08.065 Bericht des Bundesrates über die Rüstungskontroll- und Abrüstungspolitik der Schweiz 2008 vom 10. September 2008

2008-1786

7975

Abkürzungsverzeichnis AG

Australiengruppe (Australia Group)

AKSE

Angepasster Vertrag über konventionelle Streitkräfte in Europa

BWÜ

Übereinkommen über das Verbot biologischer Waffen (Convention on the Prohibition of the Development, Production and Stockpiling of Bacteriological (Biological) and Toxin Weapons and on Their Destruction, BTWC)

CCW

Übereinkommen über konventionelle Waffen (Convention on Prohibitions or Restrictions On The Use of Certain Conventional Weapons Which May Be Deemed To Be Excessively Injurious Or To Have Indiscriminate Effects)

CD

Genfer Abrüstungskonferenz (Conference on Disarmament)

CTBT

Vertrag über das umfassende Verbot von Nuklearversuchen (Comprehensive Nuclear Test-Ban-Treaty)

CTBTO

Organisation für den Vertrag über das umfassende Verbot von Nuklearversuchen (Comprehensive Nuclear Test-Ban-Treaty Organisation)

CWÜ

Übereinkommen über das Verbot chemischer Waffen (Convention on the Prohibition of the Development, Production, Stockpiling and Use of Chemical Weapons and on Their Destruction, CWC)

DAC

Entwicklungshilfeausschuss der OECD (Development Assistance Committee)

ECOWAS

Westafrikanische Wirtschaftsgemeinschaft (Economic Community of West African States)

ERW

Explosive Kriegsmunitionsrückstände (Explosive Remnants of War)

EU

Europäische Union

FMCT

Vertrag über das Verbot der Produktion von Spaltmaterial für Waffenzwecke und für andere Kernsprengkörper (Fissile Material Cut-off Treaty)

GGE

Regierungsexpertengruppe (Group of Governmental Experts)

GICHD

Genfer Zentrum für humanitäre Minenräumung (Geneva International Centre for Humanitarian Demining)

GICNT

Global Initiative to Combat Nuclear Terrorism

HCOC

Verhaltenskodex gegen die Proliferation ballistischer Raketen

IAEA

Internationale Atomenergiebehörde (International Atomic Energy Agency)

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IHEID

Institut de Hautes Etudes Internationales et du Développement, Genf

IMSMA

Informationssystem für humanitäre Entminung (Information Management System for Mine Action)

KSE

Vertrag über konventionelle Streitkräfte in Europa

MASG

Mine Action Support Group

MTCR

Raketentechnologie-Kontrollregime (Missile Technology Control Regime)

NATO

Nordatlantisches Bündnis (North Atlantic Treaty Organisation)

NPT

Vertrag über die Nichtweiterverbreitung von Kernwaffen (Treaty on the Non-Proliferation of Nuclear Weapons)

NSG

Gruppe der Nuklearlieferländer (Nuclear Suppliers Group)

OAS

Organisation Amerikanischer Staaten (Organisation of American States)

OECD

Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (Organisation for Economic Cooperation and Development)

OPCW

Organisation für das Verbot chemischer Waffen (Organisation for the Prohibition of Chemical Weapons)

OSZE (früher Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa KSZE) PfP

Partnerschaft für den Frieden (Partnership for Peace)

SALW

Kleinwaffen und leichte Waffen (Small Arms and Light Weapons)

SECO

Staatssekretariat für Wirtschaft

UNO

Organisation der Vereinten Nationen (United Nations Organisation)

VSBM

Vertrauens- und sicherheitsbildende Massnahmen

WHO

Weltgesundheitsorganisation (World Health Organisation)

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Bericht 1

Sicherheitspolitische Rahmenbedingungen für die schweizerische Rüstungskontroll- und Abrüstungspolitik

1.1

Internationale Entwicklung seit 2004

Sicherheitspolitisch befindet sich die internationale Staatengemeinschaft gegenwärtig in einer komplexen Situation, in der unipolare und multipolare Tendenzen koexistieren. In vielen Bereichen haben die USA ihre Vormachtstellung, die sie seit dem Zerfall der Sowjetunion einnehmen, aufrechterhalten können. Allerdings wurde spätestens im September 2001 klar, dass mitnichten von einem stabilen unipolaren System die Rede sein kann. Vielmehr befinden wir uns in einer zunehmend multipolaren Situation, in der eine ganze Anzahl von Akteuren auf verschiedenen Ebenen ihre Ziele mit mannigfaltigen Mitteln zu realisieren versuchen.

Trotzdem lassen sich zwei Tendenzen feststellen. Erstens beanspruchen mehr Staaten eine Führungsrolle. Russland ist politisch und wirtschaftlich wieder erstarkt und positioniert sich immer stärker als Gegenpol zur westlichen Staatengemeinschaft.

Russisch-amerikanische Konfrontationen im sicherheitspolitischen Bereich nehmen deshalb zu, zum Beispiel bezüglich der Erweiterung der NATO oder der militärischen Präsenz der USA in Zentraleuropa. Auch China, Indien und Pakistan äussern vermehrt Führungsansprüche, sowohl in multilateralen Gremien wie auch als regionale Mächte. Hingegen wird die EU sicherheitspolitisch wohl auch in naher Zukunft noch nicht mit einer Stimme sprechen. Dafür unterscheiden sich die Positionen der einzelnen Mitgliedstaaten zu stark.

Zweitens wird das Gewaltmonopol der Staaten zunehmend durch nichtstaatliche Akteure herausgefordert. Neben der Nonproliferation von Massenvernichtungswaffen an weitere Staaten muss daher jetzt zusätzlich verhindert werden, dass diese Waffen in die Hände von nichtstaatlichen Akteuren fallen. Ein terroristischer Angriff mit Massenvernichtungswaffen ist zwar wenig wahrscheinlich, hätte aber schwere Konsequenzen. Grösseres Leid wird jedoch durch die Verbreitung konventioneller Waffen, insbesondere von Kleinwaffen und leichten Waffen, an nichtstaatliche Akteure angerichtet.

Diese Tendenzen haben auch Auswirkungen auf die multilaterale Sicherheitsstruktur. Viele Akteure scheinen erkannt zu haben, dass die bestehenden multilateralen Rüstungskontroll- und Abrüstungskonventionen der veränderten Sicherheitslage angepasst werden müssen. Allerdings ist sich die Staatengemeinschaft nicht einig, in welche Richtung diese Entwicklung gehen soll.
So argumentieren die einen, angeführt von den USA, dass der Schwerpunkt auf der Nonproliferation liegen muss. Dieser Ansatz gipfelte in der Resolution 1540 des UNO-Sicherheitsrats vom 28. April 2004, die alle Staaten auffordert, die Proliferation von nuklearem, chemischem und biologischem Material an nichtstaatliche Akteure zu verhindern, vor allem durch die Umsetzung von wirksamen Export- und Transferkontrollen. Obwohl der Nutzen einer effektiven Nonproliferationspolitik international unbestritten ist, lässt sich nicht abstreiten, dass die Nonproliferationspolitik der USA (und anderer Staaten) auch zu einem gewissen Grad Interessenpolitik ist. So wird denn auch von vielen Staaten moniert, dass die USA vor allem 7978

jene Massnahmen befürworten, die ihre eigenen Aktivitäten weniger einschränken als jene anderer Staaten.

Demgegenüber bestehen vor allem die Entwicklungs- und Schwellenländer auf effektiver Abrüstung, also auf Verringerung der globalen Bestände, vor allem der Massenvernichtungswaffen. Diese Länder fürchten zudem, dass ihnen der Kampf gegen die Proliferation den Zugang zur neusten zivilen Technologie erschwert. In dieser Beziehung hat sich der frühere Ost-West-Gegensatz zu einem Nord-SüdGegensatz gewandelt, auch wenn die Auflösung der Blöcke gleichzeitig zu flexibleren und Ad-hoc-Allianzen geführt hat.

Symptomatisch für die Uneinigkeit unter den Staaten ist die andauernde Blockierung der Genfer Abrüstungskonferenz (CD), des einzigen ständigen multilateralen Verhandlungsforums für Rüstungskontroll- und Abrüstungsfragen. Auch die Überprüfungskonferenz 2005 des Vertrags über die Nichtweiterverbreitung von Kernwaffen (NPT) und die Überprüfungskonferenz 2006 des UN Programme of Action on Small Arms and Light Weapons sind gescheitert. Die Chance, weitere rechtlich bindende Abkommen im Bereich der Abrüstung und Rüstungskontrolle universell durchzusetzen, schwindet zunehmend. Vor allem die USA bezweifeln die Wirksamkeit von multilateralen Verträgen, die von Staaten zwar ratifiziert, jedoch in einigen Fällen bewusst unterwandert werden. Dies hat zu einer verstärkten Tendenz weg von multilateralen Verträgen mit dem Anspruch auf universelle Unterstützung hin zu informellen Absprachen geführt. Auch sind in den letzten Jahren Abrüstungsprozesse ausserhalb der UNO in Gang gesetzt worden. Ein erfolgreiches Beispiel ist der Oslo-Prozess, dessen Ziel eines Verbots der Streumunition die Staatengemeinschaft 2008 ein gutes Stück näher gekommen ist.

Geographisch haben sich die Gebiete, in denen der Einsatz von Massenvernichtungswaffen im Konfliktfall nicht ausgeschlossen werden kann, seit dem letzten Bericht1 kaum verändert. Besonders in Südasien und im Nahen Osten besteht weiterhin die Gefahr bewaffneter Konflikte und Rüstungswettläufe. Bezüglich Südasiens scheint eine Mehrheit der internationalen Staatengemeinschaft den Status Indiens und Pakistans als De-facto-Atommächte zu akzeptieren. Im Nahen Osten scheint es hinreichend erwiesen, dass Israel trotz einer offiziellen Politik des Stillschweigens über Nuklearwaffen
verfügt. Während das iranische Nuklearprogramm von einem grossen Teil der Staatengemeinschaft mit Besorgnis verfolgt wird, ist die Lage in Syrien weiterhin unklar, nicht nur bezüglich eines möglichen Kernwaffenprogramms, sondern auch bezüglich der Existenz chemischer oder biologischer Waffen. Hingegen hat sich die Situation in Nordkorea nach dem Nukleartest vom Herbst 2006 entspannt, da sich die Regierung in Pjöngjang gewillt zeigte, gegen finanzielle und materielle Hilfe auf eine Fortsetzung des Nuklearprogramms zu verzichten. Neu war in der Berichtsperiode eine sich abzeichnende Renaissance der Nuklearenergie. So erwägen Ägypten, Saudi-Arabien und weitere arabische Staaten ernsthaft den Bau von Kernkraftwerken. Das weckt in gewissen Kreisen Befürchtungen hinsichtlich eines möglichen Missbrauchs dieser Anlagen für militärische Zwecke.

1

BBl 2004 5153

7979

1.2

Technologische Aspekte der modernen Streitkräfteentwicklung

Militärtechnisch wird die westliche Welt ihre Überlegenheit auf absehbare Zeit behalten, allen voran die USA. Die technologischen Entwicklungen der letzten Jahre eröffnen Chancen, konfrontieren die Staaten jedoch auch mit neuen Herausforderungen.

