen Norwegens in die Tagesordnung der Völkerbundsversammlung aufgenommen worden. Herr Koht, der erste Delegierte dieses Staates, hatte in der Plenarsitzung die Beweggründe dargelegt, von denen sich seine Eegierung diesbezüglich leiten lässt. Er hatte auseinandergesetzt, dass die den Flüchtlingen zuteil werdende Hilfe keineswegs eine Aufgabe vorübergehender Natur bedeutet, sondern im Gegenteil die Aufmerksamkeit zahlreicher Staaten nach wie vor in Anspruch nimmt. Neue Kategorien von Flüchtlingen seien entstanden, und die Bemühungen privater Institutionen, die zunächst ihrer Aufgabe gewachsen waren, schienen den unter den obwaltenden Umständen an sie gestellten Anforderungen nicht mehr genügen zu können. Das Hoch-Kommissariat für deutsche Flüchtlinge in London habe seinerseits bekanntgegeben, dass es voraussichtlich seine Tätigkeit einstellen müsse. Unter diesen Umständen sei es geboten, dass die Frage vom Völkerbund erneut und eingehend geprüft werde.

Die norwegische Eegierung stellte ihrerseits die Gründung einer Körperschaft in Aussicht, die unter der Oberaufsicht oder
im Rahmen des Völkerbundes die Tätigkeit des Nansen-Amtes und anderer ähnlicher Stiftungen übernehmen würde, und zwar in dem Sinne, dass diese Tätigkeit auf alle Kategorien von Flüchtlingen Anwendung fände.

Die Auffassung der norwegischen Begierung wurde von mehreren Delegationen in der sechsten Kommission geteilt. Unser Vertreter, Herr Oeri, schloss sich ihnen an, indem er der Meinung Ausdruck gab, dass es möglich sein sollte, dem Übel, wenn es auch nicht gänzlich ausgerottet werden könne, wenigstens zu steuern, vorausgesetzt, das fragliche Organ sei auf fester Grundlage aufgebaut. Herr Hymans (Belgien) nahm diesen Gedanken auf und erklärte, dass es Pflicht des Völkerbundes sei, zu handeln.

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.

.

·



.· -

Viele Delegierte machten Vorbehalte geltend. Obwohl Lord Cranborne (G-rossbritannien) dem Vorschlage Norwegens grundsätzlich zustimmte, warnte er davor, dass eine ständige Klasse von Flüchtlingen ins Leben gerufen werdenderen Unterhalt dem Völkerbund anheimfalle. Es würde ein Problem ohne Lösung geschaffen. Für den italienischen Delegierten stand es fest, dass sich der Völkerbund nicht auf solch heikles Gebiet wie die Hilf egevvährung an politische Flüchtlinge wagen sollte; es schien ihm besser, die Tätigkeit des Nansen-Amtes allmählich abzubauen. Das Bestreben, die finanzielle Belastung des Völkerbundes nicht zu erhöhen, machte sich endlich ziemlich allgemein geltend. Nachdem sich jedoch keiner der Delegierten der Prüfung des norwegischen Vorschlages entgegengesetzt hatte, wurde ein Unterausschuss mit der Sache betraut, welcher sich aus Vertretern folgender Staaten zusammensetzte: Chile, China, Frankreich, .Grossbritannien, Griechenland, Italien, Jugoslawien, Lettland, Niederlande Norwegen, Polen Eumänien, Schweiz, : Tschechoslowakei, U. S. S. K.

.

.

Der Unterausschuss trat unter Herrn Mottas Vorsitz wiederholt zusammen, bevor eine Einigung erzielt werden konnte. Er beschloss endlich, die Prüfung der Frage fortzusetzen und einen Ausschuss von drei bis vier Fachleuten mit derselben zu betrauen. Die Mehrheit des Unterausschusse.s lehnte jegliche finanzielle Hilfe des Völkerbundes ab, welche die derzeitigen Kredite überschreiten würde, und versagte den neuen Kategorien von Flüchtangen jeglichen Beitrag. Die norwegische Delegation schloss sich der vom Unterausschuss vorgeschlagenen Lösung an, aber immerhin mit dem Vorbehalt, ihren eigenen Vorschlag in seiner Gesamtheit erneut aufzugreifen je nach den Schlussfolgerungen, zu denen der Sachverständigenausschuss gelangen sollte. Herr Berenger (Frankreich) legte sodann Gewicht darauf, dass «dieses Übereinandergreifen von Verwaltungs- und Berufswohltätigkeit» vermieden werden müsse, «das unter dem Vorwand der Konzentration, der Zusammenarbeit und der Kontrolle Hunderttausende, ja Millionen von Franken verschlinge, die nutzbringender zur Ernährung, zum Unterbringen sowie zum Schutz und Transport der unglücklichen Flüchtlinge verwendet werden könnten».

Nachdem sie den Ausführungen des Herrn Motta, die sich auf die Tätigkeit des Unterausschusses bezogen,
ihre volle Aufmerksamkeit geschenkt hatte, genehmigte die sechste Kommission den ihr unterbreiteten Bericht.

Ein Bericht betreffend die vom Nansen-Amt geleistete Arbeit wurde andererseits von Herrn Künzl-Jizersky (Tschechoslowakei) eingereicht. Nachdem letzterer dem Gedächtnis des Herrn Georg Werner, Präsident des Verwaltungsrates des Amtes, warme Worte gespendet hatte, wies er erneut darauf hin, wie sehr sich die Lage der Flüchtlinge, infolge der wirtschaftlichen Krise und der von gewissen Staaten ergriffenen Vorsichtsmassnahmen gegen fremde Arbeitskräfte, verschlimmert habe. Er rief das tragische Los vieler Flüchtlinge in Erinnerung. Indem er die verschiedenen Lösungsmöglichkeiten darlegte, stellte er fest, dass die gewünschten Ergebnisse kaum auf dem Wege der Erwerbung des Bürgerrechts gezeitigt werden könnten, da dieses nur in

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sehr bescheidenem Masse gewährt werde. Die überseeische Ansiedlung von Flüchtlingen habe mehr Aussicht auf Erfolg. Um der Sachlage einigermassen abzuhelfen, schlug das Nansen-Amt vor, die Auslagen für das Flüchtlingswesen zu kapitalisieren, wie dies iu Frankreich und in Indien bereits geschehe, den Gebrauch der Nansen-Marken allgemein zu verbreiten und Briefmarken herauszugeben, welche zugunsten des Flüchtlingsfonds eine Aufwertung er-, fahren würden. Er lud endlich die Regierungen ein,, an der Festlegung des internationalen Flüchtlingsstatutes mitzuarbeiten, indem sie dem Abkommen vom Jahre 1988 beiträton.

· Der Bericht des Herrn Künzl-Jizersky wurde von der Kommission nach kurzer Aussprache genehmigt.

4. Ansiedlung von Assyriern aus Irak, Die tragische Lage der Assyrier .in Irak beschäftigt die internationale öffentliche Meinung seit mehreren Jahren.

Der Völkerbundsrat hat zu verschiedenen Malen, und insbesondere infolge der Ereignisse vom August 1938, die Möglichkeit geprüft, für diese heikle Frage eine Lösung zu finden. Da den in erster Linie interessierten Staaten in Irak die Assimilation der Assyrier ausgeschlossen schien, wurde vom Völkerbundsrat versucht, ein fremdes Ansiedlungsgebiet für sie zu finden. Zwei Möglichkeiten wurden besonders ins Auge gefasst, nämlich eine Niederlassung in Brasilion oder in Britisch-Guyana 1). Nachdem sich dieser Plan als undurchführbar erwiesen hatte, liess sich die französische Begierung bewegen, den Assyriern ihr levantinisches Mandatgebiet (Ghabzone) zu ersehliessen. Diese Lösung war jedoch mit finanziellen Schwierigkeiten verbunden, indem es unerlässlich war, die mutmassliche Summe von 86 Millionen französischer Franken aufzubringen, um die Ansiedlung durchführen und die allernotwendigsten Entwässerungsund Bewässerungsarbeiten ausführen zu können, Grössbritannien, Irak und die Mandatgebiete der Levante anerboten sich allerdings, erhebliche Zuschüsse zu leisten. Die britische Regierung war der Ansicht, dass der Bestbetrag vom Arölkerbund gedeckt werden sollte.

Die Sachlage wurde der Kommission vom Vertreter Spaniens auseinandergesetzt. Der britische Delegierte hob hervor, dass es sich keineswegs um eine einfache Flüchtlingsfrage handle, sondern um eine politische Angelegenheit, welcher die Bedeutung der «Übersiedlung einer Volksgemeinschaft» zukomme,
«deren Niederlassung sowohl ein "Werk der Beschwichtigung als auch der Menschlichkeit sei, dessen Durchführung keine Verzögerung erleiden sollte».

Die vierte Kommission erhielt den Auftrag, die Möglichkeit einer finanziellen Mithilfe des Völkerbundes zu prüfen. Eine gewisse Opposition machte sich zum vornherein geltend. Es wurde nach eingehenden Erhebungen festgestellt, dass von den benötigten 86 Millionen französischer Franken 28,500,000 vom levantinischen Mandatgebiete und 87,500,000 zu gleichen Teilen von Grossbritannien und Irak aufgebracht würden. Es handelte sich somit darum, l

) Siehe unsern letzten Bericht, Bundesbl. 1935, I, S. 202.

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noch 20 Millionen französische Franken zu finden. Die Summe von 18,500,000 schien auf dein Wege eines Kreditgeschäftes aufgebracht werden zu können, das sich hauptsächlich auf die von Assyriern zu leistenden Zahlungen für den ihnen zur Verfügung gestellten Grund und Boden stützen würde. Was die verbleibenden 6,500,000 französische Franken anbetrifft, so wären dieselben vom Völkerbunde zu tibernehmen. Nach längeren Verhandlungen schritt man zur Abstimmung. Zugunsten der finanziellen Beteiligung des Völkerbundes äusserten sich 28 Staaten, die Schweiz Inbegriffen- Drei ablehnende Stimmen und sechs Enthaltungen waren zu verzeichnen.

