Rüstungsbeschaffung im VBS Bericht der Geschäftsprüfungskommission des Nationalrates vom 23. November 2007

2007-2981

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Liste der Abkürzungen RC GPK-N GPKs Weko PVK SiK-N EDA VBS EVD KMG BoeB WTO KMV VoeB SR EU

3570

Rüstungschef Geschäftsprüfungskommission des Nationalrates Geschäftsprüfungskommissionen der eidgenössischen Räte Wettbewerbskommission Parlamentarische Verwaltungskontrolle Sicherheitspolitische Kommission des Nationalrates Eidg. Departement für auswärtige Angelegenheiten Eidg. Departement für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport Eidg. Volkswirtschaftsdepartement Kriegsmaterialgesetz Bundesgesetz über das öffentliche Beschaffungswesen Welthandelsorganisation Kriegsmaterialverordnung Verordnung über das öffentliche Beschaffungswesen Systematische Sammlung des Bundesrechts Europäische Union

Bericht 1

Einleitung

1.1

Kontext

Das Thema Rüstungsbeschaffung löst in der Öffentlichkeit und im Parlament regelmässig Kontroversen aus. Nachdem bereits das Rüstungsprogramm 2004 bei der Beratung in den Räten zu hitzigen Debatten geführt hatte, kam es auch beim Rüstungsprogramm 2005 wieder zu regen Diskussionen. Die Auseinandersetzung drehte sich hauptsächlich um die geplante Beschaffung von 20 leichten Schul- und Transporthelikoptern. Die Wahl des Helikoptertyps sowie die Transparenz des Evaluierungsverfahrens waren dabei besonders umstritten. Erst nach einer ausführlichen Überprüfung durch die Sicherheitspolitische Kommission des Nationalrates (SiK-N) stimmten die Räte dem beantragten Kredit zu.

Der Bericht der SiK-N zur Helikopterbeschaffung sowie die zahlreichen parlamentarischen Vorstösse und Aufsichtseingaben an die Geschäftsprüfungskommissionen lassen vermuten, dass die Probleme grundsätzlicher Natur sind. In Anbetracht dieser Sachlage entschied die Geschäftsprüfungskommission des Nationalrates (GPK-N), die Rüstungsbeschaffung des Eidgenössischen Departements für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport (VBS) einer ausführlichen Prüfung zu unterziehen.

Ende Mai beauftragte die Kommission die Parlamentarische Verwaltungskontrolle (PVK) mit einer Untersuchung dieses Bereichs.

1.2

Gegenstand der Untersuchung

Die dem Parlament in den Rüstungsprogrammen unterbreiteten Vorhaben sind das Ergebnis eines langen und komplexen Vorbereitungsprozesses, der sich grob in zwei Hauptphasen gliedern lässt. Die Rüstungsplanung dient der Ermittlung des Rüstungsbedarfs, während die Phase der Rüstungsbeschaffung sich mit der Auswahl des zur Deckung eines bestimmten militärischen Bedürfnisses am besten geeigneten Rüstungsmaterials befasst.

Gestützt auf den Projektentwurf der PVK, der drei Evaluationssvarianten vorschlug, beauftragte die Subkommission EDA/VBS1 der GPK-N die PVK, sich in ihrer Untersuchung auf die Phase der Rüstungsbeschaffung ­ also auf die Phase der Evaluation und Auswahl des Rüstungsmaterials durch die Armasuisse2 ­ zu konzentrieren.

1

2

Zusammensetzung der Subkommission EDA/VBS der GPK-N: Serge Beck (Präsident), André Daguet, Hans Ulrich Mathys, Lucrezia Meier-Schatz, Geri Müller, Fritz Abraham Oehrli, Stéphane Rossini, Urs Schweizer, Andy Tschümperlin, Pierre-François Veillon und Christian Waber.

Die armasuisse ist eine Gruppe von Ämtern und Kompetenzbereichen, welche vom Rüstungschef (RC) geführt wird. Sie ist der Hauptakteur des Bundes in Sachen Rüstungsbeschaffung.

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Die Studie sollte in erster Linie folgende Fragen beantworten: 1.

Wie ist die Beschaffungspraxis aus rechtlicher Sicht zu beurteilen?

2.

Wie ist die Beschaffungspraxis aus betriebswirtschaftlicher Perspektive zu beurteilen?

Im rechtlichen Bereich ging es vor allem um die Frage, wie das einschlägige Recht ­ d. h. das Beschaffungsrecht ­ auf die Rüstungsbeschaffung angewandt wird und in welcher Weise sicherheits- und aussenpolitische Interessen berücksichtigt werden.

Auch die Steuerungsmöglichkeiten des Parlaments wurden untersucht. Im Bereich Betriebwirtschaft beschäftigte sich die Studie mit der Beschaffungsstrategie, dem Beschaffungsprozesse und -organisation, dem Management und Controlling sowie mit der Personalfrage.

Die Studie der PVK stützt sich auf eingehende Dokumentenanalysen, Interviews und die Auswertung von Daten aus den internen Informationssystemen von Armasuisse.

Vier konkrete Beschaffungsvorhaben wurden eingehend untersucht. Dabei wurde die betriebswirtschaftliche Praxis der Armasuisse an den Best Practices den führenden Privatunternehmen des Marktes gemessen.

1.3

Vorgehen

Die zuständige Subkommission hat den Bericht der PVK vom 22. August 2007 in ihrer Sitzung vom 3. September 2007 geprüft. Während der selben Sitzung unterhielt sie sich auch mit dem Chef des VBS über die von ihm eingeleiteten Schritte zur Verbesserung des Beschaffungsverfahrens.

Der vorliegende Bericht stützt sich auf den Bericht der PVK und auf die im obengenannten Gespräch gewonnenen Informationen. Er enthält die Schlussfolgerungen und Empfehlungen der GPK-N. Gemäss der Praxis der GPKs wurde der Bericht dem Vorsteher des VBS zur Stellungnahme unterbreitet. Dieser hat mitgeteilt, dass er die erarbeitete Faktenlage als zutreffend erachtet. Er hat zudem betont, dass die Ausführungen der PVK die Spannungsverhältnisse zwischen den rechtlichen, betriebswirtschaftlichen und politischen Vorgaben auf eindrückliche Art und Weise aufzeigen.

Die Kommission hat den Bericht am 23. November 2007 verabschiedet und zur Veröffentlichung freigegeben. Der genaue Inhalt des PVK-Berichts wird nur dort wiedergegeben, wo sich dies für ein gutes Verständnis der Überlegungen und Schlussfolgerungen der GPK-N als notwendig erweist. Für nähere Informationen kann der Bericht der PVK im Anhang konsultiert werden.

