11.2.3

Botschaft zur Änderung der Anhänge 1 und 2 des Abkommens zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Europäischen Gemeinschaft über den Handel mit landwirtschaftlichen Erzeugnissen (Agrarabkommen) vom 16. Januar 2008

11.2.3.1

Übersicht

Am 1. Januar 2007 sind Bulgarien und Rumänien der Europäischen Union (EU) beigetreten und infolgedessen wird das bilaterale Vertragsnetz zwischen der Schweiz und der EG, unter anderem das Agrarabkommen, auch auf Bulgarien und Rumänien ausgedehnt. Mit beiden Staaten hatte die Schweiz 1993 im Rahmen der Europäischen Freihandelsassoziation (EFTA) ein Freihandelsabkommen abgeschlossen. Mit dem EU-Beitritt mussten diese Staaten ihre Abkommen mit der EFTA kündigen. Dies bewirkte den Verlust bisheriger Zollpräferenzen für einige Agrarprodukte aus diesen Ländern, die im Handel mit der Europäischen Gemeinschaft (EG) den normalen Zollansätzen unterliegen. Am 2. Mai 2007 kamen die Verhandlungsdelegationen der Schweiz und der EG überein, die früheren Zollkonzessionen im Ausmass der bisherigen Handelsströme aufrechtzuerhalten (indem diese ins Agrarabkommen aufgenommen werden) und deshalb rückwirkend autonom für das ganze Jahr 2007 anzuwenden. Im Gegenzug erhielt die Schweiz von der EG zwei Nullzollkontingente für Mangold und Karden sowie Erdbeeren. Seitens der EG wurden die Zollkonzessionen zugunsten der Schweiz per 1. September 2007 gewährt, da es der EG nicht möglich war, diese Zollkonzessionen rückwirkend für 2007 umzusetzen.

Weiter willigte die Schweiz ein, vier einzelnen EU-Mitgliedstaaten gewährte bilaterale Zollkontingente für Wurstwaren in ein konsolidiertes Nullzollkontingent zugunsten der EG zusammenzulegen und diese gegenüber der Summe der bisherigen Kontingente um 800 Tonnen netto zu erhöhen. Die Schweiz ihrerseits erhält dafür ein neues Nullzollkontingent für Wurstwaren im Umfang von 1900 Tonnen netto. Beide Nullzollkontingente sollen ab 1. Januar 2008 autonom angewendet werden. Der Bundesrat hat die vorgesehenen Zollkonzessionen am 27. Juni 2007 gestützt auf seine Verordnungskompetenzen autonom und bei den Zollkonzessionen für die Osterweiterung EU-27 mit rückwirkender Wirkung in Kraft gesetzt.

Die verschiedenen Zollkonzessionen sollten, so kam man am 2. Mai 2007 überein, mit einer Änderung der Anhänge zum Agrarabkommen, die durch einen Beschluss des Gemischten Auschuss zu erfolgen hat, vertraglich abgesichert werden. Mit der beiliegenden Botschaft zur Änderung der Anhänge 1 und 2 (Zollkonzessionen) des Agrarabkommens wird dem Parlament die vertragliche Festlegung der Zollpräferenzen zur Genehmigung vorgelegt.

2007-2886

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11.2.3.2 11.2.3.2.1

Grundzüge der Vorlage Ausgangslage

Am 1. Januar 2007 sind Bulgarien und Rumänien der EU beigetreten. Die meisten bestehenden Abkommen zwischen der Schweiz und der EG, insbesondere das Freihandelsabkommen vom 22. Juli 1972 (SR 0.632.401) inklusive das dazugehörige Protokoll Nr. 2 betreffend landwirtschaftliche Verarbeitungsprodukte (SR 0.632.401.2) und das Abkommen über den Handel mit landwirtschaftlichen Erzeugnissen vom 21. Juni 1999 (Agrarabkommen; SR 0.916.026.81), wurden automatisch auf die beiden neuen Mitgliedstaaten ausgedehnt.