Zum einen ermöglicht netzwerkorientierte Kriegführung mehr Wirksamkeit, Effizienz und Minimierung ungewollter Schäden und Verluste. Allerdings werden Gegner auf asymmetrische Mittel und Methoden ausweichen, um die militärische Überlegenheit moderner Gesellschaften zu unterlaufen. Dies wird begünstigt durch die fortschreitende globale Vernetzung von Informationen, Dienstleistungen und Gütern, die den Zugang zu technologischen Errungenschaften und somit den Erwerb konventioneller und nichtkonventioneller Waffen erleichtert. Die Kontrolle entsprechender Technologien zur Verhinderung ihrer Proliferation wird schwieriger. Damit wächst das Risiko, dass gewaltbereite Regime und nichtstaatliche Akteure Wirkungsmöglichkeiten strategischer Tragweite erlangen. Schliesslich dürften militärisch überlegene Staaten ihrerseits versuchen, technologische Vorteile zum Schutz von Staat und Gesellschaft zu nutzen.

Dies hat zur Folge, dass der traditionelle Sicherheitsbegriff in den letzten Jahren erweitert worden ist. Streitkräfte werden vermehrt im Innern eingesetzt und deshalb so ausgerüstet, dass sie zusätzlich zu ihren angestammten Aufgaben auch die traditionellen staatlichen Sicherheitsorgane (Polizei, Feuerwehr, Bevölkerungsschutz) unterstützen können.

Der Weltraum wird immer wichtiger, sowohl für Streitkräfte als auch für die zivile Sicherheit. Dies eröffnet Chancen für die Staatengemeinschaft. So profitieren zum Beispiel der Kommunikations- und Informationsaustausch, Aufklärung, Überwachung oder Navigation vom verstärkten Einsatz weltraumgestützter Mittel. Dabei spielen Raumfahrt, Satellitentechnik, Übertragungstechnik und Technologien zum Schutz, zur Bestimmung und zur Überwachung weltraumgestützter Systeme eine massgebliche Rolle.

Die neuen technologischen Entwicklungen haben nicht nur einen Einfluss auf den Sicherheitsbegriff, sondern beeinflussen auch die Wahrnehmung in Bezug auf Möglichkeiten und Legitimität militärischer Gewaltanwendung. Zum einen haben westliche Militärinterventionen der letzten Jahre mit ihrer Verwendung von Präzisionsmunition und Abstandswaffen
der Vorstellung Auftrieb gegeben, dass moderne Waffentechnologie Kriegführung mit minimalen Verlusten ermöglicht. Zum anderen ist die Bereitschaft gesunken, durch militärische Gewaltanwendung verursachte Opfer und Schäden zu tolerieren. Diese Haltung stellt die Streitkräfte vor eine Herausforderung: Der Ruf nach militärischen Interventionen (vor allem aus humanitären Gründen) wird sich verstärken, anderseits werden die ethisch begründeten Selbstbeschränkungen westlicher Staaten zunehmen. Die erfolgreiche Transformation westlicher Streitkräfte wird daran gemessen werden, wie sie asymmetrische Bedrohungen meistern und wie sie Gewalt selektiv und mit minimalen Verlusten anwenden können. Deshalb dürfte sich in den nächsten Jahren die Entwicklung und Beschaffung nichtletaler Mittel für Streitkräfte intensivieren.

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1.3

Konflikte am Anfang des 21. Jahrhunderts

Die Anzahl bewaffneter Konflikte ist zu Beginn des 21. Jahrhunderts geringer als in den vorangegangenen Jahrzehnten. Allerdings hat sich das Spektrum der militärischen Konfliktformen erweitert. Obwohl der traditionelle zwischenstaatliche Krieg auch heute noch vorkommt, sind innerstaatliche oder regionale Konflikte wesentlich zahlreicher. In solchen Konflikten sind Kleinwaffen und leichte Waffen die bevorzugten Kampfmittel, wobei die Konfliktparteien vielfach auf Arsenale zurückgreifen, die im Kalten Krieg angehäuft und danach nicht beseitigt wurden. Zudem trägt der unkontrollierte illegale Transfer von Kleinwaffen und leichten Waffen zur Intensivierung und Verlängerung dieser Auseinandersetzungen bei, unter denen die Zivilbevölkerung besonders leidet. Solche Konflikte sind oft von niedriger Intensität und sehen nebst den regulären Armeen eine Beteiligung bewaffneter nichtstaatlicher Akteure und zunehmend auch privater Sicherheitsfirmen, die im Auftrag einer Konfliktpartei oder privater Unternehmen tätig sind.

Diese Situation stellt die Rüstungskontroll- und Abrüstungspolitik vor eine besondere Herausforderung. Zum einen fühlen sich nichtstaatliche bewaffnete Akteure oft nicht verpflichtet, gültige Rechtsnormen einzuhalten. Dies kann geschehen, wenn sich die technisch unterlegenen Gegner bei der Einhaltung der Regeln des humanitären Völkerrechts benachteiligt fühlen oder nicht genügend Anreize für dessen Einhaltung vorliegen, weil sie von den staatlichen Behörden als Terroristen bezeichnet werden. Auch kann es in Regionen fragiler Staatlichkeit (z.B. in Afghanistan oder in gewissen Gegenden Pakistans), in denen das staatliche Gewaltmonopol nicht mehr durchgesetzt werden kann, zur Privatisierung der Gewalt kommen. Dies hat zur Folge, dass ein Friedensabkommen der Gewalt oft kein Ende setzt, denn wenn ein solches Abkommen nicht mit einer ökonomischen und sozialen Reintegration einhergeht, haben demobilisierte Kämpfer die Tendenz, sich ihrer Waffen zu bedienen, um sich ein Einkommen zu verschaffen. Dies führt zu verstärkter Kriminalität und untergräbt die Legitimität des Staates auch nach dem Friedensschluss.

1.4

Regionale Sicherheits- und Abrüstungspolitik

Der Multilateralismus verliert zwar auf internationaler Ebene an Bedeutung; auf regionaler Ebene trifft diese Feststellung jedoch nicht zu. Die Kooperation auf dem Gebiet der Rüstungskontrolle wird in mehreren Regionen und Subregionen weitergeführt und ermöglicht angemessene Lösungen für deren spezifische Probleme.

Die Staaten der europäischen und euro-atlantischen Region haben für die Abrüstung und die Vertrauensbildung einzigartige Instrumente entwickelt: den Vertrag über konventionelle Streitkräfte in Europa (KSE), den Vertrag über den offenen Himmel (Open-Skies-Vertrag) oder das Wiener Dokument der OSZE von 1999; etwas Vergleichbares gibt es weltweit in keiner anderen Region. Ermöglicht wurde der Abschluss dieser Verträge durch die Überwindung der Teilung des europäischen Kontinents, die ihrerseits unter anderem durch diese Verträge erleichtert wurde.

Die in den Neunzigerjahren begonnene Zusammenarbeit im Abrüstungsbereich wird fortgeführt. Die Umsetzung der vertrauensbildenden und sicherheitspolitischen Massnahmen löst eine Vielzahl von Aktivitäten aus. Neue Mechanismen entstehen als Antwort auf neue Herausforderungen, wie zum Beispiel die riesigen Restbestände an konventionellen Waffen und Munition in den ehemaligen Sowjet7981

republiken. Die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) und die NATO haben Unterstützungsmechanismen entwickelt, um finanzielle Mittel und Kompetenzen zu bündeln und die Bewirtschaftung der Lagerbestände und die Verfahren zur Vernichtung von Waffen zu optimieren. Auch werden neue Normen zur Verbesserung der Exportkontrollen verabschiedet. Das ist von Bedeutung, weil die Staaten der euro-atlantischen Region zu den grössten Waffenexporteuren gehören.

Doch heute ist dieser kooperative Sicherheitsansatz durch Spannungen gefährdet.

Symptomatisch dafür ist insbesondere der Entscheid Russlands von Ende 2007, den KSE-Vertrag zu sistieren. Russland ist der Auffassung, dass aufgrund der strategischen Entwicklung (namentlich der NATO-Erweiterung) die aktuellen Instrumente seinen Interessen zuwiderlaufen und revidiert werden sollten. Wenn dieses Problem nicht gelöst werden kann, dürfte es erhebliche Auswirkungen auf die gesamte Rüstungskontrollstruktur in Europa haben.

Die afrikanischen Länder südlich der Sahara leiden besonders stark unter dem unerlaubten Handel mit Kleinwaffen und leichten Waffen (SALW). Diese spielen eine wichtige Rolle in den innerstaatlichen Konflikten in dieser Region. Die subregionalen Organisationen haben deshalb zur Lösung dieses Problems ausserordentliche Anstrengungen unternommen. Die bereits bestehenden Mechanismen wurden durch neue Instrumente ergänzt. Die Westafrikanische Wirtschaftsgemeinschaft (ECOWAS) entwickelte 2006 ein Übereinkommen über Kleinwaffen und leichte Waffen, deren Munition und anderes dazu gehöriges Material, das die Ein- und Ausfuhr von leichten Waffen auf dem Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten untersagt.

Das 2006 in Kraft getretene Protokoll von Nairobi über die Verhütung, Kontrolle und Reduzierung von Kleinwaffen und leichten Waffen bezweckt die Bekämpfung und Ausmerzung des Handels mit solchen Waffen und deren Besitz in der Region der Grossen Seen und des Horns von Afrika.

Die Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) und die subregionalen Organisationen des amerikanischen Kontinents messen der Problematik der SALW ebenfalls besondere Bedeutung bei, da diese Waffen im Zusammenhang mit der Kriminalität auf dem Kontinent ein grosses Problem darstellen. Ansonsten steht die Abrüstungsfrage nicht zuoberst auf der Agenda der OAS, und
zwar nicht wegen fehlender Kooperationsbereitschaft, sondern weil die Situation es nicht erfordert. Diese Feststellung ist jedoch zu relativieren angesichts gewisser Waffenkäufe, die einen regionalen Rüstungswettlauf in Südamerika befürchten lassen.

Im Nahen und Mittleren Osten gibt es aufgrund der verschiedenen Spannungen, die diese Region beherrschen, überhaupt keine Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Rüstungskontrolle. Das wird auch bestätigt durch den signifikanten Anstieg der militärischen Ausgaben in den letzten Jahren in dieser Region.

Dasselbe gilt teilweise auch für Asien, das ebenfalls ein bedeutendes Wachstum der Militärbudgets verzeichnet. Die Institutionen für regionale Zusammenarbeit befassen sich kaum mit der Frage der Rüstungskontrolle. Relativiert wird diese Feststellung nur durch einige wenige Elemente. So schlossen Indien und Pakistan 2005 ein Abkommen, das die Vorankündigung aller Testabschüsse von ballistischen Raketen regelt und somit die Spannungen zwischen beiden Ländern abbaut. Ausserdem schlossen Kasachstan, Turkmenistan, Usbekistan, Kirgisistan und Tadschikistan 2006 den Vertrag von Semipalatinsk, der Zentralasien zur kernwaffenfreien Zone erklärt. Dieser noch nicht in Kraft getretene Vertrag ist das erste Abkommen zur 7982

Errichtung einer kernwaffenfreien Zone auf der nördlichen Hemisphäre und das erste multilaterale Übereinkommen zur nuklearen Rüstungskontrolle überhaupt, das seit 1996 abgeschlossen wurde.

2

Ziele und Instrumente der schweizerischen Rüstungskontroll- und Abrüstungspolitik

2.1

Grundsätze schweizerischer Positionen

Die Grundsätze der schweizerischen Aussenpolitik, wie sie in Artikel 54 der Bundesverfassung definiert sind, bilden das Fundament der schweizerischen Rüstungskontroll- und Abrüstungspolitik. Zudem hat die Schweiz als neutraler Kleinstaat ein vitales Interesse an einer Stabilisierung und Erweiterung der Formen internationaler Kooperation, die sich seit dem Ende des Kalten Krieges gebildet haben.

