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Botschaft des

Bundesrates an die Bundesversammlung zum Entwurf eines Bundesbeschlusses über die eidgenössische Einigungsstelle zur Beilegung von interkantonalen kollektiven Arbeitsstreitigkeiten (Vom 25. Juni 1948)

Herr Präsident !

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Hochgeehrte Herren!

Wir beehren uns, Ihnen den Entwurf eines Bundesbeschlusses über die eidgenössische Einigungsstelle zur Beilegung von interkantonalen kollektiven Arbeitsstreitigkeiten mit folgender Botschaft vorzulegen.

I. Entwicklung und Organisation des öffentlichen Einigungswesens 1. Mit Botschaft vom 6. Mai 1910*) hat der Bundesrat im Zusammenhang mit der Bevision des Fabrikgesetzes den Bäten die Schaffung von Einigungsstellen zur Beilegung kollektiver Streitigkeiten aus dem Arbeitsverhältnis in Fabrikbetrieben vorgeschlagen. Die Kantone wurden durch das revidierte Fabrikgesete verpflichtet, zur Vermittlung der Kollektivstreitigkeiten zwischen Fabrikinhabern und Arbeitern über das Arbeitsverhältnis auf kantonalem Boden ständige Einigungsstellen zu errichten (Art. 30 des Fabrikgesetzes), üin zu verhüten, dass die Einigungsstellen nur in Streitigkeiten vermitteln können, die in Fabrikbetrieben auftreten und Konflikte in andern Betrieben selbst dann ihrem Lauf überlassen werden müssen, wenn daraus erhebliche volkswirtschaftliche Nachteile erwachsen, haben dann die Kantone die Kompetenzen ihrer Einigungsstellen sozusagen ausnahmslos auch auf Streitigkeiten ausgedehnt, die in Nicht-Fabrikbetrieben auftreten. Diese Entwicklung ist auch vom Bundesrat begrüsst und in den beiden Weltkriegen dadurch gefördert worden, dass die Karitonsregierungen auf Grund von Vollniachten-

·*) Bbl. 1910, III, 575.

-

797 beschlüssen*) ermächtigt wurden, die Befugnisse der kantonalen Einigungsstellen auf Grund von Art. 30 ff. des Fabrikgesetzes auch auf Nicht-Fabrikbetriebe auszudehnen. Ausserdem wurde dem eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartement die Kompetenz eingeräumt -- von der jedoch nie Gebrauch gemacht werden musste --, von den Kantonen derartige Massnahmen zu verlangen, sofern die Verhältnisse es erfordern. Heute ist das kantonale Einigungswesen so ausgebaut, dass die Einigungsämter sozusagen für alle Konflikte, die in irgendeiner Wirtschaftsgruppe ausbrechen und die nicht über die Grenzen des Kantons hinausreichen, zuständig sind.

Aus der folgenden Tabelle, die einen Überblick über die Vermittlungstätigkeit der kantonalen Einigungsämter in den vergangenen 20 Jahren gibt, geht hervor, dass die Zahl der zu behandelnden Kollektivstreitigkeiten besonders in den letzten Jahren stark zugenommen hat und dass über 80 % aller Verfahren in einer Verständigung der Parteien ausmündeten.

Vermittlungstätigkeit der kantonalen Einigungsämter 1927 bis 1947 Jahr

Behandelte Kollektivstreitigkeiten

Davon führten zu einer Einigung %

1927 125 72 1980 176 78 1985 120 75 1940 130 88 1941 175 89 1942 280 86 1943 240 90 1944 217 89 1945. . . . .

854 88 1946 385 88 1947 360 81 Die Gesamtzahl der in den letzten 20 Jahren von den kantonalen Einigungsämtern behandelten Streitfälle betrug 4025. Die Vermittlungstätigkeit verteilte sich, wie die folgende Darstellung zeigt, ungefähr im gleichen Verhältnis auf Wirtschaftszweige vorwiegend industriellen Charakters wie auf solche, deren Betriebe vom Fabrikgesetz nicht oder doch nur zum kleinem Teil erfasst werden (Holzbearbeitung, Baugewerbe und Handel).

Von Aen kantonahn Einigungsämtern in den Jahren 1927 bis 1947 behandelte Kollektivstreitigkeiten nach Wirtschaftszweigen Baumwollindustrie 92 Seiden- und Kunstseidenindustrie 70 Wollindustrie 8 Übertrag '*) EBB. vom 1. Februar 1918, A. S. 34, 190, und EBB. vom 5. April 1943, A. S. 59, 277.

Bundesblatt. 100. Jahrg. Bd. U.

54

170

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Übertrag 170 Leinenindustrie 8 Stickereiindustrie 14 Übrige Textilindustrie 116 Kleidung, Ausrüstungsgegenstände 217 Nahrungs- und Genussmittel 277 Chemische Industrie 75 Zentralanlagen für Kraft-, Gas- und Wasserlieferung 27 Herstellung und Bearbeitung von Papier, Leder und Kautschuk . . . 138 Graphische Industrie 40 Holzbearbeitung . .