Mit Bulgarien und Rumänien hatte die Schweiz 1993 im Rahmen der EFTA ein Freihandelsabkommen abgeschlossen1. Mit dem EU-Beitritt mussten diese Staaten ihre Abkommen mit der EFTA kündigen. Dies bewirkte den Verlust bisheriger Zollpräferenzen für einige Agrarprodukte aus diesen Ländern, die im Handel mit der EG den normalen Zollansätzen unterliegen. Die früheren Zollreduktionen sollen nun bezüglich ihres Konzessionswertes in äquivalente Zollkontingente für die EU-27 umgewandelt werden. Ausserdem erklärte sich die Schweiz bereit, diesbezüglich auf ihre Rechte unter Artikel XXIV:6 des GATT zu verzichten2.

Bei den Verarbeitungsprodukten in den EFTA-Freihandelsabkommen war der Geltungsbereich jedoch kleiner als im Freihandelsabkommen Schweiz-EG von 1972.

Deshalb gingen durch die Kündigung der EFTA-Freihandelsabkommen mit Bulgarien und Rumänien die Zollpräferenzen lediglich für einige landwirtschaftliche Rohstoffe zugunsten dieser beiden Länder verloren, die im Agrarabkommen noch nicht erfasst wurden.

Weiter gewährte die Schweiz bis anhin vier EU-Mitgliedstaaten Zollkontingente für insgesamt 2915 Tonnen netto Wurstwaren3. Diese individuellen Länderkontingente entsprechen jedoch nicht den Regeln des EG-Binnenmarkts. Einzelne Mitgliedstaaten (namentlich Österreich und Polen) haben infolgedessen die Europäische Kommission aufgefordert, diese nur einzelnen Ländern offenstehenden Kontingente in ein konsolidiertes EG-Kontingent zu überführen. Die Schweiz war mit diesem Vorgehen grundsätzlich einverstanden, sie verlangte aber Fortschritte in der Frage der EG-Einfuhrlizenzen für Käse und im AOC-Dossier.

11.2.3.2.2

Verhandlungsverlauf und -ergebnis

Nach längeren Verhandlungen konnte man sich mit der Europäischen Kommission über folgendes Vorgehen einigen: 1. Infolge der Osterweiterung EU-27 gewährt die Schweiz der EG folgende Konzessionen: 100 Tonnen Ziegenfleisch, 100 Tonnen Hühnerbrüste, 200 Tonnen Salatgurken und 2000 Tonnen Einmachgurken, 500 1

2

3

Freihandelsabkommen zwischen den EFTA-Staaten und der Republik Bulgarien (AS 1994 1349), Freihandelsabkommen zwischen den EFTA-Staaten und der Republik Rumänien (AS 1994 860).

Gemäss Artikel XXIV:6 des GATT 1994 kann die Schweiz unter gewissen Bedingungen Kompensationen einfordern, wenn Rumänien und Bulgarien durch den EU-Beitritt ihre Zölle erhöhen; das ist allerdings für Schweizer Agrarexporte in höchst unbedeutendem Ausmass der Fall (< 100 000 Euro).

Teilzollkontingent Nr. 06.3, zum WTO-Zollkontingentsansatz. Die heute geltenden Konzessionen für die vier Länder: Italien: 2856 t, Frankreich: 125 t, Deutschland: 103 t, Ungarn: 64 t, Total 3148 t (Bruttogewicht).