Vor diesem Hintergrund verfolgt die Schweiz eine pragmatische Rüstungskontrollund Abrüstungspolitik mit dem Ziel der nationalen und internationalen Sicherheit auf möglichst tiefem Rüstungsniveau. Konkret bedeutet dies, dass die schweizerische Politik darauf ausgerichtet ist, dass die Staaten ihre militärischen Aktivitäten transparent und berechenbar gestalten, dass die internationale Kooperation auf dem Gebiet der Sicherheitspolitik verstärkt wird und dass somit letztlich das Vertrauen unter den Staaten wächst. Aus diesen Überlegungen beteiligt sich die Schweiz grundsätzlich an sämtlichen rechtlich verbindlichen Instrumenten, die ihr offen stehen. Eine Ausnahme war der Entscheid der Schweiz 2005, den Vertrag über den offenen Himmel (Open-Skies-Vertrag) nicht zu unterzeichnen, da der Bundesrat zum Schluss kam, dass der Aufwand einer Umsetzung des Abkommens in keinem Verhältnis zum Ertrag gewesen wäre.

Um Transparenz und Vertrauen zu erreichen, ist es für die Schweiz von grösster Wichtigkeit, dass Rüstungskontrollregime nichtdiskriminierend, verifizierbar und völkerrechtlich verbindlich sind. Zudem haben für die Schweiz universelle Abkommen Vorrang vor Absprachen zwischen einzelnen Staatengruppen. Von diesem Grundsatz rückt die Schweiz einzig im Bereich der informellen Exportkontrollregime ab. Aus Überlegungen der Interessenwahrung einerseits und aus Gründen des technologischen Gefälles (und der daraus resultierenden grösseren Relevanz solcher Regime für einzelne Staaten) andererseits sind die multilateralen Exportkontrollregime in ihrer Mitgliedschaft nicht universell.

Was die Massenvernichtungswaffen betrifft, bedeutet der pragmatische Ansatz, dass sich die Schweiz sowohl für Nonproliferation als auch für die vollständige Abrüstung einsetzt, ohne jedoch einer dieser beiden Positionen den Vorzug zu geben. Vor allem legt die Schweiz Wert auf ein umfassendes Verständnis von Nonproliferation, das sowohl
Angebots- als auch Nachfrageaspekte berücksichtigt. Auf der Angebotsseite gilt es, den Zugang zu Informationen, Materialien und Produkten zu regulieren, um die Herstellung von Massenvernichtungswaffen zu verunmöglichen. Ebenso muss die Nachfrage nach diesen Waffen, die meist rationalem strategischem Kalkül und oft einem Sicherheitsbedürfnis entspringt, gedämpft werden. Zudem sieht die Schweiz einen direkten Zusammenhang zwischen Auf- oder Abrüstung und dem Anreiz zur Proliferation. So sind Bemühungen problematisch, Nuklearwaffen nicht vollständig abzurüsten, sondern durch neue Systeme zu ersetzen (sogenannte vertikale Proliferation).

7983

Im konventionellen Bereich bleiben die Schwerpunkte auf der Bekämpfung des unerlaubten Handels mit Kleinwaffen sowie auf Programmen zur Beseitigung von Personenminen und explosiven Kriegsmunitionsrückständen. Die heute dominierenden innerstaatlichen Konflikte werden hauptsächlich mit Kleinwaffen und leichten Waffen ausgetragen. Das Engagement der Schweiz fusst denn auch auf der Überzeugung, dass die Problematik der Kleinwaffen sich direkt auf die menschliche Sicherheit und die Stabilität von Staaten und Regionen auswirkt. Ausserdem hat die Kontrolle von Kleinwaffen positive Auswirkungen im Gebiet der Terrorismusbekämpfung. Aus diesen Gründen hat sich die Schweiz in der Berichtsperiode unter anderem dafür eingesetzt, dass universelle Standards zur Kennzeichnung von Kleinwaffen definiert werden, die eine weltweite Kontrolle der Bewegungen von Kleinwaffen ermöglichen (Marking and Tracing). Ausserdem beteiligt sich die Schweiz aktiv am laufenden politischen Dialog im Ausschuss für Entwicklungshilfe (DAC) der OECD. Dieser Dialog dient der Unterstützung der Reform der Sicherheitssysteme, der Ausarbeitung von Richtlinien zur Verringerung der bewaffneten Gewalt und der Umsetzung der vom DAC im April 2007 verabschiedeten «Prinzipien für ein internationales Engagement in fragilen Staaten und Situationen». Innerstaatliche Konflikte gefährden jedoch nicht nur die Sicherheit im weitesten Sinne, sondern auch die Entwicklung, was wiederum das Konfliktrisiko verschärft. Es ist also wichtig dafür zu sorgen, dass die Schweiz ihre Ziele in diesen beiden aussenpolitischen Bereichen koordiniert.

Mit diesem Ansatz unterstreicht die Schweiz ihren Willen, den Gefahren, die innerstaatliche Konflikte für die Sicherheit in all ihren Aspekten darstellen, auch mit den Mitteln der Rüstungskontroll- und Abrüstungspolitik zu begegnen. Im Folgenden werden die verschiedenen Instrumente der gegenwärtigen schweizerischen Rüstungskontroll- und Abrüstungspolitik in ihrem jeweiligen internationalen Kontext dargestellt.

2.2

Massnahmen der Schweiz im Bereich der Massenvernichtungswaffen

2.2.1

Kernwaffen

Seit 2004 verschärft sich die Debatte über die Abrüstung und die Nichtweiterverbreitung von Kernwaffen, insbesondere wegen des Irans, der verdächtigt wird, ein geheimes militärisches Kernwaffenprogramm voranzutreiben. Der Iran hat ein Moratorium für sein Urananreicherungsprogramms abgelehnt, worauf der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen vier Resolutionen gegen ihn beschlossen hat, davon die letzten drei mit Sanktionen. Die Schweiz hat die Resolutionen 1737, 1747 und 1803 des Sicherheitsrats umgesetzt und hat versucht, sich in direkten Kontakten zu den Hauptakteuren für eine diplomatische Lösung der Krise einzusetzen.2 Auf der koreanischen Halbinsel ist die Entwicklung 2007 nach Jahren des Stillstands und dem Nukleartest im Oktober 2006 ermutigender verlaufen. In den Diskussionen im Rahmen der Sechs-Länder-Gespräche (Nordkorea, Südkorea, China, Japan, USA, Russland) ist es gelungen, Nordkorea von der Stilllegung seiner Nuklearanlagen zu überzeugen. 2008 ist der Prozess jedoch aufgrund der Langsamkeit, mit der Pjöng2

Verordnung vom 14. Februar 2007 über Massnahmen gegenüber der Islamischen Republik Iran (SR 946.231.143.6), geändert am 30. April 2007 und am 23. April 2008.

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jang die vollständige Liste seiner Nuklearinstallationen und -programme vorgelegt hatte, erneut zum Erliegen gekommen. Die Schweiz hat die Resolution 1718, die vom Sicherheitsrat nach dem Nukleartest von 2006 verabschiedet wurde3, umgesetzt. Zudem hat sie zwei Mal ­ im September 2007 und im März 2008 ­ ein Treffen zwischen den USA und Nordkorea in Genf ermöglicht.

Die Entwicklung im Iran hat gewisse Atommächte veranlasst, die Staaten, die keine Nuklearwaffen besitzen, zum Verzicht auf den Zugang zu sensitiver Nukleartechnologie (Anreicherung, Wiederaufbereitung) zu drängen, obwohl die Kernenergie gerade heute wieder auf zunehmendes Interesse stösst. Die Tatsache, dass die USA mit Indien, das den Vertrag über die Nichtverbreitung von Kernwaffen (NPT) nicht unterzeichnet hat, einen Vertrag über die Zusammenarbeit im Nuklearbereich abschliessen wollen und versuchen, von der Gruppe der Nuklearlieferländer (NSG) eine Ausnahme für Indien zu erwirken, hat die Debatte zusätzlich erschwert.

Auf der multilateralen Ebene befürwortet die Schweiz weiterhin ein pragmatisches Engagement zugunsten der drei Pfeiler des nuklearen Nonproliferationsregimes: Abrüstung, Nichtweiterverbreitung und Recht auf friedliche Nutzung der Kernenergie. Der Konflikt um die Bedeutung, die die Mitgliedstaaten jedem dieser drei Pfeiler beimessen, war der Hauptgrund für das Scheitern der Überprüfungskonferenz des NPT im Jahre 2005.

An der Genfer Abrüstungskonferenz, bei der die Schweiz 2007 turnusgemäss das Präsidium übernommen hat, setzte sie sich erneut für die Aufnahme von Verhandlungen über den Abschluss eines Vertrags ein, der die Herstellung von spaltbarem Material für militärische Zwecke (FMCT) verbieten würde.

Im Ersten Ausschuss der Generalversammlung der Vereinten Nationen von 2007 reichte die Schweiz zusammen mit Chile, Neuseeland, Nigeria und Schweden eine Resolution ein, die eine Herabsetzung des Grades der Einsatzbereitschaft von Nuklearwaffen verlangt (De-Alerting).4 Sie plant, in dieser Frage weiterhin aktiv zu bleiben.

Obwohl der Bundeshaushalt keinen Kredit für konkrete nukleare Abrüstungsprojekte vorsieht, hat die Schweiz versucht, zur internationalen Kooperation auf diesem Gebiet beizutragen. In Zusammenarbeit mit den USA organisierte sie 2004 und 2007 im LABOR SPIEZ multilaterale Treffen, die die Finanzierung
von Projekten zur Stilllegung der letzten russischen Kernkraftanlagen, in denen noch Plutonium hergestellt wird, unterstützen sollen. Die Schweiz nimmt zudem im Bereich der Bekämpfung des Nuklearterrorismus an den Sitzungen der Global Initiative to Combat Nuclear Terrorism (GICNT) teil, die 2006 von den Präsidenten Bush und Putin ins Leben gerufen wurde.

3 4

Verordnung vom 25. Oktober 2006 über Massnahmen gegenüber der Demokratischen Volksrepublik Korea (SR 946.231.127.6).

Resolution A/RES/62/36: «Decreasing the operational readiness of nuclear weapons systems».

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2.2.2

Chemiewaffen

Das Übereinkommen über das Verbot chemischer Waffen (CWÜ) von 1997 hat eine besondere sicherheitspolitische Bedeutung, weil erstmals eine ganze Klasse von Massenvernichtungswaffen vollständig und überprüfbar verboten worden ist. Das CWÜ erfüllt damit auf beispielhafte Weise die Anforderungen der Schweiz an internationale Abkommen im Bereich der Massenvernichtungswaffen.

Seit seinem Inkrafttreten hat das CWÜ beinahe Universalität erreicht. Bis zum Juni 2008 haben 184 Staaten das Abkommen ratifiziert. Allerdings stehen Staaten wie Israel, Ägypten oder Syrien immer noch abseits. Zudem ist die Umsetzung der Konvention in vielen Mitgliedstaaten lückenhaft. An der 2. Überprüfungskonferenz des CWÜ im April 2008 wurde eine umfassende Bestandesaufnahme aller Aspekte der Chemiewaffenkonvention durchgeführt. Die Schweiz hat sich mit Vorstössen zu «nicht tödlich wirkenden, handlungsunfähig machenden Kampfstoffen» (Incapacitating Agents), zu verschiedenen Aspekten des Inspektions- und Verifikationsregimes und zum Thema Schutz und Hilfeleistung aktiv an den Verhandlungen beteiligt.

Die Vernichtung der deklarierten Chemiewaffenarsenale schreitet voran, wenn auch zum Teil zögerlich. Als erster Mitgliedstaat hat Albanien im Juli 2007 seine gesamten Bestände vernichtet. Der Termin für die definitive Vernichtung aller Chemiewaffenbestände ist der April 2012, doch zum jetzigen Zeitpunkt ist es fraglich, ob die USA und Russland, die beiden Staaten mit den bedeutendsten Beständen an chemischen Waffen, diese bereits verlängerte Frist werden einhalten können. Die anderen Vertragsstaaten im Besitz von Chemiewaffenarsenalen (Indien, Libyen und ein weiterer Vertragsstaat, der anonym bleiben möchte) sind auf gutem Weg, die Frist von 2012 einhalten zu können.

