08.064 Botschaft über die Genehmigung des Zusatzprotokolls über die Transplantation menschlicher Organe und Gewebe zum Übereinkommen über Menschenrechte und Biomedizin vom 10. September 2008

Sehr geehrter Herr Nationalratspräsident Sehr geehrter Herr Ständeratspräsident Sehr geehrte Damen und Herren Wir unterbreiten Ihnen mit dieser Botschaft den Entwurf für einen Bundesbeschluss über die Genehmigung des Zusatzprotokolls über die Transplantation menschlicher Organe und Gewebe zum Übereinkommen über Menschenrechte und Biomedizin mit dem Antrag auf Zustimmung.

Wir versichern Sie, sehr geehrter Herr Nationalratspräsident, sehr geehrter Herr Ständeratspräsident, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

10. September 2008

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Der Bundespräsident: Pascal Couchepin Die Bundeskanzlerin: Corina Casanova

2007-0113

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Übersicht Mit dieser Botschaft unterbreitet der Bundesrat den eidgenössischen Räten das Zusatzprotokoll über die Transplantation menschlicher Organe und Gewebe zum Übereinkommen des Europarates über Menschenrechte und Biomedizin zur Genehmigung.

Das Zusatzprotokoll steht seit dem 24. Januar 2002 zur Unterzeichnung und Ratifikation offen. Die Schweiz hat es am 11. Juli 2002 unterzeichnet. Das Zusatzprotokoll führt die Regelungen des Übereinkommens über Menschenrechte und Biomedizin im Bereich der Transplantationsmedizin näher aus. Es stimmt mit Ausnahme dreier Aspekte zur Lebendspende mit dem Transplantationsgesetz vom 8. Oktober 2004, das am 1. Juli 2007 in Kraft getreten ist, überein. Zu diesen drei Aspekten werden im Hinblick auf die Ratifikation des Zusatzprotokolls entsprechende Vorbehalte formuliert.

Es liegt im Interesse der Schweiz, dass ein minimaler gemeinsamer internationaler Schutzstandard im Bereich der Transplantation menschlicher Organe und Gewebe festgelegt wird. Das Zusatzprotokoll stellt zudem ein wichtiges länderübergreifendes Instrument zur Verhinderung des Organhandels dar.

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Botschaft 1

Grundzüge der Vorlage

1.1

Ausgangslage

Das Europäische Übereinkommen vom 4. April 19971 zum Schutz der Menschenrechte und der Menschenwürde im Hinblick auf die Anwendung von Biologie und Medizin (Übereinkommen über Menschenrechte und Biomedizin) wurde von der Schweiz am 7. Mai 1999 unterzeichnet. Das Übereinkommen legt einen gemeinsamen internationalen Schutzstandard zugunsten des Menschen fest und enthält neben allgemeinen Grundsätzen Regelungen zu einzelnen Bereichen, so auch zur Transplantationsmedizin (Entnahme von Organen und Geweben von lebenden Personen zu Transplantationszwecken, Kommerzialierungsverbot bezüglich des menschlichen Körpers oder Teilen davon). Diese Bereiche können durch Zusatzprotokolle näher geregelt werden.

Am 12. September 2001, am gleichen Tag wie die Botschaft zum Transplantationsgesetz2, wurde dem Parlament die Botschaft über die Genehmigung des Übereinkommens über Menschenrechte und Biomedizin unterbreitet3. Die beiden Vorlagen sind miteinander verknüpft: So weicht das Transplantationsgesetz in zwei Punkten vom Übereinkommen ab, weshalb bei der Ratifikation des Übereinkommens entsprechende Vorbehalte anzubringen sind. Dies ist aber nur möglich, wenn die Vorbehalte aufgrund geltender nationaler Rechtsnormen notwendig sind. Da die Behandlung des Transplantationsgesetzes noch ausstand, hat das Parlament die Beratung des Übereinkommens im Jahr 2002 sistiert4.

Das Zusatzprotokoll über die Transplantation menschlicher Organe und Gewebe wurde am 8. November 2001 vom Ministerkomitee des Europarats verabschiedet.

Die Schweiz hat es am 11. Juli 2002 unterzeichnet. Das Transplantationsgesetz stimmt in drei Punkten nicht mit dem Zusatzprotokoll überein; im Hinblick auf dessen Ratifikation werden deshalb entsprechende Vorbehalte anzubringen sein (vgl.