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Tonnen Cornichons, 100 Tonnen Nüsse, 100 Tonnen Aprikosen, 200 Tonnen gefrorene Himbeeren. Im Gegenzug erhält die Schweiz von der EG Nullzollkontingente für 300 Tonnen Mangold und Karden sowie 200 Tonnen Erdbeeren. 2. Die bestehende Konzessionsmenge für Wurstwaren von 2915 Tonnen netto wird um 800 Tonnen netto aufgestockt und die Einfuhren zum Nullzoll für sämtliche Mitgliedstaaten zugelassen. Die Schweiz erhält im Gegenzug ein Nullzollkontingent für 1900 Tonnen netto Wurstwaren. Das Nullzollkontingent für Wurstwaren von 3715 Tonnen netto zugunsten der EG soll per 1. Januar 2008 in Kraft gesetzt werden, unter der Bedingung, dass die EG zeitgleich das Nullzollkontingent für Wurstwaren von 1900 Tonnen netto zugunsten der Schweiz umsetzt. 3. Die Europäische Kommission reduziert die Lizenzgarantieleistung per 1. Juni 2007 von 10 Euro auf 1 Euro4 und stellt eine Aufhebung der Lizenzen durch den Rat der Europäischen Union (Rat) per 1. Januar 2008 in Aussicht, damit der Käsefreihandel nicht länger durch administrative Auflagen behindert wird. 4. Die Schweiz wird danach ihre eigenen administrativen Massnahmen (Löschungsgebühr und Generaleinfuhrbewilligung) aufheben5. Die Europäische Kommission beantragt beim Rat ein Mandat für Verhandlungen über die gegenseitige Anerkennung von geografischen Ursprungsbezeichnungen (GUB/AOC) und geografischen Angaben (GGA/IGP).6

11.2.3.2.3

Gewährung von Zollkonszessionen in den Jahren 2007 und 2008

Am 2. Mai 2007 wurde in Form von «Agreed Minutes» beschlossen, die Zollkonzessionen für die Osterweiterung EU-27 rückwirkend und gegenseitig autonom auf das ganze Jahr 2007 anzuwenden. Um die Änderungen aufgrund der Osterweiterung EU-27 umzusetzen, sollten für das Jahr 2007 die Zollkonzessionen rückwirkend per 1. Januar 2007 gewährt werden. Da die Einfuhren bereits teilweise getätigt sind, wird für das Jahr 2007 ein Rückerstattungsverfahren angewendet. Eine ähnliche Regelung hat sich im Jahre 2004 im Rahmen der Osterweiterung EU-25 bewährt.

Seitens der EG wurden die Zollkonzessionen zugunsten der Schweiz per 1. September 2007 gewährt, da es der EG nicht möglich war, diese Zollkonzessionen rückwirkend für 2007 umzusetzen.

Infolge der Osterweiterung EU-27 und der Vergemeinschaftung bilateraler Einfuhrkontingente für Wurstwaren hat der Bundesrat die vereinbarten Zollkonzessionen autonom und für die Zollkonzessionen bezüglich der Osterweiterung EU-27 mit rückwirkender Wirkung durch eine Verabschiedung am 27. Juni 2007 der Änderungen der Verordnung über die Zollansätze für Waren im Verkehr mit der EFTA und der EG (Freihandelsverordnung)7 in Kraft gesetzt. Die Zuständigkeit des Bundes-

4 5

6

7

Die Reduktion der Lizenzgarantieleistung wurde von der Europäischen Kommission termingerecht umgesetzt.

Am 26. September 2007 genehmigte der Rat die neue EG-Verordnung über die gemeinsame Marktordnung für Milch und Milcherzeugnisse, wodurch auch die Käse-Importlizenzen für Drittländer per 1. Januar 2008 abgeschafft werden.

In einer gemeinsamen Absichtserklärung im Agrarabkommen haben die Parteien den gegenseitigen Schutz von GUB/AOC und GGA/IGP für einen erweiterten Produktebereich vereinbart. Nach jahrelangen Vorarbeiten in einer gemeinsamen Arbeitsgruppe hat die Europäische Kommission im April 2007 dem Rat ein Verhandlungsmandat übermittelt, das Ende Juli genehmigt wurde.

SR 632.421.0

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rates ergibt sich aus Artikel 4 Absatz 3 des Zolltarifgesetzes8. Diese Bestimmung erlaubt es dem Bundesrat, Zollansätze angemessen herabzusetzen und Zollkontingente festzulegen. Die Zollexpertenkommission wurde diesbezüglich konsultiert. Es wurden keine Einwände erhoben.

