07.096 Botschaft zum Abkommen mit der Regierung der Französischen Republik über die grenzüberschreitende Zusammenarbeit in Justiz-, Polizei- und Zollsachen vom 7. Dezember 2007

Sehr geehrter Herr Nationalratspräsident Sehr geehrter Herr Ständeratspräsident Sehr geehrte Damen und Herren Mit dieser Botschaft unterbreiten wir Ihnen, mit dem Antrag auf Zustimmung, den Entwurf zum Bundesbeschluss über die Genehmigung des Abkommens vom 9. Oktober 2007 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Französischen Republik über die grenzüberschreitende Zusammenarbeit in Justiz-, Polizei- und Zollsachen.

Wir versichern Sie, sehr geehrter Herr Nationalratspräsident, sehr geehrter Herr Ständeratspräsident, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

7. Dezember 2007

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Die Bundespräsidentin: Micheline Calmy-Rey Die Bundeskanzlerin: Annemarie Huber-Hotz

2007-1165

247

Übersicht Die Bedrohungen, denen sich die Schweiz gegenübersieht, hängen nicht allein von landesinternen Faktoren ab; vielmehr spielen internationale Zusammenhänge eine immer grössere Rolle. Die grenzüberschreitende Kriminalität lässt sich nur dann effizient bekämpfen, wenn sie auch auf internationaler Ebene angegangen wird. Um diese Bedrohungen erfolgreich bekämpfen zu können, muss die Schweiz mit ihren ausländischen Partnern zusammenarbeiten.

Neben der Zusammenarbeit im Rahmen von Interpol und den mit der Europäischen Union geknüpften Verbindungen in den Bereichen Schengen und Europol ist die bilaterale Zusammenarbeit ein zentrales Element der internationalen polizeilichen Zusammenarbeit der Schweiz. Bilaterale Abkommen bestehen bereits mit den anderen Nachbarstaaten wie auch mit Ungarn, Lettland, der Tschechischen Republik und Slowenien. Weitere Abkommen sind mit Rumänien, Mazedonien, Albanien sowie Bosnien und Herzegowina unterzeichnet worden.

Das vorliegende Abkommen ist eine überarbeitete Fassung des geltenden, am 11. Mai 1998 in Bern geschlossenen Abkommens. Die Verhandlungen fanden vom 17. bis 30. März 2007 statt, dem Datum, an dem das neue Abkommen in Paris paraphiert wurde. Am 27. Juni 2007 genehmigte der Bundesrat das Abkommen. Der Vorsteher des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartements unterzeichnete es am 9. Oktober 2007 in Paris.

Wie auch die anderen Abkommen, welche die Schweiz geschlossen hat, regelt das überarbeitete Abkommen mit Frankreich die grenzüberschreitende Zusammenarbeit zwischen den zuständigen Polizeibehörden in Übereinstimmung mit dem jeweils geltenden Landesrecht hinsichtlich des Informationsaustauschs, der Koordination operativer Einsätze, der Schaffung gemeinsamer Arbeitsgruppen und der Aus- und Fortbildung. Die getroffenen Vereinbarungen tragen dem Datenschutz uneingeschränkt Rechnung. Im Zuge der Neuaushandlung ist eine Anzahl neuer Elemente hinzugekommen. Erwähnenswert sind vor allem die Möglichkeit der verstärkten Zusammenarbeit bei Einsätzen an Grossanlässen, Katastrophen oder schweren Unfällen sowie die Möglichkeit, Poliezeieinheiten zur Aufrechterhaltung der Ordnung zu entsenden. Nicht minder bedeutsam ist der Umstand, dass die Zuständigkeit zur Ausübung hoheitlicher Befugnisse geregelt und die grenzüberschreitende Observation und Nacheile detaillierter
definiert worden sind. Ebenso bedeutend ist die Möglichkeit, bei Zuwiderhandlungen im Strassenverkehr Daten auszutauschen. Die im neuen Abkommen vorgesehenen Bestimmungen über den Datenschutz entsprechen denjenigen des Schengener Durchführungsübereinkommens. Das Abkommen stärkt die nationale Rolle des Zentrums für Polizei- und Zollzusammenarbeit in Genf. Zur Umsetzung der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit sind neu auch Lufteinsätze möglich. Der Inhalt des Abkommens geht indessen nicht über denjenigen des vergleichbaren Vertrags zwischen der Schweiz und Deutschland hinaus.

248

Das revidierte Abkommen greift nicht in die Kompetenzaufteilung zwischen Justizund Polizeibehörden ein. Die Zuständigkeitsverteilung zwischen Bund und Kantonen wie auch unter den Kantonen wird nicht angetastet. Das Abkommen kann mit den bestehenden Mitteln umgesetzt werden. Um der besseren Lesbarkeit willen ist es in formeller Hinsicht neu gestaltet worden. Die Erläuterungen in dieser Botschaft beziehen sich auf die Neuerungen, die das revidierte Abkommen bringt.

249

Inhaltsverzeichnis Übersicht

248

1 Grundzüge des Abkommens 1.1 Ausgangslage 1.2 Verlauf der Verhandlungen

251 251 252

2 Erläuterungen zu den Bestimmungen des Abkommens 2.1 Einleitung und Systematik 2.2 Erläuterungen zu den neuen Bestimmungen 2.2.1 Begriffe und Zielsetzungen der Zusammenarbeit 2.2.2 Allgemeine Bestimmungen zur Justiz-, Polizei- und Zollzusammenarbeit 2.2.3 Besondere Formen der Zusammenarbeit 2.2.4 Zentren für Polizei- und Zollzusammenarbeit (gemeinsame Zentren) 2.2.5 Direkte Zusammenarbeit im Grenzgebiet 2.2.6 Datenschutz 2.2.7 Anwendbares Recht bei Amtshandlungen einer Vertragspartei im Hoheitsgebiet der anderen Vertragspartei 2.2.8 Zuwiderhandlungen gegen Strassenverkehrsvorschriften 2.2.9 Durchführungs- und Schlussbestimmungen

253 253 253 253 255 256 259 259 260 261 263 265

3 Finanzielle und personelle Auswirkungen beim Bund und bei den Kantonen

266

4 Verhältnis zur Legislaturplanung

267

5 Verhältnis zum europäischen Recht und Vereinbarkeit mit internationalen Verpflichtungen der Schweiz

267

6 Verfassungs- und Gesetzmässigkeit 6.1 Kompetenzen des Bundes 6.2 Fakultatives Referendum

267 267 268

Bundesbeschluss zur Genehmigung des Abkommens mit der Regierung der Französischen Republik über die grenzüberschreitende Zusammenarbeit in Justiz-, Polizei- und Zollsachen (Entwurf)

269

Abkommen mit der Regierung der Französischen Republik über die grenzüberschreitende Zusammenarbeit in Justiz-, Polizeiund Zollsachen

271

250

Botschaft 1

Grundzüge des Abkommens

1.1

Ausgangslage

Die Bedrohungen, denen sich die Schweiz gegenübersieht, hängen nicht allein von landesinternen Faktoren ab; auch internationale Zusammenhänge spielen eine immer grössere Rolle. Zahlreiche Formen des Verbrechens wie etwa Geldwäscherei, Terrorismusfinanzierung, Computerkriminalität oder der illegale Handel mit Betäubungsmitteln sind in zunehmendem Mass grenzüberschreitende Erscheinungen. Die kriminellen Akteure versuchen deshalb insbesondere transnational vorzugehen. Das Profitstreben dieser kriminellen Organisationen bedingt in der Regel grenzüberschreitende Kontakte. Die Schweiz kann bei der Bekämpfung der grenzüberschreitenden Kriminalität von der unmittelbaren Zusammenarbeit mit den ausländischen Polizeibehörden nur profitieren. Auch die ausländischen Behörden erkennen die Bedeutung jeglicher Form der Zusammenarbeit mit der Schweiz.

Die internationale Polizeizusammenarbeit der Schweiz beruht derzeit auf drei Pfeilern: Der erste ist die weltweite, multilaterale Zusammenarbeit über Interpol, der heute 186 Mitglieder angehören. Diese Form der Zusammenarbeit steht in erster Linie im Zeichen des polizeilichen Informationsaustauschs und der internationalen Fahndung. Interpol unterhält jedoch auch eigene Datenbanken und unterstützt die Mitglieder operationell, zum Beispiel mit forensischen Dienstleistungen.