Ziff. 2.3). Das Zusatzprotokoll ist inzwischen von acht Staaten5 ratifiziert worden.

Das Parlament hat das Transplantationsgesetz6 am 8. Oktober 2004 verabschiedet; es ist am 1. Juli 2007 in Kraft getreten. Die parlamentarische Beratung über die Genehmigung des Übereinkommens über Menschenrechte und Biomedizin wurde zu Beginn des Jahres 2007 wieder aufgenommen. Am 20. März 2008 genehmigte das Parlament das Übereinkommen über Menschenrechte und Biomedizin. Die Referendumsfrist ist am 10. Juli 2008 unbenutzt abgelaufen, worauf die Schweiz die Ratifikationsurkunde am
24. Juli 2008 beim Europarat hinterlegte; die Konvention soll am 1. November 2008 in Kraft treten. Somit steht der Unterbreitung einer Botschaft zur Genehmigung des Zusatzprotokolls über die Transplantation menschlicher Organe und Gewebe nichts mehr im Weg.

1 2 3 4 5 6

BBl 2002 340 BBl 2002 29 BBl 2002 271 AB 2002 N 903; AB 2002 S 706 Bulgarien, Estland, Georgien, Island, Kroatien, Moldova, Slowenien und Ungarn (Stand 18.6.2008).

SR 810.21

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1.2

Vorverfahren

Die im Zusatzprotokoll geregelten Aspekte der Transplantationsmedizin und die Frage nach einer solchen Regelung auf internationaler Ebene waren mehrfach Gegenstand einer Vernehmlassung. So wurde von September 1998 bis Februar 1999 ein Vernehmlassungsverfahren zum Übereinkommen über Menschenrechte und Biomedizin durchgeführt. Dabei hat sich die grosse Mehrheit der Teilnehmenden für eine Unterzeichnung und Ratifikation einer Regelung auf internationaler Ebene ausgesprochen. Auch zum Entwurf eines Zusatzprotokolls über die Transplantation menschlicher Organe und Gewebe hat im Frühjahr 1999 eine Anhörung bei den interessierten Kreisen7 stattgefunden. Dabei wurde das Zusatzprotokoll grundsätzlich begrüsst. Die eingegangenen Bemerkungen flossen in die Finalisierung des Zusatzprotokolls ein. Schliesslich ist auf das Vernehmlassungsverfahren zum Transplantationsgesetz hinzuweisen, das von Dezember 1999 bis Februar 2000 durchgeführt wurde und eine Diskussion materieller Regelungen zur Transplantation ermöglichte.

Vor diesem Hintergrund und aufgrund der Tatsache, dass sich aus dem Zusatzprotokoll keine neuen Pflichten zum Erlass von Landesrecht ergeben, konnte auf eine erneute Vernehmlassung im Hinblick auf die Genehmigung des Zusatzprotokolls verzichtet werden.

1.3

Inhalt des Zusatzprotokolls über die Transplantation menschlicher Organe und Gewebe

Das Zusatzprotokoll soll die Würde und die Identität jedes Menschen schützen und ohne Diskriminierung seine Integrität sowie seine sonstigen Grundrechte und Grundfreiheiten im Bereich der Transplantation von Organen und Geweben menschlichen Ursprungs wahren (Art. 1). Obwohl im Protokoll oft nur von Organen und Geweben die Rede ist, findet es auch Anwendung auf Zellen, einschliesslich BlutStammzellen (Art. 2 Abs. 2), jedoch nicht auf Fortpflanzungsorgane und -gewebe, embryonale oder fötale Organe und Gewebe sowie Blut und Blutbestandteile (Art. 2 Abs. 3).

