zu 07.074 Zusatzbotschaft zur Botschaft vom 21. September 2007 zur Genehmigung des Abkommens über die Teilnahme der Schweiz am EG-Programm MEDIA für die Jahre 2007­2013 und über einen Bundesbeschluss zur Finanzierung der Teilnahme; Änderung des Bundesgesetzes über Radio und Fernsehen vom 26. November 2008

Sehr geehrter Herr Nationalratspräsident Sehr geehrter Herr Ständeratspräsident Sehr geehrte Damen und Herren Wir unterbreiten Ihnen die Zusatzbotschaft über die Teilnahme der Schweiz am EG-Programm MEDIA und die nachstehenden Erlassentwürfe mit dem Antrag auf Zustimmung: 1.

Bundesbeschluss zur Genehmigung des Abkommens über die Teilnahme der Schweiz am EG-Programm MEDIA für die Jahre 2007­2013;

2.

Bundesbeschluss zur Finanzierung der Teilnahme der Schweiz am EG-Programm MEDIA für die Jahre 2010­2013;

3.

Änderung des Bundesgesetzes vom 24. März 2006 über Radio und Fernsehen (RTVG).

Wir versichern Sie, sehr geehrter Herr Nationalratspräsident, sehr geehrter Herr Ständeratspräsident, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

26. November 2008

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Der Bundespräsident: Pascal Couchepin Die Bundeskanzlerin: Corina Casanova

2008-2181

9105

Übersicht Im Anschluss an die Rückweisung der Botschaft zum MEDIA-Abkommen an den Bundesrat im Dezember 2007 suchte die Schweiz mit der EU nach Lösungen, um die medienpolitischen Interessen der Schweiz im Bereich der ausländischen Werbefenster besser zu gewährleisten. Mit der vorliegenden Zusatzbotschaft werden die aus den Gesprächen mit der EU resultierenden Änderungen des Abkommenstextes erläutert sowie die in der Botschaft vom 21. September 20071 zu diesem Geschäft angekündigte Revision des Radio- und Fernsehgesetzes (RTVG) vorgestellt.

Das Abkommen wurde in den parlamentarischen Beratungen hinsichtlich der Filmförderung mit grosser Mehrheit begrüsst ­ auf die positiven Ergebnisse der Förderung wird in dieser Zusatzbotschaft hingewiesen. Hingegen hätte die im Abkommen ursprünglich vorgesehene uneingeschränkte Übernahme des Herkunftslandsprinzips gemäss der EG-Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste (AVMS) zur Folge, dass die in der Schweiz geltenden strengeren Werbebestimmungen nicht mehr durchgesetzt werden könnten. In diesem Fall bestünde ferner das Risiko eines Abflusses von Werbegeldern ins Ausland.

In den Gesprächen mit der EU konnte eine für die Schweiz befriedigende Lösung gefunden werden. Die Modalitäten der Umsetzung des Herkunftslandsprinzips ­ konkret sind aktuell nur Werbefenster aus Deutschland, Frankreich und England betroffen ­ werden im Fall der Genehmigung des Abkommens durch eine Anpassung im Anhang I des MEDIA-Abkommens geregelt werden. Die Schweiz wird in den Bereichen der politischen und religiösen Werbung sowie der Alkoholwerbung weiterhin strengere Regeln erlassen können, sofern diese im öffentlichen Interesse liegen. Falls ausländische Werbefenster diese Regeln missachten, sieht die Anpassung ein Schlichtungsverfahren mit dem Sendestaat und der Kommission vor. Die Einleitung von Abwehrmassnahmen gegen religiöse oder politische Werbung sowie Werbung für hochprozentigen Alkohol (Spirituosen mit einem Alkoholgehalt über 15 Volumenprozenten sowie Mischgetränke)2 wäre dank diesem Verfahren wohl erfolgreich.

Hingegen wären Abwehrmassnahmen gegen Werbung für leichte Alkoholika (Bier und Wein mit einem Alkoholgehalt bis 15 Volumenprozente)3 in einem Werbefenster voraussichtlich aussichtslos. Sie würden von der EU nicht mehr akzeptiert, weil solche Werbung im Inland für
lokale Fernsehveranstalter durch das RTVG bereits zugelassen ist. Daher wird beantragt, mit der Genehmigung des MEDIA-Abkommens auch einer Änderung des RTVG zuzustimmen, welche Werbung für leichte Alkoholika für alle inländischen Fernsehveranstalter generell zulässt. Die Genehmigung des Abkommens wäre auch ohne diese Änderung des RTVG möglich, es müssten jedoch Diskriminierungen der schweizerischen gegenüber den ausländischen 1 2 3

BBl 2007 6681 Im Sinne des Bundesgesetzes vom 21. Juni 1932 über die gebrannten Wasser (Alkoholgesetz, AlkG; SR 680).

Im Sinne des Bundesgesetzes vom 9. Oktober 1992 über Lebensmittel und Gebrauchsgegenstände (Lebensmittelgesetz, LMG; SR 817.0).

9106

Fernsehveranstaltern in Kauf genommen werden. Abgesehen davon steht beiden Vertragsparteien auch die jederzeitige Kündigung des Abkommens offen.

Für die Anpassung von Anhang I des Abkommens ist der Gemischte Ausschuss zuständig, ein Organ des MEDIA-Abkommens, das sich aus Vertreterinnen und Vertretern der Schweiz und der Europäischen Kommission zusammensetzt. Dieser tritt zusammen, nachdem das Abkommen durch die Schweiz und die EU ratifiziert und somit formell in Kraft getreten ist. Mit dem Genehmigungsbeschluss des Abkommens wird zusätzlich der Bundesrat ermächtigt, die Änderung von Anhang I gemäss Beschluss des Gemischten Ausschusses abzuschliessen.

Für die Finanzierung der Schweizer Teilnahme am MEDIA-Programm für die Jahre 2010­2013 beantragt der Bundesrat einen Verpflichtungskredit in der Höhe von 41 072 800 Franken. Für die Jahre der provisorischen Anwendung 2008 und 2009 hat die Bundesversammlung bereits einen entsprechenden Verpflichtungskredit bewilligt (BBl 2008 2097).