Der zweite Pfeiler ist die regionale, auf Europa beschränkte Zusammenarbeit. Das am 26. Oktober 2004 geschlossene Abkommen zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft, der Europäischen Union und der Europäischen Gemeinschaft über die Assoziierung der Schweiz bei der Umsetzung, Anwendung und Entwicklung des Schengen-Besitzstands1 (Schengener Assoziierungsabkommen) verstärkt vor allem im polizeilichen Bereich die europaweite grenzüberschreitende Fahndung.

Das Abkommen vom 24. September 2004 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und dem Europäischen Polizeiamt2 ist am 1. März 2006 in Kraft getreten; das Abkommen ermöglicht es unter anderem, durch den Austausch von Informationen und Analysen aus dem operativen Bereich kriminelle Organisationen verstärkt zu bekämpfen.

Der dritte Pfeiler ist die bilaterale Polizeizusammenarbeit. Diese erlaubt es, direkte Kontakte mit dem jeweiligen Partnerstaat herzustellen und die Abkommen den Kooperationsbedürfnissen und -möglichkeiten anzupassen.

1 2

BBl 2004 6447 SR 0.360.268.2

251

Die Schweiz hat mit sämtlichen Nachbarstaaten bilaterale Abkommen zur Zusammenarbeit geschlossen (Deutschland3, Österreich/Fürstentum Liechtenstein4, Frankreich5 und Italien6). Solche Abkommen bestehen auch mit Ungarn7, Slowenien8, Lettland9 und der Tschechischen Republik10. Weitere, ähnlich ausgestaltete Abkommen wurden mit Mazedonien11, Albanien12, Rumänien13 sowie Bosnien und Herzegowina unterzeichnet.

Bei der Revision des Abkommens mit Frankreich konnte auf die in den vergangenen Jahren und vor allem beim Gipfeltreffen in Evian im Juni 2003 gemachten Erfahrungen zurückgegriffen werden. Die Revision hat zum Ziel, das mit Frankreich geschlossene Abkommen möglichst weitgehend nach dem Vertrag mit Deutschland zu gestalten. Keine der im revidierten Abkommen enthaltenen Bestimmungen geht über das hinaus, was sich in der Polizeizusammenarbeit zwischen der Schweiz und Deutschland bereits bewährt hat. Vielmehr reicht auch das revidierte Abkommen in einigen Punkten weniger weit als der schweizerisch-deutsche Polizeivertrag. So ist es Frankreich aus innerstaatlichen Rechtsgründen nicht möglich, Bestimmungen über verdeckte Ermittlungen, kontrollierte Lieferungen und die Zusammenarbeit bei der grenzüberschreitenden, der Verhinderung von Straftaten dienenden Observation in das Abkommen aufzunehmen. Das revidierte Abkommen mit Frankreich ist mit dem Schengener Besitzstand vollumfänglich vereinbar.

Das mit der Revision verfolgte materielle Ziel ist es, die Sicherheit im jeweiligen Partnerland verstärkt zu fördern.

1.2

Verlauf der Verhandlungen

Ein erstes Expertentreffen, bei dem der Inhalt eines schweizerischen Vorentwurfs zum revidierten Abkommen diskutiert wurde, fand am 17./18. März 2005 in Paris statt; das zweite Treffen wurde am 20./21. Oktober 2005 in Bern durchgeführt.

Nachdem die letzten Details am dritten Expertentreffen vom 1. März 2007 bereinigt worden waren, konnte das Abkommen am 30. März 2007 in Paris paraphiert werden.

Die Konferenz der Kantonalen Justiz- und Polizeidirektorinnen und -direktoren (KKJPD) wurde am 29. März 2007 vorgängig über den Inhalt des revidierten Abkommen unterrichtet. In Bestätigung der beim Treffen vom 30. März 2007 anlässlich der Paraphierung des Abkommens ausgetauschten Informationen wurde der KKJPD am 7. Mai 2007 die offizielle Zusammenfassung der Beratungsergebnisse übermittelt.

3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13

252

SR 0.360.136.1 SR 0.360.163.1 SR 0.360.349.1 SR 0.360.454.1 SR 0.361.418.1 SR 0.361.691.1 SR 0.361.487.1 SR 0.360.743.1 BBl 2006 2207 BBl 2006 2195 BBl 2006 2235

Der Bundesrat genehmigte das Abkommen am 27. Juni 2007. Bundesrat Christoph Blocher und die französische Ministerin für innere Angelegenheiten, Übersee und Gebietskörperschaften, Michèle Alliot-Marie, unterzeichneten es am 9. Oktober 2007 in Paris.

2

Erläuterungen zu den Bestimmungen des Abkommens

2.1

Einleitung und Systematik

Das revidierte Abkommen ist gegenüber demjenigen von 1998 neugestaltet worden.

Einleitend bekräftigen die Vertragsstaaten ihr Interesse an einer verstärkten Zusammenarbeit. Neu findet sich in der Präambel auch ein Verweis auf das am 19. Juni 1990 unterzeichnete Schengener Durchführungsübereinkommen. Neu ist auch der Verweis auf das Zusatzprotokoll vom 28. Januar 2002 über die Einrichtung gemeinsamer Zentren für Polizei- und Zollzusammenarbeit und den Austausch oder die Zurverfügungstellung regionaler Verbindungsbeamten im Grenzgebiet14.

Zur übersichtlicheren Darstellung sind die Bestimmungen unter neun Titeln aufgeführt. Zwei Anhänge, welche die Artikel 12 und 13 ergänzen, tragen ebenfalls zur besseren Lesbarkeit bei.

2.2

Erläuterungen zu den neuen Bestimmungen

Die folgenden Erläuterungen beschränken sich auf die materiell neuen Bestimmungen. Die Systematik des revidierten Abkommens unterscheidet sich von derjenigen des Abkommens von 1998; deshalb sind die Erläuterungen nun thematisch, in der Abfolge der Titel gegliedert. Die Mehrzahl der Artikel ist jedoch hinreichend verständlich, und sie bedürfen keiner Erklärung.

Bestimmungen, die nicht kommentiert werden, entsprechen entweder denjenigen des Abkommens von 1998 oder sind selbsterklärend.

2.2.1

Begriffe und Zielsetzungen der Zusammenarbeit

Wie die Vertragsstaaten einleitend bekräftigen, soll das Abkommen einen klar umrissenen rechtlichen Rahmen für die verstärkte bilaterale Polizeizusammenarbeit bilden.

Zuständige Dienststellen (Art. 1) In diesem Artikel werden die Dienststellen aufgeführt, die für den Vollzug des Abkommens zuständig sind. Neu werden die Justizbehörden aufgeführt sowie das Bundesamt für Strassen; dieses wird für die Umsetzung der neuen Bestimmungen über die Sicherheit im Strassenverkehr verantwortlich sein. Mit der Bezeichnung der nationalen Zentralorgane soll der Kontakt unter Behördenstellen auf gleicher Stufe 14

SR 0.360.349.11

253

erleichtert werden. Dasselbe gilt hinsichtlich der nationalen Zentralstellen, die mit dem Vollzug des Abkommens betraut und in dem unter Artikel 52 vorgesehenen Gemischten Ausschuss vertreten sein werden. Das französische Zentralorgan ­ die Section centrale de coopération opérationnelle de police (SCOPOL) ­ ist das Pendant zu der der Bundeskriminalpolizei angegliederten Abteilung Internationale Polizeikooperation.

Grenzgebiet (Art. 2) Dieser Artikel umschreibt die Grenzgebiete; diese bleiben unverändert. Neu sind jedoch die namentlich im Titel V (Direkte Zusammenarbeit im Grenzgebiet) geregelten Einzelheiten der direkten Zusammenarbeit zwischen sich entsprechenden Dienststellen der Vertragsstaaten. Die Zusammenarbeit betreffend Informationsaustausch, gemeinsame Missionen, Entsendung von Beamten und Unterstützung bei Grossereignissen beschränkt sich jedoch nicht nur auf die Grenzgebiete, sondern ist im gesamten Hoheitsgebiet möglich.