Die internationale Gemeinschaft hat die Probleme, die sich bei der komplexen Operation der Vernichtung von Chemiewaffen stellen können, erkannt und den betroffenen Staaten bedeutende Mittel zur Verfügung gestellt. Das schweizerische Parlament verabschiedete für den Zeitraum 2003­2008 einen Rahmenkredit von 17 Millionen Franken (später auf 14,5 Mio. gekürzt) zur Unterstützung der Zerstörung von Chemiewaffenbeständen in Russland und in Albanien. In Russland diente dieser Kredit der Teilfinanzierung von vier Unterwerken, die die Vernichtungsanlagen mit Strom versorgen,
sowie der Finanzierung eines Projekts für ein Umweltund Gesundheitsmonitoring in der Umgebung einer solchen Anlage. 2003­2008 finanzierte die Schweiz ausserdem einen Teil der Projekte von Green Cross in Russland. In Albanien finanzierte die Schweiz 2003­2007 die Inspektion von Chemiewaffenbeständen durch die Organisation für das Verbot chemischer Waffen (OPCW).

Das LABOR SPIEZ unterstützt das Verifikationsregime der OPCW in wissenschaftlichen Belangen und mit der Ausbildung von Inspektoren. Auch im ABC-Kompetenzzentrum der Schweizer Armee werden Spezialisten aus vielen Ländern in der Handhabung von Schutzmaterial und Analysetechniken ausgebildet. 2005 wurde ein dreijähriges Ausbildungsprojekt in Zentralasien erfolgreich abgeschlossen. Schliesslich hält die Schweiz für die OPCW Personal sowie Schutzmaterial, Labors und Nachweisgeräte zur Verfügung für den Fall, dass ein Vertragsstaat mit chemischen Waffen angegriffen oder bedroht werden sollte.

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2.2.3

Biologische Waffen

Das Übereinkommen über das Verbot biologischer Waffen (BWÜ) untersagt Erwerb, Entwicklung, Herstellung und Besitz von biologischen und Toxinwaffen sowie von Ausrüstungen oder Einsatzmitteln, die für die Verwendung solcher Waffen bestimmt sind. Es wurde von der Schweiz 1976 ratifiziert. Wie das Chemiewaffenabkommen hat sich auch das BWÜ aus dem Genfer Protokoll von 1925 (Verbot der Verwendung von erstickenden, giftigen oder ähnlichen Gasen sowie von bakteriologischen Mitteln im Kriege) entwickelt. Aus Anlass des 80-jährigen Jubiläums des Genfer Protokolls hat die Schweiz (als Sitzstaat) zusammen mit Frankreich (dem Depositärstaat) im Juni 2005 ein internationales Seminar organisiert. An dieser Veranstaltung konnten die Teilnehmerstaaten über alle bestehenden und geplanten internationalen Massnahmen zur Bekämpfung des Einsatzes von biologischen oder chemischen Agenzien für feindliche Zwecke Bilanz ziehen.

Das BWÜ verfügt noch immer über kein Verifikationsinstrument. Angesichts der rasanten wissenschaftlichen Fortschritte in diesem Bereich (Biotechnologie, Gentechnik) und der erhöhten Bedrohung durch biologische Kampfstoffe (Terrorismus, wahrscheinliche Weiterführung der Biowaffenprogramme in gewissen Staaten) untergräbt das Fehlen wirksamer Verifikationsmassnahmen das Übereinkommen.

2001 wurden die Verhandlungen über Verifikation abgebrochen, und die daraus resultierende Blockade konnte erst an der 6. Überprüfungskonferenz 2006 überwunden werden. Die Wiederaufnahme der Gespräche über einen Verifikationsmechanismus dürfte jedoch noch einige Jahre auf sich warten lassen.

Um diese Lücke im Übereinkommen wenigstens behelfsmässig zu schliessen, haben sich die Vertragsstaaten auf vertrauensbildende Massnahmen geeinigt, die einen Informationsaustausch über (defensive) militärische Forschungsprogramme, Aktivitäten in Laboratorien oder das ungewöhnliche Auftreten von Krankheiten ermöglichen sollen. Allerdings ist die Anzahl der Vertragsstaaten, die am Informationsaustausch teilnehmen, gering, weshalb dieser weder die Wirkung noch den Nutzen eines tatsächlichen Verifikationssystems hat. Die Schweiz ist seit der Überprüfungskonferenz 2006 als einer der aktivsten Befürworter dieser vertrauensbildenden Massnahmen in Erscheinung getreten. Bis zur nächsten Überprüfungskonferenz 2011 geniesst dieses Thema für
die Schweiz eine hohe Priorität, und durch eine Reihe von Studien soll das Terrain für eine weitere Stärkung dieses Instruments vorbereitet werden.

Im Bereich der biologischen Sicherheit ist die Schweiz an verschiedenen Fronten aktiv. So unterstützt unser Land die Weltgesundheitsorganisation (WHO) im Bereich der Präventiv- und Gegenmassnahmen gegen die biologische Gefahr.

Zudem hat im LABOR SPIEZ 2007 der Bau eines Biosicherheitslabors der höchsten Sicherheitsstufe begonnen. Dieses neue Labor wird nebst seiner Kernaufgabe ­ dem Nachweis von biologischen Kampfstoffen und Krankheitserregern ­ auch nationale und internationale Aus- und Weiterbildungskurse über Biosicherheit anbieten.

Schliesslich wird die Schweiz 2009 zusammen mit den USA zum zweiten Mal eine Veranstaltung organisieren, in der die internationale Koordination im Falle eines bioterroristischen Anschlags geübt werden (Black Ice II). Die erste solche Übung (Black ICE I) fand 2006 in Montreux mit Beteiligung hoher Kader einer Reihe von internationalen Organisationen statt; Black ICE II ist in einem ähnlichen Rahmen geplant.

7987

2.3

Massnahmen der Schweiz in den Bereichen Trägersysteme und Bewaffnung des Weltraums

Trägersysteme wie beispielsweise ballistische Raketen, Marschflugkörper (Cruise Missiles) und unbemannte Flugkörper (Unmanned Aerial Vehicles) können nicht nur konventionelle Munition, sondern auch nukleare, biologische und chemische Sprengköpfe transportieren. In den letzten Jahren sind vermehrt Flugkörper entwickelt worden, wie die wachsende Zahl von Versuchen mit solchen Trägersystemen zeigt. Die Besorgnis, die diese Neuentwicklungen auslösten, hat insbesondere dazu geführt, dass die USA mit der Stationierung eines Raketenabwehrschildes begonnen haben, was wiederum andere Länder dazu bewog, ihre eigenen ballistischen Kapazitäten auszubauen.

Bisher existiert kein universell gültiger Vertrag für Flugkörper, und mit den bestehenden Mechanismen wird die Problematik nur lückenhaft angegangen. Das Raketentechnologie-Kontrollregime (MTCR) kontrolliert durch gemeinsam vereinbarte Richtlinien die Weitergabe von Waren und Technologien, die bei der Herstellung von Trägersystemen Verwendung finden. Dass einige der bedeutendsten Exportländer von Trägersystemen bei diesem Regime nicht mitmachen, stellt die Staatengemeinschaft vor grosse Herausforderungen, ebenso wie die rasante technologische Entwicklung und die Nähe zwischen Programmen zur Entwicklung von ballistischen Flugkörpern und Weltraumprogrammen. Der Verhaltenskodex von Den Haag gegen die Verbreitung ballistischer Flugkörper (HCOC), der 2002 verabschiedet wurde, beruht auf einer allgemeinen Verpflichtung zur Zurückhaltung im Bereich der Flugkörper und hat Massnahmen zur Förderung der Transparenz eingeführt (z.B. Vorankündigung geplanter Raketenstarts). Dieses Instrument weist jedoch zwei Schwächen auf: das Abseitsstehen mehrerer Schlüsselstaaten (China, Indien, Pakistan) und die lückenhafte Umsetzung seiner Bestimmungen.

Die Schweiz bemüht sich, die Weiterverbreitung von Flugkörpern durch die Konsolidierung der verschiedenen erwähnten Regime zu verhindern; ausserdem unterstützt sie die Anstrengungen zur Erarbeitung rechtlich verbindlicher und nichtdiskriminierender Normen und fördert den Austausch in diesem Bereich. 2008 organisierte sie zum Beispiel ein Seminar zum Thema der Stationierung von Raketenabwehrsystemen, an dem politische Antworten auf solche Entwicklungen gesucht und gangbare Initiativen entwickelt werden sollten.

Die Streitkräfte
benützen Weltraumsysteme immer häufiger zur Beobachtung, zur Kommunikation und zur Positionsbestimmung. Der Weltraum wird im Moment aber nur passiv genutzt. Bisher hat noch kein Staat dort Waffen aufgestellt oder die Satelliten einer anderen Macht ins Visier genommen.

Trotzdem arbeiten mehrere Staaten an der Entwicklung von Weltraumwaffen, wie kürzlich die Zerstörung eines chinesischen Satelliten in erdnaher Umlaufbahn durch China selber zeigte. Es gibt im Wesentlichen drei Arten solcher Waffen. Gegen Satelliten gerichtete Waffen können am Boden oder im All stationiert werden und ermöglichen den Angriff auf Weltraumsysteme des Gegners. Waffen können auch im Weltall stationiert werden, um einen Raketenabwehrschild zu ergänzen. Schliesslich könnte man Waffen im Weltall stationieren, um Ziele auf der Erde anzugreifen.

Der Einsatz solcher Waffen könnte den Grundsatz der friedlichen Nutzung des Weltraums gefährden, der dem Weltraum-Vertrag von 1967 zugrunde liegt und die Sicherheit der Weltrauminfrastrukturen gewährleistet. Zudem würde diese Entwick7988

lung die wichtigen Dienstleistungen gefährden, die in einer wachsenden Zahl von Staaten von Weltraumsystemen erfüllt werden.

Die Schweiz möchte verhindern, dass der Grundsatz der friedlichen Nutzung des Weltraums in Frage gestellt wird. Sie setzt sich für die Erarbeitung einer rechtlich verbindlichen Regelung ein, die die Stationierung von Weltraumwaffen und die Gewaltanwendung gegen Weltraumsysteme verhindern soll. Die Schweiz unterstützt auch die verschiedenen Anstrengungen zur Wiederherstellung von Vertrauen und Transparenz im Weltraum.

2.4

Massnahmen der Schweiz im Bereich der konventionellen Waffen

2.4.1

Waffenhandelsvertrag (Arms Trade Treaty)

Beim Waffenhandelsvertrag handelt es sich um eine ursprünglich britische Initiative, die zum Ziel hat, den weltweiten Handel mit konventionellen Waffen verbindlichen Regeln und Missbrauchskontrollen zu unterstellen.

Eine Resolution zur Lancierung des Prozesses zum Abschluss eines Waffenhandelsvertrags wurde von der UNO-Generalversammlung am 6. Dezember 2006 mit 153 Ja, 24 Enthaltungen (Russland, China, verschiedene arabische Länder) und 1 Gegenstimme (USA) angenommen.5 Die Schweiz hat die Initiative von Anfang unterstützt und gehörte zu den Sponsoren der Resolution. Sie setzt sich insbesondere für einen rechtlich verbindlichen Vertrag mit einer nichtdiskriminierenden, universellen Ausgestaltung ein. Grundsätzlich sollen alle konventionellen Waffen, definiert durch das UNO-Register für konventionelle Waffen und erweitert um die Kategorie der Kleinwaffen und leichten Waffen, erfasst werden.