5. Konflikt zwischen Bolivien und'Paraguay. Die Völkerbunds Versammlung ist seit der letzten ordentlichen Tagung1) zu zwei ausserordentlichen Sitzungen zusammengetreten, um sich mit dem Konflikte zu befassen. Wir haben in unserem Bericht über die Geschäftsführung im Jahre 19342) die Arbeiten der ersten dieser Sitzungen behandelt. Die zweite fand im Mai 1935 statt. Nachdem sie einen Bericht des beratenden Ausschusses betreffend die von der Eepublik Argentinien, Chile, Brasilien, Peru, Uruguay und den Vereinigten Staaten von Amerika geführten Verhandlungen entgegengenommen hatte, beschränkte sich die Völkerbundsversamrnlung darauf, ihrem Wunsche Ausdruck zu geben, diese Verhandlungen möchten von Erfolg begleitet sein, und diese Frage in die Tagesordnung der nächsten ordentlichen Tagung aufzunehmen. Wie bekannt, gelang es den vermittelnden Staaten im folgenden Juni, die Kriegführenden dazu zu bringen, ein Protokoll zu genehmigen, welches dem Konflikt ein Ende bereitete, und es wurde in Buenos Aires eine Friedenskonferenz zusammenberufen.

Herr Vascoucellos, der Präsident der ausserordentlichen Völkerbundsversammlung, gab der sechsten Kommission Kenntnis von diesem Ergebnis.

Nach Schluss seiner Ausführungen erklärte der Vertreter Spaniens, dass gewisse Schwierigkeiten noch nicht behoben seien, insbesondere, was die Heimschaffung der Kriegsgefangenen anbetrifft, und verlangte, dass der beratende Ausschuss, welcher den Konflikt zu verfolgen hatte, nicht entlassen werde. Die Vertreter Argentiniens, Chiles, Uruguays und Boliviens machten noch ergänzende Angaben über die Arbeiten der Konferenz von Buenos Aires, und die Kommission nahm sodann die Eesolution an, welche diesem Berichte beigeschlossen ist 3).

T. Beschlüsse und Resolutionen der Versammlung.

Nachdem sie die Prüfung der einen oder andern Frage auf die nächste Session vertagt hatte, musste die Versammlung wie jedes Jahr einige Wahlen vornehmen und einige Beschlüsse fassen über materielle, rechtliche und verfahrensrechtliche Fragen. Sie hatte unter anderem für den verstorbenen Herrn *) Siehe unsern Bericht über die Tagung, Bundesbl. 1935,1, S. 165 f. und S. 218 f.

a ) Siehe S. 89.

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o) Siehe S. 89.

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Adatci, Richter am ständigen internationalen Gerichtshof, einen Nachfolger zu ernennen. Die Abstimmung sollte getrennt im Schosse der Versammlung und des Eates vor sich gehen. Im ersten Wahlgang erhielt Herr Nagaoka, ehemaliger Botschafter Japans in Berlin, das unbedingte Mehr, sowohl in der Versammlung wie auch im Eat. Er wurde somit zum Mitglied des Haager Gerichtshofes gewählt.

Der Versammlung wurde ebenfalls der Eücktritt des Herrn Frank Kellogg (Vereinigte Staaten), Bichter am besagten Gerichtshof, vorgelegt. Sie hat diesen Bücktritt angenommen.

Daraufhin schritt die Versammlung zur teilweisen Erneuerung des Eates.

Mexiko, Polen und die Tschechoslowakei bildeten die drei Staaten, deren Amtsfrist als Ratsmitglieder zu Ende ging. Gemäss den Bestimmungen von 1926 verlangte Polen seine Wiederwählbarkeit. Zwei andere Länder, Ecuador und Eumänien, stellten für den Sitz Mexikos und der Tschechoslowakei ihre Bewerbung. Polen erreichte die Wiederwählbarkeit mit beträchtlichem Mehr..

Die drei Staaten, die sich für die Ehre einsetzten, in den Eat zu gelangen oder darin zu bleiben, wurden mit grosser Mehrheit gewählt1).

Die von den Kommissionen eingereichten Berichte und Resolutionsentwürfe wurden alle von der Versammlung genehmigt. Mit einer oder zwei Ausnahmen sind alle Berichte ohne Aussprache gebilligt worden gemäss dem vereinbarten Verfahren, von dem weiter oben die Eede war.

Am 28. September brachte die Versammlung ihre Arbeit zum Abschluss; anstatt jedoch die Session zu schliessen, vertagte sie dieselbe im Hinblick auf die schweren Ereignisse, die sich in Abessinien zutragen könnten. «Wir trennen uns, erklärte Präsident Benes, in der Hoffnung, dass der Weg der Versöhnung nicht verbaut ist und dass die friedliche Regelung immer noch zustande kommen kann. Auf alle Fälle sind wir alle vom Bewusstsein erfüllt, alles getan zu haben, um den Frieden aufrecht zu erhalten 2).»

VI. Schlussbemerkungen.

Es würde schwer fallen, eine Schlussfolgerung zu ziehen. Die Versammlung ist nicht offiziell geschlossen. Sie hat sich lediglich vertagt um für alle Fälle bereitzustehen. Ihre Hauptaufgabe wird darin bestanden haben, gemeinsam l ) Diesem Beschluss zufolge ist der Rat folgendermassen zusammengesetzt (Japan und Deutschland sind nunmehr aus dem Bunde ausgetreten) : Ständige Mitglieder: Nichtständige Mitglieder: Prankreich Argentinien Spanien Grossbritannien Australien.

Türkei Italien Dänemark Polen U. S. 8. B.

Portugal Ecuador Chile Rumänien a ) Bezüglich der späteren Arbeiten der Versammlung (Session vom 9. bis 11. Oktober) vgl. unseren Bericht vom 2. Dezember 1935 an die Bundesversammlung betreffend die Anwendung des Artikels 16 des Völkerbundspaktes im italienischabessinischen Konflikt.

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mit dem Bäte Artikel 16 des Paktes in Wirkung treten zu lassen. Doch gehören die diesbezüglichen Beschlüsse einer .Entwicklungsstufe an, welche nach ihrer ersten Zusammenkunft eingesetzt hat und welcher ein Teil unseres besonderen Berichtes gewidmet ist, den wir der Bundesversammlung über die gegen Italien angewandten Sanktionen vorgelegt haben. Diese Versammlung wird eine historische Aufgabe gehabt haben. Die Vertreter der Mitgliedstaaten sind zu einer entscheidenden Stunde einberufen und mit der Inkraftsetzung äusserstschwerer Massnahmen betraut worden, liess doch zum erstenmal der Völkerbund Artikel 16 seines Paktes in Wirkung treten.

Was die erste Zusammenkunft angeht, die am 28. September geschlossen worden ist und die den ausschliesslichen Gegenstand des vorliegenden Berichtes bildet, können wir wohl behaupten, dass sie ihre Aufgabe würdig erfüllt hat.

Sie hat alles getan, was geboten war, um einer Verschärfung des italienischabessinischen Konfliktes vorzubeugen. Bis zum letzten Augenblick hat sie die Parteien inständig gebeten, eine freundschaftliche Lösung zu suchen und zu den friedlichen, vom Pakte vorgesehenen Regelungsverfahren zu schreiten. Es war dies, wie Herr Eenes in seiner Eede vom 28. September ausführte, «eine Versammlung, aus deren Eeden Nüchternheit, aus deren Vorgehen Mässigung sprach, ohne Redefluss und überflüssige-Rhetorenkunst ; sie hat Beden von historischer Tragweite mit dem erforderlichen Ernst und Verständnis sowohl wie auch mit Genugtuung angehört, sobald es um die Zukunft unseres Bundes; ging; eine Versammlung, die trotz der Schwere der gegenwärtigen Stunden ihrer Aufgabe gewachsen war, immer und überall den Pakt behutsam verteidigt hat, ohne indessen zu weit zu gehen, wo dies schädlich gewesen wäre, und alle Möglichkeiten wahrend, um die Würde der beteiligten Länder zu schonen und den Weg der Versöhnung offen zu lassen». Wir glauben, uns diesen Feststellungen anschliessen zu müssen. Wenn am 8. Oktober zwischen Italien und Abessinien die Feindseligkeitenausgebrochenn sind, so trägt der Völkerbund dafür keine Verantwortung. Der Krieg geht weiter. Die allgemeine politische Lage bleibt unruhig und bedroht. Wir wollen den Wunsch aussprechen, ein gerechter Friede möge bald dem Blutvergiessen. ein Ende bereiten.

Genehmigen Sie, Herr Präsident, hochgeehrte Herren, die
Versicherung unserer vollkommenen Hochachtung.

Bern, den 18. Januar 1986.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der B u n d e s p r ä s i d e n t : Meyer.

Der Bundeskanzler: G. Bovet.

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Resolutionen und Wünsche der Versammlung1).

A. Resolutionen zur Berichterstattung der ersten Kommission.

1. Verfahren in der Versammlung.

Aufrechterhaltung der im Jahre 1938 vorübergehend angewandten Vorschriften, .

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Die Versammlung beschliesst : 1. Die Vorschrift betreffend die Einberufung der Finanzkommission (vierte Kommission) für die Tagung der Versammlung von-1986 aufrechtzuerhalten.

Diese Vorschrift, die von der Versammlung durch Eesolution vom 11. Oktober 1988 aufgestellt worden war, hat folgenden Wortlaut : Der Eatspräsident kann, nachdem er mit dem Präsidenten der Kontrollkommission Rücksprache genommen, die Finanzkommission auf einen Zeitpunkt einberufen, der höchstens acht Tage vor der ersten Sitzung der ordentlichen Tagung der Versammlung liegt. Sie wird aus Vertretern bestellt, die zu diesem Zwecke durch die Völkerbundsmitgheder beglaubigt werden. Sie bezeichnet ihren Präsidenten, der dadurch gemäss Art. 7 der Geschäftsordnung Mitglied des Bureaus der Versammlung wird. Die Bestellung der Kommission wird .der Versammlung anlässlich ihrer ersten Vollsitzung bekanntgegeben.

2. Die Geschäftsordnung der Versammlung wird abgeändert durch Einschaltung eines Artikels 14 a, der wie folgt lautet : «Artikel 14 a.

i. Bei der Genehmigung in der Vollsitzung der von den verschiedenen Kommissionen der Versammlung vorgelegten Berichte und Eesolutionen zählt der Präsident in den hiernach aufgezählten Fällen die Berichte auf und lässt unverzüglich zur Abstimmung über die. vorgeschlagenen Resolutionen schreiten.

ü. Das in Absatz i angeordnete Verfahren findet nur in denjenigen Fällen Anwendung, in welchen die Kommission einstimmig erklärt hat, dass sie es nicht für nötig erachtet, den Bericht in der Vollsitzung zur Sprache zu bringen und wenn nachträglich keine Delegation den Präsidenten um die Eröffnung einer Aussprache über den Bericht ersucht hat. Zu diesem Zwecke muss der Bericht vierundzwanzig Stünden vor der Beratung in Vollsitzung an die Delegationen verteilt worden sein.» .

· (Resolution vom 24. September 1935.)

*) Übersetzung aus dem Französischen. Die Reihenfolge der Kesolutionen und Wünsche ist hier dieselbe wie in den Veröffentlichungen des Völkerbundes,

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2. Abänderungsvorschläge zur Geschäftsordnung.