. . ; . , . 516 Herstellung und Bearbeitung von Metallen 228 Maschinen, Apparate und Instrumente 274 Uhrenindustrie, Bijouterie 66 Industrie der Erden und Steine 256 Baugewerbe . . . . . ' 985 Handel, Transport- und Verkehrsdienst 827 Andere Wirtschaftszweige 296 Total 4025 2. Auf eidgenössischem Boden ist das Einigungswesen nicht in der gleichen Weise durchorganisiert wie in den Kantonen. Die Expertenkommission, welche die Bevision des Fabrikgesetzes von 1914 vorzubereiten hatte, betrachtete es als selbstverständlich, dass es zu den Obliegenheiten des Bundes gehöre, sich derjenigen kollektiven Arbeitsstreitigkeiten anzunehmen, die über die Grenzen eines Kantons hinausreichen. Diese Auffassung fand ihren Niederschlag in Artikel 82 des Fabrikgesetzes, der in seiner endgültigen Fassung wie folgt lautet : «Beicht eine Streitigkeit über die Grenzen eines Kantons hinaus, so ernennt der Bundesrat die Einigungsstelle. Er kann auch eine kantonale Einigungsstelle mit der Vermittlung betrauen.» Diese Bestimmung begegnete in den eidgenössischen Bäten keinerlei Opposition. Sie ist seit ihrem Inkrafttreten (I.April 1918) unangefochten geblieben und fand im Laufe der Jahre in zahlreichen Fällen Anwendung.

Vom Erlass von Bestimmungen über das Verfahren vor der für Fabrikbetriebe geschaffenen eidgenössischen Einigungsstelle wurde bis heute abgesehen. Das Fehlen solcher Verfahrensvorschriften trat deshalb nicht besonders nachteilig in Erscheinung, weil in der überwiegenden Mehrzahl aller Fälle ein kantonales Einigungsamt als interkantonale Einigungsstelle eingesetzt werden konnte, welches das Verfahren jeweils nach kantonalem Recht durchführte. Von 31 seit 1920 eingegangenen Gesuchen um Einsetzung einer interkantonalen Einigungsstelle konnten nicht weniger als 26 durch Übertragung der Vennittlungsbefugnis auf ein kantonales Einigungsamt oder auf eine neutrale Stelle (Stickerei-Treuhandgenossenschaft) erledigt werden.

799 Wie bereits erwähnt, waren auf kantonalem Boden die Arbeitsstreitigkeiten in Nicht-Fabrikbetrieben ebenso stark verbreitet wie in der Industrie.

Auf eidgenössischem Boden lagen die Verhältnisse nicht wesentlich anders.

Auch hier traten Arbeitskonflikte in Wirtschaftszweigen nichtindustriellen Charakters ebenso häufig auf wie in Fabrikbetrieben. Das eidgenössische Volkswirtschaftsdepartement sah sich daher verschiedentlich genötigt, auf Ersuchen Beteiligter besondere Schlichtungsorgane ins Leben zu rufen. Für die Einsetzung dieser ad hoc bezeichneten eidgenössischen Einigungsstellen fehlte jedoch eine Bechtsgrundlage, soweit es sich um Streitigkeiten in Nioht-Fabrikbetrieben handelte. Das Verfahren war ebensowenig geregelt wie für die Behandlung von Konflikten in Fabrikbetrieben. Als nach Ausbruch des zweiten Weltkrieges das Preis- und Lohngefüge ins Wanken geriet und angesichts der gespannten aussenpolitischen Lage noch in vermehrtem Masse dafür Sorge getragen werden musste, dass etwaige durch die Teuerung hervorgerufene Lohnbewegungen auf friedlichem Wege beigelegt werden können, machte sich das Fehlen ausdrücklicher Kompetenzen der Bundesbehörde zur Vermittlung in interkantonalen kollektiven Arbeitsstreitigkeiten ausserhalb der Industrie besonders nachteilig bemerkbar. Daraus erklärt sich, dass der Bundesrat am 24. Mai 1940*) auf Grund der ausserordentlichen Vollmachten den Besehluss über Massnahmen zur Beilegung von kollektiven Lohnstreitigkeiten erliess.

Das eidgenössische Volkswirtschaftsdepartement wurde dadurch ermächtigt, von Fall zu Fall auf Wunsch Beteiligter eine eidgenössische Einigungsstelle einzusetzen. Dieser Erlass, der heute noch in Kraft ist, bot in-zehn Fällen, von denen sieben in einer Verständigung der Parteien ausmündeten, die Grundlage zur Vermittlung.

u. Bedürfnis zum Erlass eines Bundesbeschlnsses über die eidgenössische Einigungsstelle Die Gründe, die uns veranlassen, im heutigen Zeitpunkt den Entwurf zu einem Bundesbeschluss vorzulegen, durch den der Bund die Kompetenz erhalten soll, auch in solchen interkantonalen Arbeitsstreitigkeiten zu vermitteln, die in Nicht-Fabrikbetrieben auftreten, sind zur Hauptsache folgende : 1. Die gegenwärtige Ordnung beruht, wie erwähnt, auf einem Vollmacbtenbeschluss. Im Zuge des Abbaus dieser Erlasse sollte, dem allgemeinen Wunsche entsprechend, auch die Aufhebung des Bundesratsbeschlusses über die Beilegung kollektiver Lohnstreitigkeiten ermöglicht werden. Dieser Besehluss, der ganz rudimentär gehalten ist, legt übrigens auch weder über die Organisation noch über das Verfahren der Einigungsstelle irgendwelche Grundsätze fest, so dass er auch in dieser Beziehung als ungenügend zu betrachten ist. Die Kompetenz zur Vermittlung in interkantonalen Kollektivstreitigkeiten, die in NichtFabrikbetrieben auftreten, soll dem Bund auf dem ordentlichen Weg der Ge*) A. S. 56, 519.

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setzgebung übertragen werden. Die verfassungs massige Grundlage für die Gesetzgebung auf diesem Gebiet ist durch Artikel 84ter, Absatz l, lit. b, der Bundesverfassung, wonach der Bund befugt ist, über das Verhältnis zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern Vorschriften aufzustellen, zweifellos gegeben.