Gemeinsame Sicherheitsinteressen (Art. 5) Dieser Artikel ist neu. Inhaltlich lehnt er sich an Artikel 1 des schweizerischdeutschen Polizeivertrags an. Die Vertragsstaaten sind gehalten, einander über die Schwerpunkte ihrer Strategien zur Kriminalitätsbekämpfung zu informieren und bei der Planung bedeutsamer Vorhaben auf polizeilichem Gebiet die gemeinsamen Sicherheitsinteressen zu berücksichtigen. Weiter wird festgelegt, dass die Vertragsstaaten bei der Erarbeitung polizeilicher Konzepte den gemeinsamen Sicherheitsinteressen angemessen Rechnung tragen müssen. Ist einer der Vertragsstaaten der Auffassung, dass der andere bestimmte Schritte zur Gewährleistung der gemeinsamen Sicherheit ergreifen sollte, so kann er ihm einen entsprechenden Vorschlag unterbreiten. Ein solcher Vorschlag braucht nicht auf diplomatischem Weg unterbreitet zu werden. Die nationalen Zentralstellen können sich auch gegenseitig Vorschläge unterbreiten.

Gemeinsame Sicherheitsanalyse (Art. 6) Dieser Artikel führt das Thema der gemeinsamen Analysen in Sicherheitsbelangen ein. Die Vertragsstaaten sind gehalten, einen möglichst einheitlichen Informationsstand über die polizeiliche Sicherheitslage anzustreben. In der Praxis wird unterschieden zwischen der auf nationaler Ebene durch die Zentralorgane angefertigten Analyse und der auf lokaler Ebene oder bezogen auf ein Grenzgebiet erstellten Analyse. Während
auf nationaler Ebene strategische Analysen erstellt werden, befassen sich die für ein Grenzgebiet erstellten Analysen mit Themen wie dem Kriminaltourismus und der Fälschung von Dokumenten. Auf lokaler Ebene widmen sich französisch-schweizerische Analyseteams in erster Linie Fragen betreffend die allgemeine Kriminalität, nicht aufgeklärte Straftaten und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung. Die Vertragsstaaten tauschen periodisch oder anlassbezogen Lagebilder aus; diese werden nach festgelegten Kriterien erstellt, womit sich die Daten besser miteinander vergleichen lassen. Auf eine explizite Regelung der Zuständigkeit wurde mit Rücksicht auf die nationalen Kompetenzordnungen verzichtet.

254

Gefahrenabwehr und Kriminalitätsbekämpfung (Art. 7) Dieser Artikel setzt zwei Grundgedanken um: Zum einen verstärken die Vertragsstaaten die Zusammenarbeit bei der Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung sowie zur Kriminalitätsbekämpfung, zum andern handeln sie dabei unter Berücksichtigung der Sicherheitsinteressen des anderen Vertragsstaates. Die Polizeizusammenarbeit im Sinne dieses Abkommens ist ausgeschlossen bei politischen, militärischen und fiskalischen Delikten sowie im Bereich des Staatsschutzes. Es wird darauf hingewiesen, dass die bilateral vereinbarten Bestimmungen die Regelungen über die internationale Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Kriminalitätsbekämpfung durch nationale Zentralorgane, insbesondere im Rahmen der Internationalen Kriminalpolizeilichen Organisation (IKPO-Interpol), ergänzen.

Diese Bestimmung ist vergleichbar mit Artikel 3 des Vertrags mit Deutschland. So ist es beispielsweise möglich, im Hoheitsgebiet beider Vertragsstaaten gleichzeitig oder auf beiden Seiten der Grenze oder auch in ein und demselben Grenzabschnitt Kontrollen durchzuführen. Ebenso werden gemeinsame Einsätze die Personenfahndung erleichtern.

2.2.2

Allgemeine Bestimmungen zur Justiz-, Polizei- und Zollzusammenarbeit

Zusammenarbeit (Art. 8) Dieser Artikel ist dem Thema der verstärkten Zusammenarbeit im Allgemeinen gewidmet. Es ist ausdrücklich vorgesehen, dass die Vertragsstaaten im Rahmen des innerstaatlichen Rechts einander bei der Abwehr von Gefahren und bei der Bekämpfung strafbarer Handlungen unterstützen, sofern ein Ersuchen nach nationalem Recht nicht den Justizbehörden vorbehalten ist.

Zusammenarbeit auf Ersuchen (Art. 9) Dieser Artikel erweitert die Liste der Möglichkeiten der Zusammenarbeit vor allem hinsichtlich der Übermittlung und des Vergleichs kennzeichnender Daten wie Tatortspuren, Fotos, Finger- und Handabdrücke, Personenbeschreibungen oder DNAProfile. Solche Daten werden nach Massgabe des innerstaatlichen Rechts übermittelt. Des Weiteren wird die Zusammenarbeit bei der Feststellung von Haltern und der Ermittlung der Fahrer von Strassenfahrzeugen auf Wasser- und Luftfahrzeuge ausgeweitet. Konnten bislang nur Anfragen über Führerscheine gestellt und bearbeitet werden, so wird es künftig auch möglich sein, Anfragen über Schiffspatente entgegenzunehmen und zu unterbreiten. Neu ist ausserdem, dass im Rahmen der Zusammenarbeit und im Hinblick auf ein Rechtshilfeersuchen abgeklärt werden kann, ob ein Zeuge aussagebereit ist.

Zusammenarbeit in dringlichen Fällen (Art. 10) In diesem Artikel wird die Zusammenarbeit in dringlichen Fällen im Einzelnen festgelegt. Dieser Punkt ist im Abkommen von 1998 noch nicht enthalten. Inhaltlich entspricht dieser Artikel den in Artikel 10 des Vertrags mit Deutschland aufgeführten Bestimmungen: Kann ein Ersuchen nicht rechtzeitig über die zuständigen Justizbehörden gestellt werden, so können die zuständigen Polizeibehörden das Ersuchen 255

zur unverzüglichen Erledigung an die Polizeibehörden im anderen Vertragsstaat richten. Dabei kann es sich um Ersuchen um Beschlagnahme von Beweisunterlagen, um Spuren- und Beweissicherung oder um die Durchführung medizinischer Untersuchungen an Gewaltopfern oder um Autopsien handeln.

Die Übermittlung von Beweisen an den ersuchenden Staat bedarf indessen eines formellen Rechtshilfeersuchens. Ist Eile geboten, so können die Polizeibehörden anstelle der Justizbehörden ein Ersuchen um Zusammenarbeit direkt stellen oder diesem stattgeben. Diese Bestimmung bildet allerdings keine rechtliche Grundlage für die Durchführung von Massnahmen, die nach innerstaatlichem Recht der Einwilligung der Justizbehörden bedürfen.

Dank dieser Vorgehensweise lassen sich Ersuchen effizienter bearbeiten, zumal die Polizeibehörden auf ein ständig einsatzbereites Betriebs- und Nachrichtennetz und einen Bereitschaftsdienst verfügen und die ersuchte Polizeibehörde in dringlichen Fällen schneller reagieren kann. Die zuständigen Justizbehörden im ersuchenden und im ersuchten Staat sind unverzüglich unter Angabe der Gründe für die Dringlichkeit zu unterrichten. Die Übermittlung der Ergebnisse der durchgeführten Massnahme an den ersuchenden Staat bedarf eines formellen Rechtshilfeersuchens. In dringlichen Fällen jedoch kann die ersuchte Polizeibehörde die Ergebnisse nach Einwilligung der zuständigen Justizbehörde unmittelbar der Polizeibehörde im ersuchenden Vertragsstaat übermitteln.