Die Versammlung verschiebt die Behandlung der in den drei nachbezeichneten Schriftstücken enthaltenen Vorschläge auf ihre ordentliche Tagung von 1936 : A. 49.1935. V, A. 1/17. 1935 und A. 1/18.1935 *).

(Resolution vom 28. September 1935.)

3. Inkrafttreten dei Vorschläge zur Abänderung der Satzung des ständigen internationalen Gerichtshofes.

Die Versammlung, nimmt Bezug auf die Resolution vom 14. Oktober 1932, laut welcher die beteiligten Staaten dringend aufgefordert wurden, das Protokoll vom 14. September 1929 betreffend die Abänderung der Satzung des ständigen internationalen Gerichtshofes -mit tunlicher Beschleunigung zu ratifizieren ; erinnert andererseits daran, dass-der Gerichtshof seit dem 1. Januar 1981 und in Erwartung des Inkrafttretens des besagten Protokolls seine Aufgabe unter Anwendung der vorläufigen, von der Versammlung in den Resolutionen vom 25. September 1930 aufgestellten. Regelung festgesetzt hat; zieht in Erwägung, dass die Organisation des Gerichtshofes, im Hinblick -auf eine gesunde internationale Rechtspflege und auf die Bedeutung, die dem Gerichtshof im Leben der Völker zukommt, eine endgültige sein muss ; stellt mit Befriedigung fest, dass das Protokoll vom 14. September 1929 von nahezu sämtlichen Staaten, deren Ratifikation für das Inkrafttreten dieser Bestimmungen erforderlich ist, ratifiziert worden ist und dass alle Ratifikationsurkunden, bis auf drei, hinterlegt worden sind ; erinnert daran, dass die Artikel 4 und 35 der Satzung, in ihrer neuen Fassung.

laut Protokoll vom 14. September 1929, die Organe des Völkerbundes ermächtigen, die Stellung derjenigen Staaten, welche die Satzung gezeichnet und ratifiziert haben, ohne Mitglieder des Völkerbundes zu sein, nach Billigkeit zu regeln im Hinblick auf die Wahl der Mitglieder des Gerichtshofes; in der Erwägung, dass, laut Mitteilungen an die Versammlung, diejenigen Staaten, deren Ratifikation erforderlich ist, sich bereit erklärt haben, zur Ratifikation zu schreiten; in der Erwägung, dass somit nichts dem Inkrafttreten des Protokolls .vom 14. September 1929 im Wege zu stehen scheint; vom Willen beseelt,, so rasch als möglich eine Umgestaltung vorzunehmen, deren Zweckmässigkeit seit 1929 allgemein anerkannt ist ; bittet den Rat, die nötigen Massnahmen zur Inkraftsetzung des besagten Protokolls auf den l, Februar 1936 zu treffen, es sei denn, dass die letzten *) Diese Vorschläge betreffen die Zusammensetzung des Bureaus und die Tagesordnungskommission.

75 Ratifikationsurkunden in der vorgesehenen Frist nicht hinterlegt seien und unter der Bedingung, dass die Staaten, welche noch nicht ratifiziert haben, nicht mittlerweile gegen das vorgeschlagene Verfahren Einspruch erheben; erteilt dem Generalsekretär den Auftrag, die vorliegende Eesolution den beteiligten Staaten mitzuteilen.

(Resolution vom 27. September 1935.)

4. Erforderliche Stimmenzahl für die Einholung von Gutachten des ständigen internationalen Gerichtshofes.

Die Versammlung, in der Erwägung, dass sie in ihrer Eesolution vom 24. September 1928 den Wunsch ausgedrückt hat, der Eat möchte, sobald die Umstände es zuliessen, die Frage einer Prüfung unterziehen, ob der Eat oder die Versammlung Gutachten im Sinne des Artikels 14 des Völkerbundspaktes mit einfachem Stimmenmehr einholen könnten ; . in Anbetracht des Umstandes, dass diese Untersuchung noch nicht vorgenommen worden ist und über diesen Punkt noch eine Unsicherheit schwebt, welche dazu beigetragen haben mag, dass die Tätigkeit des ständigen internationalen Gerichtshofes nachgelassen hat ; in der Erwägung,, dass es im Hinblick auf die rechtliche Sicherheit der Völkerbundsmitglieder wünschenswert ist, so oft die ; Erfüllung der Aufgaben des Eates und der Versammlung Aufklärungen rechtlicher Natur als unerlässlich erscheinen lässt, solche Aufklärungen ebenfalls vom ständigen internationalen Gerichtshof einzuholen; spricht den Wunsch aus, der Eate möge feststellen, unter welchen Umständen und Bedingungen im Sinne des Artikels 14 des Völkerbundspaktes ein Gutachten eingeholt werden kann.

(Resolution vom 28. September 1935.)

5. Staatsangehörigkeit der Frau: Übereinkommen betreffend die Staatsangehörigkeit der Frau, abgeschlossen am 86. Dezember 1033 anlässlich der Konferenz der Amerikanischen Staaten in Montevideo.

Die Versammlung, .

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nach Behandlung des Gegenstandes der Tagesordnung betreffend « Staatsangehörigkeit der Frau: Übereinkommen betreffend die Staatsangehörigkeit der Frau, abgeschlossen am 26. Dezember 1988 anlässhch der Konferenz der Amerikanischen Staaten in Montevideo»; erinnert an ihre Eesolutionen vom 12. Oktober 1932 und vom 11. Oktober 1933, worin sie die Regierungen ersucht hat, ihr mitzuteilen, inwiefern sie dem Wunsche Nr. VI der Haager Kodifikationskonferenz von 1930 haben entsprechen können;

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erinnert an ihre Besolution vom 10.. Oktober 1932 betreffend die Mitwirkung der Frauen ari den Arbeiten des Völkerbundes ; zieht in Erwägung, dass die Mitarbeit der Frauen besonders wünschenswert ist in bezug auf die Prägen, die sie näher betreffen; ist sich der Bedeutung dieser Frage bewusst und: 1. macht mit Genugtuung auf dio Bemühungen der amerikanischen Staaten aufmerksam, die zur Ausarbeitung eines Übereinkommens im Sinne des Wunsches Nr. VI der Haager Konferenz von 1930 geführt haben; 2. erinnert die Mitglieder des Völkerbundes daran, dass das Übereinkommen von Montevideo dem Beitritt sämtlicher Staaten offen steht; 3. spricht den internationalen Frauenverbänden ihren Dank aus für den Beistand, den sie auf diesem Gebiete dem Völkerbunde bis anhin geleistet haben und inskünftig leisten -werden; 4. drückt erneut den Wunsch aus, dass die Staaten, welche die Haager Übereinkunft von 1930 bereits unterzeichnet haben, nächstens ihre Eatifikation hinterlegen ; .

5. bittet den Bat, die Entwicklung dieser wichtigen Frage sowohl in nationaler als auch in internationaler Hinsicht weiterhin zu verfolgen, um den Zeitpunkt festzustellen, in dem diese Entwicklung reif sein wird für die gemeinsame Ausarbeitung anderweitiger Massnahmen internationaler Natur.

(Eesolution vom 27. September 1935.)

6. Rechtliche Stellung der Frau.

Die Versammlung, stellt fest, dass die Erage der rechtlichen Stellung der Frau auf Wunsch einiger Delegationen in die Tagesordnung der gegenwärtigen Tagung der Versammlung aufgenommen worden ist, damit sie unter Berücksichtigung des in Montevideo am 26. Dezember 1933 von den Vertretern der Begierungen Kubas, Ecuadors, Baraguays und Uruguays gezeichneten Abkommens betreffend die Gleichheit der Bechte behandelt werde ; zieht in Erwägung, dass der Wortlaut des Abkommens betreffend die Gleichheit der Bechte einem Vergleich mit der politischen, zivilrechtlichen und wirtschaftlichen Stellung der Frau nach den verschiedenen Gesetzgebungen der Welt unterzogen werden sollte; anerkennt, dass die Frage der Anstellungsbedinguhgen, ob es sich um Männer oder Frauen handle, mit Eecht im Arbeitsfelde der Internationalen Arbeitsorganisation steht : 1. beschliesst, dass der Generalsekretär die Frage der politischen und zivilrechtlichen Stellung der Frau den Regierungen vorlegen wird mit der Bitte, sie möchten ihre Bemerkungen und vor allem die Massnahmen bekanntgeben,

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die nach ihrem Dafürhalten vom Völkerbunde in dieser Hinsicht ergriffen werden sollten; beschliesst, die Eegierungen zu ersuchen, dem Generalsekretär zugleich mit ihren Bemerkungen Aufschluss über die politische und zivilrechtliche Stellung der Frau nach, ihrer Gesetzgebung zu erteilen ; 2. empfiehlt den internationalen Frauenverbänden, ihre Untersuchungen über die gesamte Frage der politischen und zivilrechtlichen Stellung der Frau fortzusetzen ; 3. ersucht um die rechtzeitige Übermittlung der Bemerkungen und Auskünfte sowie der Ausführungen der besagten Frauenverbände an den Generalsekretär, damit die Völkerbundsversammlung an einer darauffolgenden Tagung Einsicht in diese Schriftstücke gewinnen könne; 4. spricht den Wunsch aus, die Internationale Arbeitsorganisation möge ihrerseits im Bahmen ihres ordentlichen Verfahrens diejenigen Punkte der vorliegenden Frage einer Prüfung unterziehen, die im Bereich ihrer Zuständigkeit liegen -- d. h, die arbeitsrechtliche Gleichbehandlung -- und ihr Augenmerk auf die unterschiedlichen Behandlungen in der Gesetzgebung richten, von denen einige geeignet sein dürften, das Eecht der Frauen auf Arbeit zu beeinträchtigen.

(Eesolution vom 27. September 1935.)

7. Internationales Römer Institut zur Vereinheitlichung des Privatrechts.

Die Versammlung, nachdem sie Einsicht genommen in den Bericht des Generalsekretärs betreffend die Arbeiten des Internationalen Bömer Institutes zur Vereinheitlichung des Privatrechtes (Druckschrift A 6/a/1985); zieht den Entwurf zu einem internationalen Gesetz über den Kaufvertrag sowie den Entwurf zu einer einheitlichen Begelung der zivilrechtlichen Haftung der Hotelbesitzer in Betracht, die vom Institut dem Bäte unterbreitet worden sind und laut Batsresolution vom 14. Januar 1985 an die Regierungen zur Prüfung weitergeleitet werden; nimmt mit Genugtuung Kenntnis von den bereits vollbrachten Leistungen sowie vom Arbeitsverfahren des Instituts und spricht diesem dafür ihre Anerkennung aus; zieht in Erwägung, dass die vorerwähnten Entwürfe die Erleichterung der internationalen Wirtschafts- und Handelsbeziehungen durch Schaffung einer festeren rechtlichen Grundlage zum Zwecke haben: anerkennt die Bedeutung, welche der Annahme dieser Entwürfe zukommt, einschliesslich der allfälh'gen Abänderungen, auf deren Zweckmässigkeit die Begierungen
in ihren Antwortsehreiben hingewiesen haben ; und gibt den Eegierungen zu bedeuten, dass es von Vorteil wäre, diese beiden Entwürfe rasch und in günstigem Sinne zu behandeln.