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Inhaltsverzeichnis Übersicht

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1 Ausgangslage

9110

2 Abkommen für die Teilnahme der Schweiz am EG-Programm MEDIA für die Jahre 2007­2013 2.1 Überblick über den Verlauf und das Ergebnis der Gespräche mit der Europäischen Union 2.2 Die Anpassungen von Anhang I 2.3 Auswirkungen auf Schweizer Werbeverbote 2.3.1 Alkoholwerbung 2.3.2 Politische und religiöse Werbung 2.3.3 Fazit

9110 9111 9112 9112 9113 9113

3 Änderungen des RTVG 3.1 Ausgangslage 3.2 Marktsituation in der Schweiz 3.3 Gesundheitspolitische Aspekte 3.4 Erläuterungen zu den einzelnen Bestimmungen 3.4.1 Art. 10 RTVG: Alkoholwerbeverbote 3.4.2 Art. 14 RTVG: Alkoholwerbeverbot der SRG

9114 9114 9114 9115 9116 9116 9116

4 Ergebnisse der bisherigen Teilnahme der Schweiz (2006­2008) 4.1 Verleihförderung 4.2 Projektentwicklungsförderung 4.3 Kinoförderung 4.4 Weitere Rückflüsse

9117 9117 9118 9118 9118

5 Auswirkungen 5.1 Finanzielle und personelle Auswirkungen der MEDIA Teilnahme 5.2 Auswirkungen auf die Schweizer Filmwirtschaft 5.3 Auswirkungen der Änderung des RTVG

9119 9119 9119 9119

6 Verhältnis zur Legislaturplanung

9120

7 Rechtliche Aspekte 7.1 Genehmigung des Abkommens über die Teilnahme der Schweiz am EG-Programm MEDIA 7.2 Änderung des RTVG

9120

9110

9120 9120

Änderung des Anhangs I des Abkommens zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Europäischen Gemeinschaft im audiovisuellen Bereich zur Festlegung der Voraussetzungen und Bedingungen für die Beteiligung der Schweizerischen Eidgenossenschaft am Gemeinschaftsprogramm MEDIA 2007 9121

9108

Bundesbeschluss zur Genehmigung des Abkommens über die Teilnahme der Schweiz am EG-Programm MEDIA für die Jahre 2007­2013 (Entwurf)

9125

Bundesbeschluss zur Finanzierung der Teilnahme der Schweiz am EG-Programm MEDIA für die Jahre 2010­2013 (Entwurf)

9127

Bundesgesetz über Radio und Fernsehen (RTVG) (Entwurf)

9129

Abkommen zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Europäischen Gemeinschaft im audiovisuellen Bereich zur Festlegung der Voraussetzungen und Bedingungen für die Beteiligung der Schweizerischen Eidgenossenschaft am Gemeinschaftsprogramm MEDIA 2007

9131

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Botschaft 1

Ausgangslage

In der Wintersession 2007 haben die eidgenössischen Räte den Bundesbeschluss über die Genehmigung des Abkommens über die Teilnahme der Schweiz am EG-Programm MEDIA für die Jahre 2007­2013 (MEDIA 2007) zurückgewiesen.

Die Vorteile einer Beteiligung am EG-Filmförderungsprogramm MEDIA 2007 waren mehrheitlich unbestritten. Gleichzeitig wurde jedoch vor möglichen Auswirkungen der Teilnahme auf die schweizerische Medienlandschaft gewarnt. Anlass dafür war die im Abkommen vorgesehene Verpflichtung, ab dem 1. Dezember 2009 das in der EU geltende so genannte Herkunftslandsprinzip in Bezug auf den freien Empfang und die ungehinderte Weiterverbreitung von Fernsehsendungen zu übernehmen (vgl. Ziff. 2.3.2 der Botschaft vom 21. September 2007).

Im Rahmen der Revision des Radio- und Fernsehgesetzes (RTVG)4 hatte das Parlament gewisse Werbebestimmungen für Fernsehprogramme beschlossen, welche teilweise strenger als der europäische Mindeststandard sind. Dies gilt namentlich für die Bereiche Alkohol, Politik und Religion. Die Übernahme des Herkunftslandprinzips hätte zur Folge gehabt, dass die Schweiz gegen Werbefenster, welche aus EU-Staaten ausgestrahlt werden und einschlägige schweizerische Werbebeschränkung missachten, nicht mehr vorgehen kann, ohne das MEDIA-Abkommen kündigen zu müssen. Bei Werbefenstern handelt es sich um Werbesendungen auf ausländischen Kanälen, die speziell an ein Schweizer Publikum gerichtet sind.

Um trotz der Rückweisung des Abkommens Unterbrüche der laufenden Förderprogramme zu vermeiden, bestätigte die Bundesversammlung dessen vorläufige Anwendung. Gleichzeitig beauftragte das Parlament den Bundesrat, mit der Europäischen Kommission nach einer Lösung zu suchen, welche den medienpolitischen Interessen der Schweiz besser Rechnung trägt, und ihm diese bis spätestens im Herbst 2009 zu unterbreiten.

2

Abkommen für die Teilnahme der Schweiz am EG-Programm MEDIA für die Jahre 2007­2013

2.1

Überblick über den Verlauf und das Ergebnis der Gespräche mit der Europäischen Union

Bei den Vorbereitungen auf die Gespräche mit der Europäischen Kommission im Anschluss an die Rückweisung des Geschäfts durch die eidgenössischen Räte standen für die zuständigen Bundesstellen zwei mögliche Lösungsansätze zur Disposition. Denkbar war erstens eine ständige oder eine zeitlich begrenzte Ausnahme in Bezug auf das Herkunftslandsprinzip. Letzteres gilt etwa für die EWR/EFTAStaaten5. Die zweite Möglichkeit bestand in der Aufnahme eines Artikels, der dem

4 5

SR 784.40 Island, Norwegen und Liechtenstein

9110

Artikel 3 der neuen EG-Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste (AVMS)6 nachgebildet ist. Diese Bestimmung sieht ein EG-internes Verfahren vor für den Fall, dass ein Mitgliedstaat strengere nationale Werbebestimmungen erlassen hat und in vom Ausland her gesendeten Werbefenstern gegen diese nationalen Vorschriften verstossen wird.

Bereits beim ersten Treffen zwischen einer aus den zuständigen Dienststellen der Bundesverwaltung zusammengesetzten Delegation und der Kommission am 4. April 2008 wurde klar, dass die EU nicht bereit ist, der Schweiz eine Ausnahmeregelung vom Herkunftslandsprinzip zu gewähren. Dies einerseits unter Hinweis auf das Gebot der Gleichbehandlung der Mitgliedstaaten untereinander sowie im Verhältnis zu Drittstaaten und andererseits, weil die Thematik des Herkunftslandsprinzips bEG-Richtlinie (so genannte D bereits im Rahmen der Revision der massgebenden Z Fernsehrichtlinie, nunmehr AVMS) heftig diskutiert worden sei. Diese Diskussionen sollten anlässlich der Verhandlungen eines bilateralen Abkommens mit einem Nichtmitgliedstaat nicht wieder geöffnet werden.