2. Bei der Beurteilung der Frage des Bedürfnisses nach einem Ausbau des eidgenössischen Einigungswesens ist in erster Linie der Umstand in Betracht zu ziehen, dass der Bund bereits in den Jahren zwischen den beiden Weltkriegen, als die auf den Vollmachten beruhende Schlichtungsstelle noch nicht bestand, verschiedentlich von Beteiligten um Vermittlung von Konflikten in Nicht-Fabrikbetrieben ersucht wurde. Bei einer formalrechtlichen Behandlung solcher Gesuche hätten diese mangels rechtlicher Grundlage abgewiesen werden müssen, was'zweifellos weder von den Beteiligten noch von der Allgemeinheit verstanden worden wäre und auch in Zukunft nicht verständen würde. Die sozialen Kämpfe fügen nicht nur den beiden Parteien schwere ökonomische und moralische Nachteile zu, sondern sie schädigen auch das öffentliche Interesse in hohem Masse. "Wie bereits die Expertenkommission bei der Beratung der Fabrikgesetzrevision im Jahre 1907 feststellte *), kann es der Staat «nicht verantworten, untätig zuzuschauen; er muss eingreifen und darf kein Mittel unversucht lassen, um die Gegensätze zu mildern und zu vermitteln. Werden auch die entsprechenden Erfolge nicht sofort in die Augen springen, so werden sie sich mit der Zeit einstellen. Die Gesetzgebung wird die Erkenntnis fördern, dass die Verständigung vorteilhafter ist als der Kampf».

Die Entwicklung des staatlichen und des vertraglichen Einigungswesens in den inzwischen vergangenen 30 Jahren dürfte die Eichtigkeit dieser Ausführungen unter Beweis gestellt haben.

8. Eine ausserordentlich starke Verbreitung hat, besonders in den letzten Jahren, das vertragliche Einigungswesen erfahren. Es ist nicht zu bezweifeln, dass mit der erheblichen Zunahme der Zahl der Gesamtarbeitsverträgo -- ,es bestehen heute in der Schweiz rund 1300 Gesamtarbeitsvertrage, von denen .schätzungsweise etwa die Hälfte der gesamten Arbeiterschaft erfasst wird -- und durch deren Ausbau in der Eichtung der Bildung paritätischer Kommissionen sowie von Einigungs- und Schiedsstellen der Arbeitsfriede
weitgehend gesichert werden konnte. In Anbetracht dieser Entwicklung stellt sich die Frage, ob ein Ausbau des staatlichen Einigungswesens nicht überflüssig sei. Es ist ganz selbstverständlich, dass die Tätigkeit der vertraglichen Einigujigsstellen durch den vorgesehenen Ausbau des eidgenössischen Einigungswe.sens ebensowenig beschränkt werden soll wie durch die kantonalen Bini T gungsämter. Die eidgenössische Einigungsstelle soll rein subsidiären Charakter haben. Ihre vornehmste Aufgabe sehen wir in der Anbahnung und Förderung der Zusammenarbeit, der Arbeitgeber und Arbeitnehmer und deren Verbände.

Wenn sie sich dadurch auf die Dauer selbst überflüssig machen kann, so hat sie ihren Zweck auf die beste Art erfüllt. Heute erscheint ein Ausbau des eid*) Bbl. 1910, III, 614.

801 genössischen Einigungswesens jedoch als notwendig, weil immerhin noch ein verhältnismässig grosser Prozentsatz der Betriebe des Gewerbes und des Handels kein Instrument für eine freiwillige Vermittlung oder Schlichtung geschaffen haben, vor allem aber auch deshalb, weil dieses vertragliche Einigungswesen eben nur so lange spielt, als der ihm zugrunde liegende Vertrag in Kraft ist.

Da Differenzen in Berufsgruppen, in denen Gesamtarbeitsvertrage vorhanden sind, sehr häufig bei der Diskussion über die Erneuerung eines Vertrages entstehen, also bei deren Ablauf oder Kündigung, hat dieses freiwillige Einigungswesen den grossen Nachteil, dass es nicht selten gerade dann, wenn es am notwendigsten wäre, nicht mehr funktioniert. Abgesehen davon, beschränkt sich die Zuständigkeit der vertraglichen Einigungs- und Schiedsstellen in vielen Gesamtarbeitsverträgen auf Fragen der Anwendung und Auslegung des Gesamtarbeitsvertrages.

4. Ein weiterer Gesichtspunkt, der für die Erweiterung der Kompetenz einer eidgenössischen Einigungsstelle auf Nicht-Fabrikbetriobe spricht, liegt in der fortschreitenden Tendenz, Gesamtarbeitsvertrage auf territorial breiterer Grundlage abzuschliessen. Immer häufiger treten an Stelle von lokalen und kantonalen, regionale und gesamtschweizerische Verträge. Die Zahl der Gesamtarbeitsvertrage, deren Geltungsbereich sich über das Gebiet von mehr als einem Kanton erstreckt, hat sich in den letzten Jahren wie folgt entwickelt: 1929 17 1938 22 1944 49 1945 87 1946 118 1947 , , 136 Da sich diese Entwicklung bis heute besonders im Gewerbe bemerkbar machte, sind Konflikte, deren Bedeutung über das Gebiet eines Kantons hinausreichen, in diesen Branchen mindestens ebensosehr zu befürchten, wie in der Industrie, wo die Bechtsgrundlage zur Einsetzung einer eidgenössischen Einigungsstelle seit langem besteht.