(Resolution vom 28. September 1935.)

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'. .

8. Der Völkerbund und seine Beziehungen zur panamerikanischen Union.

Die Versammlung, pflichtet dem hohen Ideal der internationalen Zusammenarbeit bei, das dem Antrage Kolumbiens betreffend die Beziehungen zwischen dem Völkerbunde und der panamerikanischen Union zugrunde liegt; behält sich vor, diesen Antrag nach Prüfung der Ergebnisse der Untersuchungen zu erörtern, die auf Empfehlung einer ^Resolution der siebenten panamerikanischen Konferenz betreffend die Beziehungen zwischen panamerikanischen Organisationen und andern Organisationen vorgenommen werden ; ermächtigt schon jetzt den Generalsekretär des Völkerbundes, mit dein Generaldirektor der panamerikanischen Union zur gegenseitigen Unterrichtung geeignete Beziehungen zu pflegen.

(Resolution vom 28. September 1935.)

B. Resolutionen zur Berichterstattung der zweiten Kommission.

1. Tätigkeit der Hygieneorganisation.

Die Versammlung, stellt mit Genugtuung fest, dass auf allen Kontinenten die Landesverwaltungen die Dienste der Hygieneorganisation mehr und mehr in Anspruch nehmen und dieser in der Erfüllung ihres Auftrages in wachsendem Masse beistehen; billigt die von der Hygieneorganisation erzielten Leistungen sowie die Anträge des Berichterstatters und bittet den Hygieneausschuss, sich mit den Mitarbeitsangeboten und Anregungen zu befassen, von denen im Berichte die Eede ist.

(Resolution vom 24. September 1935.)

2. Tätigkeit der Organisation für die Verkehrswege und den Durchgangsverkehr.

Die Versammlung, 1. nimmt mit Genugtuung Kenntnis von der Tätigkeit der Organisation für die Verkehrswege und den Durchgangsverkehr zwischen der fünfzehnten und sechzehnten ordentlichen Tagung der Versammlung; 2. weiss den Wert des gesammelten Stoffes über die öffentlichen Arbeiten in den verschiedenen Staaten lebhaft zu schätzen und fordert die Organisation für die Verkehrswege und den Durchgangsverkehr auf, diese Stoffsammlung im einzelnen und planmässig durch Sachverständige prüfen zu lassen, um den Weg zu ebnen für spätere, gründlichere Forschungen auf diesem Gebiete; 3. in Anbetracht der Bedeutung, die in mehreren Ländern der einheitlichen.

Eegelung des Verkehrs, vorab des Eisenbahn- und Automobilverkehrs zukommt,

79 fordert die Organisation für die Verkehrswege und den Durchgangsverkehr auf, eine Untersuchung vornehmen zu lassen über die in den wichtigsten unter den beteiligten Ländern in bezug auf die einheitliche Eegelung des Verkehrs herrschende Lage und ergriffenen Massnahmen, wobei die erwähnte Frage unter dem weitesten Gesichtspunkte -- dem technischen wie auch dem wirtschaftlichen und finanziellen -- zu behandeln wäre; 4. gibt ihrer Befriedigung Ausdruck über die bemerkenswerte .Tätigkeit der Organisation für die Verkehrswege und den Durchgangsverkehr hinsichtlich der Frage der Verunreinigung des Meeres durch Kohlenwasserstoffverbindungen und nimmt die Antworten der Eegierungen auf die an sie ergangenen Fragen zur Kenntnis; betrachtet die Frage der Verunreinigung des Meeres durch Kohlenwasserstoffverbindungen als den geeigneten Gegenstand einer internationalen Übereinkunft ; bittet den Eat, der Organisation für die Verkehrswege und den Durchgangsverkehr den Auftrag zu erteilen, so bald als möglich, nötigenfalls mit Hilfe Sachverständiger, alle erforderlichen Vorkehrungen zur endgültigen Vorbereitung eines Entwurfes zu einem Übereinkommen zu treffen und diesen den Begierungen zur Prüfung zu unterbreiten ; .fordert den Eat auf, je nach den von den Eegierungen eingesandten Bemerkungen auf den seiner Ansicht nach geeigneten Zeitpunkt eine internationale Konferenz über die Verunreinigung dea Meeres durch KohlenwasserstoffVerbindungen einzuberufen, (Resolution vom 24. September 1935.)

3. Wirtschaftliche und finanzielle Fragen.

1. Die Versammlung, überzeugt von den bedenklichen Folgen der willkürlichen, von den Eegierungen auferlegten Einschränkungen für den internationalen Handel; in Anbetracht dessen, dass die Eogierungen in der Eückkehr zu einer internationalen Goldwährung eines ihrer Endziele erblicken; in der Erwägung, dass es, auch bevor die Wiederherstellung dieser internationalen Goldwährung möglich ist, wünschbar wäre, wirksame Massnahmen zu ergreifen zur Beseitigung der Widerstände, die dem Warenaustausch im Wege stehen, und dass eine solche Beseitigung die unerlässliche Voraussetzung zum wirtschaftlichen Wiederaufstieg bildet, dessen erste Anzeichen heute sichtbar werden; ist der Ansicht, dass die Wiederherstellung der internationalen Handelsbeziehungen dadurch wesentlich gefördert werden könnte, dass möglichst zahlreiche Länder zweiseitige Abkommen zur Anwendung freisinnigerer Wirtschaftsgrundsätze zeichneten;

80 anerkennt andererseits, dass der wohltuende Einfluss dieser Abkommen um so ausgedehnter wäre, als diese auf dem Grundsatz der Meistbegünstigungsklausel gegründet wären; gibt sich darüber Bechenschaft, dass die Begierungen ungern Abkommen von einiger Dauer schliessen, wenn die Umstände, unter denen sie gezeichnet wurden, unter dem Einfluss von Währungsschwankungen plötzlichen Veränderungen ausgesetzt sind; empfiehlt den Begierungen, zu einer vermehrten Handelsfreiheit Hand zu bieten durch den Abschluss zweiseitiger Verträge, in denen sich die Vertragsparteien, wenn sie es für ratsam erachten, das Becht ausbedingen könnten, bei beträchtlichen Schwankungen im Wechselkurs ihrer Währungen nach Ablauf einer kurzen Mahnfrist Massnahmen zur Abänderung dieser Abkommen zu ergreifen, 2. Die Versammlung, nach Behandlung des Berichtes des gemischten Ausschusses über die Clearingabkommen (Druckschrift C. 153. M, 88.1985. II. E) : nimmt die vom Ausschuss erzielten Ergebnisse zur-Kenntnis ; stellt dem Bäte die Prüfung der Frage-anheim, wie am geeignetsten vorzugehen wäre, um -- unter Mitwirkung der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich -- sich von Sachkundigen beraten zu lassen: 1. auf welchem Wege zur Verwirklichung der Anregungen des gemischten Ausschusses beigetragen werden könnte; 2. welche andern Vorschläge oder Massnahmen beliebiger Art geeignet gewesen wären, dem internationalen Güteraustausch ein weiteres Wirkungsfeld und eine grössere Bewegungsfreiheit zu sichern.

3. Die Versammlung fordert den Bat auf, die Bestellung eines Sachverständigenausschusses für juristische und finanzielle Fragen zu veranlassen, der die Aufgabe hätte, zu ermitteln, wie die Verbesserung der Verträge betreffend die internationalen Anleihen, die inskünftig von den Begierungen oder andern öffentlichen Körperschaften ausgegeben werden, herbeizuführen wäre, und im besondern Musterbestimmungen casu quo mit Schiedsverfahren aufzustellen, die auf Wunsch der beteiligten Parteien in die Verträge aufgenommen werden könnten.

Der Ausschuss sollte ermächtigt werden, sich die Mitarbeit des Internationalen Bömer Instituts zur Vereinheitlichung des Privatrechts sowie der Vertreter der Gläubigergemeinschaften zu sichern und nach Gutdünken Sachverständige zu Bäte zu ziehen.

4. In Anbetracht der Wichtigkeit der landwirtschaftlichen Frage
in allen Ländern sowie der einstimmig anerkannten Notwendigkeit, die rascheste Lösung für dieselbe zu suchen, was eine beträchtliche Milderung der allgemeinen Krisis bedeuten würde, empfiehlt die Versammlung dem Wirt-

81 schaftsausschuss des Völkerbundes die Beiziehung landwirtschaftlicher Sachverständiger -wieder aufzunehmen, ein Verfahren, das sich in den Jahren 1930 und 1981 durchaus bewährt hatte.

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(Resolutionen vom 28. September 1935.)

4. Ernährungsfragen.

Die Versammlung, nach Behandlung der Ernährungsfrage im Verhältnis zur öffentlichen Gesundheit einerseits, der vermutlichen Wirkung einer besseren Ernährung auf den Absatz landwirtschaftlicher Produkte andererseits, bittet die Begierungen inständig, nach verwertbaren Mitteln zur Verbesserung der Ernährung zu forschen, und ersucht den Eat : 1. die Hygieneorganisation des Völkerbundes aufzufordern, ihre Tätigkeit auf dem Gebiete der Ernährungsfrage im Verhältnis zur öffentlichen Gesundheit fortzusetzen und zu entfalten ; 2. die technischen Dienstzweige des Völkerbundes zu beauftragen, unter Mitwirkung des Internationalen Arbeitsamtes und des Internationalen Instituts für Landwirtschaft, Angaben über die in den einzelnen Ländern der Welt zur Verbesserung der Ernährung getroffenen Bestimmungen zu sammeln, zusammenzufassen und zu veröffentlichen ; und 3. einen Ausschuss zu bestellen, bestehend aus Sachverständigen für Landwirtschaft, Wirtschaft und Gesundheitswesen, dem die Aufgabe zufällt, der nächstjährigen Versammlung einen Gesamtbericht über die hygienische und wirtschaftliche Seite der besagten Frage vorzulegen, wobei der jeweilige Stand der gemäss den Ziffern l und 2 ausgeführten Arbeiten unter anderm zu berücksichtigen sein wird.