Die Organe werden den Patientinnen und Patienten zugeteilt, die in eine offizielle Warteliste eingetragen sind; die Zuteilung erfolgt nach transparenten, objektiven und nach Massgabe medizinischer Kriterien begründeten Regeln (Art. 3). Jeder Eingriff im Bereich der Transplantation ist nach den einschlägigen Rechtsvorschriften, Berufspflichten und Verhaltensregeln durchzuführen (Art. 4). Dabei ist darauf zu achten, dass das Risiko der Übertragung von Krankheiten auf die Empfängerin oder den Empfänger so gering wie möglich gehalten wird (Art. 6). Sowohl die Spenderin oder der Spender als auch die Empfängerin oder der Empfänger sind vorgängig in geeigneter Weise über Zweck und Art des Eingriffs sowie über dessen Folgen, Risiken und Alternativen aufzuklären (Art. 5 und 12). Nach der Transplantation ist den Lebendspenderinnen und -spendern eine geeignete medizinische Nachsorge 7

D.h. die Transplantiertenvereinigungen, SwissTransplant, die 6 Transplantationszentren der Schweiz, Patientenorganisationen, Interpharma, Schweizerische Akademie der Medizinischen Wissenschaften, Verbindung der Schweizer Ärzte FMH, Schweizerischer Wissenschaftsrat und Institut de droit de la santé de l'Université de Neuchâtel.

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anzubieten (Art. 7). Artikel 8 verpflichtet die Vertragsparteien, die Angehörigen der Heilberufe und die Öffentlichkeit über den Bedarf an Organen und Geweben zu informieren. Die Information muss auch die Bedingungen für die Entnahme und Übertragung der Organe und Gewebe, einschliesslich der Frage der Einwilligung, umfassen.

Eine Lebendspende darf, zusätzlich zu den bereits im Übereinkommen festgelegten Grundsätzen, vorgenommen werden, wenn zwischen Spenderin oder Spender und Empfängerin oder Empfänger eine enge persönliche Beziehung besteht oder wenn eine unabhängige Instanz zugestimmt hat. Die Regelung dessen, was unter einer engen persönlichen Beziehung zu verstehen ist, wird dem nationalen Recht überlassen. Vor der Organ- oder Gewebeentnahme sind zur Bewertung und Verringerung der Risiken für die körperliche oder psychische Gesundheit der Spenderin oder des Spenders geeignete medizinische Untersuchungen vorzunehmen. Die Entnahme darf nicht erfolgen, wenn für das Leben oder die Gesundheit der Spenderin oder des Spenders ein ernsthaftes Risiko besteht (Art. 11). Ein Organ oder Gewebe darf einer lebenden spendenden Person nur entnommen werden, nachdem sie ihre freie Einwilligung nach Aufklärung und eigens für diesen Fall entweder in schriftlicher Form oder vor einer amtlichen Stelle erteilt hat (Art. 13). Artikel 14 regelt den Schutz der nicht einwilligungsfähigen Personen; diesen dürfen grundsätzlich keine Organe oder Gewebe entnommen werden. In Ausnahmefällen und unter bestimmten Voraussetzungen ist die Entnahme regenerierbaren Gewebes jedoch zulässig.

Im Protokoll wird, im Gegensatz zum Übereinkommen, auch die Spende von Organen und Geweben verstorbener Personen geregelt (Art. 16­19). Eine Organ- oder Gewebeentnahme darf erst dann erfolgen, wenn der Tod durch unabhängige Ärztinnen und Ärzte, die in keiner Art und Weise an der Transplantation beteiligt sind, festgestellt worden ist. Auf welches Todeskriterium abzustellen ist, wird vom nationalen Recht definiert (Art. 16). Hat sich die verstorbene Person zu Lebzeiten gegen eine Organ- oder Gewebeentnahme ausgesprochen, so ist ihr Entscheid in jedem Fall zu respektieren (Art. 17). Ansonsten bleibt es den Mitgliedstaaten vorbehalten, im nationalen Recht festzulegen, unter welchen Voraussetzungen Organe und Gewebe einer verstorbenen Person entnommen
werden dürfen.

Artikel 19 schreibt vor, dass die Vertragsparteien alle geeigneten Massnahmen ergreifen müssen, um die Organ- und Gewebespende zu fördern. Ausserdem ist der Handel mit Organen und Geweben verboten (Art. 22), und nach Artikel 21 dürfen der menschliche Körper und Teile davon nicht zur Erzielung eines finanziellen Gewinns oder vergleichbaren Vorteils verwendet werden. Zahlungen, die keinen finanziellen Gewinn oder vergleichbaren Vorteil darstellen, sind zulässig; es handelt sich dabei namentlich um die Entschädigung von Lebendspenderinnen und -spendern für Verdienstausfall und für Ausgaben, die durch die Entnahme oder die damit verbundenen medizinischen Untersuchungen verursacht wurden, sowie die Entschädigung im Falle eines in ungerechtfertigter Weise erlittenen Schadens infolge der Entnahme von Organen und Geweben bei Lebendspenderinnen und -spendern.