2.2.3

Besondere Formen der Zusammenarbeit

Grenzüberschreitende Observation (Art. 12) Dieser Artikel regelt die grenzüberschreitende Observation unter Berücksichtigung des Prinzips der doppelten Strafbarkeit. Gestützt auf eine erweiterte Liste strafbarer Handlungen legt dieser Artikel die Einzelheiten der Durchführung einer nicht geplanten, dringlichen grenzüberschreitenden Observation fest. Es wird künftig möglich sein, im Zuge einer Observation das Hoheitsgebiet eines Drittstaates ­ mit dessen Einwilligung ­ zu durchqueren und die Observation einer Person, dank der ein Verdächtigter identifiziert werden könnte, im Hoheitsgebiet des anderen Vertragsstaates fortzusetzen. Das gemeinsame Zentrum in Genf wird künftig Kopien von Observationsersuchen erhalten; die Bewilligung gilt fortan für das gesamte Gebiet des betreffenden Staates.

Während der Vertrag mit Deutschland die Observation zu Präventivzwecken zulässt, ist dies nach dem Abkommen mit Frankreich wegen der französischen Rechtslage nicht möglich. Der Artikel regelt zudem ausdrücklich, dass die zur Observation eingesetzten technischen Mittel nach Massgabe der Gesetzgebung desjenigen Vertragsstaates einzusetzen sind, in dessen Gebiet observiert wird. Auch müssen die zur optischen und akustischen Observation eingesetzten Mittel im Ersuchen genannt werden.

Grenzüberschreitende Nacheile (Art. 13) Diesem Artikel liegt eine erweiterte Liste strafbarer Handlungen zugrunde. Er regelt unter Berücksichtigung des Prinzips der doppelten Strafbarkeit die Einzelheiten der grenzüberschreitenden Nacheile. Es obliegt dem gemeinsamen Zentrum, die nationalen Zentralstellen über jede Nacheile zu unterrichten. Die Praxis hat gezeigt, dass 256

Einsätze, bei denen es zur grenzüberschreitenden Nacheile kommt, vergleichsweise heikel sind, weshalb die systematische Information der übergeordneten Stellen gerechtfertigt ist.

Schweizerische Beamtinnen und Beamten, die im Rahmen dieses Artikels eine Nacheile vornehmen, haben in Frankreich kein selbstständiges Festhalterecht. In einer gemeinsamen Erklärung haben die Vertragsstaaten allerdings in Aussicht gestellt, sie würden zu gegebener Zeit und wenn es das innerstaatliche Recht zulasse, die Möglichkeit in Betracht zu ziehen, den nacheilenden Beamtinnen und Beamten des anderen Vertragsstaates das Festhalterecht einzuräumen. Nach Absatz 2 ist es nacheilenden Beamtinnen und Beamten im Hoheitsgebiet des anderen Vertragsstaates indessen gestattet, einen auf frischer Tat ertappten Täter zu ergreifen, um ihn den örtlichen zuständigen Behörden zu übergeben.

Gemeinsame Einsatzformen (Art. 14) Artikel 14 lehnt sich inhaltlich an Artikel 20 des Vertrags mit Deutschland an. Vorgesehen sind gemischt besetzte Kontroll-, Observations- und Ermittlungsgruppen, in denen Beamtinnen und Beamte bei Einsätzen im Hoheitsgebiet des anderen Vertragsstaates ohne hoheitliche Befugnisse Unterstützungsfunktionen versehen. Sie können auch an der Arbeit von Analyse- und sonstigen Arbeitsgruppen teilnehmen.

Angesichts des Auftretens ähnlicher Methoden zur Begehung gewisser strafbarer Handlungen auf beiden Seiten der Grenze ist die Mitarbeit spezialisierter polizeilicher Fachkräfte des anderen Vertragsstaates ausserordentlich wertvoll. Zu denken ist etwas an Fälle von Schmuck- und Juwelendiebstahl, an den Diebstahl von Autos und Autoersatzteilen oder auch an Geldschrankeinbrüche. Auch lassen sich in den Grenzgebieten gemeinsame Such- und Fahndungseinsätze planen, wenn es etwa darum geht, vermisste Personen zu suchen oder flüchtige Straftäter zu verhaften.

Entsendung von Verbindungsbeamten (Art. 15) Artikel 15 präzisiert die Funktion der Verbindungsbeamten. Sie sollen hauptsächlich in beratender Funktion die Zusammenarbeit der Vertragsstaaten fördern und beschleunigen helfen. Frankreich hat bereits eine Verbindungsperson in die Botschaft nach Bern entsandt. Für spezifische Missionen ­ etwa zu Treffen hochrangiger Persönlichkeiten in einem im Grenzgebiet gelegenen Ort ­ können weitere Verbindungspersonen entsandt werden. Ein
Beispiel ist das Gipfeltreffen in Evian im Jahr 2003. Häufig sind es auch bedeutsame Konferenzen der UNO in Genf, der Europäischen Organisation für Kernforschung (CERN) oder vom Bund organisierte Veranstaltungen, welche die Entsendung von Verbindungspersonen bedingen.

Hilfeleistung bei Grossereignissen, Katastrophen und schweren Unglücksfällen (Art. 16) Diese Bestimmung ermöglicht es den Vertragsstaaten, bei Grossereignissen zusammenzuarbeiten. Sie sieht eine dreifache Unterstützung vor: den Informationsaustausch, die Koordination gemeinsamer Massnahmen und ­ als integrierender Teil der vom anderen Vertragsstaat getroffenen Massnahmen ­ die Entsendung von Einheiten zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung. Auf Ersuchen des anderen Vertragsstaates können auch Spezialisten, Personen in beratender Funktion und Ausrüstungsgegenstände zur Verfügung gestellt werden. Die Bestimmung entspricht 257

weitgehend derjenigen von Artikel 24 des Vertrags mit Deutschland. Kommt es zur Hilfeleistung, so werden vorab das Datum, die Art der Leistung, die Dauer des Einsatzes, die Einsatzbedingungen und die Entschädigung der hilfeleistenden Einheiten festgelegt. Nach Artikel 7a Absatz 2 Buchstabe b des Regierungs- und Verwaltungsorganisationsgesetzes (RVOG)15 ist der Bundesrat befugt, für die Schweiz ein Vollzugsübereinkommen, also einen völkerrechtlichen Vertrag, abzuschliessen.

Diese Befugnis hat der Bundesrat gestützt auf Artikel 48a Absatz 1 zweiter Satz RVOG an das Bundesamt für Polizei delegiert. Dass das Bundesamt solche Vollzugsabkommen abschliessen kann, ist ein grosses Plus, das vor allem den anlässlich des Gipfeltreffens von Evian im Juni 2003 gemachten Erfahrungen zu verdanken ist.

In Anwendung von Artikel 39 verrichten diese Einheiten unter der Aufsicht und operativen Leitung der örtlich zuständigen Einheiten ihren Dienst. Ereignet sich ein schwerer Unfall, so kann diejenige Streife eingreifen, die dem Unfallort am nächsten ist ­ unabhängig davon, welchem Vertragsstaat sie untersteht. Ziel ist es, möglichst schnell erste Hilfe zu leisten und den Unfallort zu sichern, noch bevor die örtlich zuständige Einheit eintrifft.

Einsatz von Luft- und Wasserfahrzeugen (Art. 17) Artikel 17 ermöglicht den Einsatz von Luft- und Wasserfahrzeugen. Beispielsweise kann der Vertragsstaat mit Helikoptern unterstützt werden, die mit Tag- und Nachtsichtgeräten ausgestattet sind. In erster Linie sollen Transport-, Such-, Fahndungsund Grenzüberwachungseinsätze geleistet werden. Der Artikel entspricht Artikel 25 des Vertrags mit Deutschland.

Geleitschutz (Art. 18) Artikel 18 regelt den Einsatz von Eskorten. Das gemeinsame Zentrum ist vorgängig zu informieren. Diese Bestimmung präzisiert, unter welchen Umständen die Beamtinnen und Beamten sich ihrer Dienstwaffe bedienen dürfen, und unterstreicht, dass die luft- und wasserverkehrsrechtlichen Bestimmungen des Einsatzstaates zu beachten sind. Mit dieser Bestimmung soll in erster Linie vermieden werden, dass die Eskorte des einen Vertragsstaates von einer vom anderen Vertragsstaat gestellten Eskorte abgelöst werden muss, etwa wenn ein vom Flughafen Genf kommender Konvoi über eine kurze Strecke Schweizer Hoheitsgebiet durchquert, um nach Frankreich zu gelangen.
Transit (Art. 19) Artikel 19 regelt den Transit von Beamtinnen und Beamten durch das Hoheitsgebiet des anderen Vertragsstaates und soll deren Verschiebung bei Einsätzen vereinfachen. So kann beispielsweise die Schweizer Polizei das Autobahnteilstück, das auf französischem Boden entlang des Salève verläuft, benutzen, um schneller zu einem auf Genfer Kantonsgebiet gelegenen Einsatzort zu gelangen.