(Resolution vom 27. September 1935.)

5. Völkerbundskommisionen Die Versammlung genehmigt den Bericht der zweiten Kommission (Druckschrift A, 70.1985).

(Résolution vom 28. September 1935.)

C. Resolutionen zur Berichterstattung der vierten Kommission.

1. Finanzielle Fragen.

1. Gestützt auf Artikel 38 des Reglements über die Finanzverwaltung des Völkerbundes erteilt die Versammlung den geprüften Abrechnungen des Völkerbundes für das am 31. Dezember 1984 abgelaufene fünfzehnte Rechnungsjahr die endgültige Genehmigung.

Bundesblatt.

88. Jahrg.

Bd. I.

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2. Die Versammlung, auf Grund des Artikels 17 des Règlements über die Finanzverwaltung des Völkerbundes, genehmigt den Voranschlag des Völkerbundes für das achtzehnte, am 31,Dezemberl986 zu Ende gehende Bechnungsjahr im Betrage von 28,279,901 Franken, und beschhesst die Veröffentlichung des Voranschlags im Journal Officiel.

8. Die Frage der Bekrutierung und Versetzung der Selrtionsmitglieder ausgenommen, genehmigt die Versammlung die Schlussfolgerungen der verschiedenen ihr zur Prüfung vorgelegten Berichte der Kontrollkommission (Druckschriften A. 5, A. 5 [a], A. 5 [b] 1935 X) *).

Sie beschliesst daher, Artikel 22 des Beglements über die Finanzverwaltung des Völkerbundes wie folgt abzuändern: «1. Nichtmitgliedstaaten, die einer Organisation des Völkerbundes angehören, nehmen an den Ausgaben der betreffenden Organisation im selben Umfang teil, wie wenn sie Mitglieder des Völkerbundes wären.

Die Beiträge der Nichtmitgliedstaaten, die auf Grund der Gesamtbelastung der Organisationen, als deren Mitglied sie aufgenommen sind, berechnet -werden, sollen ausschliesslich für die Ausgaben dieser Organisationen verwendet werden.

2. Die laut obiger Ziffer geschuldeten Beträge werden im Budget gesondert angegeben; sie werden im Budget des Bechnungsjahres, für das sie bestimmt sind, als Einnahme gebucht und von den Beträgen abgezogen, die den Völkerbundsmitgliedern zur Last fallen. Eingezogen werden sie durch Vermittlung der selbständigen Organisationen selbst, die sich zu diesem Zweck von den in Artikel 21 vorgesehenen Bestimmungen leiten lassen werden; die zuständigen Beamten werden den Völkerbundssekretär über die Ergebnisse dieser Einziehung sachgemäss unterrichten.

3. Die Bestimmung des ersten Absatzes der Ziffer l findet keine Anwendung auf einen Nichtmitgliedstaat, der zur Teilnahme an den Arbeiten einer Völkerbundsorganisatioa eingeladen worden ist, ohne dass der Beitrag an den Ausgaben oder Organisation zur Bedingung gemacht worden wär.e.

4. Die laut Ziffer 3 einzutreibenden Beiträge werden nach Einkassierung vom Gesamtbetrage abgezogen, der für das folgende Jahr von den Mitgliedern zu bestreiten sein wird.

x ) Diese Schlussfolgerungen betreffen die Abrechnungen des Bechnungsjahres 1934; die Verwendung des Überschusses von 1934; die Vorlegung des Voranschlages; die Versetzung von Beamten der
Peisonalfürsorgekasse in die Pensionskasse; die Artikel 22 und 23 (l)bls des Finanzreglements ; die künftige Verwendung des gegenwärtig dem Sekretariat dienenden Gebäudes; die Beitragserhöhung des Völkerbundes an das internationale Nansenamt für 1936 ; den Ergänzungskredit für den Bau des Völkerbundsgebäudes ; die Herabsetzung der Mitgliederbeiträge für 1936; die Zuschusskredite und die Schaffung eines Beservefonds.

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83

Der Völkerbundssekretär wird die Eintreibung der im vorhergehenden Absatz erwähnten Beiträge überwachen.» und Artikel 23 durch folgende Bestimmung (1)MB zu ergänzen: «Dasselbe gilt vom Beitrag zu den Unkosten des ständigen internationalen Gerichtshofes, welcher laut Art. 85, Absatz 8, der Gerichtssatzung von demjenigen Prozessstaat bestritten werden sollte, der nicht zum Völkerbund gehört.» 4. Die Versammlung, nimmt vom Bericht des Verwaltungsrates der Pensionskasse des Personals für das Jahr 1935 Kenntnis (Druckschrift A. 11. 1935 X); nimmt den Bericht des beratenden Aktuars über den. zweiten Kassenanschlag zur Kenntnis (Druckschrift A. 10. 1935 X); beschliesst, dass die Kasse vorderhand jedes Jahr vorn beratenden Aktuar veranschlagt wird; beschliesst, den letzten Teil der Ziffer l des Artikels l dos ^Règlements über die Pensionskasse des Personals folgendermassen abzuändern: «... und nachdem die kürzliche Untersuchung festgestellt hat, dass der Beamte im Zeitpunkt seiner Ernennung gesund ist, an keiner Gebrechlichkeit oder Krankheit leidet, die ihn an der angemessenen Erfüllung seines Amtes hindern könnten, und dass er keine pathologische Veranlagung noch eine besondere Empfänglichkeit für Krankheiten hat, welche Dienstunfähigkeit oder vorzeitigen Tod zur Folge haben können;» · genehmigt die Abrechnung, der Kasse, so wie sie vom Bechnurigsrevisor vorgelegt worden ist; > und beschliesst, gemäss Paragraph a des Artikels 7 des Beglements der Pensionskasse des Personals, den Beitrag des Völkerbundes an die Pensionskasse für das Jahr 1936 auf 9 % des Betrages der dem Abzug unterworfenen Gehälter der Kassenmitglider festzusetzen.

5. Die Versammlung ernennt in die Kontrollkommission für die am 81. Dezember 1988 ablaufende Amtsdauer: zum ordentlichen Mitglied: Herrn C, Parra-Pérez; zu Ersatzmitgliedern: die Herren Georges de Ottlik und Jan Modzelewski.

6. Die Versammlung ernennt in den Verwaltungsrat der Pensionskasse des Personals für die am 81. Dezember 1936 ablaufende Amtsdauer: zumi ordentlichen Mitgliede: Herrn Francis T. Creinins; zum Ersatzmitgliede : Herrn C. van Bappard.

7. Die Versammlung genehmigt den Bericht der vierten Kommission (Druckschrift A. 75. 1985 X).

(Resolutionen vom 28. September 1935.)

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2. Bückständige MitgUederbeiträge.

Die "Versammlung, "genehmigt die beiden Berichte des Ausschusses für Begleichung rückständiger Mitgliederbeiträge, so wie sie von der vierten Kommission gutgeheissen worden sind (Druckschrift A. 15 und A. 78 1935 X) ; stellt mit, Genugtuung fest, dass mit Hilfe des besondern Ausschusses mit einer Anzahl Staaten Vereinbarungen zur Bezahlung ihrer Beitragsschulden haben getroffen werden können; ersucht das besondere Komitee, in seiner gegenwärtigen Zusammenstellung seine Bemühungen fortzusetzen und an der siobenzehnten Tagung der Versammlung einen Bericht vorzulegen.

(Resolution vom 28. September 1935.)

3. Verteilung der Ausgaben des Völkerbundes.

Die Versammlung, genehmigt den Bericht der vierten Kommission über die Verteilung der Ausgaben für 1936 (Druckschrift A. 74. 19S5 X); beschliesst: a. den Beitrag Ecuadors auf eine Einheit anzusetzen; b. den Beitrag Chinas von 46 auf 42 Einheiten herabzusetzen; c. unter Vorbehalt obiger Beschlüsse für den Beitrag der Mitgliedstaaten für 1936 dieselbe Zahl von Einheiten festzusetzen wie für 1935; ernennt folgende Persönlichkeiten zu Mitgliedern der Verteilungskommission für die Ausgaben von 1986: die Herren Kagan Avsey, Cavazzoni, Gomez, Hambro, Genial Hüsnü, Pardo, Sir Frederick Phillips, Éajawangsan und Beveillaud.

(Resolution vom 28. September 1935.)

D, Resolutionen zur Berichterstattung der fünften Kommission.

1. Handel mit Opium und andern Betäubungsmitteln.

Die Versammlung nimmt den ihr von der fünften Kommission unterbreiteten Bericht zur Kenntnis und genehmigt dessen Schlussfolgerungen (Druckschrift A. 56.

1985 XI).

(Resolution vom 27. September 1935.)

Z. Kinderschutz.

I. Die Versammlung, der die vom Ausschuss für den Kinderschutz gesammelten Nachrichten unterbreitet worden sind;

: ss hat auf Grund dieser Nachrichten festgestellt, dass in der Mehrzahl der Staaten in gewissen Fällen die Verurteilung von Kindern zu Gefängnisstrafen oder die Untersuchungshaft für Kinder noch zugelassen sind; und in Erwägung, dass nach der vom Ausschuss schon zweimal geäusserten Ansicht von der Inhaftsetzung von Kindern unbedingt abzusehen ist, und dass im Falle der Kriminalität der Erziehungs- und Bildungsgedanke und nicht die Bestrafungsabsicht für die Behandlung massgebend sein müssen; dass selbst die besteingerichteten Gefängnisse wegen ihres besondern Charakters kein geeigneter Ort zur Erziehung von Kindern, die sich in geistigem und körperlichem Wachstum befinden, sein können; .

spricht den Wunsch aus, dass alle Staaten, die bisher die Kinderhaft in irgendeiner Form geduldet haben, die Abschaffung dieses Strafverfahrens anstreben mögen, um an dessen Stelle für die jugendlichen Bechtsbrecher geeignete Massregem mit rein erzieherischem Charakter zu setzen.

II, Die Versammlung, "in Erwägung der von der 19. Session der Internationalen Arbeitskonferenz genehmigten Empfehlung (1935) betreffend die Arbeitslosigkeit Jugendlicher: fordert den Ausschuss für den Kinderschutz auf, sich durch Vermittlung des Internationalen Arbeitsamtes über die Massnahmen auf dem laufenden zu halten, die von den Mitgliedstaaten zur Verwirklichung dieser Empfehlung ergriffen werden; hält es "für angezeigt, dass sich der Ausschuss für den Kinderschutz in einer seiner nächsten Sitzungen mit der Frage der schlechtbehandelten Kinder befasse ; erklärt schliesslich, dass der Ausschuss seine Aufmerksamkeit hauptsächlich den normalen Kindern zuzuwenden habe ; gleichzeitig ist die Versammlung aber der Ansicht, dass es vorgängig einer endgültigen Stellungnahme zur Frage als Ganzem von Vorteil wäre, die einschlägigen Bemerkungen des Berichterstatter^ (Druckschrift A. V./2.1935) dem Ausschuss für den Kinderschutz zur Prüfung zu überweisen, damit die fünfte Kommission in einer der nächsten Sitzungen darüber auf Grund des Berichtes des Ausschusses für den Kinderschutz beraten könne.