5. Neben den erwähnten Gründen, die für die Erweiterung der Kompetenz der Einigungsstelle auf Nicht-Fabrikbetriebe sprechen, besteht ein dringendes Bedürfnis nach der Aufstellung gewisser Grundsätze über die Zusammensetzung der Einigungsstelle und über das Verfahren. Das Fabrikgesetz enthält über die Organisation der Einigungsstelle keine Vorschriften, und bezüglich des Verfahrens wird lediglich die Erscheinungs- und Verhandlungspflicht der Parteien sowie die Kostenlosigkeit vorgeschrieben
(Artikel 31). Während sämtliche Kantone die Organisation und das Verfahren ihrer kantonalen Einigungsämter in ausführlichen Gesetzen und Verordnungen geregelt haben, hat der Bund hiervon bis heute auch für die gemäss Fabrikgesetz vorgesehene eidgenössische Einigungsstelle abgesehen. Da es sich hierbei um die Aufstellung materiellen

802 Eechta und nicht bloss uni Ausführungsbestinurmngen handelt, scheint es uns gegeben zu sein, diese Vorschriften in einem Gesetz und nicht durch eine Ergänzung der Vollzugsverordnung zum Fabrikgesetz aufzustellen.

6. Die geschilderten Verhältnisse haben dazu geführt, dass in den Vorentwurf zu einem Bundesgesetz über die Arbeit in Industrie und Handwerk, Handel, Verkehr und verwandter Wirtschaftszweige (Arbeitsgesetz) ebenfalls ein Abschnitt über die Vermittlung und Schlichtung von Kollektivstreitigkeiten aufgenommen wurde. Bis zur Verabschiedung dieses umfassenden Arbeitsgesetzes durch die eidgenössischen Eäte werden jedoch zwangsläufig noch einige Jahre verstreichen. Da die zukünftige wirtschaftliche und politische Entwicklung ungewiss ist und besonders auf dem Sektor der Preise und Löhne weiterhin mit gespannten Verhältnissen gerechnet werden muss, würden wir es als unklug betrachten, vom Erlass des vorliegenden Beschlusses, der lediglich eine Vorsichtsmassnahnie darstellt, die keine besondern finanziellen Lasten mit sich bringt, abzusehen. Der Bundesbeschluss über die eidgenössische Einigungsstelle würde mit Inkrafttreten des Arbeitsgesetzes wieder aufgehoben.

Er ist somit nur als Übergangslösung gedacht.

m. Richtlinien des Beschlossesentwurfs Der Bundesbeschluss befasst sich nur mit der Begelung des Einigungswesens des Bundes, Er will keine ständige Einigungsstelle, also kein neues Bundesorgan schaffen, sondern lediglich dein eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartement die Möglichkeit geben, im einzelnen Streitfall, unbekümmert darum, ob es sich um Fabrikbetriebe handelt oder nicht, eine Einigungsstelle einzusetzen.

Die Einigungsstelle soll nur auf Ersuchen Beteiligter eingesetzt werden.

Auf eine Bestimmung, wonach das Vermittlungsverfahren auch von Amtes wegen oder auf Begehren beteiligter Kantone in Gang gesetzt werden kann, wurde auf Wunsch der Arbeitgeberverbände und angesichts der geringen praktischen Bedeutung verzichtet. Dagegen kann unseres Erachtens dem aus dem gleichen Kreise geltend gemachten Wunsch, die Einigungsstelle nur auf Begehren beider Streitparteien einzusetzen, nicht entsprochen werden. Dadurch könnte die Vermittlung selbst dann verunmöglicht werden, wenn, nicht nur eine Partei, sondern auch die Allgemeinheit an der Beilegung des Konfliktes ein wesentliches Interesse
hat. Abgesehen davon, würde die eidgenössische Einigungsstelle dadurch eine ähnliche Stellung erhalten wie eine vertragliche, was nicht ihr Zweck sein. kann. Sie soll vielmehr gerade dort in die Lücke treten, wo die Parteien nicht bereits von sich aus ein Schlichtungsorgan eingesetzt haben.

Bei der Handhabung des Beschlusses wird besonders Gewicht darauf gelegt werden müssen, dass die Vermittlungstätigkeit der Einigungsatelle nicht einsetzt, bevor die letzten Möglichkeiten einer direkten Verständigung ausgeschöpft sind. Dadurch soll verhindert werden, dass die Verständigungsbereitschaft und das Verantwortungsbewusstsein der Parteien geschwächt und der Bund leicht-

803 fertig um Vermittlung angegangen wird. Eine gewisse Zurückhaltung in der Einsetzung der Einigungsstelle wird zweifellos zur Erhaltung des Willens der Streitparteien, zu einer direkten Verständigung zu gelangen, beitragen.

In das vertragliche und kantonale Einigungawesen mischt sich der Beschluss nicht ein. Das vertragliche Einigungswesen hat sowohl vor dem kantonalen wie vor dem eidgenössischen und das kantonale hat vor dem eidgenössischen den Vorrang. Von den Kantonen wurde mit Becht darauf hingewiesen, dass vor ihren Einigungsstellen ergebnislos behandelte Streitfälle nicht an die eidgenössische Einigungsstelle sollen weitergezogen werden können. Ein Instanzenzug sei im Einigungswesen unerwünscht und würde die Tätigkeit der erstinstanzlichen Vermittlungsstelle erheblich erschweren, wenn nicht gar nutzlos machen.

Wie die Erfahrungen gezeigt haben, würde die Verständigungsbereitschaft erheblich geschwächt, wenn die Parteien schon zum vornherein damit rechnen könnten, dass der Entscheid der ersten Inatanz an eine zweite weitergezogen werden kann.