15

258

SR 172.010

2.2.4

Zentren für Polizei- und Zollzusammenarbeit (gemeinsame Zentren)

Das Abkommen präzisiert den Zuständigkeitsbereich gemeinsamer Zentren hinsichtlich des Austauschs von Informationen, die von nationaler Bedeutung sind, und stärkt die Rolle der Zentren. Hinsichtlich des Informationsaustauschs dehnt Artikel 22 die Zuständigkeit der Zentren auf alle mit Polizei- und Zollaufgaben betrauten Dienste aus. Vorbehalten bleiben Angelegenheiten, für welche die nationalen Zentralorgane zuständig sind. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der gemeinsamen Zentren sind nicht befugt, polizeiliche oder zolltechnische Massnahmen zu treffen.

Das zur Zusammenarbeit der Schweiz und Frankreich geschaffene gemeinsame Zentrum in Genf, das einzige bisher bestehende solche Zentrum, arbeitet zur Zufriedenheit beider Vertragsstaaten.

Besondere Aufgaben (Art. 23) Artikel 23 regelt besondere Aufgaben wie die Koordination der im Grenzgebiet durchgeführten Fahndungs- und Observationsmassnahmen, die Vorbereitung der Übergabe ausländischer Personen mit unbefugtem Aufenthalt oder die Vorbereitung und Unterstützung der grenzüberschreitenden Observation und Nacheile.

Zusammenarbeit (Art. 24) Artikel 24 ermöglicht die Nutzung einer gemeinsamen Datenbank. Ein Zusatzprotokoll soll die Durchführungsbestimmungen im Einvernehmen mit den zuständigen nationalen Behörden regeln. Die Zugriffsrechte, die Art der erfassten Daten und die Aufbewahrungsfrist sollen darin im Einzelnen geregelt werden.

2.2.5

Direkte Zusammenarbeit im Grenzgebiet

Gegenseitige Entsprechung der Einsatzeinheiten (Art. 25) Artikel 25 regelt die Entsprechung der Einsatzeinheiten der Vertragsstaaten. Unabhängig von der Rolle des gemeinsamen Zentrums erleichtern die Bestimmungen dieses Artikels den Personen- und Informationsaustausch unter den Einsatzeinheiten der Vertragsstaaten.

Entsendung von Beamten (Art. 27) Artikel 27 legt die Bedingungen fest, unter denen vor Ort tätige Beamtinnen und Beamten wie etwa Ermittlerinnen oder Ermittler in einer Ermittlungseinheit des anderen Vertragsstaates eingesetzt werden können.

Gemischter Streifendienst im Grenzgebiet (Art. 28) Artikel 28 sieht die Ausweitung der Aufgaben der gemischter Patrouillen vor, die damit betraut sind, die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu wahren und den unerlaubten Handel, die illegale Einwanderung und die Kriminalität im Grenzgebiet zu bekämpfen. Dieser Artikel übernimmt den Inhalt des Briefwechsels vom

259

26. April/28. Mai 2004 zwischen dem Bundesrat und der französischen Regierung16.

Zurzeit haben die in einer gemischten Streife tätigen Beamtinnen und Beamten des anderen Vertragsstaates Beobachterstatus. Nach der neuen Bestimmung üben sie auch unterstützende, beratende und informative Funktionen aus. Sie werden dazu befugt sein, nach Massgabe des innerstaatlichen Rechts des Vertragsstaats, in dessen Hoheitsgebiet sie auf Streife sind, Identitätsüberprüfungen vorzunehmen und Personen festzuhalten, wenn sich diese einer Kontrolle zu entziehen versuchen.

2.2.6

Datenschutz

Die Zusammenarbeit verschiedener Polizeibehörden geht in der Regel auch mit dem Bearbeiten von Daten verdächtigter oder angeschuldigter Personen einher. Beispielsweise werden Personendaten direkt zwischen Polizeibehörden ausgetauscht, an andere Stellen weitergegeben, bei grenzüberschreitender Nacheile oder Observation beschafft und in Informationssystemen gespeichert. Die Datenbearbeitung berührt die Persönlichkeitsrechte der Betroffenen. Die Artikel 30­37 legen deshalb die Grundsätze zu einem gegenüber dem Abkommen von 1998 erhöhten Datenschutz fest. Die geänderten Bestimmungen lehnen sich an diejenigen des Vertrags mit Deutschland an; sie sind klarer und präziser als die bisherigen Bestimmungen und stehen im Einklang mit den Bestimmungen des Übereinkommens zum Schutz des Menschen bei der automatischen Verarbeitung personenbezogener Daten17, der Empfehlung des Ministerkomitees des Europarates vom 17. September 1987 und des Schengener Assoziierungsabkommens.

Grundsätze (Art. 30) Nach Artikel 30 dürfen Personendaten nur zu dem im Abkommen festgelegten Zweck und unter Beachtung der im Empfängerstaat geltenden Bestimmungen verwendet werden.

Zweckbindung (Art. 31) Artikel 31 präzisiert, dass Personendaten, die aufgrund des Abkommens übermittelt worden sind, vom Empfänger nur mit Zustimmung der übermittelnden Stelle zu anderen als den der Übermittlung zugrunde liegenden Zwecken bearbeitet werden dürfen. Die Erteilung einer Zustimmung richtet sich nach dem innerstaatlichen Recht der übermittelnden Stelle.

Pflicht zur Berichtigung und Vernichtung (Art. 32) Artikel 32 listet die Fälle auf, in denen Daten berichtigt oder vernichtet werden müssen, nämlich wenn die Daten unrichtig sind, rechtswidrig beschafft oder übermittelt wurden oder nicht mehr zur Erfüllung der für die Übermittlung massgeblichen Aufgabe dienen.

16 17

260

SR 0.360.349.12 SR 0.235.1

Verständigung (Art. 33) Artikel 33 verpflichtet die Vertragsstaaten dazu, auf Ersuchen der übermittelnden Stelle Auskunft zu geben über die Bearbeitung der Daten und darauf hinzuweisen, falls Daten unrichtig sind oder unrechtmässig bearbeitet worden sind.

Protokollierung (Art. 34) Artikel 34 statuiert, dass die Übermittlung und der Empfang der Daten zu protokollieren sind, wie lange die Protokolle aufbewahrt werden und zu welchen Zwecken sie verwendet werden dürfen.

Verfahren bei Auskunftserteilung (Art. 35) Artikel 35 legt das Verfahren bei Auskunftserteilung fest. Insbesondere wird der Grundsatz aufgestellt, dass das Recht einer betroffenen Person auf Auskunft den Rechtsbestimmungen desjenigen Vertragsstaates unterliegt, in dem der Antrag auf Auskunft gestellt worden ist. Des Weiteren wird festgelegt, dass der Vertragsstaat, der die Daten geliefert hat, die Möglichkeit haben muss, zum Antrag Stellung zu nehmen.

Datenbearbeitung in fremdem Hoheitsgebiet (Art. 36) Artikel 36 verweist auf die Bedingungen, die es zu beachten gilt, wenn im Hoheitsgebiet des anderen Vertragsstaates Daten bearbeitet werden. Der Schutz von Personendaten und deren Kontrolle sollen so gewährleistet werden. Beamtinnen und Beamten, die auf dem Hoheitsgebiet des anderen Vertragsstaates tätig werden, darf kein direkter Zugriff auf die in diesem Vertragsstaat elektronisch bearbeiteten Personendaten gewährt werden.

