zu 07.404 Parlamentarische Initiative Übertragung der Aufgaben der zivilen Nachrichtendienste an ein Departement Bericht vom 29. Februar 2008 der Geschäftsprüfungskommission des Ständerats Stellungnahme des Bundesrates vom 23. April 2008

Sehr geehrter Herr Kommissionspräsident Sehr geehrte Damen und Herren Zum Bericht vom 29. Februar 2008 der Geschäftsprüfungskommission des Ständerats betreffend Übertragung der Aufgaben der zivilen Nachrichtendienste an ein Departement nehmen wir nach Artikel 112 Absatz 3 des Parlamentsgesetzes (ParlG) nachfolgend Stellung.

Wir versichern Sie, sehr geehrter Herr Kommissionspräsident, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

23. April 2008

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Der Bundespräsident: Pascal Couchepin Die Bundeskanzlerin: Corina Casanova

2008-0853

4035

Stellungnahme 1

Ausgangslage

Am 13. März 2007 reichte der Präsident der Geschäftsprüfungsdelegation der eidgenössischen Räte (GPDel), Ständerat Hans Hofmann, eine parlamentarische Initiative mit dem Titel «Übertragung der Aufgaben der zivilen Nachrichtendienste an ein Departement» ein. Die Geschäftsprüfungskommission des Ständerats (GPK-S) beschloss am 15. Juni 2007, dieser Initiative Folge zu geben. Die Geschäftsprüfungskommission des Nationalrats stimmte diesem Beschluss am 6. Juli 2007 zu.

Die GPDel wurde daraufhin von der GPK-S beauftragt, einen Gesetzesentwurf auszuarbeiten. Am 29. Februar 2008 verabschiedete die GPK-S den Bericht zum Entwurf eines Bundesgesetzes über die Zuständigkeiten im Bereich des zivilen Nachrichtendienstes (ZNDG). Gleichzeitig wurde der Bundesrat zur Stellungnahme eingeladen.

Ziel der parlamentarischen Initiative ist es, die organisatorische Unterstellung der zivilen Nachrichtendienste unter dem gleichen Departement sowie die Zuständigkeiten und die Prinzipien ihrer Zusammenarbeit in Form eines Bundesgesetzes zu regeln. Dafür sollen die für den Strategischen Nachrichtendienst (SND) massgebenden gesetzlichen Grundlagen aus dem Militärgesetz vom 3. Februar 19951 (MG) herausgelöst und teilweise an das Bundesgesetz vom 21. März 19972 über Massnahmen zur Wahrung der inneren Sicherheit (BWIS) angepasst werden. Die Bestimmungen in Artikel 99 MG sollen sich in Zukunft nur noch auf die Nachrichtendienste der Armee beziehen. Das BWIS soll so angepasst werden, dass die dort umschriebenen nachrichtendienstlichen Aufgaben nicht zwingend von einem Bundesamt (Bundesamt für Polizei) wahrgenommen werden müssen. Diese Änderungen würden ermöglichen, sowohl den SND einem anderen Departement zu unterstellen als auch den Dienst für Analyse und Prävention (DAP) aus dem Bundesamt für Polizei herauszulösen und einem anderen Departement zu unterstellen.

Im Wesentlichen sieht das vorgeschlagene Gesetz vor, dass der Bundesrat die Dienststellen mit Aufgaben des zivilen Nachrichtendienstes bezeichnet, diese dem gleichen Departement unterstellt und deren Zusammenarbeit ­ insbesondere den Informationsaustausch, die gegenseitige Weiterleitung von Informationen ausländischer Partnerdienste und die einheitliche Handhabung des Quellenschutzes ­ verbindlich regelt. Der Bundesrat soll jedoch entscheiden können, in welchem Departement die Nachrichtendienste angesiedelt werden sollen.

2

Stellungnahme des Bundesrates

2.1

Hintergrund

Die Zusammenarbeit von SND und DAP wurde in den letzten Jahren mehrmals überprüft und angepasst. Im Juni 2005 beschloss der Bundesrat verschiedene Massnahmen zur Verbesserung der Zusammenarbeit und Koordination zwischen den 1 2

SR 510.10 SR 120

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Nachrichtendiensten. Im Wesentlichen hob er die Funktion des Nachrichtenkoordinators auf und beschloss gleichzeitig die Einrichtung von drei Plattformen zu Terrorismus, Verbreitung von Massenvernichtungswaffen und organisierter Kriminalität.