Der vorliegende Bericht konzentriert sich auf Probleme und mögliche Verbesserungen. Dies bedeutet jedoch nicht, dass die GPK-N die Leistung der Armasuisse nicht zu würdigen weiss. Wie aus dem Bericht der PVK hervorgeht, bewegt sich die Arbeit der Armasuisse in vielen Bereichen auf einem hohen Niveau. So ist insbesondere die Dokumentation der Prozessabläufe hervorragend. Positiv zu vermerken ist ebenfalls, dass die Armasuisse in einem schwierigen, von tiefen Umbrüchen geprägten Umfeld verschiedene Schritte in die richtige Richtung eingeleitet hat.

Dazu gehören die verstärkte Weiterbildung im Bereich Beschaffungsrecht, die Einführung eines zertifizierten Managementsystems, die Leistungszeiterfassung und das im Aufbau befindliche, moderne Controllingsystem.

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Trotzdem bestehen in mehreren Bereichen noch wesentliche Verbesserungsmöglichkeiten. Die GPK-N ist sich bewusst, dass ein Grossteil der bestehenden Probleme von der Armasuisse nicht allein bewältigt werden können, sondern die aktive Mitarbeit ihrer Partner im VBS erfordern.

2

Untersuchungen der Geschäftsprüfungskommission

2.1

Unzureichende strategische Grundlagen

2.1.1

Berücksichtigung der aussen- und sicherheitspolitischen Interessen

Die PVK kommt zum Schluss, dass die Beschaffungspolitik über unzureichende strategische Grundlagen verfügt, was sowohl aus rechtlicher wie auch aus betriebswirtschaftlicher Sicht problematisch ist und zudem Fragen im Hinblick auf die politische Steuerung aufwirft.

Dem Bericht der PVK zufolge enthalten die Rechtsvorschriften für die Sicherheitsund Verteidigungspolitik nur wenige spezifische Vorgaben zur Rüstungsbeschaffung. Letztere stützt sich daher in erster Linie auf das Beschaffungsrecht als ihre wichtigste rechtliche Grundlage. Das Beschaffungsrecht ist im Bundesgesetz über das öffentliche Beschaffungswesen vom 16. Dezember 1994 (BoeB)3 und der entsprechenden Verordnung (VoeB)4 vom 11. Dezember 1995 verankert. Es stützt sich auf die folgenden vier Grundprinzipien: Transparenz der Vergabeverfahren, Förderung des Wettbewerbs unter den Anbietern, wirtschaftliche Nutzung der öffentlichen Mittel sowie Gleichbehandlung.5 Bei der Rüstungsbeschaffung muss zusätzlich noch aussen- und sicherheitspolitischen Faktoren Rechnung getragen werden. Diese können Abweichungen von den Grundsätzen des Beschaffungsrechts erforderlich machen. Die PVK stellt in ihrer Studie fest, dass es relativ wenige rechtliche Bestimmungen gibt, die festlegen, unter welchen Voraussetzungen und in welchem Umfang die genannten Interessen berücksichtigt werden müssen. Wie die Studie zeigt, sichert die geringe gesetzliche Reglementierung die nötige Flexibilität und einen gewissen Handlungsspielraum.

Dagegen ist das Fehlen klarer Vorgaben auf untergeordneter Stufe, d. h. zur konkreten Umsetzung dieser Normen, problematisch. Die Gefahr einer Ungleichbehandlung zweier vergleichbarer Fälle kann nicht vollständig ausgeschlossen werden.

Für die GPK-N wird dieses Problem insbesondere dann akut, wenn es um die Berücksichtigung aussenpolitischer Interessen bei der Einfuhr von Rüstungsmaterial geht. Besonders problematisch sind dabei Importe aus Ländern, die sich im Kriegszustand befinden oder systematisch die Menschenrechte verletzen. Tatsächlich beschränkt sich der Bundesrat in seinen Grundsätzen für die Rüstungspolitik vom 29. November 20026 auf die Erklärung, dass die Möglichkeiten und Grenzen internationaler Kooperation durch die Aussen- und Sicherheitspolitik bestimmt werden und dass die Rüstungspolitik die neutralitätspolitischen Rahmenbedingungen einhält.

3 4 5 6

SR 172.056.1 SR 172.056.11 Art. 1 BoeB.

BBl 2003 414

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Während die Ausfuhr von militärischem Material strengen Kontrollen unterliegt, gibt es bei der Einfuhr desselben keinerlei konkrete Vorschriften die festlegen würden, an welchen Kriterien die ,,aussenpolitische Verträglichkeit" eines Anbieters oder seines Herkunftslands gemessen wird. Auch eine Länderliste existiert nicht.

Das Urteil hinsichtlich der Verträglichkeit eines Zulieferers ist folglich stark situationsbezogen und wird von Fall zu Fall entschieden. Es fällt erst, wenn das Verfahren bereits weit fortgeschritten ist, d. h. bei der Bewertung eines konkreten Angebots. Zu jenem Zeitpunkt ist bereits viel Geld in das Projekt investiert worden und eine Umkehr kann vermutlich nur noch bei äusserst zwingenden aussenpolitischen Argumenten gerechtfertigt werden.

Das Fehlen solider strategischer Grundlagen trägt auch dazu bei, dass bei der Berücksichtigung sicherheitspolitischer Interessen Probleme auftauchen können. So können Interessenskonflikte auftreten zwischen den Grundsätzen des Beschaffungsrechts bezüglich Wettbewerb und wirtschaftlicher Nutzung öffentlicher Gelder einerseits, und dem Bestreben, eine solide einheimische Industrie zu erhalten ­ eine aus sicherheitspolitischer Sicht unverzichtbare Voraussetzung für die Gewährleistung der materiellen Versorgung der Armee auch in Krisenzeiten ­ andererseits.

Auch hier kommt die PVK in ihrer Studie zum Schluss, dass es keine klaren strategischen Weisungen gibt die bestimmen, in welchen Fällen die Interessen der einheimischen Industrie aus sicherheitspolitischen Gründen über die Grundsätze des Beschaffungsrechts gestellt werden müssen.

Die Grundsätze des Bundesrates für die Rüstungspolitik heben zwar hervor, dass die Prinzipien des Beschaffungsrechts auch für Rüstungskäufe gelten und dass Strukturpolitik nur dann in Erwägung gezogen werden kann, wenn sie sich aus sicherheitspolitischen Gründen als notwendig erweist. Wann diese Notwendigkeit gegeben ist, und welche Strukturpolitik in Abweichung vom Wettbewerbsrecht betrieben werden darf, wird dagegen nicht genauer bestimmt.

Die Ausnahmebestimmung in Artikel 36 Absatz 2 Buchstabe f der VoeB ist konkreter. Sie sieht vor, dass im Fall von Kriegsmaterial ein Anbieter direkt und in Umgehung des Wettbewerbprinzips den Zuschlag kriegen kann, sofern dies für den Erhalt von inländischen Unternehmen,
die für die Landesverteidigung wichtig sind, unerlässlich ist. Diese am 26. April 2006 in Kraft getretene Ausnahmebestimmung ist bislang nur ein einziges Mal angewandt worden, nämlich beim Kauf des Schulungssystems für Jetpiloten PC-21. Die Untersuchung der PVK hat ergeben, dass in diesem konkreten Fall die Frage nicht eindeutig beantwortet werden kann, ob der Rückgriff auf ein solches Vorgehen für den Erhalt von, für die Landesverteidigung wichtigen inländischen Unternehmen, tatsächlich unerlässlich war. Die PVK kommt somit zum Schluss, dass aufgrund des Fehlens klarer strategischer Weisungen für den Gebrauch dieser Ausnahmebestimmung beträchtlicher Ermessensspielraum besteht, und dass die Ausnahmebestimmung im Grunde für fast alle Rüstungskäufe angewandt werden kann, bei denen eine Schweizer Firma den Zuschlag erhält.