Der Gedanke, die Streitparteien und die Spitzenverbände der Wirtschaft zum Eechten sehen zu lassen, war nicht nur bei der Einsetzung der Einigungsstelle (Artikel 1), sondern auch bei der Zusammensetzung (Artikel 2) und hinsichtlich der Friedenspflicht (Artikel 6) wegleitend. Wenn die Wirtschaftsverbände auf die Zusammensetzung der Einigungsstelle in der Weise Einfluss nehmen können, wie dies in Artikel 2 vorgesehen ist, so kann damit gerechnet werden, dass die Streitparteien auch Vertrauen in die Einigungsstelle haben, was für eine erfolgreiche Vermittlung von entscheidender Bedeutung ist. Bei der Durchsetzung der in Artikel 6 vorgeschriebenen absoluten Friedenspflicht soll nicht eine öffentlich-rechtliche Sanktion eintreten--ganz abgesehen davon, dass deren Durchführung auf grosse Schwierigkeiten stossen würde --, sondern das Hauptgewicht ist vielmehr darauf zu legen, dass die Parteien unter sich eine Vereinbarung über die Sicherung des Arbeitsfriedens treffen, die durch Konventionalstrafen gefestigt werden kann.

IV. Bemerkungen zu den einzelnen Bestimmungen Artikel l, Einsetzung Auf die Bedeutung einer gewissen Zurückhaltung bei der Einsetzung der Einigungsstelle wurde bereits in den vorhergehenden Abschnitten hingewiesen.

An dieser Stelle ist
lediglich noch zu erwähnen, dass auf ein Gesuch Beteiligter nur eingetreten werden kann, wenn diesen eine gewisse repräsentative Bedeutung zukommt. Es soll nicht in Präge kommen, dass ein Einigungsverfahren durch eine kleine, unbedeutende Gruppe von Arbeitgebern oder Arbeitnehmern gegen den Willen der überwiegenden Mehrzahl der betroffenen Arbeitgeber und Arbeitnehmer in Gang gesetzt werden kann. Die Einsetzung der Einigungsstelle wird in der Kegel nur erfolgen, nachdem alle beteiligten Verbände Gelegenheit gehabt haben, zu dem Begehren Stellung zu nehmen.

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Entsprechend der bisherigen Praxis in der Handhabung von Artikel 32 des Fabrikgesetzes ist anzunehmen, dass in der Mehrzahl der Fälle gemäss Absatz 2 ein kantonales Einigungsamt mit der Vermittlung betraut werden kann. Auf jeden Fall soll von dieser Möglichkeit, wo immer angängig, Gebrauch gemacht werden.

Artikel 2. Zusammensetzung Bei der Zusammensetzung der eidgenössischen Einigungsstelle muss eine gewisse Beweglichkeit gewahrt bleiben, damit den besondern regionalen und beruflichen Verhältnissen im einzelnen Fall soweit als möglich Eechnung getragen werden kann. Die grösste Freiheit würde zweifellos darin bestehen, dass die Wahl sämtlicher Mitglieder der Einigungsstelle erst mit der Einsetzung dieser Instanz im einzelnen Fall erfolgen würde. Eine solche Lösung erscheint jedoch deshalb nicht als zweckmässig, weil dadurch bei der Bestellung des Schlichtungsorgans, die zur Verhütung von Kampfmassnahmen ic( der Regel rasch erfolgen muss, zu viel Zeit verloren ginge. Artikel 2, Absatz 2, sieht daher die Wahl von fünf neutralen Personen durch den Bundesrat vor, von denen im einzelnen Fall durch das eidgenössische Volkswirtschaftsdepartement eine als Obmann einzusetzen ist. Je nachdem, ob beispielsweise das Schwergewicht eines Konfliktes mehr in der deutschen oder französischen Schweiz liegt, wäre es somit möglich, einen Obmann deutscher oder französischer Muttersprache mit der Vermittlung der Angelegenheit zu betrauen. Für die Wahl der ordentlichen Beisitzer soll den Spitzenverbänden der Arbeitgeber und Arbeitnehmer ein Vorschlagsrecht eingeräumt werden. Immerhin wird dabei darauf Bedacht genommen werden müssen, dass diese Beisitzer nicht eigentliche Partei Vertreter sind, sondern in stärkerem Masse die allgemeinen Interessen im Auge haben, so dass nicht die ganze Last der Verantwortung dem neutralen Obmann zufällt. Wir denken hier z. B. an die Beiziehung von Richtern und Personen in öffentlichen Ämtern. Im einzelnen Fall hätten ferner die Streitparteien noch je einen Beisitzer zu bezeichnen, der mit den sozialen und wirtschaftlichen Verhältnissen des betreffenden Berufszweiges vertraut ist. Die Einigungsstelle würde sich somit aus einem neutralen Obmann, zwei ständigen Beisitzern und zwei Fachbeisitzern zusammensetzen. Immerhin soll die Möglichkeit offenbleiben, dass im Einverständnis beider Parteien
in Konflikten von geringerer Bedeutung auf den Beizug der Fachbeisitzer verzichtet wird, so dass die Einigungsstelle in diesem Fall aus nur drei Personen bestehen würde.

Artikel 3, Pflichten der Vorgeladenen Es ist selbstverständlich, dass die Einigungsstelle nur erfolgreich arbeiten kann, wenn ihr zur Feststellung des Sachverhaltes die notwendigen Unterlagen zur Verfügung gestellt werden. Sie wird sich dabei nicht ohne weiteres auf die Angaben der einen oder andern oder auch beider Parteien stützen können, sondern die notwendigen Erhebungen zur Feststellung des wahren Sachverhaltes oft selbst durchführen oder anordnen müssen. Als Unterlagen, die zur Ein-

805 sichtnahme einverlangt werden können, kommen insbesondere Vereinbarungen und Korrespondenzen in bezug auf das Arbeitsverhältnis, Lohnlisten und Arbeitszeitkontrollen in Betracht. Die objektive Feststellung des Sachverhaltes ist eine der wichtigsten, wenn nicht die wichtigste Aufgabe der Einigungsstelle und bildet wohl in den meisten Fällen den Ausgangspunkt zur Verständigung.