Artikel 23 enthält eine Datenschutzbestimmung, und die Artikel 24­26 regeln den Rechtsschutz, den Schadenersatz und die Sanktionen für Verletzungen von Bestimmungen des Protokolls. Artikel 27 verpflichtet die Vertragsparteien, geeignete Massnahmen für eine wirksame Zusammenarbeit zu ergreifen, unter anderem durch den Austausch von Informationen, und für einen raschen und sicheren Transport von Organen und Geweben zu sorgen. In den Schlussbestimmungen (Art. 30­34) werden

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die Unterzeichnung und die Ratifikation, das Inkrafttreten, der Beitritt zum Zusatzprotokoll, die Kündigung sowie die Notifikation geregelt.

1.4

Vergleich mit dem Transplantationsgesetz

Das Zusatzprotokoll stimmt mit dem Transplantationsgesetz vom 8. Oktober 2004, das am 1. Juli 2007 in Kraft getreten ist, weitgehend überein. Unterschiede bestehen bei der Lebendspende, die im Transplantationsgesetz teilweise liberaler geregelt wird: ­

Das Transplantationsgesetz verzichtet auf den in Artikel 9 des Zusatzprotokolls enthaltenen Grundsatz der Subsidiarität der Lebendspende, verlangt also nicht, dass eine Lebendspende nur möglich ist, wenn keine geeigneten Organe oder Gewebe verstorbener Personen zur Verfügung stehen. Da die Lebendspende bessere Resultate ergibt, soll sie auch als primäre Therapieoption zur Verfügung stehen.

­

Um die Gefahr des Organhandels und Druckversuche auf die Spenderin oder den Spender zu verhindern, bedarf es nach Artikel 10 des Zusatzprotokolls für eine Lebendspende einer engen persönlichen Beziehung zwischen der Empfängerin oder dem Empfänger und der Spenderin oder dem Spender oder, falls keine solche vorliegt, der Zustimmung einer unabhängigen Instanz. Das Parlament hat diese Erfordernisse nicht im Transplantationsgesetz verankert, denn es ist insbesondere nicht ersichtlich, weshalb die Gefahr des Organhandels oder von Druckversuchen auf die Spenderin oder den Spender ausserhalb der Familie grösser sein sollten als innerhalb. Ebenso verzichtet das Transplantationsgesetz auf das Zustimmungserfordernis durch eine unabhängige Instanz.

Nach dem Transplantationsgesetz ist aber in allen Fällen zu prüfen, ob eine Lebendspende aus freiem Willen und ohne finanziellen Anreiz erfolgt. Artikel 10 der Transplantationsverordnung vom 16. März 20078 schreibt diesbezüglich zudem vor, dass die entsprechenden Abklärungen von einer unabhängigen und erfahrenen Fachperson vorzunehmen sind.

­

Das Transplantationsgesetz ermöglicht eine Lebendspende durch urteilsunfähige Personen gleich wie das Zusatzprotokoll nur in Ausnahmefällen. Im Gegensatz zu Artikel 14 des Zusatzprotokolls lässt es eine solche Spende aber nicht nur zugunsten einer Schwester oder eines Bruders zu, sondern auch zugunsten der Eltern oder eines Kindes der urteilsunfähigen Person.

1.5

Vorbehalte zum Zusatzprotokoll

Wie der Vergleich des Transplantationsgesetzes mit dem Zusatzprotokoll unter Ziffer 1.4 gezeigt hat, sind im Hinblick auf die Ratifikation Vorbehalte zu den Artikeln 9, 10 und 14 des Zusatzprotokolls zu formulieren.

Die Artikel 9 und 14 des Zusatzprotokolls entsprechen den Artikeln 19 (Zulässigkeit der Lebendspende, wenn kein Organ oder Gewebe einer verstorbenen Person verfügbar ist) und 20 (Spende regenerierbarer Gewebe urteilsunfähiger Personen nur an 8

SR 810.211

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Geschwister) des Übereinkommens über Menschenrechte und Biomedizin. Das Parlament hat bereits entschieden, dass zu diesen beiden Artikeln des Übereinkommens Vorbehalte angebracht werden9. Die Vorbehalte zu den beiden Artikeln des Zusatzprotokolls werden daher mit denjenigen zum Übereinkommen materiell identisch sein10. Neu wird somit nur der Vorbehalt betreffend Artikel 10 (Erfordernis der engen persönlichen Beziehung zwischen Spender und Empfänger oder Zustimmung einer unabhängigen Instanz zu einer Lebendspende) sein.