Dieser Zusammenarbeitsmechanismus wurde auf Ende 2006 überprüft.

Gestützt auf die Ergebnisse dieser Überprüfung verabschiedete der Bundesrat im Januar 2007 mehrere Geschäfte, die sich auf die Zusammenarbeit zwischen SND und DAP, die Schaffung von gemeinsamen Gesetzesgrundlagen (Bericht in Erfüllung der in einen Prüfungsauftrag abgeänderten Motion 05.3001 der SiK-N) und die Führung der Nachrichtendienste durch die Stufe Bundesrat und Departement bezogen. Er verabschiedete auch Grundsätze der Politik des Bundesrates für die Nachrichtendienste der Schweiz3. Zusammenfassend hielt der Bundesrat fest, dass das Kooperationsmodell zwischen den Nachrichtendiensten grundsätzlich weitergeführt werden sollte. SND und DAP sollten ihre unterschiedlichen Ausrichtungen und spezifischen Aufgaben bewahren und grundsätzlich organisatorisch getrennt bleiben, aber in Überschneidungsbereichen miteinander eng zusammenarbeiten. Der Bundesrat stellte aber gleichzeitig fest, dass die Zusammenarbeit trotz bisheriger Bestrebungen nicht optimal laufe und bestehende Probleme, vor allem in der gegenseitigen Weiterleitung von Informationen, geklärt und gelöst werden müssen. Weiteren Handlungsbedarf identifizierte er in der Führung und Kontrolle der Dienste auf den Stufen Departement und Bundesrat. Er legte die Zuständigkeiten für verschiedene nachrichtendienstbezogene Geschäfte fest, übertrug sie teilweise dem Bundesrat und sah vor, dass die Chefs des VBS und des EJPD die Zusammenarbeit enger beaufsichtigen und sich bei den Geschäften absprechen, wo Überschneidungen und Abstimmungsbedarf bestehen.

Im Rahmen der Reform der departementalen Gliederung beauftragte der Bundesrat am 23. Mai 2007 die betroffenen Departemente, die Zuteilung der Bereiche Bildung und Forschung, Sicherheit sowie Aussenwirtschaft und Entwicklungszusammenarbeit zu überprüfen. Unter anderem beauftragte er das VBS und das EJPD, gegebenenfalls unter Einbezug des EFD, bis zum Frühjahr 2008 Lösungsvorschläge betreffend die Schaffung eines Sicherheitsdepartements zu finden. Damit wird angestrebt, Sicherheitsmittel des Bundes
möglichst in einem Departement zu vereinen, darunter auch die zivilen Nachrichtendienste. Entsprechend beantragte der Bundesrat gegenüber dem Parlament am 8. Juni 2007 auch die grundsätzliche Annahme der Motion der SiK-SR zur Schaffung eines Sicherheitsdepartements (07.3278).

2.2

Zustimmung zum Hauptanliegen des Gesetzesentwurfs

Der Bundesrat teilt das der parlamentarischen Initiative zugrunde liegende Anliegen, dass SND und DAP wirksam zusammenarbeiten müssen, das heisst insbesondere sich alle Informationen gegenseitig zugänglich machen müssen, die sie für die Erfüllung ihrer jeweiligen gesetzlichen Aufgaben benötigen. Der Bundesrat teilt weiter die Auffassung, dass diese Zusammenarbeit unter den Diensten eindeutig und verbindlich geregelt werden soll. Dazu gehören eine einheitliche Anwendung des Quellenschutzes durch beide Dienste wie auch eine klare Regelung der Weiterleitung von Informationen ausländischer Partnerdienste.

3

BBl 2007 1489 ff.

4037

Was die Unterstellung der zivilen Nachrichtendienste unter einem Departement anbelangt (Art. 1 und 2 des Gesetzesentwurfs), hält der Bundesrat Folgendes fest: Zusätzlich zur im BWIS verankerten Kernfunktion des zivilen Nachrichtendienstes werden im DAP als Hauptabteilung des Bundesamtes für Polizei auch kriminal- und verwaltungspolizeiliche Aufgaben wahrgenommen, die sich auf andere spezialgesetzliche Rechtsgrundlagen stützen, insbesondere auf das Bundesgesetz vom 7. Oktober 19944 über die kriminalpolizeilichen Zentralstellen des Bundes (ZentG).