Im Herbst 2007 wurde die Schweiz eines der 28 Mitglieder der Regierungsexpertengruppe, die vertiefte Abklärungen über Machbarkeit, Inhalt und Geltungsbereich eines Waffenhandelsvertrags vornehmen soll. Diese Arbeitsgruppe wird der UNOGeneralversammlung ihren im Konsens zu verabschiedenden Bericht im Herbst 2008 abliefern. Die Chancen, diesen Konsens zu erzielen, sind schwierig abzuschätzen, stehen doch wichtige waffenexportierende Staaten einem griffigen Waffenhandelsvertrag skeptisch gegenüber.

2.4.2

Schwere konventionelle Waffen

Zu den schweren konventionellen Waffen gehören Kampfpanzer, gepanzerte Kampffahrzeuge und Schützenpanzer, grosskalibrige Artilleriesysteme, Kampfflugzeuge und Angriffshelikopter sowie Kriegsschiffe, Raketen und deren Startsysteme.

Zentrale Instrumente der Rüstungskontrolle im Bereich der schweren konventionellen Waffen sind vertrauens- und sicherheitsbildende Massnahmen (VSBM), Rüstungskontrolle und Abrüstung.

5

Resolution A/RES/61/89: «Towards an arms trade treaty: establishing common international standards for the import, export and transfer of conventional arms».

7989

Das 1992 von der UNO-Generalversammlung geschaffene Register für konventionelle Waffen enthält öffentlich zugängliche Angaben über Bestände, Produktion, Ein- und Ausfuhren dieser sieben Kategorien konventioneller Hauptwaffensysteme.

Die Schweiz hat die Errichtung des UNO-Waffenregisters unterstützt und liefert seit 1993 jährlich alle relevanten Informationen. Ferner engagiert sie sich für die Erweiterung um neue Kategorien und die Universalisierung des Registers. Sie war 2006 Mitglied der entsprechenden Regierungsexpertengruppe.

Die OSZE hat mit den Wiener Dokumenten (1990/92/94/99) ein einzigartiges VSBM-Regime entwickelt. Es umfasst ganz Europa vom Atlantik bis zum Ural sowie die fünf zentralasiatischen Staaten. Das Regime beinhaltet unter anderem den jährlichen Austausch von Informationen über Streitkräfte, schwere konventionelle Waffen, Verteidigungsplanung und militärische Kontakte, Notifikationen von militärischen Aktivitäten, Verifikations- und Konsultationsmechanismen sowie ein Kommunikationsnetzwerk. Die Schweiz setzt sich für die volle und korrekte Umsetzung aller Vereinbarungen im gesamten OSZE-Raum sowie für die Beibehaltung des rüstungskontrollpolitischen Acquis ein.

Um dem Wandel in Europa seit dem Ende des Kalten Krieges Rechnung zu tragen, wurde 1999 der aus dem Jahr 1990 stammende Vertrag über konventionelle Streitkräfte in Europa (KSE) revidiert. Ziel dieses Vertrags ist es, durch Obergrenzen für konventionelle Waffen und Truppenbestände sowie durch konkrete Abrüstungsvorgaben eine hohe Konzentration konventioneller Kräfte zu verhindern. Der Angepasste KSE-Vertrag (AKSE) von 1999 sieht vor, dass alle OSZE-Staaten im Anwendungsgebiet beitreten können. Die Schweiz betrachtet den AKSE-Vertrag als einen wesentlichen Eckpfeiler der europäischen Sicherheit und wird deshalb, sollte der AKSE in Kraft treten, einen möglichen Beitritt in Betracht ziehen.

Die Ratifikation des Vertrags durch die westlichen Staaten wurde jedoch an die Erfüllung der Istanbul-Vereinbarungen 1999 durch Russland (Rückzug russischer Truppenteile aus Abchasien und Transnistrien) gebunden. Russland hat diese Verpflichtungen für erfüllt erklärt, betrachtet die Verknüpfung jedoch als künstlich und führt sie als einen der Gründe für die Suspendierung des KSE-Vertrags per Dezember 2007 an. Da die Suspendierung einen
Informationsverlust für alle Vertragsstaaten bedeutet, wird erwartet, dass die vertrauens- und sicherheitsbildenden Massnahmen des Wiener Dokuments von 1999 an Relevanz gewinnen. Dies wiederum bedeutet, dass den Verifikationsaktivitäten der Schweiz weniger Quoten zur Verfügung stehen würden.

Ein komplementäres Regime zu den VSBM und den Rüstungsbegrenzungs- und Abrüstungsmassnahmen ist der Vertrag über den offenen Himmel (Open-SkiesVertrag), der Beobachtungsflüge mit zertifizierten Trägerflugzeugen und Sensoren (Kameras, Videokameras, Infrarotgeräte, Radar) zulässt. Das Anwendungsgebiet von Vancouver bis Wladiwostok schliesst im Gegensatz zu den anderen VSBMRegimen auch das gesamte Territorium der USA und Russlands ein. Der Vertrag ist am 1. Januar 2002 in Kraft getreten. Die Schweiz kam zur Einschätzung, dass ein Vertragsbeitritt aus sicherheits- und rüstungskontrollpolitischer Sicht wünschbar und mit der Neutralität vereinbar ist. Hingegen wurde festgestellt, dass die finanziellen und personellen Mehraufwendungen nicht im Verhältnis zum sicherheitspolitischen und militärischen Nutzen für die Schweiz stehen und eine entsprechende ReAllokation der Mittel nicht rechtfertigt wäre. In der Tat wurde die Motion Béguelin (06.3794), die einen Beitritt gefordert hatte, 2007 zurückgezogen. Es besteht aller-

7990

dings ein Transitabkommen, das den Open-Skies-Vertragsstaaten den Überflug mit Zwischenlandung in der Schweiz erlaubt.

2.4.3

Kleinwaffen und leichte Waffen

Bei der Thematisierung der schwerwiegenden Auswirkungen des unerlaubten Handels mit leichten Waffen und ihrer missbräuchlichen Verwendung spielt die Schweiz international eine Vorreiterrolle.

Die Schweiz hat insbesondere an der Erarbeitung des UNO-Aktionsprogramms zur Verhütung, Bekämpfung und Beseitigung des unerlaubten Handels mit Kleinwaffen und leichten Waffen unter allen Aspekten teilgenommen, das im Juli 2001 verabschiedet wurde. Dieses Dokument ­ das erste mit globalem Anspruch ­ wurde den UNO-Mitgliedstaaten an einer Konferenz im Juli 2006 in New York unterbreitet.

Leider wurde bei dieser Gelegenheit weder das Programm näher definiert noch die zukünftige Stossrichtung der internationalen Tätigkeit geklärt.

Die Schweiz hat sich, im Einklang mit den Zielen des Aktionsprogramms der Vereinten Nationen, schon seit 1999 für die Markierung aller leichten Waffen eingesetzt, um zu ermöglichen, dass die Herkunft der Waffen eruiert werden kann. Dieses Engagement hat sich bezahlt gemacht: Die Arbeitsgruppe, die mit der Aushandlung des Internationalen Instruments zur raschen und verlässlichen Identifizierung und Rückverfolgung illegaler Kleinwaffen und leichter Waffen beauftragt wurde, stand unter der Leitung der Schweiz. Das Instrument ist von der UNO-Generalversammlung am 8. Dezember 2005 gutgeheissen worden.

Auf regionaler Ebene sind in den letzten Jahren eine Reihe von Übereinkommen entwickelt worden, die zum Teil weitergehende Verpflichtungen und Empfehlungen enthalten als das Aktionsprogramm der Vereinten Nationen. Von besonderer Bedeutung für die Schweiz ist das im November 2000 verabschiedete OSZE-Dokument über Kleinwaffen und leichte Waffen. Ende 2003 konnten acht Best Practice Guides (Leitfäden) zu zentralen Aspekten der Kleinwaffenkontrolle verabschiedet werden, die den Teilnehmerstaaten praxisorientierte Handlungsempfehlungen für den nationalen Vollzug zur Verfügung stellen. Die Schweiz hat in Zusammenarbeit mit Spanien und Grossbritannien einen solchen Praxisleitfaden zu nationalen Verfahren zur Verwaltung und Sicherung von Lagerbeständen verfasst.

2006 hat die Schweiz ein neue Initiative in Angriff genommen, die die Regierungen dafür sensibilisieren soll, wie wichtig die Integration der Prävention und der Bekämpfung von bewaffneter Gewalt in die Entwicklungsprogramme ist. Seit ihrer
Lancierung im Juni 2006 ist die Genfer Erklärung über bewaffnete Gewalt und Entwicklung von 92 Staaten verabschiedet worden. Zu ihrer Umsetzung koordiniert die Schweiz eine kleine Gruppe von Staaten, die sich um die Erfüllung der eingegangenen Verpflichtungen bemühen und eine Methode entwickeln wollen, mit der die von der bewaffneten Gewalt weltweit verursachten Kosten quantifiziert werden können.

Zusätzlich zu ihrem diplomatischen Engagement ist die Schweiz operationell tätig.

Sie hat zum Beispiel im Rahmen des UNO-Aktionsprogramms andere Länder und Regionen bei der Bekämpfung des unerlaubten Handels mit leichten Waffen unterstützt, indem sie den Kleinwaffenfonds des UNO-Entwicklungsprogramms sowie

7991

verschiedene Projekte in den Bereichen Bildung, Aufbau von lokalen Kapazitäten, Einsammeln und Vernichtung von Waffen finanzierte.

Die Schweiz stellt das Knowhow ihrer Spezialistinnen und Spezialisten vor Ort zur Verfügung und engagiert sich in der Ausbildung von qualifiziertem Personal für Inspektionen und Missionen zur Unterstützung der Waffenvernichtung. Die Schweizer Armee hat einen Kurs für Kleinwaffenexperten entwickelt, bei dem 2007 23 Schweizerinnen und Schweizer sowie 31 internationale Expertinnen und Experten aus 13 Nationen ausgebildet wurden. Um den Kreis der Nutzniesser zu erweitern, wurde die Ausbildung an die Militärakademie der NATO in Oberammergau verlagert, wo sie nun jedes Jahr angeboten wird. Die Schweiz hat sich auch am Kleinwaffenaktionsplan des Stabilitätspaktes für Südosteuropa und an wichtigen internationalen Konferenzen und Initiativen beteiligt.

Die Schweiz nutzt zudem ihre Mitgliedschaft im Euro-Atlantischen Partnerschaftsrat und in der Partnerschaft für den Frieden (PfP) der NATO, um die geltenden Verpflichtungen und Normen zu fördern und umzusetzen. So hat sie beispielsweise eine Reihe von Seminaren organisiert, um gewisse Einzelprobleme anzugehen und die Tätigkeit der verschiedenen regionalen Organisationen besser zu koordinieren.

Ferner hat sie konkrete Projekte zur Vernichtung überzähliger Waffenbestände finanziell unterstützt.

Die Schweiz führt ihre Unterstützung für den Small Arms Survey weiter, ein Forschungsprogramm zu Kleinwaffen, das heute internationale Anerkennung geniesst.

Es ist seit 1999 im Institut de Hautes Etudes Internationales et du Développement in Genf angesiedelt. In diesem Zusammenhang finanziert die Schweiz auch eine Studie zur Entwicklung und Anwendung einer Methode, mit der die direkten und indirekten Kosten der bewaffneten Gewalt für die menschliche wie die wirtschaftliche Entwicklung erfasst werden können. Die Studie trägt zur Umsetzung der Ziele der Genfer Erklärung bei.