Aus diesem Grunde sieht Absatz 2 auch die Einvernahme von Zeugen und Einholung von Gutachten Sachverständiger vor. Da das öffentliche Eecht des Bundes keine Bestimmung enthält, welche den Verwaltungsbehörden das Eecht verleiht, Zeugen einzuvernehmen und demzufolge auch Vorschriften über Zeugnispflicht, Zeugnisverweigerungsrecht, Form der Einvernahme usw. fehlen, ist eine Verweisung auf die Prozessgesetzgebung des Bundes unerlasslich.

In Betracht kommt hierfür das Bundesgesetz vom 4. Dezember 1947 über den Bundeszivilprozess, dessen Artikel 42 bis 49 und 57 bis 61 die Durchführung von Zeugeneinvernahmen und die Einholung von Expertisen regeln.

Artikel 4.

Verfahrensgrundsätze

Die Einigungsstelle soll in erster Linie eine direkte Verständigung herbeizuführen suchen (Absatz 1) und von der Aufstellung eines Vermittlungsvorschlages Umgang nehmen, wenn eine Annäherung der Standpunkte der Parteien auf dem Wege der gegenseitigen Aussprache möglich erscheint.

Wenn in Absatz 2 bestimmt wird, dass das Verfahren nach Möglichkeit mündlich durchzuführen sei, so hat dies die Meinung, dass die Forderungen der einen Partei schriftlich festzulegen sind, dass jedoch die Vermittlung in mündlichen Verhandlungen vor sich gehen soll.

Um Bussen- und Kostenentscheiden eine Rechtsgrundlage zu geben, müssen sie hinsichtlich der Vollstreckbarkeit gerichtlichen Urteilen gleichgestellt werden. Als Bussen kommen lediglich die in Artikel 8 vorgesehenen Ordnungsbussen in Betracht.

Die Orientierung der Öffentlichkeit im Falle des Scheiterns der Einigungsverhandlungen (Absatz S) ist nicht obligatorisch vorgeschrieben. Die Einigungsstelle soll vielmehr von Fall zu Fall selbst entscheiden können, mit welchem Vorgehen der Sache am besten gedient ist.

Artikel 5. Schiedsverfahren Die Einigungsstelle soll auch einen verbindlichen Schiedsspruch fällen können, sofern beide Parteien dies wünschen (Absatz 1), Diese Art Schiedsgerjchtsbarkeit hat sich insbesondere im kantonalen Einigungswesen bewährt.

Es handelt sich hierbei nicht um die Einführung der zwangsweisen oder obligatorischen Schiedsgerichtsbarkeit.

Das Schiedsverfahren soll sowohl nach erfolgloser Durchführung des Einigungsverfahrens als auch an dessen Stelle zulässig sein. Sofern die Einigungsstelle bereits ein Vermittlungsverfahren durchgeführt und allenfalls den Parteien einen Vermittlungsvorschlag unterbreitet hat, ist es für die gleiche Stelle

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jedoch oft schwer oder unmöglich, in der nämlichen Angelegenheit noch als Schiedestelle einen Schiedsspruch zu fällen, der von ihiem ursprünglichen "VermittlungsVorschlag abweicht. Ferner sind.diejenigen Parteien, die den Vermittlungsvorschlag der Einigungsstelle nicht anerkannten, sehr oft auch nicht bereit, den gleichen .Personen die Kompetenz zumErlass eines verbindlichen Schiedsspruchs zu erteilen. Aus diesem Grunde ist in Absatz 2 vorgesehen, das« auf Antrag beider Parteien auch eine besondere Schiedsstelle durch das eidgenössische Volkswirtschaftsdepartement eingesetzt werden kann. Von dieser Möglichkeit soll jedoch nur dann Gebrauch gemacht werden, wenn bereits ein Einigungsverfahren vor der Einigungsstelle durchgeführt wurde. Sofern die Parteien von einem Einigungsverfahren gänzlich abgesehen und unmittelbar ein Schiedsverfahren durchführen wollen, ist hieiür gemäss Ahsatz l die Eiuigungsstelle zuständig.

Eine gemäss Absatz 2 eingesetzte besondere Schiedsstelle muss selbstverständlich vollständig aus andern Personen zusammengesetzt sein als die Einigungsstelle, die sich vorangehend mit dem Konflikt zu befassen hatte.

Mitglieder der Einigungsstelle, die sich in dem betreffenden Fall nicht mit dem Einigungsverfahren zu befassen hatten, können hingegen ohne weiteres zugezogen werden. Auch die Art der Zusammensetzung soll nach Möglichkeit der Einigungsstelle nachgebildet werden. Um hier die nötige Bewegungsfreiheit zu besitzen und auch den Wünschen der Parteien im einzelnen Fall besser entsprechen zu können, wurde von der Festlegung dieses Grundsatzes im Beschluss Umgang genommen.

Das Schiedsverfahren ist rechtlich als ein Schiedsgerichtsprozess zu betrachten. Die Schiedsstelle amtet in diesem Falle als Gericht, und ihre materiellen Entscheidungen müssen, wenn ihre Autorität gesichert werden soll, Urteilen der ordentlichen Gerichte gleichgestellt werden (Absatz 3). Dies setzt nun aber voraus, dass der Schiedsstelle, wie jedem Gericht, die für die Erfüllung ihrer Aufgaben als Gerichtsinstanz erforderlichen Befugnisse eingeräumt werden und dass das Verfahren entsprechend den elementaren Prozessgrundsätzen durchgeführt wird. Aus diesen Überlegungen ist auch in diesem Falle ein allgemeiner Hinweis auf das bereits erwähnte Bundesgesetz über den Bundeszivilprozess unentbehrlich (Absatz 4). Den
Besonderheiten des Schiedsverfahrens soll dabei selbstverständlich Eechnung getragen werden können.