Der Bundesrat hält fest, dass diese übrigen Aufgabenbereiche des DAP weder Gegenstand der Initiative Hofmann noch des Gesetzesentwurfes sind, der in Artikel 1 Buchstabe b ausschliesslich die im BWIS verankerte nachrichtendienstliche Aufgabe anspricht. Wenn in den nachfolgenden Ausführungen vom DAP die Rede ist, sind darunter ausschliesslich die mit nachrichtendienstlichen Aufgaben betrauten Teile des DAP zu verstehen. Zudem hält der Bundesrat fest, dass bei einer allfälligen Herauslösung des SND aus dem VBS die Nachrichtendienste der Armee davon nicht betroffen wären.

Im Januar 2007 äusserte sich der Bundesrat im Zusammenhang mit nachrichtendienstbezogenen Geschäften dahingehend, dass der SND und der DAP grundsätzlich ihre jeweiligen Ausrichtungen und Aufgaben bewahren und organisatorisch getrennt bleiben sollen. Der Gesetzesvorschlag würde es erlauben, die zivilen Nachrichtendienste nach wie vor getrennt zu halten, auch wenn sie im gleichen Departement sind.

Der Bundesrat ist daran, aufgrund seines Beschlusses vom 23. Mai 2007 die departementale Gliederung zu überprüfen, und der Bereich Sicherheit ist Teil davon.

Gemäss Artikel 43 Absatz 3 des Regierungs- und Verwaltungsorganisationsgesetzes vom 21. März 19975 (RVOG) teilt der Bundesrat die Ämter den Departementen gemäss den Kriterien der Führbarkeit, des Zusammenhangs der Aufgaben sowie der sachlichen und politischen Ausgewogenheit zu. Die Auswirkungen der Unterstellung der zivilen Nachrichtendienste unter einem Departement müssen im Lichte dieser Kriterien bei Entscheiden des Bundesrates zur departementalen Neugliederung berücksichtigt werden.

Schliesslich hält der Bunderat fest, dass die Zuteilung von Ämtern an die Departemente grundsätzlich in seine Organisationskompetenz gehört (Art. 8 Abs. 1 i.V.m.
mit Artikel 43 Absätze 2 und 3 RVOG. Vorbehalten bleibt die ausdrückliche Einschränkung dieser Organisationskompetenz des Bundesrates durch das Parlament (Artikel 8 Absatz 1 zweiter Satz zweiter Teilsatz RVOG), beispielsweise durch ein Bundesgesetz. Eine solche Einschränkung sollte indessen durch grundlegende Überlegungen eingehend begründet sein. Aus dem Bericht der GPK-S und aus den Erläuterungen zum Gesetzesentwurf ist jedoch keine solche Begründung zu entnehmen.

Trotz diesen Überlegungen befürwortet der Bundesrat die Unterstellung der zivilen Nachrichtendienste unter einem Departement, dies aus folgenden Gründen: Die Führung und Kontrolle durch das Departement dürfte sich vereinfachen, weil departementsübergreifende Koordinationsmechanismen wegfallen. Zudem dürfte die Unterstellung unter dem gleichen Departement erlauben, die politische Verantwortung besser zuzuordnen, die Tätigkeiten beider Nachrichtendienste innerhalb ihrer gesetzlichen Aufgaben besser aufeinander abzustimmen und Fragen im Rahmen 4 5

SR 360 SR 172.010

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rechtlicher Vorgaben rascher zu klären. Zu berücksichtigen ist aber auch, dass die Unterstellung beider Nachrichtendienste unter einem Departement neue Schnittstellen verursachen wird.

Somit stimmt der Bundesrat dem Hauptanliegen des Gesetzesentwurfs zu.

Das vorgeschlagene Gesetz ist aus Sicht des Bundesrates ­ unter Vorbehalt einiger Anpassungen (siehe Ziff. 2.3) ­ grundsätzlich ein mögliches Mittel, um die Zusammenarbeit der zivilen Nachrichtendienste zu regeln, die Bestimmungen für beide Nachrichtendienste zu harmonisieren und deren politische Führung zu stärken.