Die Delegationen einigten sich darauf, den zweiten Lösungsweg einzuschlagen und in Anhang I des Abkommens einen angepassten Artikel 1 analog zum erwähnten Artikel 3 AVMS zu schaffen. Gegenstand der Diskussionen waren die Voraussetzungen, welche für den Erlass strengerer Werbebestimmungen durch die Schweiz gelten, die konkrete Ausgestaltung des Mechanismus für die Durchsetzung derselben im angepassten Artikel sowie Fragen institutioneller Art. Im Anschluss an das zweite Treffen am 2. Juli 2008 konnten die Delegationen sich auf einen Dreistufenmechanismus einigen. Mit dieser Lösung gewinnt die Schweiz allerdings die Interventionsmöglichkeiten gegenüber Werbefenstern aus den Nachbarstaaten, wie sie nach dem ersten MEDIA-Abkommen von 2004 vorgesehen waren, nicht vollumfänglich zurück.

2.2

Die Anpassungen von Anhang I

In Artikel 1 des Anhangs I des MEDIA-Abkommens soll unter Beibehaltung des Herkunftslandsprinzips und in Analogie zu Artikel 3 AVMS geregelt werden, unter welchen Voraussetzungen die Schweiz strengere Vorschriften erlassen kann und wie diese strengeren Vorschriften durchgesetzt werden können.

Die Schweiz kann Werbeverbote an die Adresse ausländischer Werbefenster nur unter der Voraussetzung erlassen, dass diese Bestimmungen im öffentlichen Interesse liegen sowie verhältnismässig und nicht diskriminierend sind.

Bei einem Verstoss gegen schweizerische Vorschriften in Werbefenstern kann die Schweiz in einem ersten Schritt mit dem EU-Mitgliedstaat Kontakt aufnehmen, aus dem der betreffende Fernsehveranstalter sendet. Der Sendestaat ist dabei verpflichtet, auf entsprechende Verhandlungen einzutreten. In einem zweiten Schritt kann die Europäische Kommission die Schweiz und den Mitgliedstaat zu einem trilateralen Treffen einladen, um gemeinsam eine Lösung im konkreten Fall zu finden. Hat der Fernsehveranstalter sich absichtlich zur Umgehung der schweizerischen Werbeein6

Richtlinie 89/552/EWG des Rates vom 3. Oktober 1989, ABl. L 298 vom 17.10.1989, S. 23. Geändert durch die Richtlinie 97/36/EG des Europäischen Parlaments und des Rates (ABl. L 202 vom 30.7.1997, S. 60) und durch die Richtlinie 2007/65/EG des Europäischen Parlaments und des Rates (ABl. L 332 vom 18.12.2007, S. 27).

9111

schränkungen in EU-Gebiet niedergelassen, so können die schweizerischen Behörden als dritten Schritt Massnahmen, wie beispielsweise die Aussetzung von Sendungen, gegen den ausländischen Fernsehveranstalter ergreifen. Der Gemischte MEDIA-Ausschuss, ein Organ des MEDIA-Abkommens, das sich aus Vertreterinnen und Vertretern der Schweiz und der Kommission zusammensetzt, muss vorgängig aber beschlossen haben, dass die zu ergreifende Massnahme korrekterweise getroffen wird, verhältnismässig und nicht diskriminierend ist. Der Gemischte Ausschuss entscheidet einvernehmlich.

Dank diesen Anpassungen in Anhang I besteht für die Schweiz die Möglichkeit, im Falle von Widerhandlungen gegen ausländische Werbefenster vorzugehen.

Für die Änderung von Anhang I des Abkommens ist der Gemischte Ausschuss zuständig. Dieser tritt zusammen, nachdem das Abkommen durch die Schweiz und die EU ratifiziert und somit formell in Kraft getreten ist. Mit dem Genehmigungsbeschluss des Abkommens wird zusätzlich der Bundesrat ermächtigt, die Anhangsänderung gemäss Beschluss des Gemischten Ausschusses abzuschliessen. Diese Ermächtigung umfasst nur die in den technischen Gesprächen zwischen der Schweiz und der EU (siehe Ziff. 2.1) festgelegten Punkte des Anhangs I. Die Europäische Kommission hat durch schriftliche Absichtserklärung ihren Willen geäussert, an die in den technischen Gesprächen beschlossenen Änderungen gebunden zu sein.

2.3

Auswirkungen auf Schweizer Werbeverbote

Für ausländische Werbefenster in der Schweiz gilt bisher grundsätzlich, dass die aus dem Ausland in die Schweiz eingestrahlten Werbungen Schweizer Recht einhalten müssen, selbst wenn dieses strenger ist als dasjenige des Sendestaats. Rechtsgrundlage ist Artikel 16 des Europäischen Übereinkommens über das grenzüberschreitende Fernsehen (EÜGF)7. Mit dem Abschluss des MEDIA-Abkommens soll gegenüber den EU-Mitgliedsstaaten neu das Herkunftslandsprinzip zur Anwendung kommen (nach Art. 3 AVMS). Damit verlagert sich in diesem Bereich die Zuständigkeit zur Regelung der Werbefenster von der Schweiz in die Sendestaaten.

Im Folgenden ist zu prüfen, wie sich die geplante Anpassung von Anhang I auf die Schweizer Werbeverbote in den Bereichen Alkohol, Politik und Religion auswirken wird.

2.3.1

Alkoholwerbung

Das europäische Recht erlaubt die Fernsehwerbung für jede Art von Alkohol (Art. 15 AVMS). Demgegenüber gilt in der Schweiz ein Werbeverbot für hochprozentige alkoholische Getränke. Dazu gehören insbesondere gebrannte Wasser, aber auch Mischgetränke wie Alcopops (Art. 10 Abs. 1 Bst. b RTVG in Verbindung mit Art. 2 Abs. 1 und Abs. 3 AlkG). Für leichte Alkoholika (Bier, Wein, Schaumwein mit einem Alkoholgehalt bis 15 Volumenprozente) dürfen in der Schweiz nur lokalregionale Fernsehveranstalter werben, nicht aber die ausländischen Werbefenster

7

SR 0.784.405

9112

und die nationalen bzw. sprachregionalen Fernsehveranstalter (Art. 10 Abs. 1 Bst. c RTVG).