(Resolutionen vom 27. September 1930.)

3. Frauen-und Kinderhandel.

1. Die Versammlung, hat davon Kenntnis genommen, dass fünfzig Staaten das Übereinkommen von 1921 zur Unterdrückung des Frauen- und Kinderhandels und nicht weniger als vierundfünfzig
Staaten das Übereinkommen von 1923 zur Bekämpfung der Verbreitung und des Vertriebes von unzüchtigen Veröffentlichungen ratifiziert haben oder diesen Übereinkommen endgültig beigetreten sind;

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hi Erwägung, dass diese beiden Übereinkommen nun eine annähernd universale Anwendung finden ; und im Hinblick darauf, dass die Eatifikation oder der Beitritt der wenigen noch übrigbleibenden Staaten dazu beitragen würde, das von diesen beiden Übereinkommen erstrebte Ziel zu erreichen: fordert das Generalsekretariat des Völkerbundes auf, an die Mitgliedstaaten des Völkerbundes, die diese Übereinkommen noch nicht ratifiziert haben oder ihnen nicht beigetreten sind, einen Aufruf zu richten, worin diese Staaten ersucht werden, sich den Konventionen sobald als möglich anzuschliessen.

2. Die Versammlung, hat von den der fünften Kommission durch verschiedene Regierungen übermittelten Nachrichten über die Lage der Frauen russischer Herkunft im Fernen Osten wie auch von den durch das Sekretariat gesammelten Unterlagen Kenntnis genommen; .

im Hinblick auf die Beratungen, die in der Sitzung vom Mai 1935 im Ausschuss zur Bekämpfung des Frauen- und Kinderhandels stattgefunden haben und angesichts der von diesem Ausschuss genehmigten und im Mai vom Völkerbundsrate gebilligten Eesolutionen ; in Anbetracht, dass die Mehrzahl der Antworten auf die vom Sekretariat des Völkerbundes veranstaltete Umfrage über die gegenwärtige Lage der geflüchteten Bussinnen im Fernen Osten die Ernennung eines Vertreters durch .den Völkerbund nahelegen, der die Bestrebungen zur Verbesserung der Lage dieser Frauen zu fördern und zu koordinieren hätte: lädt die internationalen Vereinigungen, die eich mit der Frauenhilfe befassen, ein, ihre Tätigkeit in diesem Teile der Erde zu verstärken und zu koordinieren; ist der Ansicht, dass zur Ermöglichung der in verschiedenen Zentren unbedingt erforderlichen sozialen Massnahmen ein finanzieller Beistand unerlässlich sein wird; spricht den Wunsch aus, dass die hiefür notwendigen Mittel dank der Mitarbeit der freiwilligen Organisationen und. der Begierungsstellen aufgebracht werden können; ermächtigt den Generalsekretär, eine sachkundige Persönlichkeit (vorzugsweise eine Frau) zu suchen, die im Fernen Osten niedergelassen ist oder in der Lage wäre, sich dorthin zu begeben, um den Völkerbund an Ort und Stelle zu vertreten; ' ..

und ersucht den Völkerbundsrat, die von ihm gewählte Persönlichkeit mit der Eigenschaft eines Beauftragten des Völkerbundes zu belehnen und ihr die Aufgabe anzuvertrauen,
die Bestrebungen zugunsten der geflüchteten Bussinnen, die der Prostitution ausgeliefert oder ausgesetzt sind, zu fördern und zu koordinieren ; im Hinblick auf die gegenwärtige Lage soll diese Ernennung indessen keine finanzielle Belastung für den Völkerbund nach sich ziehen.

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8, Die Versammlung, in Erwägung, dass nach der von der Versammlung in der fünfzehnten Session ausgesprochenen Ansicht der Bericht der Untersuchungskommission zur Bekämpfung des Frauen- und Kinderhandels im Orient (Druckschrift C. 849. M. 898. 1982 IV) von einer Konferenz der Behörden geprüft werden sollte, die in den orientalischen Ländern mit den Massnahmen zur Unterdrückung des Mädchenhandels beauftragt sind, um zwischen diesen Behörden eine engere Zusammenarbeit und einen regeren Austausch von Nachrichten zu erreichen; im Hinblick auf die vom Ausschuss zur Bekämpfung des Frauen- und Kinderhandels in seiner Sitzung vom Mai 1935 gefasste Eesolution, worin angeregt wird, dass diese Konferenz nach einer äusserst sorgfältigen und im Benehmen mit den beteiligten Staaten getroffenen Vorbereitung im Herbst oder Winter des nächsten Jahres stattfinden solle: hält dafür, dass diese Konferenz, die eine engere Zusammenarbeit und einen regeren Nachrichtenaustausch unter den Behörden der orientalischen Länder zum Ziele hat, mit Vorteil nur im Orient selbst abgehalten werden könne und dass der gewollte Zweck an einer in Genf stattfindenden Zusammenkunft nicht erreicht würde; ist der Ansicht, dass der günstigste Zeitpunkt für diese Konferenz der Anfang des Jahres 1937 wäre, insofern als dadurch die Befragung aller Regierungen und beteiligten Organisationen ermöglicht und die sorgfältige technische Vorbereitung der Konferenz gestattet würde; und beauftragt den Generalsekretär, auf Grund der ihm vom Völkerbundsrat gegebenen Ermächtigung unverzüglich alle zur Vorbereitung notwendigen Anordnungen zu treffen; dies hat insbesondere mit Bezug auf die Wahl des Ortes der Konferenz, ihre Zusammensetzung und ihren Arbeitsplan nach Rücksprache mit den beteiligten Regierungen zu geschehen. Der endgültige Beschluss für die Einberufung der Konferenz wird vom Rate am Schluss der nächsten ordentlichen Völkerbundsversammlung gefasst werden.

(Resolutionen vom 27. September 1935.)

4. Straîrechts- und Sträfvollzugsfragen.

Die Versammlung, hat Kenntnis genommen vom Jahresbericht des Generalsekretärs über die Strafrechts- und Strafvollzugsfragen (Druckschrift A. 21. 1935 IV) sowie von den Mitteilungen des Internationalen Amtes zur Vereinheitlichung des Strafrechtes, der Internationalen Kommission für Strafrechts- und Gefängniswesen
und der «Howard League for Penai Reform» (Druckschrift A. V./7.1935) ; gibt ihrer Genugtuung Ausdruck über die Art, wie sich die Zusammenarbeit zwischen dem Völkerbund und den technischen Organisationen, die sich auf internationalem Boden mit den Fragen des Strafrechts- und Gefängniswesens befassen, entwickelt hat;

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in der Erwägung, .dass kein der Freiheit beraubter Mensch, welches auch immer die Form seiner Gefangenhaltung sein möge, eine Behandlung erfahren darf, die im Widerspruch steht mit der « Gesamtheit der Vorschriften für die Behandlung der Sträflinge», die von der Internationalen Kommission für Strafrechts- und Gefängniswesen aufgestellt und den Eegierungen durch die Versammlung des Jahres 1934 anempfohlen wurde (Druckschrift A. 45, 1984 IV); in der Erwägung, dass diesen Vorschriften in jedem Staate die grösstmögliche Bekanntgabe verliehen werden sollte: beauftragt den Generalsekretär: 1. die Staaten, welche die « Gesamtheit der Vorschriften für die Behandlung der Sträflinge» annehmen, zu ersuchen, diesen Vorschriften durch amtliche Veröffentlichungen und andere Mittel eine möglichst grosse Verbreitung zu geben; 2. den Eegierungen mitzuteilen, dass der Versammlung Nachrichten zugekommen sind, wonach in gewissen "Weltteilen verschiedene rügbare Strafmassnahmen bestehen sollen, die nicht nur der « Gesamtheit der Vorschriften» zuwiderlaufen, sondern auch gegen alle Grundsätze einer zweckmässigen Behandlung der Sträflinge verstossen, wie: a. die Beraubung der Gefangenen von der Möglichkeit, ihre Keligion auszuüben und gesondert mit einem Priester oder Geistlichen ihrer Beligion zu verkehren; &, die Anwendung von Gewalttätigkeit oder andern körperlichen Zwangsmitteln auf Polizeiposten, in Gefängnissen oder an andern Haftplätzen zur Erpressung von Geständnissen oder Zeugenaussagen; c. die Verwendung von Sträflingsmannschaften unter Bedingungen, die an Sklaverei grenzen;.. . . . . .

d. die andauernde Unterernährung, wodurch Gesundheit und Leben der Straf unge gefährdet werden; .

e. die Gefangenhaltung von Frauen.in Strafanstalten, wo keine direkte Überwachung durch Beamte ihres Geschlechtes besteht; S. gegenüber den Regierungen die Hoffnung auszusprechen, dass solche Zustände überall dort, wo sie noch bestehen, abgeschafft, werden mögen.

Der Generalsekretär wird ersucht, diese Besolution allen Mitglied- und Nichtmitgliedstaaten des Völkerbundes zur Kenntnis zu bringen; desgleichen den Berieht über die Strafrechts- und die Strafvollzugsfragen, der der Versammlung von der fünften Kommission unterbreitet worden-ist (Druckschrift A 68, 1935, IV.).

; (Resolution vom 28, September 1935.)

5. Unterstützung unbemittelter Ausländer.

Die Versammlung nimmt Kenntnis von der ihr unterbreiteten Dokumentation über die Vorschläge des Sachverständigenausschusses zur Unterstützung unbemittelter.

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Ausländer und zur Erfüllung der Alimentationspflichten im Auslande; sie empfiehlt dem Ausschuss, in nächster Zeit zusammenzutreten, um die Arbeiten zur Verbesserung der Lage der unbemittelten Ausländer fortzusetzen.

(Resolution vom 27. September 1935.)