Auch spricht aus Sicht des Bundesrates nichts dagegen, die gesetzlichen Grundlagen für den Auslandsnachrichtendienst aus dem MG herauszulösen. Er ist allerdings der Auffassung, dass ein spezielles Zuständigkeitsgesetz wie das vorgeschlagene ZNDG nicht das einzig mögliche Mittel zur Harmonisierung von Bestimmungen und zur verbesserten Zusammenarbeit zwischen den zivilen Nachrichtendiensten ist. Eine andere Möglichkeit wäre, die Gesetzesbestimmungen für den Auslandsnachrichtendienst in das BWIS zu integrieren, was auch eine Koordination der Regelungen für beide Nachrichtendienste ermöglichen würde. Das würde allerdings eine tiefgreifende Revision des BWIS voraussetzen und hätte die Änderung seiner Bezeichnung und seines Charakters zur Folge.

2.3

Koordinationsprobleme mit anderen Gesetzesvorlagen, Anpassungsvorschläge zum ZNDG und zu Änderungen bisherigen Rechts

Der Entwurf des ZNDG schafft erhebliche materielle und gesetzestechnische Abstimmungsprobleme mit der Vorlage BWIS II, die im laufenden Jahr im Parlament behandelt werden soll.

Es ist unerlässlich, dass die Vorlagen gemäss den Resultaten der parlamentarischen Beratungen und unter Berücksichtigung der gegenseitigen Auswirkungen sorgfältig aufeinander abgestimmt werden. Dies würde vereinfacht, wenn die Gesetzesvorlagen nach einander im Parlament behandelt würden, und zwar so, dass die Beratung der zweiten Vorlage erst nach Abschluss der Beratungen der ersten Vorlage beginnen würde. Der Bundesrat könnte dann seine Stellungnahme je nach Ergebnissen der Beratungen ergänzen, um Koordinationsprobleme zu eliminieren und die rechtliche Kohärenz sicherzustellen.

Die Schwierigkeiten sind im Wesentlichen darin begründet, dass gemäss ZNDG der Auslandsnachrichtendienst aus dem Geltungsbereich des MG herausgelöst werden soll, aber die Vorlage BWIS II Änderungen im MG vorsieht, die sich auf den SND beziehen. Diese Änderungen sind durch die Entwicklung der Rechtsprechung begründet und zielen auf eine Harmonisierung von Bestimmungen für beide Nachrichtendienste, unter anderem im Datenschutz. Aus Sicht des Bundesrates berücksichtigt das ZNDG diese Änderungen nicht ausreichend. Es muss sichergestellt werden, dass die Bestimmungen aus der Vorlage BWIS II, die eine Harmonisierung von Regelungen für den SND und den DAP zum Ziel haben6, nicht wegen des ZNDG verloren gehen.

6

BBl 2007 5037 5115 ff.

4039

Nachfolgend werden einige Anpassungsvorschläge gemacht, wie einzelne Bestimmungen aus der Vorlage BWIS II in das ZNDG integriert werden können, um das Entstehen von Lücken zu vermeiden. Ausserdem werden einige Anpassungen in der Formulierung der Aufträge des Auslandsnachrichtendienstes im ZNDG und des Nachrichtendienstes der Armee in Artikel 99 MG vorgeschlagen.

2.3.1

Artikel 1 ZNDG: Aufgaben des zivilen Nachrichtendienstes

Art. 1 Bst. a ZNDG lautet: Der Bundesrat bezeichnet die Dienststellen des Bundes, welche die Aufgaben des zivilen Nachrichtendienstes des Bundes erfüllen. Diese Dienststellen: a.

beschaffen sicherheitspolitisch bedeutsame Informationen über das Ausland und werten sie zuhanden der Departemente und des Bundesrates aus;

Das ZNDG sieht vor, dass der Auslandsnachrichtendienst aus dem Bereich des MG herausgelöst und dem ZNDG unterstellt wird. Artikel 1 Buchstabe 1 ZNDG entspricht im Wesentlichen der bisherigen Formulierung in Artikel 99 Absatz 1 MG und bezieht sich ebenfalls auf «sicherheitspolitisch bedeutsame Informationen».