Damit macht die Schweiz Gebrauch von Artikel 36 des Übereinkommens, wonach jeder Staat bei der Unterzeichnung oder Hinterlegung der Ratifikationsurkunde bezüglich bestimmter Vorschriften einen Vorbehalt anbringen kann, soweit das bei der Ratifikation geltende nationale Recht mit einer Vorschrift des Übereinkommens nicht übereinstimmt. Die Anwendbarkeit von Artikel 36 des Übereinkommens ergibt sich dabei aus Artikel 28 des Zusatzprotokolls, wonach dessen Bestimmungen als Zusatzartikel zum Übereinkommen gelten.

2

Auswirkungen

Die Ratifikation des Zusatzprotokolls hat keine finanziellen und personellen Auswirkungen auf Bund und Kantone. Die notwendigen Vollzugsstrukturen bei Bund und Kantonen wurden im Hinblick auf das Inkrafttreten der Transplantationsgesetzgebung geschaffen und die finanziellen Mittel für die personellen Ressourcen beim Bund bereitgestellt.

Die Vorlage hat auch keine Auswirkungen auf die Informatik. Diese wurde im Rahmen der Umsetzung der Transplantationsgesetzgebung an die Vollzugsanforderungen angepasst.

Die Ratifikation des Zusatzprotokolls wird auch keine volkswirtschaftlichen Auswirkungen haben.

3

Verhältnis zur Legislaturplanung

Die Vorlage ist in der Botschaft vom 23. Januar 2008 über die Legislaturplanung 2007­201111 nicht angekündigt. Wie der Bundesrat einleitend zu Anhang 1 «Gesetzgebungsprogramm 2007­2011» festhält, stellt die Liste keine vollständige Zusammenstellung aller seitens des Bundesrates geplanten Parlamentsgeschäfte dar.

Nicht aufgenommen wurde namentlich die Botschaft zum Zusatzprotokoll, weil diese Vorlage nicht zu den zentralen Geschäften im Bereich der Gesundheit gezählt werden kann.

9 10 11

BBl 2008 2341 Den Vorbehalt betreffend Art. 20 des Übereinkommens haben auch Dänemark, Kroatien und Norwegen angebracht bzw. angezeigt. (Stand 18.6.2008).

BBl 2008 753

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4

Rechtliche Aspekte

4.1

Verhältnis zum internationalen Recht

Mit dem Zusatzprotokoll sollen im Bereich der Organ- und Gewebetransplantation die notwendigen Massnahmen ergriffen werden, damit der Schutz der Menschenwürde sowie der Grundrechte und Grundfreiheiten des Menschen gewährleistet ist.

Diese ebenfalls vom Übereinkommen über Menschenrechte und Biomedizin garantierten Rechte werden auch von Bestimmungen der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK)12 sowie des UNOPakts II13 erfasst, namentlich das Recht auf Leben und das Diskriminierungsverbot.

Im Bereich der Transplantation menschlicher Organe, Gewebe und Zellen existieren verschiedene Empfehlungen des Ministerkomitees sowie der Parlamentarischen Versammlung des Europarats. Diese wurden bei der Erarbeitung des Zusatzprotokolls berücksichtigt14. Auch das Ausführungsrecht zum Transplantationsgesetz trägt diesen Empfehlungen Rechnung.

Die Europäische Gemeinschaft hat im Bereich der Transplantation von Organen bisher nicht legiferiert. Hingegen hat sie den Umgang mit Geweben und Zellen zu Transplantationszwecken relativ detailliert geregelt. Die Richtlinie 2004/23/EG15 regelt die Spende, Beschaffung, Testung, Verarbeitung, Konservierung, Lagerung und Verteilung von zur Verwendung beim Menschen bestimmten menschlichen Geweben und Zellen sowie von Produkten, die aus diesen Geweben und Zellen hergestellt werden. Das Zusatzprotokoll über die Transplantation menschlicher Organe und Gewebe bezeichnet mit dem Begriff «Transplantation» zwar das gesamte Verfahren der Entnahme und der Übertragung eines Organs oder Gewebes einschliesslich sämtlicher Massnahmen zur Aufbereitung, Konservierung und Aufbewahrung (Art. 2 Abs. 4), regelt diese Bereiche aber nicht bzw. nur pauschal mit dem Hinweis auf die einzuhaltenden Sorgfaltspflichten; deshalb ergeben sich keine Differenzen gegenüber der genannten EG-Richtlinie.