6. Welthilîsverband.

Die Versammlung, hat vom Bericht über die Tätigkeit des Vollziehungsausschusses des Welthilfsverbandes für die Zeit vom 12. Juli 1983 bis zum 31. Dezember 1934 Kenntnis.genommen (Druckschrift C. 846. M. 175. 1935 XII): stellt mit Genugtuung fest, dass 30 Staaten dem Verbände beigetreten sind, und spricht den Wunsch aus, dass weitere Beitritte das Ansehen und die Aktionsmittel des Verbandes noch erhöhen mögen; ist erfreut über die vom Verband angesichts gewisser Nöte getroffenen ersten Vorkehrungen und über die günstige Aufnahme, die der eine seiner Aufrufe bei verschiedenen Eegierungen fand; hebt auch die Bedeutung der Massnahmen hervor, die ergriffen wurden zur Koordination der Bestrebungen der übrigen Hilfsorganisationen sowie, zur Förderung der vorbereitenden Studien für die künftige Tätigkeit durch die Beiziehung Sachverständiger; : zollt den Zielen des Verbandes sowie den fortgesetzten Bemühungen um seine Entwicklung volle Anerkennung.

(Besolution vom 27. September 1935.)

E. Resolutionen znr Berichterstattung der sechsten Kommission.

1. Streitfall zwischen Bolivien und Paraguay.

Die Versammlung, indem sie Kenntnis nimmt von den Ausführungen, die der Vorsitzende des beratenden Ausschusses in der dritten Sitzung der fünften Kommission gemacht hat, und sich für die weitere Verfolgung der Lage auf den Ausschuss verlässt : I. gibt ihrer grossen Genugtuung Ausdruck über die Unterzeichnung der Protokolle vom 12. Juni 1935, durch welche die Einstellung der Feindseligkeiten zwischen Bolivien und Paraguay und die Eröffnung der Friedenskonferenz 'von Buenos Aires erreicht wurden; II. beglückwünscht die an der Konferenz vertretenen Regierungen wegen ihrer Bemühungen um den Frieden und gibt der regen Hoffnung Ausdruck, dass die Fortsetzung dieser Bestrebungen in der Folge zur völligen Wiederherstellung des Friedens und des guten Einvernehmens zwischen Bolivien und Paraguay führen mögen.

(Besolution vom 24. September 1935.)

90

2. Mandate.

Die Versammlung, nachdem sie von der Tätigkeit der Mandatmächte, der ständigen Mandatkommission und des Eatea hinsichtlich der Vollziehung des Artikels 22 des Völkerbundvertrages Kenntnis genommen hat, zollt dem Werke der Mandatmächte und der Organe des Völkerbundes, die mit der Aufsicht über die Mandate beauftragt sind, ihre Anerkennung und erneuert die Vertrauensbezeugungen, die diesen schon von den frühern Völkerbundsversammlungen bekundet wurden, ·'. · · spricht den Wünsch aus, dass die von einem weitsichtigen Geiste der Zusammenarbeit getragenen Bestrebungen den Fortschritt zeitigen mögen, der das eigentliche Ziel des Mandatgedankens ist.

(Resolution vom 24. September 1935.)

3. Die Sklaverei.

Die Versammlung, nachdem sie von der Tätigkeit des Kates und der beratenden Sachverständigenkommission zur Bekämpfung der Sklaverei Kenntnis genommen hat, spricht die Hoffnung aus, dass die beteiligten Eegierungen den Anregungen und Empfehlungen, die ihnen durch den Eat zugestellt worden sind, Folge geben und die erforderlichen Nachrichten übermitteln werden, damit die Kommission ihre Aufgabe erfüllen kann, und " beauftragt den Generalsekretär, diese Besolution den Nichtmitghedstaaten des Völkerbundes, die am Übereinkommen von 1926 über die Sklaverei beteiligt sind, zur Kenntnis zu bringen.

(Resolution vom 27. September 1930.)

4. Tätigkeit dei internationalen Organisation für geistige Zusammenarbeit.

1. Generdlresolution.

Die Versammlung, hat von den verschiedenen Dokumenten Kenntnis genommen, die ihr über die Tätigkeit der internationalen Organisation für geistige Zusammenarbeit unterbreitet worden sind, nämlich dem: 1. Bericht der Kommission über die Arbeit ihrer 17. Plenarversammlung sowie dessen verschiedenen Beilagen (Druckschrift 0. 290. M. 154.1935 XII); 2, Bericht des Verwaltungsrates des Internationalen Instituts für geistige Zusammenarbeit (Druckschrift G. 278. M. 145.1935 XII) ;

91 stellt mit Genugtuung die ihr vom Eate mitgeteilte fortschreitende Entwicklung des Werkes der Organisation fest, schliesst sich den Glückwünschen an, die dem Institut für geistige Zusammenarbeit für seine vorzügliche administrative und finanzielle Geschäftsführung vom Verwaltungsrat ausgesprochen worden sind; billigt den Arbeitsplan für das Geschäftsjahr 1985/86, wie er aus den Berichten und Besolutionen der Internationalen Kommission für geistige Zusammenarbeit und des Verwaltungsrates des Institutes hervorgeht.

2. Gemeinschaftsreisen für Erzieher.

Die Versammlung hebt die grosse Bedeutung hervor, die sowohl vom rein pädagogischen wie auch vom internationalen Gesichtspunkte aus der Organisierung von Gemeinschaftsreisen für Erzieher zukommt; darnach würden die Erzieher eingeladen, eines oder mehrere Länder zu besuchen, um all das zu studieren, was auf den Unterricht über den Völkerbund und über die internationalen Fragen Bezug haben kann.

3. Antrag der rumänischen Delegation.

Die Versammlung, billigt den Antrag des Herrn I. Pillât, rumänischen Delegierten, der dahin lautet, dass das Institut für geistige Zusammenarbeit vermittelst eines internationalen Ausschusses, der in seiner Arbeit durch beratende nationale Ausschüsse unterstützt würde, eine Sammlung von Übersetzungen charakteristischer und klassischer Werke aus verschiedenen mehr regionalen europäischen Literaturen in eine oder mehrere der grossen Universalsprachen voröffentliche; überweist diesen Antrag der Kommission für geistige Zusammenarbeit mit dem Ersuchen, die Präge durch das Institut für geistige Zusammenarbeit prüfen zu lassen, damit die Kommission der nächsten Völkerbundsversammlung hierüber eine wohlbegründete Begutachtung vorlegen könne.

4. Ethnographisch-historische Sammlung über den Ursprung der amerikanischen Zivilisation.

Die Versammlung, nach Prüfung des wissenschaftlichen und finanziellen Planes einer ethnographisch-historischen Sammlung über den Ursprung der amerikanischen Zi-vilisation, der von der 15. Völkerbunds Versammlung dem Institute für geistige Zusammenarbeit abverlangt worden war ; unterstreicht gleich der Internationalen Kommission für geistige Zusammenarbeit den grossen Wert dieses Projektes und seine Bedeutung für ein besseres gegenseitiges Verständnis zwischen Amerika und den übrigen Erdteilen ;

92 und anerkennt, dass es vor allem Sache der Staaten selber und der in Frage kommenden wissenschaftlichen Institutionen ist, die wissenschaftliche Verwirklichung dés Vorhabens durch besondere Beiträge zu sichern; teilt die Ansicht der Kommission für geistige Zusammenarbeit, dass die beabsichtigte Veröffentlichung zum Gegenstand einer nouen Prüfung durch sachverständige Persönlichkeiten gemacht werden müsse ; diese letztern hätten das Unternehmen sodann zu leiten und den endgültigen Plan der Sammlung derart festzulegen, dass sie eine umfassende Synthese des bearbeiteten Zeitraumes in einer verhältnismässig geringen Zahl von Bänden darstelle ; die hiefür bezeichneten Personen werden die wissenschaftliche Verantwortung für das Unternehmen tragen, dessen Entwicklung unter den Auspizien der Kommission für geistige Zusammenarbeit stehen wird.

Die Versammlung wird es schätzen, im nächsten Jahre über den Stand des Vorrückens dieses 'Unternehmens unterrichtet zu werden.

5, Bundspruch und Frieden.

Die Versammlung,

'

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hat den Vorentwurf zu einem internationalen Abkommen über die Verwendung des Bundspruchs im Interesse des Friedens geprüft, der auf Ansuchen der Versammlung selber von der Kommission für geistige Zusammenarbeit ausgearbeitet wurde und der zweimal der Gegenstand des Studiums durch die Mitglied- und die Nichtmitgliedstaaten-des Völkerbundes gewesen ist; . sie ersucht den Eat, die Ergebnisse, .dieser Übereinkunft auf die Tagesordnung der nächsten Versammlung zu setzen, da sich diese Frage im Jahre 1986 durch eine im Rahmen der Versammlung durch bevollmächtigte Delegierte gebildete Konferenz ad hoc prüfen lassen wird.

6. Erklärung über die Revision der Lehrbücher für Geschichte.

Die Versammlung,

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:

·

stellt fest, dass sich: die Kommission für geistige Zusammenarbeit seit einer Beihe von Jahren beharrlich um die Sicherstellung der Objektivität der Schulbücher und ganz besonders der geschichtlichen Lehrbücher bemüht" hat ; anerkennt, dass eine staatliche Unterstützung diesen Bestrebungen den wirksamsten Nachdruck verleihen würde, ersucht deshalb d;en Bat, den Mitgliedern und Nichtmitgliedern des Völkerbundes die von der Kommission ausgearbeitete Erklärung über die Revision der geschichtlichen Lehrbücher bekanntzugeben und die Staaten zu ihrer Unterzeichnung einzuladen.

93 7. Beziehungen der Organisation für geistige Zusammenarbeit zum Internationalen Bat der wissenschaftlichen Verbände.

Die Versammlung, in der Überzeugung, dass die engeren Beziehungen zwischen der Organisation für geistige Zusammenarbeit und dem Internationalen Eat der wissenschaftlichen Verbände im wohlverstandenen Interesse dieser beiden Einrichtungen liegen; nimmt Kenntnis vom Entwurf der Zusammenwirkung, den die Kommission für geistige Zusammenarbeit anlässlich ihrer 17. Tagung ausgearbeitet hat ; und beschliesst, einen Posten von 6000 Franken in den Voranschlag des Völkerbundes für 1986 aufzunehmen, um die Verwirklichung des vorgesehenen Programmes durch die Einberufung eines wissenschaftlichen Sachverständigenausschusses zu erleichtern.

8. Nationale Kommissionen für geistige Zusammenarbeit.

Die Versammlung, lenkt die Aufmerksamkeit der Eegierungen auf die für das Jahr 1937 in Paris vorgesehene Allgemeine Konferenz der nationalen Kommissionen für geistige Zusammenarbeit ; diese Konferenz soll im Eahmen der Weltausstellung für neuzeitliche Kunst und Technik abgehalten werden; und ersucht die Staaten, die Verwirklichung dieses Planes durch substanzielle Hilfeleistung an die Nationalen Kommissionen zu erleichtern.

9. Internationale Übereinkunft über die Kunstausstellungen.

Die Versammlung macht die Eesolution der Kommission für geistige Zusammenarbeit zur ihrigen und billigt die Tom Internationalen Museumsamte unternommene Prüfung der Frage einer internationalen Übereinkunft zur Begelüng der Kunstausstellungen.