Schliesslich hat die interdepartementale Arbeitsgruppe zu Fragen im Bereich Kleinwaffen und leichte Waffen für die Schweiz eine internationale Strategie ausgearbeitet, die 2008 publiziert worden ist. Im Anschluss an einen parlamentarischen Vorstoss hat sich die Arbeitsgruppe zudem mit der Frage der Umsetzung und Ratifikation verschiedener internationaler Abkommen im
Bereich der Kleinwaffen befasst. Sie hat dem Bundesrat einen entsprechenden Bericht unterbreitet. Dieser hat die Veröffentlichung des Berichts genehmigt, die Arbeitsgruppe jedoch beauftragt, eine Anhörung der Kantone durchzuführen, namentlich zu den finanziellen Auswirkungen der Unterzeichnung des UNO-Feuerwaffenprotokolls.

2.4.4

Minen, Munition und Explosivstoffe

Im Einklang mit ihrer humanitären Tradition setzt sich die Schweiz seit langem für ein umfassendes Verbot von Personenminen ein. Schon 1999 hat sie ihre gesamten Bestände vernichtet. 1998 hat die Schweiz zudem als einer der ersten Staaten das Übereinkommen über das Verbot des Einsatzes, der Lagerung, der Herstellung und der Weitergabe von Antipersonenminen und über deren Vernichtung (OttawaKonvention) ratifiziert, das ein umfassendes Verbot und die Vernichtung aller Bestände vorsieht. Die Schweiz leistet einen bedeutenden finanziellen Beitrag an die Förderung eines weltweiten Verbots von Personenminen und ihrer Vernichtung und 7992

hat sich als zuverlässiger Partner einen Namen gemacht. 2004 formulierte der Bund erstmals eine Strategie zur Minenbekämpfung, die die Ausrichtung sowie den politischen und operationellen Handlungsrahmen definiert. Für den Zeitraum 2008­2011 ist eine neue Strategie erarbeitet worden.

«Minenbekämpfung» wird in der Schweiz im Sinne der internationalen Definition des Begriffs verstanden und umfasst somit Personenminen, andere Minen und explosive Kampfmittelrückstände. Die neue Strategie des Bundes verfolgt sechs politische und operationelle Ziele: 1. Umsetzung und Universalisierung der OttawaKonvention; 2. Umsetzung und Universalisierung des Protokolls V über explosive Kampfmittelrückstände und des revidierten Protokolls II, beide im Anhang zum Übereinkommen über konventionelle Waffen (CCW); 3. Verstärkung des Schutzes der Zivilbevölkerung vor den humanitären Folgen von Minen und explosiven Kampfmittelrückständen; 4. Säuberung von Minengebieten; 5. Opferhilfe und Prävention; 6. Integration der Minenbekämpfung in die Entwicklungszusammenarbeit.

Die Schweiz ist Mitglied der Mine Action Support Group, die die 26 grössten Geberländer vereint und 2004/2005 von der Schweiz präsidiert worden ist. Der Fokus des Schweizer Engagements bei der Minenräumung liegt dabei auf Südosteuropa, Afrika und dem Mittleren Osten. Auch anderswo wurden jedoch Projekte zur Aufklärung über die Gefahren von Minen und zur Opferhilfe durchgeführt, zum Beispiel in Kolumbien und Afghanistan. Zudem unterstützt die Schweiz Programme der UNO, von betroffenen Staaten und von Nichtregierungsorganisationen, indem sie Material sowie Expertinnen und Experten zur Verfügung stellt.

Einer der wichtigsten Beiträge der Schweiz zum Ottawa-Prozess war 1998 die Gründung des Genfer Zentrums für humanitäre Minenräumung, das seit 2001 das Sekretariat der Ottawa-Konvention führt. Der Bund leistet einen wesentlichen Beitrag an die Betriebskosten dieser regierungsunabhängigen und international anerkannten Stiftung. Ausserdem hat die Schweiz zur Entwicklung eines Informationssystems (Information Management System for Mine Action IMSMA) beigetragen, das die Datenerhebung und ­bearbeitung erleichtert und auf operationeller Ebene die Planung der Programme und die Entscheidungsfindung vor Ort unterstützt.

Im Bereich der konventionellen Munition sind in
den letzten Jahren diverse Initiativen ergriffen worden. Im November 2007 haben die Vertragsstaaten des Übereinkommens über konventionelle Waffen (CCW) ein Verhandlungsmandat für die Bildung einer Regierungsexpertengruppe (GGE) verabschiedet. Diese soll einen Vorschlag ausarbeiten, wie die Frage der humanitären Auswirkungen von Streumunition möglichst rasch angegangen werden kann. Die GGE soll 2008 am Treffen der Vertragsstaaten ihre Erfolgsbilanz präsentieren. Ob und inwieweit im Rahmen dieser Verhandlungen ein Instrument über das Verbot von Streumunition ausgehandelt werden kann, ist noch offen.

Eine weitere Initiative im Bereich der Streumunition hat im Februar 2007 in Oslo ihren Anfang genommen. 46 Staaten, darunter auch die Schweiz, strebten an, bis 2008 einen internationalen Vertrag abzuschliessen über ein Verbot der Herstellung, des Transports, der Lagerung und des Einsatzes von Streumunition, die für die Zivilbevölkerung unannehmbare humanitäre Folgen zeitigt. Der sogenannte OsloProzess hat im Mai 2008 an der diplomatischen Konferenz von Dublin seinen Abschluss gefunden, als sich 111 Staaten, darunter auch die Schweiz, auf ein innovatives und ambitiöses Übereinkommen über ein umfassendes Verbot von Streumunition einigten. Dieses Übereinkommen, dessen Unterzeichnung am 3. Dezember 7993

2008 in Oslo stattfindet, wird sechs Monate nach der Hinterlegung der 30. Ratifikationsurkunde in Kraft treten. Allerdings waren einige der grössten Hersteller und Anwender von Streumunition (z.B. USA, China, Russland, Indien und Pakistan) an diesem Prozess nicht beteiligt.

Das Protokoll V über explosive Kriegsmunitionsrückstände (Explosive Remnants of War) im Anhang zum CCW trat am 12. November 2006 in Kraft. Es sieht insbesondere eine Räumungspflicht für Staaten vor, auf deren Territorium sich explosive Kriegsmunitionsrückstände befinden, und verpflichtet Anwender dieser Munition zur Hilfe bei der Räumung. Es sieht ferner eine Registrationspflicht für die verwendete explosive Munition sowie einen Informationsaustausch zur Erleichterung der Räumung vor. Dieses Protokoll sollte einen wesentlichen Beitrag zum Schutz der Zivilbevölkerung nach dem Ende von Kampfhandlungen leisten. Die Schweiz hat das Protokoll V im Mai 2006 ratifiziert.

2.5

Exportkontrollen

Exportkontrollen sind ein wichtiges Instrument, um die unkontrollierte Verbreitung von Massenvernichtungswaffen und konventionellen Rüstungsgütern zu verhindern.

Die Schweiz kontrolliert den Export sowohl von Rüstungsgütern als auch von sogenannten Dual-Use-Gütern. Letztere werden als «doppelt verwendbare Güter» bezeichnet, weil sie einerseits einen zivilen Verwendungszweck haben, andererseits aber auch zur Herstellung von Massenvernichtungswaffen oder konventionellen Rüstungsgütern eingesetzt werden können. Exportkontrollen sind nur dann wirkungsvoll, wenn sie von allen wichtigen Lieferländern möglichst einheitlich angewendet werden. Aus diesem Grund setzt die Schweiz auf international koordinierte Massnahmen. So ist sie zum Beispiel Mitglied des Chemiewaffenübereinkommens, das Exportkontrollen für Vorläufersubstanzen von Chemiewaffen vorschreibt.

Zusätzlich ist die Schweiz Mitglied aller vier informellen Exportkontrollregime, in denen sich je rund 40 vor allem westliche Industriestaaten zusammengeschlossen haben, um ihre Anstrengungen auf dem Gebiet der Exportkontrolle zu koordinieren.

Es sind dies die Gruppe der Nuklearlieferstaaten (NSG), das RaketentechnologieKontrollregime (MTCR), die Australiengruppe (für biologische und chemische Güter) und die Vereinbarung von Wassenaar, die konventionelle Rüstungsgüter und Güter für deren Produktion kontrolliert.

Allen diesen Regimen ist gemeinsam, dass es sich um völkerrechtlich nicht verbindliche Zusammenschlüsse handelt, die gemeinsam Listen mit kontrollierten Gütern und Standards für die Ausfuhrkontrollen festlegen. Die Umsetzung im Einzelfall liegt im Ermessen, jedoch auch im Interesse der einzelnen Mitgliedstaaten. Würden in der Schweiz keine effektiven Exportkontrollen durchgesetzt, wäre der ungehinderte Zugang zu Spitzentechnologien in Frage gestellt, weil sich die Vertragspartner nicht dem Risiko einer unkontrollierten Weiterverbreitung aussetzen wollen. Auf internationaler Ebene setzt sich die Schweiz insbesondere für eine bessere Harmonisierung und vermehrte Transparenz ein. Aus den entsprechenden Statistiken der Exportkontrollregime lässt sich herauslesen, dass die Schweiz gemessen am Volumen ihres Aussenhandels eine restriktive Exportpolitik betreibt.

7994

2.5.1

Dual-Use-Güter und besondere militärische Güter

Die schweizerische Exportkontrollpolitik im Bereich der Dual-Use-Güter sowie der sogenannten besonderen militärischen Güter sind in der Güterkontrollgesetzgebung geregelt.6 Diese enthält auch eine sogenannte Catch-All-Klausel, die es erlaubt, auch die Ausfuhr nicht kontrollierter Güter an heikle Endempfänger abzulehnen.7 Aufgrund ihrer hochentwickelten, exportorientierten Maschinenindustrie ist die Schweiz eines der bedeutendsten Lieferländer von Dual-Use-Gütern, und vor allem die Maschinenindustrie ist von den Exportkontrollmassnahmen in diesem Bereich betroffen. Im Jahr 2007 belief sich der Wert der vom SECO ausgestellten Ausfuhrbewilligungen für Dual-Use-Güter und besondere militärische Güter auf über 1,04 Milliarden Franken.8 Heikle Fälle und Fälle von grosser Tragweite werden nicht vom SECO allein behandelt, sondern von einer interdepartementalen Exportkontrollgruppe, in der auch das EDA, das VBS, die Oberzolldirektion, das Bundesamt für Energie und die Nachrichtendienste Einsitz haben. Die Unterstützung der Nachrichtendienste ist unabdingbar, um eine eigenständige Exportkontrollpolitik der Schweiz zu gewährleisten. Ablehnungen von Ausfuhranträgen werden den anderen Mitgliedern der Exportkontrollregime mitgeteilt, um sicherzustellen, dass der Verzicht auf eine Lieferung nicht durch ein anderes Mitglied unterlaufen wird.

Der Fokus der Exportkontrolle in der Berichtsperiode lag auf dem Iran und dessen Versuchen, alle technischen Aspekte des nuklearen Brennstoffzyklus zu meistern.

Mit den unter Kapitel VII der UNO-Charta verabschiedeten Sicherheitsratsresolutionen 1737 und 1747 wurden Teile der Kontrolllisten, die die Mitglieder der Exportkontrollregime NSG und MTCR freiwillig unter sich eingeführt hatten, weltweit verbindlich. Diese Resolutionen sehen vor, dass der Export in den Iran von Gütern, die für die Produktion von Nuklearwaffen oder ballistischen Raketen verwendet werden können, gänzlich untersagt oder nur nach strenger Überprüfung bewilligt wird.