Bisher war diese Formulierung im Kontext von Artikel 1 MG zu sehen (Aufträge der Armee) und stellte eine ausreichende Gesetzesgrundlage dar. Fällt dieser Kontext weg, sollte der gesetzliche Auftrag des SND präziser umschrieben werden. Die Formulierung muss dem verfassungsrechtlichen Grundsatz der Gesetzmässigkeit (vgl. Artikel 164 Absatz 1 Buchstaben b und e der Bundesverfassung) entsprechen und der von der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte geforderten Vorhersehbarkeit solcher staatlicher Eingriffe im Rahmen des Möglichen Rechnung tragen. Der Bundesrat kann zum aktuellen Zeitpunkt aufgrund der kurzen Vernehmlassungsfrist keinen bereinigten Vorschlag unterbreiten, weist aber darauf hin, dass Artikel 1 Buchstabe a ZNDG präziser formuliert werden sollte.

Die materielle Grundlage dazu existiert bereits in dem vom Bundesrat beschlossenen Grundauftrag des SND.

2.3.2

Artikel 3 Absatz 3 ZNDG: Zusammenarbeit und Informationsaustausch der Dienststellen des Nachrichtendienstes

Art. 3 Abs. 3 ZNDG lautet: Der militärische Nachrichtendienst ist gegenüber den Dienststellen des zivilen Nachrichtendienstes zur Auskunft verpflichtet und erstattet ihnen unaufgefordert Meldung, wenn er konkrete Gefährdungen der inneren und äusseren Sicherheit feststellt.

3

Der Bundesrat schlägt vor, diese Bestimmung wie folgt zu formulieren: Der Nachrichtendienst der Armee ist gegenüber den Dienststellen des zivilen Nachrichtendienstes zur Auskunft verpflichtet. Er leitet ihnen unaufgefordert Informationen weiter, die sie für ihre Aufgabenerfüllung benötigen, und erstattet ihnen

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unaufgefordert Meldung, wenn er konkrete Gefährdungen der inneren und äusseren Sicherheit feststellt.

Begründung: Es sollte vom Nachrichtendienst der Armee gesprochen werden, weil Artikel 99 MG die Grundlage für die nachrichtendienstlichen Tätigkeiten der ganzen Armee bilden soll (vgl. Ziff. 2.3.7). Der Nachrichtendienst der Armee soll nicht nur konkrete Gefährdungen der inneren und äusseren Sicherheit den Dienststellen des zivilen Nachrichtendienstes unaufgefordert melden, sondern diesen alle ihm verfügbaren Informationen weiterleiten, welche die gesetzlichen Aufgabenbereiche des zivilen Nachrichtendienstes betreffen.

2.3.3

Artikel 5 Absatz 1 ZNDG: Bearbeitung von Personendaten, die gestützt auf Artikel 1 Buchstabe a beschafft wurden

Art. 5 Abs. 1 ZNDG lautet: Die Dienststellen des zivilen Nachrichtendienstes sind befugt, Personendaten zu bearbeiten, die sie gestützt auf Artikel 1 Buchstabe a beschafft haben, einschliesslich besonders schützenswerte Personendaten und Persönlichkeitsprofile. Die Bearbeitung darf gegebenenfalls ohne Wissen der betroffenen Personen erfolgen, soweit und solange es die Aufgaben des zivilen Nachrichtendienstes erfordern.

1

Artikel 5 Absatz 1 ZNDG sollte wie folgt formuliert werden und um einen Absatz 1bis ergänzt werden: Die Dienststellen des zivilen Nachrichtendienstes sind befugt, gegebenenfalls ohne Wissen der betroffenen Personen, Personendaten zu bearbeiten, die sie gestützt auf Artikel 1 Buchstabe a beschafft haben, wenn und solange es ihre Aufgaben erfordern. Sie bewerten die Daten nach Richtigkeit und Erheblichkeit. Sie vernichten unrichtige oder nicht notwendige Informationen; sind die Informationen von andern Sicherheitsorganen gemeldet worden, so werden diese informiert. Die Dienststellen des zivilen Nachrichtendienstes dürfen im Einzelfall Personendaten in Abweichung von den datenschutzrechtlichen Bestimmungen ins Ausland weitergeben.

1

1bis Sie dürfen besonders schützenswerte Personendaten und Persönlichkeitsprofile bearbeiten:

a.

zum Schutz ihrer Mitarbeiter, Standorte, Infrastruktur und Quellen vor sicherheitsgefährdenden oder geheimdienstlichen Tätigkeiten;

b.

für die Überprüfung der für die Aufgabenerfüllung notwendigen Nachrichtenzugänge;

c.

bei Vorgängen im Ausland, die von sicherheitspolitischer Bedeutung für die Eidgenossenschaft sind.