Für die GPK-N ist die aktuelle Situation nicht zufriedenstellend. Die Kommission hält es für notwendig, dass der Bundesrat einen klaren und kohärenten strategischen Rahmen festlegt, an dem sich die Exekutivorgane bei ihren Entscheiden orientieren können. Ein solcher Rahmen würde die Gleichbehandlung ähnlich gelegter Fälle und somit die Vorhersehbarkeit des Vorgehens des Bundes gewährleisten. Dieser Rahmen muss unbedingt im Voraus, d. h. unabhängig von spezifischen Kaufvorhaben, festgelegt werden. Die GPK-N ist sich bewusst, dass das VBS auf diesem Feld über genügend Spielraum verfügen muss, um sich an die Gegebenheiten und insbeson3574

dere an die Entwicklung der internationalen Lage anpassen zu können. Sie ist jedoch der Meinung, dass sich dieser Spielraum innerhalb eines vorher festgelegten strategischen Rahmens bewegen sollte.

Die Kommission fordert deshalb den Bundesrat auf, eine Strategie für die Rüstungsbeschaffung auszuarbeiten die genau bestimmt, unter welchen Voraussetzungen, inwiefern und inwieweit bei der Beschaffung von Rüstungsmaterial den aussen- und sicherheitspolitischen Interessen Rechnung getragen werden muss. Die Frage, ob diese Strategie publik gemacht werden soll, bleibt für die Kommission offen. In jedem Fall jedoch muss sie den zuständigen parlamentarischen Kommissionen unterbreitet werden (Sicherheitspolitische Kommissionen, Aussenpolitische Kommissionen, Geschäftsprüfungskommissionen).

Empfehlung 1

Strategie für die Rüstungsbeschaffung

Die Kommission fordert den Bundesrat auf, eine Strategie auszuarbeiten die genau festlegt, wie die aussen- und sicherheitspolitischen Interessen bei der Rüstungsbeschaffung berücksichtigt werden müssen. Dabei soll der Frage der Rüstungsimporte und der Erhaltung der inländischen Produktionskapazitäten besondere Aufmerksamkeit zukommen

2.1.2

Strategische Mängel aus betriebswirtschaftlicher Sicht

Die PVK stellt in ihrer Studie fest, dass die Armasuisse ihre Beschaffungsstrategien in erster Linie auf Projektebene ­ also fallbezogen ­ ausarbeitet und umsetzt. Das Unternehmen verfügt über keine explizite übergeordnete Strategie, die die mittelfristigen Ziele und die Ausrichtung der Beschaffungspraxis sowie die Anforderungen und Bausteine für deren Umsetzung schriftlich festhält. Auch gibt es laut PVKStudie keine differenzierten Beschaffungstrategien für die unterschiedlichen Warengruppen.

Die PVK ist der Meinung, dass sich die Armasuisse durch die Ausarbeitung klarer strategischer Grundlagen auf einer den Projekten übergeordneten Ebene besser gegen Monopol- oder Quasi-Monopolsituationen absichern könnte. Eine klare Strategie würde die Entstehung von Monopolen aus Systemzwängen beschränken.

Bei unvermeidlichen Monopolen würde eine solche Strategie eine optimale Transparenz bei der Aufstellung des Angebots durch den Anbieter erlauben.

Die Studie hat ebenfalls ergeben, dass Projekte von unterschiedlicher strategischer Bedeutung häufig nach ein und demselben Verfahren abgewickelt werden. Somit werden beträchtliche Ressourcen für einfache und strategisch relativ unbedeutende Projekte mobilisiert ­ Ressourcen, die dann für komplexere und strategisch wichtigere Projekte fehlen. Die Ausarbeitung differenzierter Beschaffungsstrategien für die unterschiedlichen Warengruppen entsprechend ihrer strategischen Bedeutung und Komplexität würde zu einer besseren Nutzung der verfügbaren Ressourcen führen. Zudem könnten die Laufzeiten einfacher Beschaffungsprojekte dadurch verkürzt und die Kosten entsprechend reduziert werden.

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Die GPK-N teilt die Auffassung der PVK, dass die strategischen Grundlagen gestärkt und klarer ausformuliert werden müssen, insbesondere auf übergeordneter Ebene und für die verschiedenen Warengruppen. Die Kommission ist sich bewusst, dass die Armasuisse eine globale Beschaffungsstrategie nicht im Alleingang ausarbeiten kann, da die Beschaffungspraxis an die Weisungen zur Rüstungsplanung und Sicherheitspolitik gebunden ist. Folglich ist die Armasuisse auf die aktive Mitarbeit ihrer Partner im VBS angewiesen.

Empfehlung 2

Explizite Strategie bei den Beschaffungsprozessen unter Berücksichtigung differenzierter Warengruppen-Strategien

Die GPK-N fordert den Bundesrat auf, unter Berücksichtigung differenzierter Warengruppen-Strategien eine explizite Strategie bei den Beschaffungsprozessen auszuarbeiten, die der unterschiedlichen strategischen Bedeutung und Komplexität der Projekte Rechnung trägt.

2.2

Anwendung des Beschaffungsrechts im Bereich der Rüstungsbeschaffung

2.2.1

Wahl der Vergabeverfahren

Wie oben bereits vermerkt, bildet das Beschaffungsrecht die wichtigste rechtliche Grundlage der Rüstungsbeschaffung.

Konkret sind im BoeB und in der VoeB folgende Vergabeverfahren vorgesehen: Im offenen Verfahren schreibt der Auftraggeber den Auftrag öffentlich aus. Alle potenziellen Anbieter können ein Angebot einreichen. Im selektiven Verfahren schreibt der Auftraggeber den Auftrag öffentlich aus, bestimmt jedoch anschliessend aufgrund der eingegangenen Bewerbungen und der Eignung der Anbieter, wer ein Angebot einreichen darf. Im Einladungsverfahren lädt der Auftraggeber die Anbieter (wenn möglich mindestens drei) direkt zur Angebotsabgabe ein. Und im freihändigen Verfahren vergibt der Auftraggeber einen Auftrag direkt und ohne Ausschreibung einem Anbieter.

Die geltenden Rechtsvorschriften legen fest, welche Verfahren wann zulässig sind.

