zu 07.400 Parlamentarische Initiative Parlamentsrecht. Verschiedene Änderungen Bericht vom 21. Februar 2008 der Staatspolitischen Kommission des Nationalrates Stellungnahme des Bundesrates vom 16. April 2008

Sehr geehrter Herr Nationalratspräsident Sehr geehrte Damen und Herren Zum Bericht vom 21. Februar 2008 der Staatspolitischen Kommission des Nationalrates betreffend verschiedene Änderungen des Parlamentsrechtes nehmen wir nach Artikel 112 Absatz 3 des Parlamentsgesetzes (ParlG) nachfolgend Stellung.

Wir versichern Sie, sehr geehrter Herr Nationalratspräsident, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

16. April 2008

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Der Bundespräsident: Pascal Couchepin Die Bundeskanzlerin: Corina Casanova

2008-0834

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Stellungnahme 1

Ausgangslage

Mit Schreiben vom 22. Februar 2008 ersuchte die Staatspolitische Kommission des Nationalrates (SPK-N) den Bundesrat um Stellungnahme zu einer Sammelvorlage mit verschiedenen Änderungen des Parlamentsrechts.

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Stellungnahme des Bundesrates

Der Bundesrat begrüsst die Aufwertung der parlamentarischen Vorstösse im Nationalrat. Er kann sich auch den weiteren Neuerungen im Parlamentsrecht, die das Verfahren in beiden Räten betreffen, mit den nachfolgend dargelegten Vorbehalten anschliessen.

Artikel 121 und 124 ParlG Der Bundesrat befürwortet die in Artikel 121 Absatz 1 des Parlamentsgesetzes vom 13. Dezember 2002 (ParlG)1 vorgesehene explizite Nennung einer Frist von drei Monaten nach der Einreichung einer Motion für den Antrag des Bundesrates auf Annahme oder Ablehnung. Insbesondere im Bereich der Kommissionsmotionen können damit die in der Vergangenheit zu kurzen Fristen beseitigt werden. Nicht einverstanden ist der Bundesrat mit der Streichung des Zusatzes «in der Regel» im bisherigen Artikel 121 Absatz 1 ParlG. Auch dem Bundesrat ist es ein Anliegen, die Motionen innerhalb der vorgesehenen Frist zu beantworten. Allerdings kann es Einzelfälle geben, bei denen zuerst Grundsatzentscheide des Bundesrates zu Sachgeschäften abgewartet werden müssen, bevor eine Motion beantwortet werden kann.

Zum Teil sind ebenfalls umfangreiche, langwierige Abklärungen bei verschiedenen Stellen notwendig und die Antwort des Bundesrates muss oft auch interdepartemental koordiniert werden, was innerhalb der vorgeschlagenen Frist nicht immer realisierbar ist. Aus diesen Gründen beantragt der Bundesrat folgende Formulierung von Artikel 121 Absatz 1 ParlG: «Der Bundesrat beantragt in der Regel innert dreier Monate nach der Einreichung einer Motion deren Annahme oder Ablehnung.» Für Artikel 124 Absatz 1 ParlG beantragt er sinngemäss: «Der Bundesrat beantragt in der Regel innert dreier Monate nach der Einreichung eines Postulates dessen Annahme oder Ablehnung.» Der Bundesrat folgt in diesem Sinne der von der damaligen Bundeskanzlerin an einer Sitzung der Subkommission des Büros des Nationalrates vom 12. März 2007 gemachten Äusserung, wonach Artikel 27 zweiter Satz des Geschäftsreglementes des Nationalrates vom 3. Oktober 2003 (GRN)2 korrekt vollzogen werden müsse. Insbesondere unterstützt der Bundesrat die Forderung, dass eine genügende Begründung für eine allfällige Verzögerung eingereicht werden muss. Aus den dargelegten Gründen beantragt der Bundesrat, dass Artikel 28a Absatz 1 GRN mit der Ausnahmeregelung von Artikel 27 zweiter Satz GRN sinngemäss ergänzt und Artikel 27 erster Satz GRN ersatzlos gestrichen werden.

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SR 171.10 SR 171.13

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Der Bundesrat beantragt zudem die ersatzlose Streichung von Artikel 121 Absatz 5 Buchstabe b ParlG bei gleichzeitiger unveränderter Beibehaltung des neuen Absatzes 2 von Artikel 121. Die von der SPK-N vorgeschlagene Bestimmung würde dem Bundesrat die ­ im bisherigen Recht verankerte ­ Möglichkeit nehmen, einen Abänderungsantrag im Zweitrat zu stellen. Die im Bericht der SPK-N dargelegte Möglichkeit, während der Beratungen in der Kommission des Erstrates Abänderungswünsche einzubringen, wiegt diesen Mangel nicht auf.

Artikel 140a ParlG Der Bundesrat unterstützt eine Regelung über die Feststellung der Amtsunfähigkeit von Mitgliedern des Bundesrates sowie der Bundeskanzlerin oder des Bundeskanzlers.

