zu 04.444 Parlamentarische Initiative Obligatorische Bedenkfrist und Artikel 111 ZGB Bericht vom 16. November 2007 der Kommission für Rechtsfragen des Nationalrates Stellungnahme des Bundesrates vom 27. Februar 2008

Sehr geehrter Herr Nationalratspräsident Sehr geehrte Damen und Herren Zum Bericht vom 16. November 2007 der Kommission für Rechtsfragen des Nationalrates betreffend obligatorische Bedenkfrist nach Artikel 111 ZGB nehmen wir nach Artikel 112 Absatz 3 des Parlamentsgesetzes nachfolgend Stellung.

Wir versichern Sie, sehr geehrter Herr Nationalratspräsident, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

27. Februar 2008

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Der Bundespräsident: Pascal Couchepin Die Bundeskanzlerin: Corina Casanova

2008-0154

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Stellungnahme 1

Ausgangslage

Am 18. Juni 2004 reichte Nationalrat Erwin Jutzet eine parlamentarische Initiative ein. Dies mit dem Ziel, die Bedenkzeit nach Artikel 111 Absatz 2 des Zivilgesetzbuches (ZGB)1 zu flexibilisieren.

Die Kommission für Rechtsfragen des Nationalrates (RK-N) beschloss am 6. September 2005, der Initiative Folge zu geben. Die Zustimmung der ständerätlichen Schwesterkommission erfolgte am 21. November 2005.

Der Vorentwurf vom 1. Dezember 2006 der RK-N wurde im Vernehmlassungsverfahren mit grosser Mehrheit begrüsst.

2

Stellungnahme des Bundesrates

2.1

Aufhebung der obligatorischen Bedenkzeit und Möglichkeit mehrerer Anhörungen

Der Bundesrat befürwortet die Aufhebung der obligatorischen Bedenkzeit im Scheidungsverfahren auf gemeinsames Begehren.

Dem berechtigten Anliegen, die Ehegatten vor einer übereilten Scheidung zu schützen, wird mit der neu explizit erwähnten Möglichkeit der Anhörung in mehreren Sitzungen durch das Gericht genügend Rechnung getragen. Dabei weist der Bericht der RK-N (vgl. Ziff. 3) zu Recht darauf hin, dass die Möglichkeit einer zweiten Anhörung schon nach geltendem Recht besteht2. Denkbar ist nämlich, dass im Rahmen einer ersten Sitzung bzw. Verhandlung die Zweifel betreffend den freien Willen und die reifliche Überlegung, was das Scheidungsbegehren und die Vereinbarung betrifft, noch nicht ausgeräumt werden konnten.

2.2

Widerrufsmöglichkeit (Minderheit Hubmann, Aeschbacher, Allemann, Heim, Leutenegger Oberholzer, Menétrey-Savary, Müller Thomas, Vermot-Mangold)

Eine Minderheit bevorzugt eine Regelung, wonach die Parteien berechtigt sind, innert sieben Tagen nach der ersten gerichtlichen Anhörung die Vereinbarung schriftlich beim Gericht zu widerrufen.

Der Bundesrat lehnt diese Lösung ab. Sie unterscheidet sich nicht grundlegend vom revisionsbedürftigen geltenden Recht, denn das Ausbleiben der Bestätigung nach Ablauf der zweimonatigen Bedenkzeit (Art. 111 Abs. 2 ZGB) ist materiell ein

1 2

SR 210 Botschaft Scheidungsrecht, BBl 1996 I 86

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Widerruf des Scheidungswillens bzw. der Vereinbarung. Mit der Widerrufsmöglichkeit bliebe es dabei, dass annehmbare Vereinbarungen unnötig in Frage gestellt werden könnten.

2.3

Nichteintreten auf die Vorlage (Minderheit Hubmann, Aeschbacher, Heim, Menétrey-Savary, Vermot-Mangold)

Der Bundesrat lehnt es ab, die vorliegende parlamentarische Initiative abzuschreiben, nachdem die meisten Praktiker die obligatorische Bedenkzeit nach Artikel 111 Absatz 2 ZGB als Leerlauf empfinden3 und deren Aufhebung in der Vernehmlassung grossmehrheitlich befürwortet worden ist (vgl. Ziff. 1).

3

Vgl. Bericht vom Mai 2005 des Bundesamtes für Justiz über die Umfrage zum Scheidungsrecht bei Richtern und Anwälten sowie Mediatoren (Zusammenfassung der Ergebnisse), S. 7 und 19.

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