Als Kriterien gelten dabei hauptsächlich das finanzielle Gewicht des betroffenenen Beschaffungsprojekts sowie gegebenenfalls die Anwendung einer der in BoeB und VoeB vorgesehenen Ausnahmebestimmungen. So müssen Güter und Dienstleistungen, deren Wert 248 950 Franken (vor MWSt) übersteigt,7 in einem offenen oder selektiven Verfahren vergeben werden, es sei denn, sie sind als einer der in Artikel 3 des BoeB aufgeführten Ausnahmefälle vom Anwendungsbereich des BoeB ausgeschlossen. Absatz 1 Buchstabe e des genannten Artikels sieht vor, dass das BoeB für «die Beschaffung von Waffen, Munition oder Kriegsmaterial und die Erstellung von Bauten der Kampf- und Führungsinfrastruktur von Gesamtverteidigung und Armee»8 nicht anwendbar ist. Solche Güter können, unabhängig von ihrem Wert, über 7 8

Verordnung des EVD vom 26.7.2007 zur Anpassung der Schwellenwerte im öffentlichen Beschaffungswesen für das Jahr 2008 (SR 172.056.12).

Art. 3 Abs.1 Bst.e BoeB.

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das Einladungsverfahren beschafft werden (dieses Verfahren ist zudem für Aufträge unter 248 950 Franken immer zulässig). Das freihändige Verfahren ist ­ sofern keine Ausnahmebestimmung gilt ­ nur für Transaktionen unter 50 000 Franken erlaubt.9 Hier muss festgehalten werden, dass das Schweizer Recht, das für die Beschaffung von Waffen das Einladungsverfahren vorschreibt und das freihändige Verfahren nur in Ausnahmefällen gestattet, über die Mindestanforderungen des Übereinkommens vom 15. April 199410 für das öffentliche Beschaffungswesen der WTO (GPA) hinausgeht. Auch sind in den EU-Mitgliedsstaaten das freihändige Verfahren und die Bevorzugung der inländischen Industrie eher die Regel als die Ausnahme, und der Rüstungssektor wird oft explizit von den Prinzipien des öffentlichen Beschaffungsrechts und des freien Wettbewerbs ausgeschlossen. Allerdings muss auch betont werden, dass in der EU zur Zeit Diskussionen im Gang sind, die in die Richtung einer Stärkung des Wettbewerbs gehen.

Die PVK kommt in ihrer Studie zum Schluss, dass das Grundprinzip des öffentlichen Beschaffungswesens, nämlich durch transparente Vergabeverfahren faire Wettbewerbsbedingungen zu schaffen, in den internen Weisungen und im Geist des Unternehmens gut verankert ist. So weisen verschiedene interne Arbeitsrichtlinien die Mitarbeiter an, wo immer möglich dem Wettbewerbsverfahren den Vorzug zu geben.

Die PVK-Studie zeigt allerdings auch, dass die Armasuisse im Jahre 2006 fast Hälfte ihrer Mittel (rund 750 Millionen Franken) für Aufträge aufwendete, freihändig vergeben wurden. Die Armasuisse rechtfertigt diese Sachlage durch zahlreichen Monopolsituationen in diesem Sektor (besonders im Bereich der standhaltungsarbeiten).

die die die In-

Von den Wettbewerbsverfahren zeigt die Armasuisse eine starke Präferenz für das Einladungsverfahren gegenüber dem offenen oder dem selektiven Verfahren. Dies hat laut der armasuisse hauptsächlich zwei Gründe: Erstens ist die Abwicklung des Einladungsverfahrens gegenüber den anderen, wettbewerbsintensiveren Verfahren flexibler und weniger aufwendig.11 Dieser Verfahrenstyp hat zudem den Vorteil, dass er den Kreis der Anbieter auf bewährte Lieferanten beschränkt und dadurch das Risiko unangenehmer Überraschungen ­ insbesondere bei der Produktqualität ­ verringert. Auch wirtschaftspolitische Argumente wurden angeführt. So verwiesen einige Gesprächspartner auf die Möglichkeit, die regionale Verteilung der Aufträge zu steuern.

Die Präferenz für das Einladungsverfahren zeigt sich auch in einer fragwürdigen Interpretation des Beschaffungsrechts durch den Rechtsdienst der Armasuisse, wonach (zivile) Güter, die nicht auf der Positivliste des GPA-Übereinkommens der WTO12 aufgeführt sind, ohne weitere Begründung im Einladungsverfahren vergeben werden können. Dies wurde u. a. bei der Beschaffung eines Kurzwellenfunksystems 9 10 11

12

Art. 13 BoeB, Art. 13 VoeB und Art. 36 VoeB.

SR 0.632.231.422 Die PVK-Studie zeigt, dass im Gegensatz zum offenen und zum selektiven Verfahren, für welche detaillierte, formelle Verfahrensvorschriften bestehen (z. B. über die Offertöffnung, über die Voraussetzungen und die Protokollierung von Verhandlungen, über die Offenlegung der Eignungs- und Zuschlagskriterien usw.), die Abwicklung des Einladungsverfahrens durch keine spezifischen Bestimmungen geregelt ist. Die VoeB verlangt in Artikel 35 einzig, dass nach Möglichkeit mindestens drei Angebote einzuholen sind.

Die Liste führt all diejenigen Güter auf, bei denen die Schweiz sich verpflichtet hat, sie den GPA-Bestimmungen zu unterwerfen.

3577

SE-240 geltend gemacht. Laut PVK impliziert diese Regel, dass alle vom VBS für die Armee beschafften Güter, welche nicht auf der WTO-Positivliste aufgeführt sind, Kriegsmaterial, Waffen oder Munition darstellen ­ denn nur diese Güter fallen unter die BoeB-Ausnahmeklausel (Art.3 Abs. 1 Bst. e) und können demzufolge unabhängig vom Auftragswert im Einladungsverfahren beschafft werden. Da aber ­ so die PVK ­ das SE-240 kein Kriegsmaterial darstellt, hätte ein offenes oder selektives Verfahren gewählt werden müssen.

In einem weiteren eingehend untersuchten Fall wurde festgestellt, dass ein zusammenhängender Auftrag in der Absicht zweigeteilt wurde, eine offene oder selektive Ausschreibung zu umgehen und stattdessen ein Einladungsverfahren durchzuführen.