Die Schweizer Bestimmungen für schwere Alkoholika dürften die Voraussetzungen für eine Ausnahmeregelung im Sinne der geplanten Anpassung von Artikel 1 im Anhang I des MEDIA-Abkommens erfüllen (vgl. Ziff. 2.2). Sie liegen im öffentlichen Interesse (Gesundheitsprophylaxe, Jugendschutz), gelten für alle Fernsehveranstalter (nicht diskriminierend), und es gibt kein milderes Mittel, um den angestrebten Zweck zu erreichen (verhältnismässig).

Ob sich hingegen die Differenzierung bezüglich der leichten Alkoholika im Lichte der erwähnten Voraussetzungen vor europäischem Recht halten lässt, erscheint fraglich. Die Kommission hat mehrfach durchblicken lassen, dass sie das Argument der Gesundheitsprophylaxe nicht überzeuge, wenn einem Teil der Anbieter entsprechende Werbung erlaubt ist. In die gleiche Richtung geht die Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften (Urteil des EuGH vom 17. Juli 2008, Corporación Dermoestética SA, Rs C 500/06, noch nicht publiziert).

2.3.2

Politische und religiöse Werbung

In der Schweiz ist politische und religiöse Werbung für alle Fernsehveranstalter verboten (Art. 10 Abs. 1 Bst. d und e RTVG). Die EG-Richtlinie betrifft nur die kommerzielle Werbung (Fernsehwerbung, welche auf den Absatz von Waren oder die Erbringung von Dienstleistungen gegen Entgelt abzielt). Die so genannte ideelle Werbung, welche die Unterstützung einer Sache oder einer Idee fördert, wird von der Richtlinie nicht geregelt. Es ist fraglich, ob die politische und religiöse Werbung überhaupt in den durch die EG-Richtlinie koordinierten Bereich fällt. Die Europäische Kommission hat sich dazu nicht geäussert, eine Rechtsprechung fehlt bislang.

In der Richtlinie wird politische und/oder religiöse Werbung nicht ausdrücklich erwähnt.

In jedem Fall dürften die schweizerischen Verbote für politische und religiöse Werbung auch künftig ohne grössere Schwierigkeiten durchsetzbar sein. Falls die EG-Richtlinie nicht anwendbar wäre, kann dies wie bisher gestützt auf Artikel 16 EÜGF erfolgen, also in Anwendung von schweizerischem Recht.

Für den Fall, dass auch die politische und religiöse Werbung von der Richtlinie abgedeckt wird, müsste die Schweiz ähnlich wie beim Verbot von Werbung für schwere Alkoholika im Konfliktfall darlegen, dass die striktere Werberegelung objektiv erforderlich und verhältnismässig ist. Auch hier wird man sich auf ein überwiegendes öffentliches Interesse berufen können (Chancengleichheit vor Wahlen und Abstimmungen bzw. religiöser Frieden). Daneben sind auch hier die Kriterien der Verhältnismässigkeit und der Nichtdiskriminierung massgeblich.

2.3.3

Fazit

Mit der Neufassung von Anhang I zum MEDIA-Abkommen werden die Möglichkeiten zur Durchsetzung von strengeren Schweizer Werberegeln besser sein als nach dem ursprünglichen Verhandlungsergebnis von 2007. Hervorzuheben ist insbesondere, dass die Sendestaaten bei Verletzungen von Schweizer Werbeverboten ver9113

pflichtet sind, auf Verhandlungen einzutreten und nach Lösungen zu suchen. Wenn aber keine Verhandlungslösung zustande kommt, muss die Schweiz, um gegen den ausländischen Fernsehveranstalter direkt vorgehen zu können, nachweisen, dass dieser nur deshalb aus dem Ausland sendet, um die Schweizer Werbeverbote zu umgehen. Dieser Nachweis der Umgehungsabsicht könnte in der Praxis eine Hürde darstellen. Als letzte Möglichkeit bleibt die Kündigung des MEDIA-Abkommens zu jeder Zeit offen. Dieses ist überdies bis 2013 befristet.

Bezogen auf die bisher bestehenden schweizerischen Werbeverbote lässt sich sagen, dass sich jene für schwere Alkoholika und für politische wie religiöse Werbung auch künftig im Konfliktfall mit relativ grosser Wahrscheinlichkeit gegenüber ausländischen Werbefenstern durchsetzen lassen. Die asymmetrische Verbotsregelung betreffend Werbung für leichte Alkoholika ist dagegen kaum haltbar.

3

Änderungen des RTVG

3.1

Ausgangslage

Mit dem neuen RTVG wurde die Werbung für leichte Alkoholika (Getränke aus vergorenem Alkohol wie Bier und Wein, nicht aber Alcopops) in Radio und Fernsehen in der Schweiz bereits eingeführt. Lokale und regionale TV-Stationen sowie alle kommerziellen Radioveranstalter haben seit 1. April 2007 die Möglichkeit, für leichte Alkoholika zu werben. Nach Artikel 10 Absatz 1 Buchstabe c RTVG ist aber keinerlei Alkoholwerbung zulässig «in Fernsehprogrammen in- und ausländischer Fernsehveranstalter, sofern diese Programme in der Schweiz national oder sprachregional verbreitet werden und sich eigens an das schweizerische Publikum richten».

Artikel 10 Absatz 1 Buchstabe b RTVG kennt sodann in Anlehnung an das Alkoholgesetz das Verbot der Lifestyle-Werbung für Alkoholika. Zudem werden der SRG in Artikel 14 Absatz 2 RTVG sowohl die Werbung für alkoholische Getränke als auch das Sponsoring durch in diesem Bereich tätige Unternehmen untersagt.

Nach der neu ausgehandelten Fassung des Anhangs I zum MEDIA-Abkommen wird sich diese asymmetrische Verbotsregelung betreffend die Werbung für leichte Alkoholika gegenüber ausländischen Fernsehveranstaltern kaum mehr durchsetzen lassen (vgl. Ziff. 2.3). Ausländische TV-Stationen werden diese neuen und lukrativen Werbemöglichkeiten im Schweizer Markt auszunützen wissen. Diese Benachteiligung von Schweizer Fernsehveranstaltern (national und sprachregional sowie SRG) gegenüber ausländischen Werbefenstern ist durch eine Änderung von Artikel 10 Absatz 1 Buchstaben b und c sowie von Artikel 14 Absatz 2 RTVG zu korrigieren.