Übernahme des Schengen-Besitzstands durch die Schweiz (Art. 37) Artikel 37 verweist darauf, dass die im Schengen-Besitzstand geltenden Datenschutzbestimmungen ab dem Zeitpunkt für das Abkommen Geltung haben werden, ab dem die Schweiz den Schengen-Besitzstand übernimmt.

2.2.7

Anwendbares Recht bei Amtshandlungen einer Vertragspartei im Hoheitsgebiet der anderen Vertragspartei

Ausübung hoheitlicher Befugnisse durch Beamte einer Vertragspartei im Hoheitsgebiet der anderen Vertragspartei (Art. 39) Artikel 39 sieht vor, dass Beamtinnen und Beamte, die als Teil einer Einheit ins Hoheitsgebiet des anderen Vertragsstaates entsandt worden sind, um diesen bei Einsätzen an Grossanlässen, bei Katastrophen oder schweren Unglücksfällen zu unterstützen, oder die im Rahmen einer gemischten Streife oder irgendeines anderen gemeinsamen Einsatzes tätig sind, unter der operativen Kontrolle und Führung derjenigen Dienststelle des Vertragsstaates, der den Einsatz leitet, hoheitliche Befugnisse wahrnehmen können, wenn Massnahmen zur Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung erforderlich sind. Den Beamtinnen und 261

Beamten bleibt es indessen untersagt, hoheitliche Befugnisse eigenständig auszuüben.

Des Weiteren sieht dieser Artikel vor, dass im Hoheitsgebiet des anderen Vertragsstaates tätige Beamtinnen und Beamten befugt sind, eine Person, die bei der Begehung einer Straftat ertappt wird, festzuhalten, um sie den örtlichen zuständigen Behörden zu übergeben. Anwendbar ist das Recht desjenigen Staates, in dessen Hoheitsgebiet der Einsatz stattfindet und in dem die Person auf frischer Tat ertappt worden ist. Diese Bestimmung gilt auch hinsichtlich Personen, die sich an der Straftat beteiligt haben.

Uniformen und Dienstwaffen (Art. 40) Artikel 40 lehnt sich an Artikel 30 des Vertrags mit Deutschland an. Er ermächtigt Beamtinnen und Beamte, auch auf gemeinsamer Streife oder bei Einsätzen zur Unterstützung des anderen Vertragsstaates, zum Tragen der Uniform sowie zum Mitführen von Dienstwaffen. Nach dem geltenden Abkommen dürfen einzig die entsandten oder einem gemeinsamen Zentrum zugeteilten Beamtinnen und Beamten ihre Uniform und Dienstwaffe bei der Ausübung ihres Dienstes in der jeweiligen Einheit und auf dem Weg dorthin tragen. Es ist vorgesehen, dass nur das nach innerstaatlichem Recht erlaubte Material mitgetragen werden darf. Der andere Vertragsstaat ist berechtigt, sich dagegen zu verwahren oder sein Einverständnis nur unter gewissen Bedingungen zu erteilen. Der Gebrauch von Schusswaffen ist nur bei der Notwehr zulässig.

Zivilrechtliche Verantwortung (Art. 42) Artikel 42 geht in der Haftungsregelung weiter als das geltende Abkommen von 1998, das diesen Punkt lediglich im Zusammenhang mit der Observation und Nacheile aufnimmt. Nach dem revidierten Abkommen verzichten die Vertragsstaaten gegenseitig auf Entschädigungsansprüche wegen Schäden an ihren Vermögenswerten oder wegen Verletzung ihrer Beamtinnen und Beamten, die anlässlich eines der Zusammenarbeit dienenden Einsatzes verursacht werden. Die Bestimmung findet indessen keine Anwendung, wenn der Schaden vorsätzlich oder grobfahrlässig herbeigeführt worden ist. Des Weiteren wird die Haftungsfrage für den Fall geregelt, dass Beamtinnen oder Beamte des einen Vertragsstaates bei der Erfüllung von Aufgaben im Zuge eines Einsatzes im Hoheitsgebiet des anderen Vertragsstaates einem Dritten Schaden zufügen. In diesem Fall haftet der entsendende Vertragsstaat
nach Massgabe des nationalen Rechts des anderen Vertragsstaats, in dessen Hoheitsgebiet der Schaden eingetreten ist. Artikel 42 schliesst mit der Bestimmung, dass diese Haftungsregelung vorbehaltlich anders lautender Vereinbarungen unter den Vertragsstaaten gilt. Diese Form der Regelung schafft also einen Spielraum, der gewisse Anpassungen an die Vielzahl denkbarer Situationen erlaubt. Eine Abweichung von den vorgesehenen Bestimmungen ist indessen nur in Ausnahmefällen und unter Berücksichtigung der fallspezifischen Umstände möglich. Diese Regelungen sind den unter den Kantonen vereinbarten Regelungen ähnlich, die bei Einsätzen der Polizeikräfte mehrerer Kantone zur Anwendung gelangen.

262

2.2.8

Zuwiderhandlungen gegen Strassenverkehrsvorschriften

Diese Bestimmungen sind neu. Sie lehnen sich inhaltlich an die im schweizerischdeutschen Polizeivertrag enthaltenen Bestimmungen an, gehen indessen nicht darüber hinaus. Es handelt sich sozusagen um eine vereinfachte Version von bereits Bekanntem. Das Ziel bleibt unverändert: mehr Sicherheit im Strassenverkehr. Ausserdem sollen Beamtinnen und Beamte, die im Hoheitsgebiet des anderen Vertragsstaates tätig sind, bei Zuwiderhandlungen gegen Strassenverkehrsvorschriften den Beamtinnen und Beamten des anderen Vertragsstaates gleichgestellt werden.

Begriffsbestimmung (Art. 44) Artikel 44 verweist auf die einschlägigen Strassenverkehrsgesetze beider Vertragsparteien.

Mitteilungen aus dem Fahrzeugregister, Nachermittlungen (Art. 45) Artikel 45 sieht vor, dass dem anderen Vertragsstaat auf dessen Anfrage Fahrzeug- und Halterdaten mitgeteilt werden können. Zu diesem Zweck soll ein automatisiertes Anfrage- und Auskunftsverfahren eingerichtet werden. Derzeit bearbeitet das gemeinsame Zentrum in Genf einen Grossteil der Auskunftsersuchen einzeln.

Die Daten dürfen nur zur Ahndung von Strassenverkehrsdelikten verwendet werden.

Eine in Absprache mit dem Eidgenössischen Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragten erarbeitete technische Vereinbarung wird die Modalitäten der Anfrage, des Umfangs der Auskunft sowie der Übermittlung von Daten aus den Fahrzeugregistern regeln. Das Bundesamt für Strassen wird mit der entsprechenden französischen Behörde die Vereinbarung auszuarbeiten und wird diese gestützt auf die ihm vom Bundesrat nach Artikel 48 Absatz 1 zweiter Satz RVOG18 übertragene Zuständigkeit stellvertretend unterzeichnen.

Vorgesehen ist auch die Ausdehnung des Auskunftsrechts auf die Strafverfolgungsbehörden: Genügen die in einem Fall vom ersuchten Vertragsstaat erhaltenen Informationen für die Strafverfolgungsbehörden nicht und sind weitere Informationen erforderlich, so kann die ersuchte Behörde die zuständige Behörde des anderen Staates direkt kontaktieren.

Inhalt der zugestellten Unterlagen (Art. 46) Artikel 46 legt die Mindestangaben fest, die in Unterlagen enthalten sein müssen, die einer Person zugestellt werden. Unterlagen, die Personen im anderen Vertragsstaat im Zusammenhang mit einer Zuwiderhandlung gegen die Strassenverkehrsvorschriften zugestellt werden, müssen alle Informationen enthalten,
die der Empfänger für eine Antwort benötigt. Insbesondere müssen Art, Ort und Zeitpunkt der Zuwiderhandlung sowie Elemente zur Identifizierung des Fahrzeugs angegeben werden.

Dies ist Voraussetzung zur Gewährleistung des rechtlichen Gehörs. Die Höhe der drohenden oder verhängten Busse und die Rechtsmittelbelehrung gehören ebenfalls zum zwingenden Inhalt des Dokuments.