Im Rahmen der Beschaffung eines Aussenbordmotors wurden für Transportwagen und Transportgestell zwei separate Aufträge ausgeschrieben. Getrennt erreichten weder Gestell noch Wagen den Schwellenwert von 248 950 Franken. So wurden zwei separate Einladungsverfahren durchgeführt. Den Zuschlag erhielt nicht das jeweils günstigste Einzelangebot für Wagen und Gestell, sondern das günstigste Gesamtangebot. Die beiden Aufträge gingen also an ein und denselben Anbieter, mit der Begründung, dass eine Trennung aus technischer Sicht keinen Sinn macht. Die Aufteilung eines Auftrags ist jedoch unzulässig, wenn diese einzig in der Absicht erfolgt, mit tieferen Beschaffungswerten die vorgeschriebene Verfahrensart zu umgehen.13 Laut PVK-Bericht ist der Anteil der Aufträge, die im freihändigen Verfahren vergeben werden, sehr hoch. Zudem zeigt die Armasuisse eine klare Präferenz für das Einladungsverfahren. Die GPK-N hat diese Schlussfolgerungen mit grossem Interesse zur Kenntnis genommen. Grundsätzlich ist die Kommission der Auffassung, dass der freie Wettbewerb wo immer möglich eingeführt und gefördert werden muss. Dabei darf aber nicht vergessen werden, dass der Rüstungskauf in vielen europäischen Staaten nur sehr begrenzt dem Wettbewerb ausgesetzt ist und dass das schweizerische Recht, das für die Rüstungsbeschaffung das Einladungsverfahren vorschreibt, über die Mindestforderungen des internationalen Beschaffungsrechts hinausgeht.

Die GPK-N ist der Meinung, dass es weniger darum geht, mehr Vorschriften zu schaffen oder diese zu verändern, als vielmehr dafür zu sorgen,
dass die bereits geltenden Vorschriften eingehalten werden. Folglich fordert die Kommission den Bundesrat auf, genau zu klären, welche Vorraussetzungen für ein Einladungsverfahren erfüllt sein müssen. Die Interpretation des Rechtsdienstes der Armasuisse, derzufolge alle Güter, die nicht auf der WTO-Positivliste aufgeführt sind, ohne weitere Begründung im Einladungsverfahren beschafft werden können, muss überprüft werden. Außerdem ersucht die Kommission den Bundesrat, die nötigen Massnahmen zu ergreifen, damit die geltenden gesetzlichen Bestimmungen, die es untersagen, einen Auftrag allein zwecks Umgehung einer vorgeschriebenen Verfahrensart zweizuteilen, eingehalten werden.

Schliesslich fordert die GPK-N den Bundesrat auf, dafür zu sorgen, dass Armasuisse den zuständigen parlamentarischen Kommissionen (Sicherheitspolitische Kommissionen, Finanzkommissionen, Geschäftsprüfungskommissionen) eine Statistik der Beschaffungen vorlegt, die genaue Angaben und Zahlen enthält zu den abgeschlossenen und laufenden Beschaffungsvorhaben, den gewählten Vergabeverfahren, dem 13

Art. 7 BoeB.

3578

Auftragswert, den Lieferanten und den betroffenen Staaten. Die genauen Modalitäten dieser Information müssen noch definiert werden, doch sollte sie in jedem Fall regelmässig stattfinden (z. B. jährlich).

Empfehlung 3

Wahl des Vergabeverfahrens

Die GPK-N fordert den Bundesrat auf, die genauen Voraussetzungen für das Einladungsverfahren zu klären. Gleichzeitig muss die Interpretation des Rechtsdienstes der Armasuisse, derzufolge alle Güter, die nicht auf der WTO-Positivliste aufgeführt sind, ohne weitere Begründung im Einladungsverfahren beschafft werden können, überprüft werden. Zudem soll der Bundesrat die nötigen Massnahmen ergreifen, damit die geltenden gesetzlichen Bestimmungen eingehalten werden, die es untersagen, einen Auftrag allein zwecks Umgehung einer vorgeschriebenen Verfahrensart zweizuteilen.

Empfehlung 4

Statistik der Beschaffungen

Die GPK-N fordert den Bundesrat auf dafür zu sorgen, dass Armasuisse den zuständigen parlamentarischen Kommissionen eine Statistik der Beschaffungen vorlegt, die genaue Angaben und Zahlen enthält zu den abgeschlossenen und laufenden Beschaffungsvorhaben, den gewählten Vergabeverfahren, dem Auftragswert, den Lieferanten und den betroffenen Staaten.

2.2.2

Die Studie der Transparenz der Verfahren und der Bewertungskriterien

PVK zeigt, dass die Armasuisse in allen untersuchten wettbewerblichen Verfahren objektive Kriterien und strukturierte Bewertungsinstrumente benutzt hat. Dagegen bestehen hinsichtlich der Transparenz der Verfahren und der Evaluierungskriterien noch Verbesserungsmöglichkeiten. Der Verfahrensablauf, insbesondere die verschiedenen Schritte bei der Auswahl sowie die Bewertungskriterien und ihre Gewichtung, sind den Anbietern nicht immer ausreichend kommuniziert worden.

Im Fall der Beschaffung des Führungsinformationssystems für das Heer (FIS-H) hatte die Armasuisse angekündigt, dass höchstens zwei Anbieter zur Teilnahme an der ersten Testphase eingeladen würden. Aufgrund der Ergebnisse der ersten Testphase werde dann ein System ausgewählt, welches im Hinblick auf die Umsetzung des FIS-H weiteren Testphasen unterzogen werde. Schließlich wurde aber nur ein einziger Anbieter zur ersten Testphase eingeladen. Die Armasuisse hatte zwar nie explizit und schriftlich festgelegt, dass ein zweistufiges Wettbewerbsverfahren stattfinden würde. Armasuisse hätte aber die Einschränkung der Testphase auf nur einen Anbieter bereits in der Ausschreibung bekannt geben können, weil die hierfür geltend gemachten Gründe bereits zu diesem Zeitpunkt bekannt waren. Die Aussicht auf ein zweistufiges Wettbewerbsverfahren war nämlich für mindestens einen der Anbieter für seine Beteiligung an der öffentlichen Ausschreibung ausschlaggebend gewesen.

3579

Laut Bericht der PVK ist es aus Sicht der Gründsätze des Beschaffungsrechts zu verlangen, dass die Bewertungskriterien und ihre Gewichtung klar definiert und den Anbietern vor Beginn der Ausschreibung kommuniziert werden. Nach Beginn des Verfahrens können diese Elemente nur noch unter bestimmten Bedingungen geändert werden. So müssen sämtliche Anbieter über eventuelle Änderungen informiert werden. Bei gewichtigen Änderungen wird ein Abbruch und Neustart des Verfahrens verlangt.

Im Fall des Beschaffungsvorhaben FIS-H kommt die Studie der PVK zum Schluss, dass die Vergabe aufgrund anderer oder anders gewichteter Kriterien geschah als der in der Ausschreibung aufgeführten. In der Tat wurden im Laufe des Verfahrens zusätzliche Informationen zu bestimmten Kostenarten angefordert, ohne dass die Armasuisse die Anbieter darüber aufklärte, welches Gewicht diesen Angaben beim Entscheid zukommen würde. Die PVK hält in ihrer Untersuchung fest, dass nicht das Angebot den Zuschlag erhielt, das gemäss den in der Ausschreibung definierten Kriterien und ihrer Gewichtung das beste Preis-Leistungs-Verhältnis aufwies. Somit waren letztlich andere Kriterien ausschlaggebend, ohne dass dies den Anbietern rechtzeitig mitgeteilt worden wäre.