Diese Lösung sieht also eine strengere Werberegelung im Bereich der Spirituosen (und Mischgetränke) vor als im Bereich von Bier und Wein. Sie knüpft damit an das geltende schweizerische Alkoholgesetz an, denn bereits heute sind die Handels- und Werberestriktionen bei harten Alkoholika strenger.

3.2

Marktsituation in der Schweiz

Zurzeit richten deutsche Privatprogramme wie Sat.1, Pro7, Kabel 1, RTL I, RTL II, Super RTL, Vox, NICK und MTV sowie das französische Programm M6 und das englische Programm Cartoon Network (französischsprachig) spezielle Werbefenster 9114

an die Schweiz. Sie ersetzen die Werbeblöcke des Originalprogramms hauptsächlich in der Prime-Time durch Werbung, die in der Schweiz akquiriert worden ist und spezifisch auf das schweizerische Publikum zielt. So ergab eine Stichprobe vom 4.

Oktober 2007, dass die beiden marktstärksten deutschen Fernsehveranstalter RTL und Pro7 sämtliche acht Werbeblöcke in der Hauptsendezeit (18­22 Uhr) an das schweizerische Publikum richteten.

In der deutschsprachigen Schweiz realisieren diese Programme zusammen eine höhere Publikumsresonanz als alle schweizerischen TV-Programme, inklusive die SRG8. Die deutschen Privatsender wissen diese Marktsituation wirtschaftlich zu nutzen: Ihre an die Schweiz gerichteten Werbefenster erzielen heute fast einen Drittel der gesamten TV-Nettowerbeumsätze in unserem Land. Sie haben die mit dem neuen RTVG eingeführte Werbeliberalisierung besser zu nutzen gewusst als die einheimischen Anbieter und beispielsweise im Bruttowerbebereich einen Volumenzuwachs von über 37 Prozent realisiert (478 Millionen Franken im Jahr 2007 gegenüber 337 Millionen Franken im Jahr 2006). In Bezug auf die Nettoerträge lag das Wachstum jedoch bloss bei 10,8 Prozent. Bei der SRG bewegte sich der NettoVolumenzuwachs bei unter 2 Prozent (359 Millionen Franken im Jahr 2006 gegenüber 365 Millionen Franken im Jahr 2007)9.

3.3

Gesundheitspolitische Aspekte

Alkoholische Getränke sind wegen ihrer psychoaktiven und abhängigkeitsbildenden Eigenschaft besondere Konsumgüter. Einander gegenüberzustellen sind einerseits die gesundheitlichen Risiken, welche eine Öffnung der Alkoholwerbung mit sich bringt, und andererseits der wirtschaftliche Nutzen, der für die Fernsehveranstalter und für die alkoholproduzierende und -verwertende Branche entsteht.

Die Frage, ob ein enger Zusammenhang zwischen Alkoholwerbung und Konsumverhalten besteht, wurde in zahlreichen wissenschaftlichen Studien untersucht.

Während die einen Untersuchungen zum Schluss kommen, dass mit Werbung insbesondere der Kampf um Marktanteile ausgetragen wird, besagen andere, dass mit Alkoholwerbung die Gesamtnachfrage nach Alkohol erhöht wird und dass damit auf die Rekrutierungen neuer Konsumenten gezielt wird.

Im vorliegenden Fall dürfte die Liberalisierung der Werbevorschriften im Rahmen des RTVG nur moderate Auswirkungen auf den Konsum haben. Einerseits ist Alkoholwerbung in Massenmedien bereits heute weit verbreitet. Sie findet sich in Zeitungen und Zeitschriften, auf Plakatwänden, im Kino, im Internet, aber auch im Fernsehen in den Programmen lokaler und regionaler Sender und durch die Ausstrahlung von Programmen ausländischer Sendern. Andererseits machen Alkoholproduzenten und -verwerter regen Gebrauch von der Möglichkeit, für alkoholfreie Getränke zu werben, wobei die Grenze zu Werbung für alkoholhaltige Getränke schmal ist.

8

9

Gemäss Publica Data AG haben die deutschen TV-Stationen im ersten Semester 2008 in der deutschsprachigen Schweiz Marktanteile von insgesamt 39.8 Prozent gegenüber 33.6 Prozent der SRG (SF1 und SF2) realisiert.

Brutto: offiziell publizierter Werbetarif multipliziert mit der effektiv ausgestrahlten Werbezeit, ohne Abzug von irgendwelchen Rabatten oder Vergünstigungen; netto: die den Veranstaltern effektiv zugeflossenen Erträge, d.h. exklusiv Rabatte, Provisionen, Kommissionen oder sonstigen Vergünstigungen.

9115

Die vorstehenden Argumente lassen den Schluss zu, dass die vorgeschlagene Liberalisierung der Werbung für leichte Alkoholika durch die Revision des RTVG die Präsenz von Werbung für alkoholische Getränke nur geringfügig erhöhen wird.

Entsprechend dürften die Auswirkungen auf die öffentliche Gesundheit wahrscheinlich kaum spürbar sein.

3.4

Erläuterungen zu den einzelnen Bestimmungen

3.4.1

Art. 10 RTVG: Alkoholwerbeverbote

Um die Gleichstellung schweizerischer sprachregionaler und nationaler Fernsehveranstalter mit ausländischen TV-Stationen in unserem Land zu gewährleisten, ist das als Ausnahme formulierte Alkoholwerbeverbot (Art. 10 Abs. 1 Bst. c RTVG) zu streichen. Damit werden die privaten schweizerischen Fernsehveranstalter im einheimischen Markt (z.B. 3+, Star TV, PresseTV, U1) jenen Anbietern gleichgestellt, die ohnehin über bedeutend grösser finanzielle Ressourcen verfügen und demzufolge auch imstande sind, attraktivere bzw. massenwirksamere Programme anzubieten. Durch die Aufhebung des Verbotes wird es den schweizerischen Fernsehveranstaltern gleichzeitig ermöglicht, Sendungen durch Bier- oder Weinproduzenten sponsern zu lassen (vgl. Art. 12 Abs. 4 RTVG).