Artikel 6. Friedenspf licht Grundsätzlich soll während der ganzen Dauer des Vermittlungsverfahrens die absolute Friedenspfhcht gelten. Die Arbeitnehmerverbände konnten sich jedoch nur mit einer zeitlich begrenzten Friedenspflicht einverstanden erklären, weil sie Befürchtungen hegten, dass in einzelnen Fällen das Verfahren verzögert werde. Um diesem Wunsche entgegenzukommen, wurde die Friedenspflicht auf 80 Tage befristet, in der Meinung, dass in dieser Zeit das Verfahren in der Eegel durchgeführt werden kann. Sollte es vorher zum Abschluss gelangen, so

807 fällt die Friedenspflicht ebenfalls früher dahin-sollte es länger dauern, so kann die Frist durch einstimmigen Beschluss der Einigungs- bzw. Schiedsstelle verlängert werden.

Von einer öffentlich-rechtlichen Strafsanktion wurde Umgang genommen.

Ein Strafverfahren gegenüber einzelnen Albeitgebern und Arbeitnehmern, welche die Friedenspflicht verletzen, wäre ohnehin praktisch kaum durchführbar.

Der Entwurf begnügt sich daher mit der Möglichkeit eines Appells an die Öffentlichkeit durch Bekanntgabe des Sachverhalts (Absatz 8) und legt das Hauptgewicht auf Abmachungen der Parteien über die Erhaltung des Arbeitsfriedens während der Dauer des Verfahrens (Absatz 2). Selbstverständlich können dabei, was wir als wünschenswert betrachten und worauf wir schon in Abschnitt III hingewiesen haben, vertragliche Sanktionen (Konventionalstrafen, die unter Umständen durch Kautionen sichergestellt werden) für die Verletzung der Friedenspflicht vereinbart werden.

Artikel 7. Schlussbestimmung Artikel 32 des Fabrikgesetzes, welcher die Einsetzung einer interkantonalen Einigungsstelle für Streitigkeiten vorsieht, die über die Grenzen eines Kantons hinausreichen, wird durch den vorliegenden Beschluss überflüssig und kann deshalb aufgehoben werden. Dagegen sollen die Artikel 80 ff., welche die Errichtung von kantonalen Einigungsstellen vorsehen, bestehen bleiben, da sich der vorliegende Entwurf lediglich mit dem eidgenössischen Einigungswesen befasst. Der Vollmachtenbeschluss vom 24. Mai 1940 würde sofort nach Inkrafttreten dieses Beschlusses durch den Bundesrat aufgehoben werden. Der Bundesbeschluss ist zeitlich nicht befristet und soll dem Beferendum unterstellt werden.

Unter Hinweis auf die vorstehenden Ausführungen empfehlen wir Ihnen, den beihegenden Entwurf zu einem Bundesbeschluss über die eidgenössische Einigungsstelle zur Beilegung von interkantonalen kollektiven Arbeitsstreitigkeiten gutzuheissen.

Genehmigen Sie, Herr Präsident, hochgeehrte Herren, die Versicherung unserer vollkommenen Hochachtung.

Bern, den 25. Juni 1948. .

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der

Bundespräsident: Celio Der Bundeskanzler: Leimgruber

808

(Entwurf)

Bundesbeschluss über

die eidgenössische Einigungsstelle zur Beilegung von interkantonalen kollektiven Arbeitsstreitigkeiten

Die Bundesversammlung der schweizerischen Eidgenossenschaft, gestützt auf Artikel 34ter, Absatz 1, lit. b, der Bundesverfassung, nach Einsicht in eine Botschaft des Bundesrates vom 25. Juni 1948, beschliesst: I. Einsetzung und Organisation

Art. l Einsetzung

Zusammensetzung

1

Zur Behandlung von Streitigkeiten, die über die Grenzen eines Kantons hinausreichen, wird das eidgenössische Volkswirtschaftsdepartement (nachstehend Departement genannt) ermächtigt, von Fall zu Fall eine eidgenössische Einigungsstelle (nachstehend Einigungsstelle genannt) einzusetzen.

2 Bei Streitigkeiten, die zwar über die Grenzen eines Kantons hinausreichen, aber nur von regionaler Bedeutung sind, betraut das Departement nach Anhörung der beteiligten Kantone ein kantonales Einigungsamt mit der Vermittlung.

3 Die Einsetzung der Einigungsstelle erfolgt nur auf Ersuchen Beteiligter und nur sofern durch direkte Verhandlungen oder durch vertragliehe Einigungsstellen alle Möglichkeiten einer Verständigung ausgeschöpft sind.

Art. 2 1 Die Einigungsstelle wird vom Departement von Fall zu Fall aus einem Obmann, zwei ordentlichen Beisitzern und zwei Fachbeisitzern zusammengesetzt. Tm Einverständnis der Parteien kann auf den Beizug der letztern verzichtet werden.

809 2 Das Departement bezeichnet die Mitglieder der Einigungsatelle im einzelnen Fall wie folgt: a. den Obmann, ausgewählt aus fünf hiezu vom Bundesrat gemäss Abs. 8 ernannten Personen; b. je ein ordentlicher Beisitzer, ausgewählt aus je sechs vom Bundesrat auf Vorschlag der Spitzenverbände der Arbeitgeber und Arbeitnehmer ernannten Personen; c. je ein Fachbeisitzer, die von den Streitparteien bezeichnet werden.