Die GPK-N legt sehr viel Wert auf den Grundsatz der Transparenz. Im Rahmen einer wettbewerblichen Vergabe müssen die einzelnen Schritte von Anfang an allen Anbietern offen gelegt werden, damit diese in voller Kenntnis der Sachlage über ihre Teilnahme entscheiden können. Zudem müssen die beschaffungsrechtlichen Vorgaben für den Fall einer Änderung der Kriterien oder ihrer Gewichtung bei laufendem Verfahren streng eingehalten werden. Derartige Änderungen sollten weitmöglichst verhindert werden und müssen andernfalls allen Anbietern in vollkommener Transparenz mitgeteilt werden.

Empfehlung 5

Transparenz der Verfahren und der Bewertungskriterien

Die GPK-N ersucht den Bundesrat, die nötigen Schritte einzuleiten, um die Transparenz der Verfahrensabläufe und der Bewertungskriterien zu verbessern.

Dabei geht es darum, eine Änderung der Kriterien oder ihrer Gewichtung bei laufendem Verfahren weitmöglichst zu verhindern und andernfalls darauf zu achten, dass die beschaffungsrechtlichen Vorgaben, die für solche Änderungen gelten, strikt eingehalten werden.

2.2.3

Rekursmöglichkeiten

Gemäss PVK-Studie vergibt die Armasuisse mehr als 95 Prozent ihres Auftragsvolumens ohne Rekursmöglichkeiten. Tatsächlich unterliegen nur diejenigen Verfahren, die den WTO-Regeln unterstellt sind ­ Beschaffungen ziviler Güter gemäss WTO-Liste mit einem Auftragswert von über 248 950 Franken ­ dem BoeB und eröffnen somit den Anbietern Rekursmöglichkeiten vor einem Bundesverwaltungsgericht. Laut PVK-Bericht flossen im Jahr 2006 nur etwa 3 Prozent des Finanzvolumens in Aufträge, die in Verfahren nach den WTO-Regeln abgewickelt wurden.

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Bei fehlenden Rekursmöglichkeiten im Beschaffungsrecht besteht die Möglichkeit einer Aufsichtsbeschwerde beim VBS. Mit der Aufsichtsbeschwerde besteht aber kein Anspruch auf Eröffnung eines Verfahrens und auf eine Untersuchung der Sachlage.

Gestützt auf das Kartellrecht reichte ein Anbieter im Dezember 2005 eine Anzeige bei der Wettbewerbskommission (Weko) ein.14 Das Sekretariat der Wettbewerbskommission eröffnete hierauf eine Vorabklärung, die am 7. August 2007 eingestellt wurde. Das Sekretariat konnte keine Anhaltspunkte für ein missbräuchliches Verhalten der Armasuisse im Sinne des Kartellgesetzes feststellen. Für die Überprüfung der Einhaltung beschaffungsrechtlicher Vorgaben sieht sich die Wettbewerbskommission bzw. deren Sekretariat nicht befugt. Der unterlegene Anbieter verfügt laut PVKBericht über keinerlei rechtliche Mittel, um sich gegen die Einstellung der Vorabklärung zur Wehr zu setzen.

Die PVK kommt zum Schluss, dass der Bund im Bereich der Rüstungsbeschaffung jährlich beträchtliche Summen ausgibt, ohne dass unterlegene Anbieter Anspruch auf eine Prüfung des Vergabeverfahrens im Hinblick auf die Einhaltung beschaffungsrechtlicher Regeln haben. Angesichts des finanziellen Volumens und in Anbetracht der festgestellten Unregelmässigkeiten bei der Umsetzung des Beschaffungsrechts durch die Armasuisse ist die GPK-N der Auffassung, dass die laufende Revision des Beschaffungsrechts genutzt werden sollte, um zu prüfen, inwieweit und gegebenenfalls in welcher Form der Rechtsschutz der Anbieter verbessert werden kann.

Empfehlung 6

Rechtsschutz

Die GPK-N fordert den Bundesrat auf, die laufende Revision des Beschaffungsrechts zu nutzen, um zu prüfen, inwieweit und gegebenenfalls in welcher Form der Rechtsschutz der Anbieter im Bereich der Rüstungsbeschaffung verbessert werden kann.

2.3

Berücksichtigung der Kostendimension im Beschaffungsprozess

Die Analyse der PVK zeigt, dass die Spezifikationen in den Pflichtenheften generell auf sehr hohem Niveau liegen. Dies wird in der Regel mit den besonderen Anforderungen der Schweizer Armee gerechtfertigt: Milizsystem, Mehrsprachigkeit, spezielle Einsatzdoktrin, Integration ins Gesamtsystem. Auch wird das Pflichtenheft erst in einem sehr fortgeschrittenen Stadium des Prozesses definitiv festgelegt. Dies hat zur Folge, dass fortwährend Änderungen oder neue Forderungen des Bereichs Verteidigung des VBS in das Pflichtenheft einfliessen können.

14

Auch eine Anzeige bei der Weko eröffnet keinen Anspruch auf ein Verfahren oder eine konkrete Untersuchung der Sachlage.

3581

Mit dem Argument der Truppentauglichkeit15 kann der Nutzer zudem noch zu einem sehr späten Zeitpunkt des Beschaffungsprozesses entscheidenden Einfluss nehmen, was die Tendenz zu zusätzlichen Forderungen und den damit einhergehenden Kostenanstieg noch verstärkt. Im Fall des Kurzwellenfunksystems SE-240 wurden aufgrund der Truppenversuche Änderungen mit geschätzten Kosten von rund 6,7 Millionen Franken beantragt. Nach eingehender Prüfung und Verhandlungen zwischen der Armasuisse und den Nutzern konnten die Kosten zwar gesenkt werden, doch lagen die Anpassungskosten letztlich immer noch bei 4,6 Millionen Franken (also rund 7 Prozent der gesamten Beschaffungskosten).

Das hohe Niveau der Spezifikationen reduziert die Anzahl der Anbieter, die ihnen gerecht werden können, beträchtlich. Es ist folglich nicht auszuschliessen, dass gewisse Monopolsituationen auf die hohen Anforderungen des Bereichs Verteidigung zurückzuführen sind.

Die GPK-N ist der Ansicht, dass das Niveau der Spezifikationen in den Pflichtenheften und die späte Ausarbeitung ihrer endgültigen Form einer kritischen Prüfung unterzogen werden müssen. Diese Faktoren erhöhen die Kosten ­ vor allem durch eine Verlängerung der Projektlaufzeit ­ und verschärfen die Gefahr eines Monopols.

Die Kommission kann dem Argument, wonach die Besonderheiten des Nutzers, d. h.

der Schweizer Armee, ein hohes Spezifikationsniveau erfordern, bis zu einem gewissen Grad folgen. Dieses Argument ist jedoch nicht in allen Fällen zulässig.