Im Sinne der Gleichbehandlung ist auch auf die Vorschrift betreffend die Gestaltung der Alkoholwerbung (Lifestyle-Werbung) zu verzichten (zweiter Satz in Art. 10 Abs. 1 Bst. b RTVG). Alkoholwerbung aus den Nachbarländern wird indessen die Kriterien der EG-Richtlinie respektieren müssen, welche zum Schutz von Jugendlichen und im Sinne der Gesundheitsprophylaxe präzise Vorgaben hinsichtlich der Werbegestaltung vorsieht (Art. 15 AVMS). Danach darf sich die Alkoholwerbung am Fernsehen nicht speziell an Minderjährige richten, keine Verbindung zwischen physischer Leistung und Alkoholgenuss herstellen, nicht den Eindruck erwecken, Alkoholgenuss fördere sozialen oder sexuellen Erfolg, und nicht eine therapeutische, stimulierende, beruhigende oder konfliktlösende Wirkung von Alkohol suggerieren.

Zudem darf sie Enthaltsamkeit oder Mässigung nicht negativ darstellen und die Höhe des Alkoholgehalts von Getränken nicht als positive Eigenschaft hervorheben.

Analoge Bestimmungen gelten in der Schweiz weiterhin für alle Fernsehveranstalter (Art. 16 Abs. 1 RTVV).

3.4.2

Art. 14 RTVG: Alkoholwerbeverbot der SRG

Um zu verhindern, dass neue Werbeerträge aus der Alkoholwerbung zum grössten Teil ins Ausland abfliessen, soll auch die SRG von der Lockerung profitieren. Mit der Streichung von Artikel 14 Absatz 2 RTVG wird ihr ermöglicht, für leichte Alkoholika zu werben und Alkoholproduzenten als Sponsoren zu akquirieren. Die Weiterführung dieser Verbote lässt sich aufgrund der dargestellten Entwicklungen (Ziff. 3.3) kaum rechtfertigen.

Die SRG als grösste Marktteilnehmerin könnte zudem von zusätzlichen Werbeerträgen profitieren und wäre dadurch besser in der Lage, der zunehmenden Konkurrenz durch die Werbefenster zu begegnen. Zudem hätten auch schweizerische Produzenten und Importeure von leichten Alkoholika die Möglichkeit, auf den TV-Sendern 9116

der SRG, die im Vergleich zu andern TV-Stationen nach wie vor über die höchsten Marktanteile verfügen, für ihre Produkte zu werben oder einzelne Sendungen (z.B.

Sportsendungen) zu sponsern.

4

Ergebnisse der bisherigen Teilnahme der Schweiz (2006­2008)

Bereits zum Zeitpunkt der Redaktion der Botschaft vom 21. September 2007 zu diesem Geschäft konnte ein günstiges Fazit über die Ergebnisse der bisherigen Teilnahme der Schweiz am MEDIA-Programm gezogen werden (vgl. Ziff. 1.1.3).

Das inzwischen umfangreicher vorliegende Zahlenmaterial bestätigt diesen Eindruck: Einerseits gehört die Schweiz im Bereich des Filmverleihs zu den MEDIALändern mit den höchsten finanziellen Rückflüssen, andererseits haben die Filmschaffenden durch die Teilnahme einen stärkeren Vernetzungsgrad in Europa erreicht, dies insbesondere durch grenzüberschreitende Koproduktionen sowie Weiterbildungsprogramme. Die direkten finanziellen Rückflüsse sind zwischen 2006 (Jahr der ersten Teilnahme der Schweiz) und 2008 von 4 600 000 auf 5 600 000 Franken angestiegen (provisorische Zahlen 2008). Zusammen mit weiteren MEDIA-Programmen, an denen die Schweiz teilnehmen kann, insbesondere durch die Förderung von Kinobetrieben in der Schweiz (340 000 Franken für 2008) sowie Rückflüsse aus Weiterbildungsmassnahmen und dem Einkauf von Schweizer Filmen aus dem europäischen Ausland, beziffern sich die gesamten Rückflüsse für das Jahr 2008 auf rund 7 000 000 Franken (rund 70 % bis 75 % des für die Teilnahme aufgewendeten Beitrags). Im Folgenden werden die einzelnen Bereiche vertieft analysiert.

4.1

Verleihförderung

Von den Förderleistungen des MEDIA-Programms profitieren Schweizer Filme, die in europäischen Kinos gezeigt wurden, sowie Schweizer Verleihfirmen, die europäische Filme in den Schweizer Kinos vorführen. Diese Förderung erfolgt durch ein automatisches sowie ein selektives Fördersystem.

Der Bereich der automatischen Verleihförderung (erfolgsabhängige Förderung), welche sich am Erfolg von europäischen Filmen an den Schweizer Kinokassen bemisst, verursachte den bei weitem grössten finanziellen Rückfluss. 2006 konnten insgesamt 1 100 000 Euro an Schweizer Verleiher gutgeschrieben werden. 2007 betrug die Summe der Rückflüsse bereits 1 700 000 Euro. Damit stand 2007 die Schweiz in absoluten Zahlen an fünfter Stelle hinter Frankreich (3 800 000 Euro), Deutschland (3 700 000 Euro), Italien (2 200 000 Euro) und Spanien (2 100 000 Euro). Diese Zahlen stellen ein wichtiges Indiz für die hochstehende internationale Angebotsvielfalt an Filmen im Inland dar.

Für 2008 stehen die definitiven Zahlen der automatischen Filmförderung noch nicht fest (Stand 15. September 2008). Es ist aufgrund der Zahl der Kinoeintritte des Vorjahres anzunehmen, dass sich der finanzielle Rückfluss im Rahmen des Vorjahres bewegt. Die Förderleistungen der automatischen Förderung sind von den Verleihfirmen zweckgebunden in den Ankauf oder die Promotion von neuen europäischen Filmen zu reinvestieren.

9117

Die selektive Verleihförderung als zweites Standbein der Verleihförderung unterstützt den Kinoverleih von europäischen Filmen, die in mehreren Ländern gezeigt werden. Das Kriterium für die Förderleistung ist nicht der Erfolg eines Films, sondern dessen Verbreitung (z.B. anhand der Anzahl MEDIA-Länder, die den Film in den Kinos zeigen). Im Jahr 2007 konnten Schweizer Verleiher insgesamt 700 000 Franken an selektiver Förderung (bis Oktober 2008 rund 600 000 Franken) in Anspruch nehmen.

4.2

Projektentwicklungsförderung

Die Förderleistungen im Bereich der Projektentwicklung sind zwischen 2007 und 2008 erheblich angestiegen (von 960 000 Franken im Jahr 2007 auf 1 800 000 2008). Dieser Anstieg hängt im Wesentlichen mit der Zunahme, aber auch mit der Qualität der Schweizer Gesuche zusammen.