18

SR 172.010

263

Vollstreckungshilfeersuchen, Voraussetzungen (Art. 47) Artikel 47 räumt die Möglichkeit ein, zur Einforderung einer Busse die Übertretung dem Vertragsstaat anzuzeigen, und legt die Voraussetzungen dafür fest. Wenn ein Strafentscheid wegen eines Strassenverkehrsdelikts rechtskräftig ist, die Aufforderung zur Bezahlung der verhängten Busse jedoch erfolglos geblieben ist, kann der Vertragsstaat, in dem die betroffene Person ihren Wohnsitz oder Aufenthalt hat, um Vollstreckungshilfe ersucht werden. Damit soll sichergestellt werden, dass Personen, die sich eines Verkehrsdelikts schuldig gemacht haben, sich nicht wegen ihres Wohnsitzes im anderen Vertragsstaat einer Bestrafung entziehen können.

Aus Gründen der Verhältnismässigkeit ist eine untere Limite des Bussgeldbetrags fixiert worden: Die Vertragsstaaten haben sich darauf geeinigt, dass Bussen unter 70 Euro oder 100 Schweizer Franken im anderen Staat nicht vollstreckt werden.

Zwar entsprechen sich diese Summen wertmässig nicht genau; sie wurden gewählt, um dem allzu grossen Arbeitsaufwand vorzubeugen, der entstünde, wenn wegen jedes Strassenverkehrsdeliktes ein Ersuchen um Strafverfolgung im Vertragsstaat gestellt würde. Wäre in der Bestimmung nur von einer Währung die Rede, so wäre der Arbeitsaufwand noch grösser, müsste doch der Wert der Währung ständig neu berechnet werden.

Sobald ein Ersuchen gestellt worden ist, verzichtet der ersuchende Staat auf eigene Vollstreckungsmassnahmen, bis der ersuchte Staat das Ersuchen ablehnt oder mitteilt, dass ihm die Vollstreckung nicht möglich sei.

Die Übermittlung von Vollstreckungsersuchen ist an keine besondere Form der Übermittlung gebunden. Zulässig ist jedes geeignete Nachrichtenmittel, das eine schriftliche Aufzeichnung hinterlässt. Dem Ersuchen muss die Kopie des von der zuständigen Behörde getroffenen Bussentscheides beiliegen, und es muss bestätigt werden, dass der Entscheid nach dem Recht des ersuchenden Staates vollstreckbar ist, nicht verjährt ist und das Ersuchen sich auf die Vollstreckung einer Geldbusse beschränkt.

Das vereinbarte Vollstreckungshilfeverfahren wird nicht angewendet, wenn die verhängte Geldbusse entweder mit einer Freiheitsstrafe kombiniert ist oder die zugrunde liegende Strassenverkehrszuwiderhandlung mit Straftaten aus anderen Rechtsbereichen zusammentrifft. Damit werden
die Einheitlichkeit des Vollstreckungsverfahrens und die Vermeidung von Kompetenzüberschneidungen garantiert.

Ablehnungsgründe, Mitteilungspflicht, Umfang und Beendigung der Vollstreckung (Art. 48) Artikel 48 legt fest, dass die Ablehnung eines Vollstreckungshilfeersuchens begründet werden muss. Die Aufzählung der Verweigerungsgründe ist abschliessend. Ein Ersuchen, das den Anforderungen genügt, kann also nicht abgelehnt werden, es sei denn, der ersuchte Vertragsstaat ist der Ansicht, dass die Vollstreckung gegen den Grundsatz ne bis in idem (Verbot der doppelten Strafbarkeit) verstossen würde oder dass die dem Ersuchen zugrunde liegende Zuwiderhandlung nach seinem Recht nicht als solche bestraft werden kann oder dass die Vollstreckungsverjährung nach seinem Recht bereits eingetreten ist. Mit dieser Verweigerungsmöglichkeit wird verhindert, dass ein Vertragsstaat zu einer Rechtshandlung verpflichtet wird, die seiner eigenen Rechtsordnung nicht entspricht.

264

Unmittelbarkeit der Vollstreckung, Umrechnung, Zwangsmittel (Art. 49) Artikel 49 legt fest, dass um dem Gedanken der Konformität mit dem Recht des vollstreckenden Staates Rechnung zu tragen, sich die Vollstreckung auf das im eigenen Recht angedrohte Höchstmass für eine Zuwiderhandlung derselben Art beschränkt. Da der ersuchte Vertragsstaat die Entscheide wie seine eigenen vollstreckt und den Vollstreckungserlös selbst behält, liegt es auf der Hand, dass dies in dessen Landeswährung geschieht.

Ertrag der Vollstreckung und Kosten (Art. 50) Artikel 50 legt fest, dass weder Aufwand noch Ertrag der Vollstreckung mit dem ersuchenden Vertragsstaat abgerechnet werden müssen. Diese Regelung ist Ausdruck der beabsichtigten administrativen Vereinfachung. Indem der Erlös aus der Vollstreckung dem ersuchten Vertragsstaat zufliesst, schafft die Bestimmung gleichzeitig einen Anreiz, die Vollstreckung tatsächlich vorzunehmen.

2.2.9

Durchführungs- und Schlussbestimmungen

Ausnahmeregelung (Art. 51) Artikel 51 sieht eine Ausnahmeregelung vor, die es auch im Vertrag mit Deutschland gibt. So kann ein Vertragsstaat die Zusammenarbeit ganz oder teilweise verweigern, wenn die Erledigung eines Ersuchens oder die Durchführung einer Kooperationsmassnahme die eigenen Hoheitsrechte beeinträchtigen oder die eigene Sicherheit oder andere wesentliche Interessen gefährden könnte. Mit dem Begriff «wesentliche Interessen» ist die nationale öffentliche Ordnung gemeint, worunter unter Umständen auch ein Verstoss gegen nationales Verfassungsrecht fallen kann.

Gemischter Ausschuss (Art. 52) Artikel 52 setzt formell einen Gemischten Ausschuss ein. Dessen Mitglieder treten wenigstens einmal jährlich zusammen, um die Polizeizusammenarbeit zu bewerten und punktuelle Aspekte dieser Zusammenarbeit zu erörtern. Die Sitzungen des Gemeinsamen Ausschusses werden protokolliert.

Aus- und Fortbildung (Art. 54) Artikel 54 ermöglicht eine Zusammenarbeit in der Aus- und Fortbildung, die weiter reicht als bisher und sich nicht allein auf die Sprachausbildung und den Austausch von Stagiaires beschränkt. Dieser Artikel ermöglicht nun auch Lehrgänge und Seminare. Die Bestimmungen stellen die bereits praktizierte Zusammenarbeit bei der Aus- und Fortbildung auf eine einwandfreie rechtliche Grundlage und intensivieren sie. Nach diesem Artikel sind auch weitere Aus- und Fortbildungsmassnahmen denkbar. Beide Vertragsstaaten können dadurch vom Wissen des anderen Vertragsstaates profitieren, was in Zeiten ständig wechselnder und neu entstehender Kriminalitätsformen, insbesondere in Bereichen wie dem organisierten Verbrechen, der Geldwäscherei oder der Computerkriminalität, entscheidende Vorteile bei der Verbrechensbekämpfung mit sich bringt.

265

Durchführungsvereinbarungen (Art. 57) Artikel 57 ermöglicht es, untergeordnete Vereinbarungen und technische Einzelheiten zur administrativen Durchführung des Abkommens in direkten Absprachen unter den zuständigen Behörden zu vereinbaren. Solche Vereinbarungen sollen das Abkommen ergänzen oder konkretisieren. Der Bundesrat hat die Befugnis, das Abkommen ergänzende Vereinbarungen (Art. 15, 21, 24 und 27) zu treffen, gestützt auf Artikel 48a Absatz 1 erster Satz RVOG an das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement delegiert. Hinsichtlich der Durchführungsbestimmungen im engeren Sinn (vgl. Art. 16 Abs. 3 und Art. 45 Abs. 4) hat der Bundesrat die Befugnis, diese zu vereinbaren, gestützt auf Artikel 48a Absatz 1 zweiter Satz RVOG an das Bundesamt für Polizei und das Bundesamt für Strassen delegiert.