11.2.3.2.4

Würdigung

Die vereinbarten Zollkonzessionen entsprechen hauptsächlich jenen Präferenzen, die bislang im Rahmen der EFTA- Freihandelsabkommen gegenüber Bulgarien und Rumänien gewährt wurden. Mit dieser Massnahme soll bezweckt werden, dass der Warenfluss zwischen den beiden Ländern und der Schweiz auch nach deren Beitritt zur EU aufrechterhalten werden kann. Auf Initiative der Europäischen Kommission wurden gleichzeitig vier bilaterale, bisher einzelnen EU-Mitgliedstaaten gewährte Einfuhrkontingente für Wurstwaren in ein konsolidiertes Zollkontingent für die EU-27 überführt. Die Schweiz erhielt von der EG im Gegenzug ebenfalls gewisse Zugeständnisse. Die entsprechenden Zollkonzessionslisten befinden sich in der Beilage zur Botschaft. Die Schweiz verzichtete auf mögliche Ausgleichsansprüche im Rahmen der WTO.9

11.2.3.2.5

Weiteres Vorgehen

Die gewährten Agrarkonzessionen sollen mittels Anpassung der Anhänge 1 und 2 des Agrarabkommens völkerrechtlich verankert werden. Dazu braucht es gemäss Artikel 11 des Agrarabkommens einen Beschluss des Gemischten Ausschusses für Landwirtschaft. Dieser Beschluss sieht vor, die Anhänge 1 und 2 aus Gründen der Transparenz vollständig zu ersetzen (Beilage zum Bundesbeschluss). Mit der vorliegenden Botschaft unterbreitet der Bundesrat der Bundesversammlung den Beschluss des Gemischten Ausschusses für Landwirtschaft zur Genehmigung. Nach der Genehmigung der Zollkonzessionen durch die Bundesversammlung und die zuständigen EG-Instanzen wird der Gemischte Ausschuss für Landwirtschaft die entsprechenden Änderungen der Anhänge 1 und 2 des Agrarabkommens beschliessen. Der Beschlussentwurf des Gemischten Ausschusses für Landwirtschaft liegt zurzeit noch in englischer Version vor. Der Beschlussentwurf wird möglicherweise noch Gegenstand einiger redaktioneller Anpassungen sein, welche jedoch keine Auswirkungen auf den Inhalt haben werden. Die Version in den drei Landessprachen (Deutsch, Französisch und Italienisch) ist gleichwertig rechtsgültig. Zurzeit befindet sich dieser Beschlussentwurf in der Übersetzung. Sobald der Gemischte Ausschuss für Landwirtschaft den Beschluss genehmigt hat, wird der Text in den drei Schweizer Landessprachen in der systematischen Sammlung des Bundesrechts veröffentlicht.

8 9

SR 632.10 Gemäss Artikel XXIV:6 des GATT 1994 kann die Schweiz unter gewissen Bedingungen Kompensationen einfordern, wenn Rumänien und Bulgarien durch den EU-Beitritt ihre Zölle erhöhen; das ist allerdings für Schweizer Agrarexporte in höchst unbedeutendem Ausmasse der Fall (< 100 000 Euro).

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11.2.3.3 11.2.3.3.1

Auswirkungen Finanzielle oder personelle Auswirkungen

Die der EG im Rahmen der Osterweiterung EU-27 neu zugestandenen Zollpräferenzen dienen primär der Weiterführung der bis anhin im Rahmen der EFTA-Freihandelsabkommen gewährten Präferenzen gegenüber den beiden neu beigetretenen Staaten. Folglich kann davon ausgegangen werden, dass sich die bisherigen Handelsströme und die daraus resultierenden Zolleinnahmen nur geringfügig verändern werden10.

Aufgrund provisorischer Berechnungen wird davon ausgegangen, dass die Reduktion des Kontingentszollansatzes für das vergemeinschaftete Wurstwarenkontingent auf Null und die zusätzliche Erhöhung um 800 Tonnen netto11 hingegen Zolleinbussen für die Bundeskasse in der Höhe von insgesamt rund 11,3 Millionen Franken ergeben. Durch die Versteigerung der Wurstwarenkontingente werden die zusätzlich versteigerten 800 Tonnen schätzungsweise 1,6 Millionen Franken Mehreinnahmen für die Bundeskasse generieren. Zusammengefasst werden die Einnahmen der Bundeskasse also um rund 9,7 Millionen Franken sinken.