4.3

Kinoförderung

MEDIA fördert auch die europäischen Kinos, die regelmässig ein vielfältiges Angebot an Filmen präsentieren. 2007 konnten so 23 Schweizer Kinosäle eine Fördersumme von rund 250 000 Franken in Anspruch nehmen. Für 2008 haben insgesamt 49 Kinosäle in der ganzen Schweiz mit einer Gesamtsumme von 340 000 Franken eine Förderung erhalten.

4.4

Weitere Rückflüsse

Im Bereich der neuen Technologien wurde im Oktober 2008 ein Schweizer Projekt, das den digitalen Abruf von Filmen über das Internet entwickelt, mit 400 000 Euro unterstützt.

Durch den Beitritt der Schweiz am MEDIA Programm steht den Schweizer Filmschaffenden auch die Teilnahme an zum Teil subventionierten europäischen Weiterbildungen offen. Bei der Beurteilung der finanziellen Rückflüsse sind diese Subventionierungen ebenfalls zu berücksichtigten. Da MEDIA keine vollständige Liste mit allen Teilnehmerinnen und Teilnehmern und sowie deren Nationalität liefert, bilden die nachfolgenden Zahlen nur einen Teil der Rückflüsse ab. 2007 nahmen 12 Schweizer Filmschaffende an Weiterbildungen in fünf verschiedenen Programmen teil. Der von MEDIA subventionierte Anteil dieser Teilnahmen beträgt 390 000 Franken. Ein europäisches Weiterbildungsprogramm kostet zwischen 3000 und 45 000 Franken.

Ferner entstehen durch MEDIA immaterielle Vorteile, die finanziell schwer zu beziffern sind. Der regelmässige Austausch mit den europäischen Ländern verstärkt die internationale Vernetzung und verbessert massgeblich die Wettbewerbsfähigkeit der Filmschaffenden, die sich mit der ausländischen Konkurrenz messen müssen.

9118

5

Auswirkungen

5.1

Finanzielle und personelle Auswirkungen der MEDIA Teilnahme

Mit Beschluss vom 10. Dezember 2007 hat die Bundesversammlung einen Verpflichtungskredit für die Jahre 2007­2009 von 26 288 292 Franken (15 932 268 Euro) bewilligt.10 Damit ist die Teilnahme der Schweiz für die Dauer der provisorischen Anwendung des Abkommens gesichert.

Bezüglich der notwendigen finanziellen Mittel für die Beiträge der Schweiz an das MEDIA-Programm für die Jahre 2010­2013 behalten die Ausführungen in der Botschaft vom 21. September 2007 zu diesem Geschäft ihre Gültigkeit (Ziff. 2.4).

Mit der Unterzeichnung geht die Schweiz eine mehrjährige Verpflichtung ein, weshalb ein Verpflichtungskredit beantragt werden muss. Gleichzeitig mit dem Antrag auf Genehmigung des Abkommens wird deshalb dem Parlament ein Antrag für einen Verpflichtungskredit für die Jahresbeiträge 2010­2013 in der Höhe von 41 072 800 Franken (24 892 566 Euro) vorgelegt. Die Jahresbeiträge sind im Budget 2009 und im Finanzplan 2010­2012 eingestellt.

5.2

Auswirkungen auf die Schweizer Filmwirtschaft

Die Teilnahme der Schweizer Filmschaffenden am MEDIA-Abkommen trägt massgeblich zu einer Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit auf europäischer Ebene bei. Die Vorteile sind materieller und immaterieller Natur. Nebst den erwähnten direkten und indirekten finanziellen Rückflüssen von rund 7 Millionen Franken stellt die kulturelle Freizügigkeit für Filmschaffende den zweiten Grundpfeiler des Abkommens dar.

5.3

Auswirkungen der Änderung des RTVG

Die Änderung des RTVG hat für den Bund weder personelle noch finanzielle Auswirkungen. Stattdessen wird sie sich positiv auf die Ertragslage der Schweizer Fernsehveranstalter einschliesslich der SRG auswirken, was letztlich im Interesse der Gebührenzahlenden liegt. Nach den Schätzungen der Publisuisse ist mit einem Marktvolumen der Werbung für leichte Alkoholika in der Schweiz von netto 8­12 Millionen Franken pro Jahr zu rechnen; davon dürfte die SRG rund 5­8 Millionen Franken realisieren.

10

BBl 2008 2097

9119

6

Verhältnis zur Legislaturplanung

Die Vorlage ist in der Botschaft über die Legislaturplanung 2007­201111 nicht angekündigt. Die Botschaft vom 21. September 2007 war im Bericht über die Legislaturplanung 2003­2007 als «Botschaft(en) über die neuen bilateralen Abkommen mit der EU (Bilaterale II)» als Richtliniengeschäft angekündigt.12

7

Rechtliche Aspekte

7.1

Genehmigung des Abkommens über die Teilnahme der Schweiz am EG-Programm MEDIA

Die Ausführungen in der Botschaft vom 21. September 2007 zu diesem Geschäft behalten ihre Gültigkeit (Ziff. 4). Demnach ist die Bundesversammlung nach Artikel 166 Absatz 2 BV zuständig, das Abkommen zu genehmigen. Der Bundesbeschluss zur Genehmigung der Teilnahme der Schweiz am EG-Programm MEDIA unterliegt dem fakultativem Referendum für völkerrechtliche Verträge nach Artikel 141 Absatz 1 Buchstabe d Ziffer 3 BV.

7.2

Änderung des RTVG

Die vorliegenden Anpassungen des RTVG erfolgen gestützt auf Artikel 93 Absatz 1 der Bundesverfassung. Die Gesetzesänderungen unterliegen dem fakultativen Referendum.