3 Die Wahl der durch den Bundesrat zu bezeichnenden Mitglieder erfolgt für die jeweilige Dauer der für den Nationalrat geltenden Wahlperiode,

II. Einigungsverfahren

Art. 3 1

Die von der Einigungsstelle Vorgeladenen sind verpflichtet, zu erscheinen, zu verhandeln, Auskunft zu erteilen und die von der Einigungsstelle verlangten Unterlagen vorzulegen. Bei Widerhandlung gegen diese Bestimmung kann die Einigungsstelle Ordnungsbussen bis zu Fr. 500 ausfällen. Auf begründetes Gesuch einer der Parteien kann die Akteneinsichtnahme auf den Obmann beschränkt werden, der seinerseits den Mitgliedern der Einigungsstelle die nötigen Aufschlüsse erteilt.

2 Die Einigungsstelle kann in jedem Stadium des Verfahrens Zeugen anhören und Gutachten Sachverständiger einholen. Die einschlägigen Bestimmungen des Bundesgesetzes vom 4. Dezember 1947 über den Bundeszivilprozess *) finden sinngemäss Anwendung.

Pflichten der Vorgeladenen

Art. 4 1 Die Einigungsstelle sucht zunächst eine direkte Verständigung unter den Parteien zu erzielen. Gelingt ihr dies nicht, so stellt sie einen Vermittlungsvorschlag auf, der den Parteien zur Abgabe einer Erklärung über Annahme oder Ablehnung eröffnet wird. Nur teilweise Annahme gilt als Ablehnung. Erscheint die Annahme eines Vermittlungsvorschlages zum vornherein als aussichtslos, so kann von dessen Aufstellung Umgang genommen werden.

2 Das Verfahren ist rasch, nach Möglichkeit mündlich und kostenlos durchzuführen. Immerhin kann die Einigungsstelle die Verfahrenskosten ganz oder teilweise derjenigen Partei auferlegen, die mutwillig das Verfahren veranlasst oder erschwert hat. Bussen- und Kostenentscheide sind hinsichtlich ihrer Vollstreckbarkeit gerichtlichen Urteilen gleichgestellt.

*) A. S. 64, 483.

Verfahrenegrundsatze

810 3

Scheitert die Vermittlung und erklären sich die Parteien nicht zur Durchführung eines Schiedsverfahrens bereit, so unterrichtet die Einigungsstelle in der Eegel die Öffentlichkeit über den Sachverhalt in der ihr geeignet erscheinenden Weise.

III. Schiedsverfahren

Art, 5 1

Auf Ersuchen beider Parteien fällt die Einigungsste-lle im Bahmen ihrer Zuständigkeit gemäss Artikel l einen verbindlichen Schiedsspruch.

Das Schiedsverfahren ist sowohl nach erfolgloser Durchführung des Einigungsverfahrens als auch an dessen Stelle zulässig.

2 Nach erfolgloser Durchführung des Einigungsverfahrens vor der Einigungsstelle kann das Departement auf Ersuchen beider Parteien auch eine besondere Schiedsstelle mit der Durchführung des Schiedsverfahrens beauftragen.

3 Die Schiedsstelle entscheidet endgültig. Ihre Entscheide sind hinsichtlich der Vollstreckbarkeit gerichtlichen Urteilen gleichgestellt.

4 Im übrigen finden für das Schiedsverfahren ausser den Bestimmungen dieses Bundesbeschlusses über das Einigungsverfahren (Artikel 3 und 4) diejenigen des Bundesgesetzes über den Buiideszivilprozess sinngemäss Anwendung, IV, Friedenspflicht

Art. G 1

Während der Dauer des Einigung»- oder Schiedsverfahrens besteht für die beteiligten Arbeitgeber und Arbeitnehmer und deren Ver* bände die Pflicht, sich jeder Karnpfmassnahme zu enthalten. Diese Friedenspflicht beginnt vom Zeitpunkt der Bekanntgabe der Einsetzung der Einigungs- oder Schiedsstelle an die Parteien und dauert 30 Tage.

Durch einstimmigen Beschluss der Einigungs- oder Schiedsstello kann die Frist verlängert werden. · ·'.

2 Die Einigungs- oder die Sehiedsstelle hält die Parteien zur Durchführung der Bestimmung von Absatz l an, unter sich für die Dauer des Einigungs- oder Schiedsverfahrens eine besondere Vereinbarung über die Sicherung des Arbeitsfriedens zu treffen.

3 Verletzungen der Friedenspflicht werden von der Einigungsoder Schiedsstelle festgestellt und können, wenn die fehlbare Partei von ihrem Verhalten nicht absteht, in geeignet erscheinender Weise der Öffentlichkeit bekanntgegeben werden. Die in Vereinbarungen vorgesehenen Sanktionen bei Verletzung der Friedenspflicht bleiben vorbehalten.

811 V. Schlussbestimmungen

Art. 7.

Artikel 32 des Bundesgesetzes vom 18. Juni 1914/27, Juni 1919 betreffend die Arbeit in den Fabriken "wird aufgehoben.

2 Der Bundesrat wird beauftragt, die Bekanntmachung dieses Beschlusses gemäss den Bestimmungen des Bundesgesetzes vom 17. Juni 1874 betreffend die Volksabstimmung über Bundesgesetze und Bundesbeschlüsse zu veranlassen.

3 Er erlässt die erforderlichen Vollzugsbestimmungen und setzt den Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Beschlusses fest.

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Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung zum Entwurf eines Bundesbeschlusses über die eidgenössische Einigungsstelle zur Beilegung von interkantonalen kollektiven Arbeitsstreitigkeiten (Vom 25. Juni 1948)

In

Bundesblatt

Dans

Feuille fédérale

In

Foglio federale

Jahr

1948

Année Anno Band

2

Volume Volume Heft

26

Cahier Numero Geschäftsnummer

5486

Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

01.07.1948

Date Data Seite

796-811

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10 036 287

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