2.5.2

Kriegsmaterial

Die schweizerische Exportkontrolle für Kriegsmaterial basiert auf der Kriegsmaterialgesetzgebung.9 Die Behörden genehmigen eine Ausfuhr, wenn dies dem Völkerrecht, den internationalen Verpflichtungen und den Grundsätzen der schweizeri6

7

8

9

Bundesgesetz vom 13. Dezember 1996 über die Kontrolle zivil und militärisch verwendbarer Güter sowie besonderer militärischer Güter (SR 946.202); Verordnung über die Aus-, Ein- und Durchfuhr zivil und militärisch verwendbarer Güter sowie besonderer militärischer Güter (SR 946.202.1).

Zum Beispiel erfolgten zwischen Anfang Oktober 2006 und Ende September 2007 10 von insgesamt 23 Ablehnungen unter der Catch-All-Klausel. Bewilligt wurden in diesem Zeitraum 1889 Gesuche im Gesamtwert von rund 1,3 Milliarden Franken.

Die effektiven Ausfuhren betragen schätzungsweise das Fünffache dieser Summe, weil die Ausfuhren mittels Generalausfuhrbewilligungen davon nicht erfasst werden. Vgl.

auch Kapitel 9.1 des Berichts des Bundesrates zur Aussenwirtschaftspolitik 2007. Die dort vorhandenen Zahlen beziehen sich allerdings auf den Zeitraum zwischen dem 1. Oktober 2006 und dem 30. September 2007.

Bundesgesetz vom 13. Dezember 1996 über das Kriegsmaterial (SR 514.51); Verordnung vom 25. Februar 1998 über das Kriegsmaterial (SR 514.511).

7995

schen Aussenpolitik nicht widerspricht. Dabei ist eine an die Bedürfnisse der schweizerischen Landesverteidigung angepasste industrielle Kapazität aufrecht zu erhalten. Artikel 5 der Kriegsmaterialverordnung (KMV) führt die Kriterien auf, die für Auslandgeschäfte zu berücksichtigten sind.10 Am 27. August 2008 beschloss der Bundesrat eine Präzisierung der in Artikel 5 KMV festgelegten Kriterien für die Erteilung von Ausfuhrbewilligungen für Kriegsmaterial.

Bewilligungen werden vom SECO im Einvernehmen mit dem EDA und allfälligen weiteren Amtsstellen erteilt. Ausfuhrgesuche, über deren Beurteilung sich die Behörden nicht einigen können oder die von erheblicher aussen- oder sicherheitspolitischer Tragweite sind, werden dem Bundesrat zum Entscheid vorgelegt. Die Schweiz verfolgt im Vergleich zu anderen westlichen Staaten eine restriktive Kriegsmaterialexportpolitik. Die Kriegmaterialausfuhren umfassten im Jahr 2007 0,24 % (464 Mio. Franken) der gesamten Exporte der Schweizer Wirtschaft.11

3

Perspektiven der schweizerischen Rüstungskontrollund Abrüstungspolitik

Die Schweiz hat ihre Anstrengungen zur Stärkung des internationalen Rüstungskontroll- und Abrüstungsprozesses in einem schwierigen Umfeld fortgesetzt. Dabei nutzt sie alle ihr offenstehenden Möglichkeiten der Einflussnahme, sowohl auf der multilateralen als auch auf der bilateralen Ebene. Unter der Koordination des EDA werden die personellen, institutionellen und finanziellen Ressourcen in den Departementen für eine breit gefasste Rüstungskontroll- und Abrüstungspolitik eingesetzt.

Allerdings dürften die multilateralen Abrüstungsforen auch in den nächsten Jahren kaum mit signifikanten Fortschritten Schlagzeilen machen. Dies lässt sich einerseits damit erklären, dass Rüstungskontrolle und Abrüstung per definitionem die nationalen Sicherheitsinteressen der meisten Staaten direkt berührt. Dies bedeutet, dass die Verhandlungspositionen oft unflexibel sind, was wiederum die Dynamik der Verhandlungen direkt beeinflusst.

Zudem bestehen substanzielle Differenzen zwischen den verschiedenen Staaten hinsichtlich des Hauptziels der multilateralen Abrüstungsstruktur. Vor allem die USA und ihre Verbündeten sehen den Hauptzweck der multilateralen Gremien in der Nonproliferation, also der Nichtweiterverbreitung von Technologien und Wissen. Andere, vor allem Entwicklungs- und Schwellenländer, argumentieren wiederum, das Ziel müsse eine klare quantitative Abrüstung sein, nicht eine Beschränkung 10

11

Artikel 5 der Verordnung vom 25. Februar 1998 über das Kriegsmaterial (SR 514.511): Bei der Bewilligung von Auslandsgeschäften und des Abschlusses von Verträgen nach Artikel 20 KMG sind zu berücksichtigen: a. die Aufrechterhaltung des Friedens, der internationalen Sicherheit und der regionalen Stabilität; b. die Situation im Innern des Bestimmungslandes, namentlich sind zu berücksichtigen die Respektierung der Menschenrechte und der Verzicht auf Kindersoldaten; c. die Bestrebungen der Schweiz im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit; d. das Verhalten des Bestimmungslandes gegenüber der Staatengemeinschaft, insbesondere hinsichtlich der Einhaltung des Völkerrechts; e. die Haltung der Länder, die sich zusammen mit der Schweiz an internationalen Exportkontrollregimes beteiligen.

Die Gesamtexporte der Schweiz betrugen für das Jahr 2007 197,3 Mrd. Franken (Eidgenössische Zollverwaltung: Aussenhandelsstatistik, 29. Januar 2008).

7996

des Zugangs der «Have Nots» zu hochspezialisierten Technologien. Dieser NordSüd-Gegensatz lähmt die internationalen Verhandlungsforen zunehmend, und vor allem im Bereich der Massenvernichtungswaffen scheinen die Möglichkeiten zum Konsens ausgeschöpft.

Weiter sieht sich der Multilateralismus mit neuen Bedrohungsszenarien, vor allem in der Form von Gewaltakten durch nichtstaatliche Akteure, konfrontiert. Dies bedeutet, dass sich die internationale Abrüstungs- und Rüstungskontrollstruktur, die bisher stark auf Staaten ausgerichtet war, neu orientieren muss, dabei aber an institutionelle und politische Grenzen stösst. Die Frage, inwieweit die bestehenden Regime die Gewalt von nichtstaatlichen Akteuren abdecken sollen oder können, wird zurzeit heftig diskutiert. Auch die aktuellen Konfliktherde, vor allem im Irak, in Afghanistan und in Afrika, haben einen direkten Einfluss auf die multilaterale Sicherheitsund Abrüstungsstruktur. Bilaterale Allianzen und regionale Animositäten definieren nicht nur die nationalen Sicherheitsinteressen eines Landes, sondern mutatis mutandis auch dessen Position in der multilateralen Sicherheitsstruktur. So haben die Differenzen zwischen den USA und Iran, zwischen Indien und Pakistan oder im Nahen Osten direkte Auswirkungen auf die multilateralen Abrüstungsforen.

Vor diesem Hintergrund bemüht sich die Schweiz, ihren Spielraum, der sich durch ihre aussenpolitischen Maximen definiert, optimal auszunutzen. Es lassen sich drei Ziele der Schweiz im Gebiet der internationalen Rüstungskontroll- und Abrüstungspolitik definieren. Erstens tritt die Schweiz für eine institutionelle Stärkung der bestehenden Abkommen ein, sowohl durch ihre Universalisierung als auch durch ihre verbesserte Umsetzung, vor allem im Bereich der Verifikation. Letztere ist aus Sicht der Schweiz ein unumgängliches Element eines funktionstüchtigen internationalen Abkommens. Zweitens hat die Schweiz als Kleinstaat ein starkes Interesse an der Einhaltung und Stärkung des Völkerrechts, weshalb sie weiterhin für rechtlich bindende multilaterale Rüstungskontroll- und Abrüstungsmassnahmen eintritt.

Drittens verfolgt die Schweiz das Ziel, ein Gleichgewicht zwischen den Forderungen nach Nonproliferation und nach Abrüstung in den multilateralen Gremien zu finden, denn nur ein ausgewogener Ansatz wird zu grösserer
internationaler Sicherheit führen.

Für die Glaubwürdigkeit der Rüstungskontroll- und Abrüstungsverträge ist ebenfalls von Bedeutung, dass bestehende Lücken geschlossen werden und dass die Verträge der konstanten Veränderung der internationalen Sicherheitslage angepasst werden.

Die Schweiz unterstützt deshalb auch in Zukunft die Aushandlung von Zusatzprotokollen, zum Beispiel hinsichtlich eines Instruments über negative Sicherheitsgarantien für Nichtkernwaffenstaaten. Im nuklearen Bereich besteht zudem seit 2007 eine Gruppe von Experten und Vertretern der betroffenen Departemente, die beauftragt ist, weitere mögliche Tätigkeitsfelder der Schweiz bezüglich Abrüstung und Nonproliferation zu prüfen.

Auch auf der höchsten multilateralen Ebene, in der UNO-Generalversammlung, setzt sich die Schweiz für Abrüstung und Rüstungskontrolle ein. Im Bereich der Massenvernichtungswaffen hat sie in Zusammenarbeit vier anderen Staaten 2007 eine Resolution eingereicht, die von den Nuklearstaaten verlangt, ihre Arsenale auf eine tiefere Bereitschaftsstufe herabzusetzen. Dies würde die Gefahr eines versehentlichen Nuklearangriffes beträchtlich senken, da bedeutend mehr Zeit zur Verfügung stehen würde, einen eventuellen Fehlalarm als solchen zu erkennen, bevor die automatisierten Reaktionsvorgänge in Kraft gesetzt würden.

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Bei den leichten Waffen wird sich die Schweiz auf politischer Ebene weiterhin für die Verabschiedung von Richtlinien einsetzen, die eine Verringerung der bewaffneten Gewalt und ihrer unheilvollen Auswirkung auf die Entwicklung bezwecken. Die Schweiz will insbesondere die Initiative weiterführen, die mit der Lancierung der Genfer Erklärung über bewaffnete Gewalt und Entwicklung eingeleitet wurde. Sie setzt sich dafür ein, dass die verschiedenen internationalen Foren, insbesondere die UNO, die Bedeutung dieser Problematik erkennen.

Der Bundesrat wird sich nach der Verabschiedung des Übereinkommens über Streumunition in Dublin am 30. Mai 2008 mit den Konsequenzen für die Schweiz befassen und gestützt darauf über eine allfällige rasche Unterzeichnung der Konvention sowie über die Einleitung des Ratifikationsverfahrens entscheiden. Auch im Rahmen des Übereinkommens über konventionelle Waffen (CCW) setzt sich die Schweiz für eine rechtlich verbindliche Regelung der Streumunition, eine Stärkung des humanitären Völkerrechts und einen besseren Schutz der Zivilbevölkerung ein.

An den Verhandlungen im Rahmen des CCW beteiligen sich auch alle der wichtigsten Staaten, die Streumunition herstellen und einsetzen.

Angesichts der Stagnation innerhalb der multilateralen Gremien haben sich in den letzten Jahren trotz Zunahme von innerstaatlichen und regionalen Konflikten regionale Ansätze für die Rüstungskontroll- und Abrüstungspolitik als fruchtbar erwiesen. Auch in Zukunft dürfte eine gewisse Fokussierung auf regionale Kooperation erfolgversprechend sein. Deshalb wird die Schweiz für entsprechende Anstrengungen ihre Expertise weiterhin zur Verfügung stellen und zum Beispiel im Rahmen der UNO, der OSZE oder anderer internationaler Organisationen aktiv bleiben. Auch die Kooperation mit der NATO/PfP im Bereich der Rüstungskontroll- und Abrüstungspolitik soll in den nächsten Jahren weiterbestehen.