Deshalb ist eine kritische Prüfung der Forderungen des Nutzers notwendig. Sie soll bestimmen, inwieweit die hohen Spezifikationen im jeweiligen Fall tatsächlich einem Bedürfnis entsprechen. Auch sieht die Kommission ein, dass nur durch den Einbezug der Nutzer in den Auswahlprozess und in die Ausarbeitung der Bewertungskriterien gewährleistet werden kann, dass die Beschaffungen auch wirklich den Bedürfnissen entsprechen. Doch muss diese Einbeziehung auf angemessene Weise geschehen. In diesem Zusammenhang sollte geprüft werden, ob es nicht besser wäre, die Pflichtenhefte zu einem früheren Zeitpunkt des Prozesses «einzufrieren» und den Einfluss der Nutzer auf die erste Projektphase zu beschränken.

Gemäss der Vereinbarung TUNE liegt die Zuständigkeit für die Lieferantenkontakte bei der Armasuisse.16 Der Bericht der PVK zeigt jedoch,
dass die Lieferanten direkt mit dem Nutzer und dem Planungsstab Kontakt aufnehmen, um für ihre Produkte zu werben. Diese Kontakte führen nach Aussagen von Armasuisse-Mitarbeitenden immer wieder dazu, dass die vom Bereich Verteidigung vorgebrachten Anforderungen stark auf ein bestimmtes Produkt zugeschnitten sind. Wie die Untersuchung zeigt, können diese Kontakte bis in die Phase der Ausschreibung und der Evaluation fortbestehen.

Die GPK-N ist der Ansicht, dass der Informationsfluss zwischen Lieferanten und VBS klar geregelt werden muss und diese Regeln strikt zu respektieren sind. Die heutige Praxis muss geprüft und Optimierungsmassnahmen müssen vorgeschlagen werden.

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Während der Evaluationsphase werden die verbliebenen Angebote verschiedenen Tests unterzogen. Den Truppenversuchen kommt dabei besondere Bedeutung zu. Gestützt auf die Berichte der Truppe bestätigt der Planungsstab über die Truppentauglichkeit eines Angebots.

Die Vereinbarung TUNE, die seit 2003 in Kraft ist, regelt die Zusammenarbeit der armasuisse mit ihren Partnern im VBS. Eine neue Version dieser Vereinbarung, genannt TUNE+, ist am 2.5.2007 in Kraft getreten. Die armasuisse bleibt weiterhin für die Kontakte mit den Lieferanten zuständig.

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Die Untersuchung der PVK zeigt auf, dass die Qualitätskriterien bei der Angebotsevaluation durch die Armasuisse ein sehr grosses Gewicht haben. Dies wird ganz besonders evident, wenn man die Praxis der Armasuisse mit jener der Privatunternehmen vergleicht. Sind die Mindestanforderungen (Funktionalität, technische Anforderungen, Lieferantenqualifikation) erfüllt, erfolgt bei Letzteren der Zuschlag allein nach dem Preis. Demgegenüber berücksichtigt die Armasuisse bei den meisten Beschaffungsentscheiden Qualitätsfaktoren, die über die Mindestanforderungen hinausgehen. Anbieter, deren Offerten über die Mindestanforderungen hinausgehen, werden bevorzugt behandelt, sofern die Kosten nicht überproportional und die verfügbaren Mittel nicht ausgeschöpft sind. Diese Praxis muss nach Ansicht der GPK-N einer kritischen Prüfung unterzogen werden.

Die PVK kommt weiter zum Schluss, dass auf der Führungsebene der Armasuisse Management und Controlling nicht genügend kostenorientiert sind. Die für die Abwicklung der einzelnen Vorhaben benötigten Ressourcen werden nicht von Fall zu Fall ermittelt und entsprechend zugeteilt. Vielmehr geht man von den vorhandenen Ressourcen aus und verteilt diese auf die Projekte. Die Armasuisse-Führung verfügt im Gegensatz zu den Privatunternehmen über keine klaren, projektspezifischen Vorgaben im Hinblick auf eine Optimierung von Laufzeit und Kosten. Ein modernes Controllingsystem ist zwar im Aufbau. Abgesehen von gewissen konzeptionellen Mängeln ­ Nichtberücksichtigung der Kapitalkosten, Fehlen von wichtigen Kennzahlen, anhand derer man den Fortschritt oder den Erfüllungsgrad wichtiger Zielsetzungen messen könnte ­ wird es laut PVK-Bericht noch unzureichend genutzt.

Die GPK-N schliesst sich diesen Schlussfolgerungen an und sieht auf der Ebene von Management und Controlling ein beträchtliches Optimisierungspotenzial im Hinblick auf eine stärkere Kostenorientierung.

In Anbetracht der genannten Punkte fordert die GPK-N den Bundesrat auf, die nötigen Schritte einzuleiten, um einen stärkeren Einbezug der Kostendimension in die Beschaffungsprozesse zu gewährleisten und die gegenwärtige Praxis der Armasuisse einer kritischen Prüfung zu unterziehen. Die Kommission hebt jedoch hervor, dass ­ wie auch die PVK vermerkt ­ die Kostendimension heute bei der Bewertung eine wichtigere Rolle
spielt als früher und dass unter dem verstärkten Kostendruck die Wünsche der Nutzer kritischer untersucht werden.

Natürlich ist sich die GPK-N bewusst, dass von der Armasuisse nicht verlangt werden kann betriebswirtschaftliche Prinzipien rigoros umzusetzen, ohne zuerst sicherzustellen, dass ihr Umfeld es ihr erlaubt. Demzufolge muss auch die späte Einflussnahme der Nutzer bei der Ausarbeitung der Pflichtenhefte und der direkte Kontakt der Lieferanten mit dem Nutzer und dem Planungsstab in Frage gestellt werden.

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Empfehlung 7

Berücksichtigung der Kostendimension bei der Ausarbeitung der Pflichtenhefte und bei den Evaluationen

Die GPK-N fordert den Bundesrat auf, die nötigen Schritte einzuleiten, um einen stärkeren Einbezug der Kostendimension bei der Ausarbeitung der Pflichtenhefte und bei den Evaluationen zu gewährleisten. Dabei soll er die späte Einflussnahme der Nutzer und den direkten Kontakt der Lieferanten mit dem Nutzer und dem Planungsstab einer kritischen Prüfung unterziehen.

Empfehlung 8

Berücksichtigung der Kostendimension auf der Ebene von Management und Controlling

Die GPK-N fordert den Bundesrat auf, die nötigen Schritte einzuleiten, damit Management und Controlling auf der Führungsebene der Armasuisse stärker kostenorientiert ausgerichtet werden. Durch entsprechende Massnahmen muss erreicht werden, dass Management und Unternehmensleitung klare projektspezifische Vorgaben bezüglich einer Optimierung von Laufzeit und Kosten ausarbeiten. Auch beim Controlling muss die Kostendimension stärker berücksichtigt und das Potenzial des aktuellen Systems besser ausgenutzt werden.