Ansonsten haben die Konzessionen keinerlei Auswirkungen auf Bund, Kantone oder Gemeinden.

11.2.3.3.2

Volkswirtschaftliche Auswirkungen

Die Weiterführung des präferenziellen Warenflusses im Rahmen der Osterweiterung EU-27 ist auch aus Schweizer Sicht angezeigt, weil damit volkswirtschaftliche Interessen (präferenzielle Import- und Exportmöglichkeiten sowie Zollkonzessionen zugunsten der Schweizer Wirtschaft) verbunden sind. Seitens der EG werden diese Zollkonzessionen zugunsten der Schweiz seit dem 1. September 2007 umgesetzt, da es der EG nicht möglich ist, diese Zollkonzessionen rückwirkend für 2007 anzuwenden. Eine Rückwirkung zur Sicherung präferenzieller Handelsflüsse ist auch deshalb nicht notwendig, weil es sich um neue Zollkonzessionen zugunsten der Schweiz handelt.

Auch bei den Wurstwarenkonzessionen hat die Schweiz infolge präferenzieller Import- und Exportmöglichkeiten sowie vorteilhafter Zollkonzessionen volkswirtschaftliche Interessen. Durch die (zugunsten der Schweiz asymmetrische) Erhöhung des vergemeinschafteten Wurstwarenkontingents und durch die Senkung der Zollansätze auf Null dürfte der bilaterale Handel zwischen der Schweiz und der EG jedoch um die vereinbarten Mehrmengen zunehmen.

10

11

Bei der Überführung der bisher via EFTA-Freihandelsabkommen gewährten Präferenzen zu Gunsten der EU wurden nur jene Waren berücksichtigt, deren durchschnittlicher Wert der jährlichen präferenziellen Einfuhren während der Jahre 2001­2005 mehr als 30 000 Euro betrug.

Die Berechnungen basieren auf der Reduktion des Ausserkontingentszollansatzes auf Null und auf der Mengenverteilung auf die einzelnen Zolltarifnummern der Importe 2004/2006 innerhalb des Zollkontingents.

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11.2.3.4

Ziele der Legislaturplanung 2003­2007

Die vereinbarten Änderungen der Zollkonzessionen sind Teil der vom Bundesrat erwähnten Ziele der Legislaturplanung 2003­2007 (BBl 2004 1253). Gemäss dem Ziel 7 möchte der Bundesrat in der Klärung und Vertiefung der Beziehungen zur Europäischen Union den bilateralen Rahmen konsolidieren und erweitern (Art. 8a des Bundesbeschlusses). Die reibungslose Umsetzung des Agrarabkommens (und somit der ersten bilateralen Abkommen) von 1999 entspricht dem Ziel 7 der Legislaturplanung 2003­2007.

11.2.3.5 11.2.3.5.1

Rechtliche Aspekte Verfassungsmässigkeit

Nach Artikel 54 Absatz 1 der Bundesverfassung (BV, SR 101) sind die auswärtigen Angelegenheiten Sache des Bundes. Die Zuständigkeit der Bundesversammlung zur Genehmigung oder zur Änderung von völkerrechtlichen Verträgen ergibt sich aus Artikel 166 Absatz 2 BV. Nach Artikel 141 Absatz 1 Buchstabe d BV unterliegen dem fakultativen Staatsreferendum völkerrechtliche Verträge, die unbefristet und unkündbar sind, den Beitritt zu einer internationalen Organisation vorsehen, sowie solche, die wichtige rechtsetzende Bestimmungen enthalten12 oder deren Umsetzung den Erlass von Bundesgesetzen erfordert.

Das Agrarabkommen kann unter Einhaltung einer Vorankündigungsfrist von sechs Monaten jederzeit gekündigt werden (Art. 17 des Agrarabkommens). Eine Kündigung hätte jedoch wegen der Verknüpfung mit den andern Verträgen im Rahmen der Bilateralen I weitreichende Konsequenzen (Guillotine-Klausel). Ausserdem liegt kein Beitritt zu einer internationalen Organisation vor. Es werden lediglich die Anhänge des Agrarabkommens bezüglich Zollkonzessionen angepasst.