10. Geistiges Eigentum.

Die Versammlung, lädt die Signatarstaaten der in London revidierten Pariser Übereinkunft über das gewerbliche Eigentum ein, so bald als möglich die Eatifikation vorzunehmen, und gegebenenfalls in ihr internes Hecht Bestimmungen aufzunehmen, die wenigstens während einer gewissen Frist den patentmässigen Schutz der von den Erfindern in Form wissenschaftlicher Mitteilungen verbreiteten Entdeckungen gewähren; überträgt dem Institut für geistige Zusammenarbeit, sowie dem im Benehmen mit ihm arbeitenden Institut für die Vereinheitlichung des Privat-

94 rechts die Sorge für die Fortsetzung jener Studien und Bestrebungen, die durch eine Annäherung der Abkommen von Bern und Havanna den Abschluss einer allgemeinen Übereinkunft erleichtern sollen, durch welche ein wirksamer Schutz des geistigen Eigentums in den Ländern der beiden Weltteile gewährleistet würde.

11. Internationales Amt für Radiobiologie.

Die Versammlung lenkt die wohlwollende Aufmerksamkeit der Mitgliedstaaten des Völkerbundes auf die in Venedig erfolgte Gründung eines Institutes für Radiobiologie.

12. Internationales Institut für den Lehrfilm.

Die Versammlung billigt die verschiedenen Resolutionen völlig, die die Internationale Kommission für geistige Zusammenarbeit zur Frage des Lehrfilms gefasst hat ; sie beglückwünscht insbesondere das Institut in Eom zur Veröffentlichung der Zeitschrift «Interciné», zur Vollendung seiner Enzyklopädie des Kinos und zur kürzlich erfolgten Schaffung eines Studienzentrums für Télévision.

(Resolutionen vom 28. September 1935.)

5. Ansiedelung der irakischen Assyrier.

Die sechste Kommission, in Anerkennung der Bemühungen, die der «Ratsausschuss für die Ansiedelung der irakischen Assyrier» unternommen hat, um den Assyriern, die Irak .

zu verlassen wünschen, einen Ort zur Niederlassung zu finden; in Erwägung, dass der Ansiedelungsplan in der Gegend des Ghab der unter französischem Mandat stehenden Gebiete des Nahen Orients die Aussicht auf eine befriedigende und dauernde Lösung der Assyrierfrage bietet ; nimmt Kenntnis davon, dass die Regierungen des Irak, des Vereinigten Königreiches und die Behörden.der französischen Mandatstaaten des Nahen Orients bereit sind, in weitgehendem Masse zur Verwirklichung dieses Planes beizusteuern, und hofft inständig, dass auch von privaten Fürsorgeorganisationen Beiträge zu erhalten sein werden; anerkennt, dass auch bei Einrecbnung all dieser Beiträge unvermeidlich noch ein ansehnlicher Betrag fehlen wird; mit Rücksicht auf die Eigenart der Frage und ganz besonders auf ihre humanitäre Seite, wie auch im Hinblick auf das lebhafte Interesse, das der Rat stets für ihre Lösung bekundet hat, und endlich wegen der Gefahren für die Ruhe im Nahen Orient, die eine Verzögerung des Beschlusses mit sich führen könnte;

95 ist der Ansicht, dass der Vorschlag des Vereinigten Königreiches über eine finanzielle Beteiligung des Völkerbundes wohlwollend zu erwägen sei und weist daher die Frage über die Art der Beschaffung der erforderlichen Mittel an die vierte Kommission zur Prüfung.

(Resolution mm 28. September 1935) 1).

6. Internationale Flüchtlingshilfe.

Die Versammlung genehmigt den Bericht der sechsten Kommission (Druckschrift A. 64.

1985 XII).

(Resolution vom 28. September 1935.)

7. Russische, armenische, assyrische, assyrisch-chaldäische, saarländische und türkische Flüchtlinge.

Die Versammlung, 1. nach Einsicht des Jahresberichtes des Verwaltungsrates des Internationalen Nansenamtes über die zugunsten der russischen, armenischen, assyrischen, assyrisch-chaldäischen, saarländischen und türkischen Flüchtlinge bis zum 80. Juni 1985 entfaltete Tätigkeit (Druckschrift A. 22.1935 XII): 2. spricht dem Amte und der beratenden intergouvernementalen Kommission ihren Dank für die wertvollen Dienste aus, die sie Eegierungen und Flüchtlingen geleistet haben, indem trotz grosser wirtschaftlicher und anderer Schwierigkeiten die Lage einer ganz beträchtlichen Zahl von Flüchtlingen verbessert wurde; 3. dankt den Eegierungen, die den in der letzten Session beschlossenen Empfehlungen Folge gegeben haben; diese Empfehlungen betreffen die Mitteilung von Ansiedlungsmöglichkeiten an das Amt, die Gewährung von Krediten im Hinblick auf eine endgültige Lösung des Problems der auf dem Gebiete der einzelnen Eegierungen befindlichen Flüchtlinge; die Verallgemeinerung des Systems der Nansenmarken und die Genehmigung der Anträge über die Ausgabe von Briefmarken mit Zuschlägen zugunsten des Amtsfonds; 4. empfiehlt den Eegierungen die Ratifikation des Übereinkommens von 1983; *) Am gleichen Tage hat die Versammlung den Bericht der vierten Kommission über die finanziellen Prägen genehmigt (Druckschrift A. 5 [b] 1985 X). Dieser Bericht enthielt den von der vierten Kommission genehmigten Bericht der Kontrollkommission über die Nachtragskredite (Druckschrift A. 5 [b] 1935 X).

Daher hat die Versammlung die endgültige Summe des Völkerbundsbeitrages an das Werk der Ansiedlung der irakischen Assyrier in Syrien auf 1,300,000 Franken festgesetzt. Gemäss Versammlungsbeschluss wurden 400,000 in den Voranschlag für 1936 und 300,000 in jeden der drei nachfolgenden Voranschläge aufgenommen.

96 5. ersucht die Regierungen von neuem inständig, keine Flüchtlinge auszuweisen, ohne dass sie das Einreisevisum in ein anderes Land erhalten haben ; 6. lädt die Regierungen der Einwanderungsländer zu -weiterer Zusammenarbeit mit dem Amte ein durch Bekanntgabe der auf ihrem Gebiete bestehenden Möglichkeiten zur Ansiedlung; 7. empfiehlt den Regierungen, die Vorteile zu erwägen, die sich aus einer Kapitalisierung ihrer jetzigen Ausgaben für die Flüchtlinge zugunsten des Amtsfonds für die Flüchthngsansiedlung ergeben würden; 8. ersucht die Regierungen, die noch nicht zum System der Nansenmarken übergegangen sind, dieses anzuwenden; 9. empfiehlt den Regierungen das Projekt der Ausgabe einer Zuschlagsmarke zur Prüfung; dies.im Sinne der von der beratenden intergouvernementalen Kommission für das Flüchtlingswesen in der Sitzung vom 15. März 1985 gemachten Anregungen.

(Resolution vom 24. September 1935.)

F. Auf Grund der Anträge des Bureaus angenommene Resolutionen.

1. Studienkommission für die Europäische Union.

Ì)ie Versammlung, nach Befragung ihres Bureaus über das Verfahren, das hinsichtlich der auf der Tagesordnung der Session unter Nr. 6 (a) « Studienkonnnission für die Europäische Union» stehenden Frage einzuschlagen ist, stellt fest, dass die Umstände ein Zusammentreten dieser Kommission seit der letzten Tagung verunmöglicht haben; beschliesst demnach, das Mandat der Studienkommission für die Europäische Union für das nächste Jahr zu erneuern und die Frage auf die Tagesordnung der nächsten Versammlung zu setzen.

(Resolution vom 27. September 1935.)

2. Ernennung eines Nachfolgers für Herrn Georges Werner, als Vorsitzenden des Verwaltungsrates des Internationalen Flüchtlingsamtes Nansen.

Die Versammlung beschliesst, die Ernennung des Vorsitzenden des Verwaltungsrates des Internationalen Flüchtlingsamtes Nansen zu vertagen.

(Resolution vom 27. September 1935.)

97

3. Italienisch-abessinischer Konflikt:Koordinationn der Massnahmen auf Grund von Artikel 16 des Paktes.

Die Versammlung, hat von den Ansichten der Ratsmitglieder so wie sie in der Ratssitzung vom 7. Oktober 1935 dargelegt worden sind, Kenntnis genommen; in Erwägung der den Völkerbundsmitgliedern aus Artikel 16 des Paktes erwachsenden Verpflichtungen und im Hinblick auf die Nützlichkeit einer Koordination der Massnahmen, die jeder einzelne zu ergreifen beabsichtigt; verleiht dem Wunsche Ausdruck, dass die Mitglieder des Völkerbundes (mit Ausnahme der Parteien) einen Ausschuss bilden, in dem jeder Staat durch einen Delegierten und mitwirkende Sachverständige vertreten ist, und der die Koordination der Massnahmen zu studieren und zu erleichtern hätte, sowie gegebenenfalls die Aufmerksamkeit des Eates und der Versammlung auf jede Lage, die eine Prüfung erheischen könnte, lenken müsste.

(Wunsch vom 10. Oktober 1935.)

G. Ständiger internationaler Gerichtshof.

1. Wahl eines Nachfolgers für Herrn Mineitciro Adatti.

Gemäss den Bestimmungen der Satzung dea ständigen internationalen Gerichtshofes wählten die Versammlung und der Hat als Nachfolger des Herrn Mineitciro Adatci Herrn Harukazu Nagaoka zum Eichter für die Zeit bis zum Ablauf der Amtsperiode.

(Sitzung vom 14. September 1935.)

2. Rücktritt des Herrn Frank B. Kellogg.

Die Versammlung

.

beschliesst, das Rücktrittsgesuch des Herrn Frank B. Kellogg, Eichter am internationalen Gerichtshof, zu genehmigen.

(Sitzung mm 27. September 1935.)

II. Wahl von drei nichtständigen Ratsmitgliedern.

Die Versammlung bezeichnet Ecuador, Polen und Rumänien als nichtständige Mitglieder des Eates.

(Sitzung vom 16. September 1935.)

Bundesblatt. 88. Jahrg. Bd I.

7

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Bericht des Bundesrates an die Bundesversammlung über die sechzehnte Völkerbundsversammlung. (Vom 18. Januar 1936.)

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03

Cahier Numero Geschäftsnummer

3333

Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

15.01.1936

Date Data Seite

33-97

Page Pagina Ref. No

10 032 854

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