Entgegen dem Vorschlag der SPK-N soll der Bundesrat allein das Antragsrecht haben. Gemäss dem Grundsatz von Artikel 6 Absatz 3 des Regierungs- und Verwaltungsorganisationsgesetzes vom 21. März 1997 (RVOG)3 trifft der Bundesrat alle Massnahmen, um die Regierungstätigkeit jederzeit sicherzustellen. Das Antragsrecht auf Feststellung einer Amtsunfähigkeit ist einzig dem Bundesrat und der Bundeskanzlerin oder dem Bundeskanzler zu überlassen, da sie am besten beurteilen können, ob die Mitglieder des Bundesrates beziehungsweise die Bundeskanzlerin oder der Bundeskanzler in der Lage sind, ihr Amt weiterhin ausüben zu können. Dem Bundesrat sowie der Bundeskanzlerin oder dem Bundeskanzler ist es schon aufgrund der aktuellen Rechtslage überlassen zu entscheiden, wann eine vorübergehende gesundheitsbedingte Absenz mit der Stellvertreterregelung (Art. 22 RVOG für den Bundesrat und Art. 31 Abs. 2 RVOG für die Bundeskanzlerin oder den Bundeskanzler) zu lösen ist; deshalb soll ihnen folgerichtig auch die Einschätzung zustehen, ab wann der Zustand der Amtsunfähigkeit mit hoher Wahrscheinlichkeit lange Zeit andauern wird. Aus den dargelegten Gründen beantragt der Bundesrat, dass ausschliesslich ihm und der Bundeskanzlerin oder dem Bundeskanzler das Antragsrecht auf Feststellung der Amtsunfähigkeit zustehen soll.

Nach Ansicht des Bundesrates legt die Formulierung von Absatz 3 den Schluss nahe, dass nur ein Gremium, welches über eine längere Zeitdauer und eng mit dem betreffenden Mitglied des Bundesrates beziehungsweise mit der Bundeskanzlerin oder dem Bundeskanzler zusammengearbeitet hat, überhaupt beurteilen kann, ob
die genannten Kriterien erfüllt sind. Diesen Anforderungen entspricht nur das Bundesratsgremium. Deshalb soll der Bundesrat auch überprüfen, ob die Voraussetzungen erfüllt sind, und den Antrag an die Vereinigte Bundesversammlung entsprechend begründen. Die Vereinigte Bundesversammlung entscheidet anschliessend frei und nach pflichtgemässem Ermessen über den Antrag des Bundesrates.

Artikel 47 Absatz 3 GRN (Organisierte Debatte) Der Bundesrat ist zurückhaltend bezüglich einer Ausdehnung der Redezeitbeschränkung für die Vertreter und Vertreterinnen des Bundesrates von der Eintretensdebatte auf die Detailberatung von Vorlagen.

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SR 172.010

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Es ist in diesem Zusammenhang zu betonen, dass der Bundesrat im Gegensatz zu den übrigen Teilnehmenden an der Debatte nicht nur in politischer Hinsicht Stellung nehmen kann. Er hat in erster Linie die Aufgabe, einen Gesetzestext sachlich zu erläutern, allenfalls auf die Entstehungsgeschichte des Erlasses näher einzugehen und damit auch Hinweise für die spätere Auslegung des Gesetzes durch die Vollzugsbehörden und die Gerichte zu geben. Eine Redezeitbeschränkung würde den Bundesrat in der Erfüllung dieser Aufgabe behindern und damit letztlich auch die Stellung des Parlamentes schwächen.

Der Bundesrat schliesst sich deshalb bezüglich Artikel 47 Absatz 3 GRN der Argumentation der SPK-N-Minderheit und der von ihr vorgeschlagenen Bestimmung an und beantragt damit Beibehaltung der bisherigen unbeschränkten Redezeiten für die Vertreterinnen und Vertreter des Bundesrates für die Detailberatung von Vorlagen, wie sie aktuell in Artikel 44 Absatz 2 GRN und Artikel 46 Absatz 3 GRN festgeschrieben sind.

Artikel 31 Absatz 2 GRN (Fragestunde) ­ zusätzlicher Antrag Durch die Verschiebung der Bundesratssitzung von Montag auf Freitag im Jahre 2002 verkürzte sich die Frist zur Beantwortung aktueller Fragen der Parlamentsmitglieder um einen Tag. Angesichts der zum Teil grossen Zahl von Fragen pro Departement und im Hinblick auf deren angemessene Beantwortung drängt sich nach Meinung des Bundesrates eine minime Ausdehnung der Frist zur Beantwortung auf. Aus diesem Grund beantragt der Bundesrat in Artikel 31 Absatz 2 GRN folgenden neuen Wortlaut: «Die Fragen sind knapp gefasst und ohne Begründung bis zum vorangehenden Mittwochmittag vor Schluss der Ratssitzung schriftlich einzureichen.» Abschliessend möchte der Bundesrat noch auf einen redaktionellen Fehler hinweisen. Im letzten Satz des dritten Absatzes auf Seite 1882 des Berichtes sollte «Absatz 6» durch «Absatz 5» ersetzt werden.

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