Inkrafttreten, Dauer und Kündigung (Art. 58) Artikel 58 sieht vor, dass der Vertrag auf unbestimmte Zeit geschlossen wird. Er ersetzt das Abkommen mit Frankreich vom 11. Mai 1998 und den Briefwechsel vom 26. April/28. Mai 2004 über den Einsatz gemischter Streifen im Grenzgebiet. Dieser Punkt ist nunmehr in Artikel 28 des Abkommens geregelt. Das Abkommen kann von jedem Vertragsstaat durch Notifikation jederzeit gekündigt werden und tritt sechs Monate nach der Notifikation ausser Kraft.

Die Vertragsstaaten notifiziert einander die Erfüllung ihrer verfassungsrechtlichen Verfahren für das Inkrafttreten des revidierten Abkommens. Dieses tritt am ersten Tag des auf den Eingang der zweiten Notifikation folgenden Monats in Kraft.

3

Finanzielle und personelle Auswirkungen beim Bund und bei den Kantonen

Das Abkommen lässt sich grundsätzlich mit den vorhandenen Mitteln umsetzen; es kommt zu keiner finanziellen und personellen Mehrbelastung des Bundes oder der Kantone. Indessen kann etwa die Koordination eines operativen Einsatzes in bestimmten Fällen und nach Absprache unter den Vertragsstaaten eine Kostenaufteilung bedingen, etwa im Rahmen der gemeinsamen Sicherung einer Sportveranstaltung.

Die festen Kosten für die Einrichtung eines automatisierten Systems zur Übertragung von Daten, die der Verfolgung von Zuwiderhandlungen gegen Strassenverkehrsvorschriften dienen (Art. 45), belaufen sich auf 30 000 bis 50 000 Franken. Die jährlichen Betriebskosten betragen zwischen 10 000 und 20 000 Franken. Diese Kosten bestreitet das Bundesamt für Strassen mit Mitteln aus seinem Budget.

Das Abkommen enthält keine Bestimmungen, die neue einmalige Ausgaben von mehr als 20 Millionen Franken oder neue wiederkehrende Ausgaben von mehr als 2 Millionen Franken nach sich ziehen; es unterliegt somit nicht der Ausgabenbremse nach Artikel 159 Absatz 3 Buchstabe b der Bundesverfassung (BV)19.

19

266

SR 101

4

Verhältnis zur Legislaturplanung

Die Vorlage entspricht den Zielen der Legislaturplanung 2003­200720.

5

Verhältnis zum europäischen Recht und Vereinbarkeit mit internationalen Verpflichtungen der Schweiz

Das revidierte Abkommen steht im Einklang mit dem Recht der Europäischen Union (EU). Die polizeiliche Zusammenarbeit ist eine Zielsetzung des EU-Rechts. Diese sieht auch den Abschluss entsprechender Abkommen sowohl unter Mitgliedstaaten wie auch mit Drittstaaten vor. Die polizeilichen Bestimmungen des Schengener Durchführungsübereinkommens bilden eine klare rechtliche und praxisnahe Grundlage. Gestützt auf diese Grundlage kann die länderübergreifende Polizeizusammenarbeit mit insgesamt 29 Staaten, darunter auch Frankreich, wirkungsvoll intensiviert werden. Anders aber als die bei der Zusammenarbeit mit Interpol geltenden Bestimmungen stellen die Schengener Bestimmungen eine rechtlich bindende Grundlage dar. Die Interpol-Statuten mögen eine gute Grundlage für die Zusammenarbeit der Polizeibehörden darstellen; sie sind jedoch zu allgemein gehalten und sind teilweise rechtlich nicht bindend. Die Einbindung eines Landes in die Schengener Polizeizusammenarbeit ist ein wirksames Mittel zur Intensivierung der Zusammenarbeit mit einer Vielzahl anderer Polizeibehörden in Europa.

Ebenso wie die Bestimmungen, die für die Zusammenarbeit im Rahmen von Interpol gelten, sind auch diejenigen der Schengener Übereinkommen wegen der unterschiedlichen Rechtssysteme und Behördenstrukturen der beteiligten Länder lediglich eine minimale gemeinsame Grundlage. Zudem sind bestimmte Kooperationsformen in den Schengener Bestimmungen nicht enthalten. Es ist somit sinnvoll, mit Ländern, die aus polizeilicher Sicht besonders wichtig sind, im Rahmen bilateraler Abkommen die einschlägigen Bestimmungen zu konkretisieren und zu ergänzen.

Das hier vorgestellte revidierte Abkommen dient diesem Zweck.

Das revidierte Abkommen lässt die Rechte und Pflichten unberührt, die sich aus anderen bi- und multilateralen Abkommen der Vertragsstaaten ergeben.

6

Verfassungs- und Gesetzmässigkeit

6.1

Kompetenzen des Bundes

Dieses Abkommen lehnt sich weitgehend an das derzeit geltende Abkommen von 1998 an. Die Zuständigkeitsaufteilung zwischen Justiz- und Polizeibehörden sowie zwischen Bund und Kantonen bleibt unverändert.

Artikel 184 Absatz 2 BV ermächtigt den Bundesrat, das revidierte Abkommen zu unterzeichnen und zu ratifizieren. Die Bundesversammlung ist grundsätzlich für die Genehmigung von völkerrechtlichen Verträgen und deren Änderungen zuständig (Art. 166 Abs. 2 BV). Nach Artikel 7a Absatz 1 RVOG21 kann der Bundesrat völ20 21

BBl 2004 1201 SR 172.010

267

kerrechtliche Verträge selbstständig abschliessen, wenn er durch ein Bundesgesetz oder einen von der Bundesversammlung genehmigten völkerrechtlichen Vertrag dazu ermächtigt ist.

Dem Bundesrat fehlt im vorliegenden Fall die rechtliche Grundlage zur Schliessung dieses Abkommens. Auch qualifizieren weder die Art noch der Anwendungsbereich des Abkommens dieses als einen Vertrag beschränkter Tragweite, für dessen Abschluss der Bundesrat gemäss Artikel 7a Absatz 2 RVOG zuständig ist. Des Weiteren bedarf dieses Abkommen laut Artikel 166 Absatz 2 BV der Genehmigung durch die Bundesversammlung.

6.2

Fakultatives Referendum

Nach Artikel 141 Absatz 1 Buchstabe d BV unterliegen völkerrechtliche Verträge dem fakultativen Referendum, wenn sie unbefristet und unkündbar sind, den Beitritt zu einer internationalen Organisation vorsehen oder wichtige rechtsetzende Bestimmungen enthalten oder wenn deren Umsetzung den Erlass von Bundesgesetzen erfordert. In Anlehnung an Artikel 22 Absatz 4 des Parlamentsgesetzes vom 13. Dezember 200222 gilt eine Bestimmung dann als rechtsetzend, wenn sie in unmittelbar verbindlicher und generell-abstrakter Weise Pflichten auferlegt, Rechte verleiht oder Zuständigkeiten festlegt. Wichtig ist eine solche Norm dann, wenn ihr Regelungsgegenstand im Landesrecht entsprechend Artikel 164 Absatz 1 BV auf formell-gesetzlicher Stufe geregelt werden müsste.

Das Abkommen mit Frankreich ist jederzeit kündbar, sieht keinen Beitritt zu einer internationalen Organisation vor und für seine Umsetzung müssen keine Bundesgesetze erlassen werden. Es enthält jedoch wichtige rechtsetzende Bestimmungen im Sinne von Artikel 164 Absatz 1 BV, die ­ würden sie im Landesrecht erlassen ­ Gegenstand eines formellen Gesetzes wären. Dies ist der Fall hinsichtlich der im Zuge der Zusammenarbeit getroffenen Massnahmen wie der grenzüberschreitenden Observation und Nacheile (vgl. Art. 12 und 13) oder der Datenschutzbestimmungen (vgl. Art. 30 ff.). Das Abkommen unterliegt somit laut Artikel 141 Absatz 1 Buchstabe d Ziffer 3 BV dem fakultativen Referendum. Die Genehmigung des Abkommens erfolgt in der Form eines Bundesbeschlusses.

22

268

SR 171.10