2.3.1

Personal

Die GPK-N ist sich bewusst, dass eine bedeutende Anzahl der obengenannten Praktiken auch auf Gewohnheiten und eine Unternehmenskultur zurückzuführen sind, die nicht von heute auf morgen geändert werden können. Bei ihrem Gespräch mit dem Chef des VBS stellte die Kommission fest, dass dieser bereit ist, entsprechende Massnahmen zu ergreifen und dass er die anstehenden Personalwechsel in der Führungsetage nutzen will, um einen Wandel der Unternehmenskultur herbeizuführen.

Der Bericht der PVK zeigt, dass die Armasuisse über motiviertes und gut qualifiziertes Personal verfügt. Allerdings sind gewisse Kompetenzen untervertreten. So fehlt es z. B. an strategischen Einkäufern bzw. Supply Chain Managern mit technischem und betriebswirtschaftlichem Hintergrund sowie internationaler Industrieerfahrung.

Angesichts der raschen Entwicklung des Rüstungssektors und somit auch des Beschaffungsportfolios stellt die PVK auch ein gewisses Ungleichgewicht bei den technischen Kompetenzen des Personals fest. So gibt es tendenziell zu viele an sich gut qualifizierte Mitarbeitende in traditionellen Sektoren und zu wenige in neuen Bereichen (wie z. B. den Führungssystemen). Nach Ansicht der GPK-N stellen die anstehenden Personalwechsel auch eine Chance dar, diese Mängel zu korrigieren.

Die Studie legt des Weiteren offen, dass unter den Mitarbeitenden auf den unteren Hierarchiestufen bei der Armasuisse eine Nullfehlerkultur vorherrscht. Denn während bei starker Hierarchisierung der Entscheidungskompetenzen die Verantwortung tendenziell nach oben weitergereicht wird, suchen die Vorgesetzten bei Fehlern die Schuldigen in der Regel unten in der Hierarchie. Dies führt bei den Mitarbeitenden auf den unteren Hierarchiestufen zu einem starken Sicherheitsdenken, weshalb sie

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ihre Arbeit jeweils mehrmals überprüfen, aus Angst, sie könnten etwas falsch machen.

Die GPK-N hält eine solche Nullfehlerkultur aus betriebwirtschaftlicher Sicht nicht für optimal. Im Hinblick auf einen Wandel der Unternehmenskultur sollte auch diesem Punkt besondere Aufmerksamkeit zukommen.

2.4

Parlamentarische Steuerung

Der Bericht der PVK kommt zum Schluss, dass das Parlament zu wichtigen Beschaffungsvorhaben17 erst zu einem sehr späten Zeitpunkt verbindlich Stellung beziehen kann. Grundlage der Rüstungsbotschaft ist in der Regel ein unterschriftsbereiter Kaufvertrag. Die Wahl des Produkts und des Lieferanten ist zu diesem Zeitpunkt bereits getroffen, und es ist schon sehr viel Vorbereitungsarbeit in das Beschaffungsvorhaben investiert worden.

Aus betriebswirtschaftlicher Sicht ist diese Situation nicht optimal. Sie wirft die Frage auf, ob eine parlamentarische Steuerung der Rüstungsbeschaffung über mehrjährige Rahmenkredite (wie sie z. B. für die Entwicklungshilfe existieren) nicht vorzuziehen wäre. Diese Lösung würde dem VBS mehr Flexibilität und Planungssicherheit geben. Sie hätte zusätzlich den Vorteil, die Einflussnahme des Parlaments im Beschaffungsprozess nach vorne zu verlagern und somit zu verhindern, dass sich dieses mit technischen Detailfragen auseinandersetzen muss, die nicht seiner Kernkompetenz entsprechen.

Allerdings führt der PVK-Bericht auch Argumente auf, die gegen eine solche Lösung sprechen. Im Falle mehrjähriger Rahmenkredite ist die Mittelvergabe nicht mehr an konkrete Projekte gebunden. Nun ist aber gerade im Rüstungsbereich die Wahl eines bestimmten Produkts und eines bestimmten Lieferanten nicht rein technischer oder rein kommerzieller Natur. Hier treten zusätzlich politische Überlegungen auf den Plan, wie z. B. aussen- oder sicherheitspolitische Erwägungen (siehe Ziff. 2.1.1.). Durch eine Steuerung über Rahmenkredite werden die Kaufentscheide grösstensteils an die Exekutivorgane delegiert. Die PVK ist der Ansicht, dass diese Organe gegenwärtig nicht über ausreichend klare und verbindliche strategische Richtlinien verfügen, die solchen Entscheiden den nötigen Rahmen geben würden (siehe Ziff. 2.1.1.).

Die GPK hat die Schlussfolgerungen des PVK-Berichts zur Frage der parlamentarischen Steuerung mit grossem Interesse zur Kenntnis genommen. Da die SiK-N die Frage der Steuerung über Rahmenkredite zurzeit prüft, gibt die GPK-N zu diesem Punkt hier keine Stellungnahme ab.

Dagegen hält die Kommission es für notwendig, den Bundesrat darauf aufmerksam zu machen, dass die Unterlagen, die das VBS dem Parlament als Grundlage für die Entscheide über Rüstungsausgaben zur Verfügung stellt, nicht genügend transparent sind.

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Vereinfacht gesagt handelt es sich um Beschaffungsvorhaben mit einem Auftragswert von über 20 Millionen Franken bzw. um Vorhaben, die Teil einer Kursneuausrichtung sind. Diese Projekte müssen ins Rüstungsprogramm integriert werden und werden dem Parlament im Rahmen der Rüstungsbotschaft unterbreitet.

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Tatsächlich weist der PVK-Bericht darauf hin, dass die Informationen, die den Ratsmitgliedern zur Verfügung gestellt werden, im besonderen das Dokument «Materielle Sicherstellung der Armee», für einen Aussenstehenden nur schwer verständlich sind. Trotz einiger Verbesserungen ist es schwierig, sich aufgrund dieser Informationen ein klares Bild über die geplanten Beschaffungen, deren militärischen Zweck und bestehende Interdependenzen zu machen.

Die GPK-N hält es für unerlässlich, dass die Ratsmitglieder über klare Informationen verfügen, auf die sie ihre Entscheidungen stützen können. Deshalb fordert sie den Bundesrat auf, dieses Problem eingehend zu prüfen und gegebenenfalls Optimisierungsmassnahmen ins Auge zu fassen.

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Weiteres Vorgehen

Die GPK-N überweist diesen Bericht samt Empfehlungen und Anhang dem Bundesrat und ersucht ihn, bis Ende März 2008 dazu Stellung zu nehmen. In seiner Stellungnahme zeigt der Bundesrat auch auf, mit welchen Massnahmen und bis wann er die Empfehlungen der GPK-N umzusetzen gedenkt.

Der vorliegende Bericht geht zur Kenntnis auch an die Sicherheitspolitischen Kommissionen beider Räte.

23. November 2007

Für die Geschäftsprüfungskommission des Nationalrates Der Präsident: Jean-Paul Glasson Der Sekretär: Philippe Schwab Der Präsident der Subkommission EDA/VBS: Serge Beck Die Sekretärin der Subkommission EDA/VBS: Jacqueline Dedeystère

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