Auf nationaler Ebene überprüft die Schweiz fortlaufend die Umsetzung der von ihr eingegangenen internationalen Verpflichtungen. So wurde Ende 2007 detailliert analysiert, wie die Vorgaben der Resolution 1540 des UNO-Sicherheitsrates von der Schweiz gehandhabt werden, und zuhanden der UNO eine Matrix mit den einzelnen in der Schweiz gültigen Bestimmungen erstellt.

Abschliessend ist zu bemerken, dass die Schweiz weiterhin
eine pragmatische Rüstungskontroll- und Abrüstungspolitik verfolgen wird. Pragmatisch bedeutet hier, dass die Schweiz Initiativen befürwortet, die möglichst viele Akteure einbeziehen.

Dies deshalb, weil zahlreiche Regelungen zur Rüstungskontrolle und Abrüstung an Relevanz verlieren, wenn sie von den Grossmächten oder anderen Schlüsselstaaten nicht akzeptiert werden. Zudem ist die Schweiz der Überzeugung, dass eine internationale Abrüstung und Kontrolle der Rüstung nur nachhaltig sein kann, wenn sie von der grossen Mehrzahl der Staaten unterstützt und umgesetzt wird. So wird die Koordination mit anderen Staaten und Staatengemeinschaften weiterhin von grösster Bedeutung sein, damit die Wirksamkeit und Effizienz der schweizerischen Rüstungskontroll- und Abrüstungspolitik sichergestellt wird.

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Anhang A

Übersicht über die schweizerische Rüstungskontroll- und Abrüstungspolitik Hauptbereiche

Unterbereiche

Langfristige Ziele

Zwischenziele

Massenvernichtungswaffen

Kernwaffen

Vollständige, weltweite und überprüfbare Beseitigung

Umsetzung aller bisherigen Versprechen der Kernwaffenstaaten.

Ausarbeitung weiterer konkreter Massnahmen der Abrüstung und Nonproliferation.

Erhaltung und Stärkung des NPT.

Verhandlungen über ein Verbot der Herstellung von Spaltmaterial für Waffenzwecke im Rahmen der Genfer Abrüstungskonferenz.

Baldiges Inkrafttreten des CTBT und unverzüglicher Aufbau der CTBTO. Bis zum Inkrafttreten des CTBT Einhaltung der proklamierten Moratorien durch alle Kernwaffenstaaten.

Stärkung der IAEO-Kontrollen und der Exportkontrollen im Rahmen von NSG und Zangger-Komitee.

Chemische Waffen

Universelles und verifizierbares Verbot; Vernichtung aller Chemiewaffenbestände

Beitritt aller Staaten zum CWÜ.

Vollständiger und wirksamer Vollzug des CWÜ durch eine unabhängige, kompetente und effiziente OPCW.

Fristgemässe Beseitigung der vorhandenen Bestände und Demontierung oder Konversion der Produktionsanlagen.

Stärkung der Exportkontrollen im Rahmen der Australiengruppe.

Biologische Waffen

Universelles und verifizierbares Verbot

Beitritt aller Staaten zum BWÜ.

Verbesserung der Vertrauensbildenden Massnahmen.

Verabschiedung geeigneter nationaler Gesetze über Biosicherheit durch alle BWÜ-Vertragsstaaten.

Intensivierung der internationalen Zusammenarbeit im Hinblick auf die Bewältigung biologischer Unfälle.

Stärkung der Exportkontrollen im Rahmen der Australiengruppe.

Raketen-Proliferation

Nichtverbreitung von Raketen als militärische Trägersysteme

Unterstützung von Bestrebungen zur Schaffung völkerrechtlich bindender und nichtdiskriminierender Normen, die das Ziel der Nonproliferation von Raketen verfolgen.

Erhaltung des Rechts auf friedliche Nutzung der Raketentechnologie für die Raumfahrt.

Harmonisierung und Stärkung der Exportkontrollen im Rahmen des informellen Raketentechnologie-Kontrollregimes (MTCR).

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Hauptbereiche

Unterbereiche

Langfristige Ziele

Zwischenziele

Konventionelle Waffen

Allgemein

Sicherheit und Stabilität auf möglichst tiefem Rüstungsniveau; Schaffung eines weltweiten verbindlichen Waffenhandelsvertrages

Aktive Interessenwahrung im Rahmen der Regierungsexpertengruppe zum Waffenhandelsvertrag.

Ausbau und weitere Verfeinerung der VSBM.

Verifikationskooperation und Implementierungshilfe im Ausland.

Allfällige Beurteilung eines Beitritts zum angepassten KSE-Vertrag.

Verbesserung der Transparenz von Waffentransfers im Rahmen des UNOWaffenregisters und der Vereinbarung von Wassenaar.

Kleinwaffen

Bekämpfung illegalen Handels und Missbrauchs von Kleinwaffen; Vernichtung von Überbeständen

Mitwirkung bei allen internationalen Anstrengungen, die den langfristigen Zielen dienen; sowohl im Rahmen von UNO, OSZE und PfP wie auch im neuen Rahmen des Netzwerks «Menschliche Sicherheit».

Konsolidierung und Kompetenzerweiterung des Pools von Experten zur Beurteilung der Lagerverwaltung, Sicherheit und Vernichtungsmethoden von identifizierten Überbeständen von Kleinwaffen und Munition. Kapazitätsaufbau im Ausland.

Minen und Munition

Durchsetzung des Verbots von Personenminen

Beitritt aller Staaten zur OttawaKonvention von 1997.

Personelle und finanzielle Unterstützung der humanitären Minenräumung.

Beurteilung des Beitritts der Schweiz zum neuen Abkommen von Dublin über Streumunition, unter Einhaltung des üblichen Verfahrens für die Ratifikation völkerrechtlicher Verträge.

Dual-UseGüter

Wirksame, wirtschaftsverträgliche und verifizierbare Exportkontrollen; Präferenz für rechtlich verbindliche, universelle Instrumente

Diskriminierungsfreier Marktzugang für Schweizer Unternehmen.

Vermehrte Transparenz bezüglich genehmigter Transfers in kritische Länder.

Verbesserte Koordination unter den Exportkontrollregimen.

Konzentration der Exportkontrollen auf kritische, schwer zu beschaffende Güter.

Exportkontrollen

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Anhang B

Ausgewählte nationale und internationale Dokumente zur Rüstungskontroll- und Abrüstungspolitik Botschaften: ­

Botschaft von 17. August 2005 betreffend das Protokoll vom 28. November 2003 über explosive Kriegsmunitionsrückstände (Protokoll V) zum Übereinkommen vom 10. Oktober 1980 über das Verbot oder die Beschränkung des Einsatzes bestimmter konventioneller Waffen, die übermässige Leiden verursachen oder unterschiedslos wirken können (BBl 2005 5579)

­

Botschaft vom 11. Januar 2006 zur Änderung des Bundesgesetzes über Waffen, Waffenzubehör und Munition (Waffengesetz, WG) (BBl 2006 2713)

Gesetzliche Grundlagen: ­

Bundesgesetz vom 13. Dezember 1996 über das Kriegsmaterial (Kriegsmaterialgesetz, KMG) (Stand am 1. Mai 2007), SR 514.51

­

Verordnung vom 25. Februar 1998 über das Kriegsmaterial (Kriegsmaterialverordnung, KMV) (Stand am 1. Januar 2008), SR 514.511

­

Bundesgesetz vom 20. Juni 1997 über Waffen, Waffenzubehör und Munition (Waffengesetz, WG) (Stand am 1. Mai 2007), SR 514.54

­

Verordnung vom 21. September 1998 über Waffen, Waffenzubehör und Munition (Waffenverordnung, WV) (Stand am 1. Mai 2007), SR 514.541

­

Bundesgesetz vom 21. März 2003 über die Unterstützung der Abrüstung und Nonproliferation von Chemiewaffen (Stand am 22. Juli 2003), SR 515.08

­

Bundesgesetz vom 13. Dezember 1996 über die Kontrolle zivil und militärisch verwendbarer Güter sowie besonderer militärischer Güter (Güterkontrollgesetz, GKG) (Stand am 1. Mai 2007), SR 946.202

­

Verordnung vom 25. Juni 1997 über die Kontrolle zivil und militärisch verwendbarer Güter sowie besonderer militärischer Güter (Güterkontrollverordnung, GKV) (Stand am 1. Mai 2007), SR 946.202.1

­

Verordnung vom 17. Oktober 2007 über die Kontrolle von Chemikalien mit ziviler und militärischer Verwendungsmöglichkeiten (Chemikalienkontrollverordnung, ChKV) (Stand am 1. Januar 2008), SR 946.202.21

Internationale Abkommen, die die Schweiz ratifiziert hat: Massenvernichtungswaffen ­

Vertrag vom 1. Juli 1968 über die Nichtverbreitung von Kernwaffen (NPT), SR 0.515.03

­

Übereinkommen vom 10. April 1972 über das Verbot der Entwicklung, Herstellung und Lagerung bakteriologischer (biologischer) Waffen und von Toxinwaffen sowie über die Vernichtung solcher Waffen (BWÜ), SR 0.515.07

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­

Übereinkommen vom 13. Januar 1993 über das Verbot der Entwicklung, Herstellung, Lagerung und des Einsatzes chemischer Waffen und über die Vernichtung solcher Waffen (CWÜ), SR 0.515.08

­

Umfassender Teststoppvertrag (CTBT) vom 10. September 1996 (ist noch nicht in Kraft)

Konventionelle Waffen ­

Übereinkommen vom 10. Oktober 1980 über die Beschränkung des Einsatzes bestimmter konventioneller Waffen, die übermäßiges Leiden verursachen oder unterschiedslos wirken können (CCW), SR 0.515.091 (inkl.

Zusatzprotokolle) ­ Protokoll I über nichtentdeckbare Splitter ­ Protokoll II über Minen, Sprengfallen und andere Vorrichtungen ­ Protokoll III über Brandwaffen ­ Protokoll IV über blindmachende Laserwaffen ­ Protokoll V über explosive Kampfmittelrückstände

­

Übereinkommen vom 18. September 1997 über das Verbot des Einsatzes, der Lagerung, der Herstellung und der Weitergabe von Antipersonenminen und über deren Vernichtung (Ottawa-Konvention), SR 0.515.092

Weitere internationale oder regionale Instrumente, an denen sich die Schweiz beteiligt: ­

Gruppe der Nuklearlieferstaaten (NSG), seit 1976

­

Australiengruppe (AG), seit 1985

­

UNO-Register über konventionelle Waffen vom 6. Dezember 1991

­

Raketentechnologie-Kontrollregime (MTCR), seit 1992

­

OSZE-Prinzipien zur Regelung des Transfers konventioneller Waffen vom 25. November 1993

­

Vereinbarung von Wassenaar, seit 1996

­

Wiener Dokument 1999 der OSZE der Verhandlungen über vertrauens- und sicherheitsbildende Massnahmen vom 16. November 1999

­

OSZE-Dokument über Kleinwaffen und leichte Waffen vom 24. November 2000

­

UNO-Protokoll zur Bekämpfung der illegalen Herstellung von und des Handels mit Schusswaffen vom 8. Juni 2001

­

UNO-Aktionsprogramm zur Verhütung, Bekämpfung und Beseitigung des unerlaubten Handels mit Kleinwaffen und leichten Waffen unter allen Aspekten vom 20. Juli 2001

­

OSZE-Dokument über Lagerbestände konventioneller Munition vom 19. November 2003

­

UNO Internationales Instrument zur raschen und verlässlichen Identifizierung und Rückverfolgung illegaler Kleinwaffen und leichter Waffen vom 8. Dezember 2005

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