Diese Zollkonzessionen werden zudem bereits im Rahmen der Verordnungskompetenzen, welche das Zolltarifgesetz (SR 632.10) dem Bundesrat in Bezug auf Zollkonzessionen einräumt, autonom umgesetzt. Zudem sind sie nicht als derart grundlegend und damit wichtig einzustufen, dass sie dem Staatsvertragsreferendum zu unterstellen wären. Sie ersetzen kein innerstaatliches Recht und treffen keine Grundsatzentscheide für die nationale Gesetzgebung. Sie sind inhaltlich gleichwertig ausgestaltet und von vergleichbarem politischem, rechtlichem und wirtschaftlichem Gewicht wie die in letzten Jahren abgeschlossenen EFTA-Drittlandabkommen, die dem fakultativen Staatsvertragsreferendum auch nicht unterstellt waren.

12

In Anlehnung an Artikel 22 Absatz 4 des Parlamentsgesetzes vom 13. Dezember 2002 (SR 171.10) gilt eine Bestimmung eines Staatsvertrages dann als rechtsetzend, wenn sie auf unmittelbar verbindliche und generell-abstrakte Weise Pflichten auferlegt, Rechte verleiht oder Zuständigkeiten festlegt. Wichtig ist eine solche Norm dann, wenn ihr Regelungsgegenstand im Landesrecht entsprechend Artikel 164 Absatz 1 Buchstaben a­g BV auf formell-gesetzlicher Stufe geregelt werden müsste. Als wichtig anzusehen sind namentlich alle grundlegenden Bestimmungen über die Rechte und Pflichten von Personen, über die Einschränkungen verfassungsmässiger Rechte sowie über die Aufgaben und Leistungen des Bundes.

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11.2.3.5.2

Verhältnis zum europäischen Recht und zur WTO

Die Erweiterung der Zollkonzessionen im Agrarabkommen stehen weder zu den staatsvertraglichen Verpflichtungen noch zu den Zielen der europäischen Integrationspolitik der Schweiz im Widerspruch. Sie bedeutet eine Ausweitung des Abkommens auf einen grösseren Produktbereich. Die Vereinbarkeit der Freihandelsbeziehung zwischen der Schweiz und der EG mit dem geltenden GATT/WTORecht wird dadurch verbessert.

11.2.3.5.3

Gültigkeit für das Fürstentum Liechtenstein

Die Erweiterung der Zollkonzessionen im Agrarabkommen hat auch für das Fürstentum Liechtenstein Gültigkeit, solange dieses durch eine Zollunion mit der Schweiz verbunden ist.

Auf Gesuch des Fürstentums Liechtenstein im Jahr 2003 kamen die Schweiz und die EG überein, den Geltungsbereich des Agrarabkommens mittels eines Zusatzabkommens auf das Fürstentum auszuweiten. In dem zwischen den drei Parteien abgeschlossenen Zusatzabkommen wird festgehalten, dass das Agrarabkommen mit allen Anhängen (inklusiv der nicht-tarifäre Teil) auch im Verkehr zwischen Liechtenstein und der EG Anwendung findet. Gleichzeitig werden die entsprechenden Bestimmungen des EWR-Abkommens bezüglich Liechtenstein für die Dauer der Anwendung des Zusatzabkommens suspendiert13. Das Zusatzabkommen kann von jeder der drei Parteien unter Einhaltung einer Vorankündigungsfrist von einem Jahr jederzeit gekündigt werden. Dieses Zusatzabkommen wurde am 27. September 2007 von allen drei Parteien unterzeichnet und ist am Tag seiner Unterzeichnung in Kraft getreten.

13

Anhang I, Anhang II Kapitel XII und XXVII sowie Protokoll 47 enthalten u.a. Bestimmungen zu Futtermitteln, Pflanzenschutz, Spirituosen und Wein.

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