4.2

Verfassungsmässigkeit

4.2.1

Kompetenzen des Bundes

Die Zuständigkeit des Bundes für die Ratifizierung des Zusatzprotokolls ergibt sich aus Artikel 54 der Bundesverfassung (BV)16. Die Genehmigungsbefugnis der Bundesversammlung folgt aus Artikel 166 Absatz 2 BV.

12 13 14 15

16

SR 0.101 SR 0.103.2 Vgl. Präambel des Zusatzprotokolls.

Amtsblatt der Europäischen Union (ABl.) L 102 vom 7.4.2004, S. 48. Technische Ausführungsvorschriften finden sich in den Richtlinien 2006/17/EG (ABl. L 38 vom 9.2.2006, S. 40) und 2006/86/EG (ABl. L 294 vom 25.10.2006, S. 32).

SR 101

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4.2.2

Referendum

Nach Artikel 141 Absatz 1 Buchstabe d BV unterstehen völkerrechtliche Verträge dem fakultativen Referendum, wenn sie unbefristet und unkündbar sind, den Beitritt zu einer internationalen Organisation vorsehen oder wenn sie wichtige rechtsetzende Bestimmungen enthalten oder deren Umsetzung den Erlass von Bundesgesetzen erfordert. Das Zusatzprotokoll über die Transplantation von Organen und Geweben menschlichen Ursprungs ist kündbar (vgl. Art. 33) und sieht keinen Beitritt zu einer internationalen Organisation vor.

Es bleibt die Frage, ob der Vertrag wichtige rechtsetzende Bestimmungen enthält oder ob seine Umsetzung den Erlass von Bundesgesetzen erfordert. Unter rechtsetzenden Bestimmungen sind nach Artikel 22 Absatz 4 des Parlamentsgesetzes17 Bestimmungen zu verstehen, die in unmittelbar verbindlicher und generell-abstrakter Weise Pflichten auferlegen, Rechte verleihen oder Zuständigkeiten festlegen. Wichtige Bestimmungen sind solche, die im internen Recht im Lichte von Artikel 164 Absatz 1 BV in der Form eines formellen Gesetzes zu erlassen sind.

Das Zusatzprotokoll bestimmt, unter welchen Bedingungen die Entnahme von Organen und Geweben und ihre Transplantation zulässig sind. Es legt Rechte und Pflichten der Spenderinnen oder der Spender, der Empfängerinnen oder der Empfänger, ihrer Angehörigen sowie aller Personen fest, die eine Transplantation vorbereiten, durchführen oder deren Nachsorge gewährleisten. Mehrere dieser Bestimmungen konkretisieren die allgemeinen Prinzipien des Übereinkommens über Menschenrechte und Biomedizin (vgl. insbesondere die Art. 10 und 11 des Zusatzprotokolls) und sind damit direkt anwendbar. Andere Artikel hingegen führen mit Blick auf das Übereinkommen neue Rechte und Pflichten ein (vgl. insbesondere die Art. 16­19 über die Entnahme von Organen und Geweben bei verstorbenen Personen). Das Zusatzprotokoll enthält damit rechtsetzende Bestimmungen. Diese Bestimmungen sind zudem insofern als wichtig zu erachten, als ­ würden sie auf nationaler Ebene erlassen ­ dies aufgrund von Artikel 164 Absatz 1 Buchstaben b und c BV in Form eines Gesetzes im formellen Sinn zu geschehen hätte (vgl. auch das Transplantationsgesetz vom 8. Oktober 2004). Daraus folgt, dass der Bundesbeschluss zur Genehmigung des Protokolls aufgrund von Artikel 141 Absatz 1 Buchstabe d Ziffer 3 BV dem Staatsvertragsreferendum zu unterstellen ist.

17

SR 171.10

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