11 12

BBl 2008 753 BBl 2004 1149, 1199

9120

Änderung des Anhangs I des Abkommens zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Europäischen Gemeinschaft im audiovisuellen Bereich zur Festlegung der Voraussetzungen und Bedingungen für die Beteiligung der Schweizerischen Eidgenossenschaft am Gemeinschaftsprogramm MEDIA 2007

Anhang I Art. 1

Freier Empfang und ungehinderte Weiterverbreitung von Fernsehsendungen

1. Die Schweiz gewährleistet in ihrem Hoheitsgebiet den freien Empfang und die ungehinderte Weiterverbreitung von Fernsehsendungen, die der Rechtshoheit eines Mitgliedstaats der Gemeinschaft unterworfen sind, nach Massgabe der Richtlinie 89/552/EWG des Rates vom 3. Oktober 198913 zur Koordinierung bestimmter Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Bereitstellung audiovisueller Mediendienste (nachstehend Richtlinie «über audiovisuelle Mediendienste» genannt), und zwar folgendermassen: Die Schweiz behält das Recht: a)

die Weiterverbreitung von Sendungen eines der Rechtshoheit eines Mitgliedstaats der Gemeinschaft unterworfenen Fernsehveranstalters auszusetzen, der in offensichtlicher, ernster und schwerwiegender Weise gegen die in Artikel 22 Absatz 1 oder Absatz 2 und/oder Artikel 3b der Richtlinie «über audiovisuelle Mediendienste» aufgeführten Regeln zum Schutz von Minderjährigen und der menschlichen Würde verstossen hat;

b)

Fernsehveranstalter, die ihrer Rechtshoheit unterworfen sind, zu verpflichten, strengeren oder ausführlicheren Bestimmungen in den von der Richtlinie «über audiovisuelle Mediendienste» koordinierten Bereichen nachzukommen, sofern diese Vorschriften verhältnismässig und nicht diskriminierend sind.

2. In Fällen, in denen die Schweiz a)

ihr Recht nach Absatz 1 Buchstabe b in Anspruch genommen hat, um im Allgemeininteresse liegende ausführlichere oder strengere Bestimmungen zu erlassen, und;

b)

zu dem Schluss gelangt, dass ein der Rechtshoheit eines Mitgliedstaats der Gemeinschaft unterworfener Fernsehveranstalter Fernsehprogramme erbringt, die ganz oder vorwiegend auf sein Gebiet ausgerichtet sind,

SR 0.784.405.226.8 13 ABl. L 298 vom 17.10.1989, S. 23. Geändert durch die Richtlinie 97/36/EG des Europäischen Parlaments und des Rates (ABl. L 202 vom 30.7.1997, S. 60) und durch die Richtlinie 2007/65/EG des Europäischen Parlaments und des Rates (ABl. L 332 vom 18.12.2007, S. 27).

9121

kann sie sich mit dem Mitgliedstaat, dessen Rechtshoheit der Fernsehveranstalter unterworfen ist, in Verbindung setzen, um für auftretende Schwierigkeiten eine beiderseits zufrieden stellende Lösung zu finden. Auf begründetes Ersuchen der Schweiz fordert der Mitgliedstaat, dessen Rechtshoheit der Fernsehveranstalter unterworfen ist, diesen auf, die betreffenden im Allgemeininteresse liegenden Bestimmungen einzuhalten. Der Mitgliedstaat, dessen Rechtshoheit der Fernsehveranstalter unterworfen ist, unterrichtet die Schweiz binnen zwei Monaten über die im Anschluss an das Ersuchen erzielten Ergebnisse. Die Schweiz oder der Mitgliedstaat kann die Kommission ersuchen, die betroffenen Parteien zu einem ad hoc-Treffen mit der Kommission am Rand eines Treffens des Kontaktausschusses einzuladen, um den Fall zu prüfen.

3. Gelangt die Schweiz zu dem Schluss, a)

dass die aufgrund der Anwendung des Absatzes 2 erzielten Ergebnisse nicht zufrieden stellend sind und

b)

dass der betreffende Fernsehveranstalter sich in dem Mitgliedstaat, dessen Rechtshoheit er unterworfen ist, niedergelassen hat, um die strengeren Bestimmungen in den von der Richtlinie «über audiovisuelle Mediendienste» koordinierten Bereichen, denen er unterliegen würde, wenn er in der Schweiz niedergelassen wäre, zu umgehen,

so kann die Schweiz gegen den betreffenden Fernsehveranstalter angemessene Massnahmen ergreifen. Diese Massnahmen müssen objektiv erforderlich sein, auf nicht diskriminierende Weise angewandt werden sowie verhältnismässig zur Erreichung der damit verfolgten Ziele sein.

4. Die Schweiz darf Massnahmen gemäss Absatz 1 Buchstabe a oder Absatz 3 nur ergreifen, wenn die folgenden Voraussetzungen erfüllt sind: a)

Sie hat dem Gemischten Ausschuss und dem Mitgliedstaat, in dem der Fernsehveranstalter niedergelassen ist, seine Absicht mitgeteilt, derartige Massnahmen zu ergreifen, und die Gründe dargelegt, auf die er seine Beurteilung stützt;

b)

der Gemischte Ausschuss hat entschieden, dass die Massnahmen verhältnismässig und nicht diskriminierend sind und dass insbesondere die Beurteilungen der Schweiz nach den Absätzen 2 und 3 zutreffend begründet sind.

Art. 2

Ereignisse von erheblicher gesellschaftlicher Bedeutung

1. Die Schweiz gewährleistet, dass Fernsehveranstalter, die ihrer Rechtshoheit unterliegen, ausschliessliche Rechte für bedeutende Ereignisse, die auf der entsprechenden Liste eines Mitgliedstaats der Gemeinschaft stehen, nicht in der Weise ausüben, dass einem bedeutenden Teil der Öffentlichkeit dieses Mitgliedstaats die Möglichkeit vorenthalten wird, diese Ereignisse im Einklang mit Artikel 3a der Richtlinie «Fernsehen ohne Grenzen» zu verfolgen.

2. Gemäss Artikel 3a der Richtlinie «Fernsehen ohne Grenzen» teilt die Schweiz der Europäischen Kommission die Massnahmen mit, die sie in dieser Hinsicht getroffen hat oder treffen wird.

9122

Art. 3

Förderung der Verbreitung und Herstellung europäischer Werke

Zum Zwecke der Durchführung der Massnahmen zur Förderung und Verbreitung europäischer Werke gilt für den Begriff des europäischen Werks die Begriffsbestimmung nach Artikel 6 der Richtlinie «Fernsehen ohne Grenzen».

Art. 4

Übergangsbestimmungen

Artikel 1 dieses Anhangs gilt ab dem 30. November 2009.

Bis zum 30. November 2009 gelten weiterhin die Bestimmungen in Anhang II Artikel 1 des Abkommens vom 26. Oktober 2004 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Europäischen Gemeinschaft im Bereich audiovisuelle Medien über die Festlegung der Voraussetzungen und Bedingungen für die Beteiligung der Schweizerischen Eidgenossenschaft an den Gemeinschaftsprogrammen MEDIA Plus und MEDIA-Fortbildung14 15.

14 15

AS 2006 1041 ABl. L 90 vom 28.3.2006, S. 22.

9123

9124