Begründung: Im Rahmen der Vorlage BWIS II ist vorgesehen, Artikel 99 Absatz 2 MG den Anforderungen des Datenschutzes anzupassen, insbesondere hinsichtlich der Bearbeitung von besonders schützenwerten Personendaten oder von Persönlichkeitsprofilen7. Dadurch sollen die für den DAP und den SND anwendbaren Rege7

BBl 2007 5116

4041

lungen harmonisiert werden. Die angepasste Formulierung von Artikel 5 Absatz 1 ZNDG, wie der Bundesrat sie vorschlägt, würde die in der Vorlage BWIS II vorgesehenen Bestimmungen von Artikel 99 Absatz 2 MG8 zum Datenschutz in das ZNDG integrieren. Entsprechend kann auch Artikel 5 Absatz 3 ZNDG gestrichen werden, weil diese Bestimmung neu in Artikel 5 Absatz 1 ZNDG aufgenommen würde.

2.3.4

Artikel 6a (neu) ZNDG: Funkaufklärung zu Zwecken des Auslandsnachrichtendienstes

Im Rahmen der Vorlage BWIS II ist vorgesehen, die Auftragsstellung durch den SND an die elektronische Funkaufklärung formellgesetzlich in Artikel 99 MG zu verankern9. Artikel 99 MG war bis anhin die massgebende Rechtsgrundlage für den SND. Da künftig der Auslandsnachrichtendienst aus dem Geltungsbereich des MG herausgelöst werden und sich nur noch auf das ZNDG abstützen soll, erscheint die Schaffung einer formell-gesetzlichen Grundlage für die Funkaufklärung in diesem Gesetz nötig.

Der Bundesrat schlägt vor, folgenden Artikel in das ZNDG einzufügen: Art. 6a (neu)

Funkaufklärung zu Zwecken des Auslandsnachrichtendienstes

Die Dienststelle, die die Aufgaben nach Artikel 1 Buchstabe a erfüllt, kann elektromagnetische Ausstrahlungen von technischen Anlagen oder Telekommunikationssystemen, die ihren Ursprung im Ausland haben, erfassen und auswerten (Funkaufklärung).

1

Zu diesem Zweck kann sie mit anderen Verwaltungseinheiten des Bundes und der Kantone zusammenarbeiten oder ihnen Aufträge erteilen.

2

Die Rechtmässigkeit der Funkaufklärung wird von der unabhängigen Kontrollinstanz nach Artikel 6b überwacht.

3

Der Bundesrat regelt die Tätigkeiten, die Organisation und das Verfahren der Funkaufklärung im Einzelnen.

4

Begründung: Durch diese Ergänzung wird vermieden, dass durch die Herauslösung des Auslandsnachrichtendienstes aus dem Geltungsbereich des MG bei der gesetzlichen Regelung der Funkaufklärung eine Lücke entsteht. Artikel 6a soll die notwendige Gesetzesgrundlage schaffen und orientiert sich dabei inhaltlich an Artikel 14a der Vorlage BWIS II (Funkaufklärung).

Im Weiteren sollten die in der Vorlage BWIS II vorgesehenen Bestimmungen über die Funkaufklärung (Art. 99 Abs. 1 2. Satz und Abs. 1bis MG) daraufhin überprüft werden, ob sie den neu formulierten Aufgaben des Nachrichtendienstes der Armee gemäss Vorschlag des Bundesrates (siehe Ziff. 2.3.7) noch entsprechen.

8 9

BBl 2007 5153 BBl 2007 5153

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2.3.5

Artikel 6b (neu) ZNDG: Unabhängige Kontrollinstanz (UKI)

Im Rahmen der Vorlage BWIS II ist vorgesehen, die unabhängige Kontrollinstanz für die Funkaufklärung (UKI), welche die Funkaufklärungsaufträge der Nachrichtendienste auf Rechtmässigkeit prüft, in einem neuen Artikel 99a MG gesetzlich zu verankern10. Vorgesehen ist, dass Artikel 14a der Vorlage BWIS II (Funkaufklärung) auf den neuen Artikel 99a MG verweist. Da aber der Auslandsnachrichtendienst aus dem Geltungsbereich des MG herausgelöst werden und sich nur noch auf das ZNDG abstützen soll, drängt sich eine entsprechende Regelung im ZNDG auf.

Der Bundesrat schlägt vor, folgenden Artikel in das ZNDG einzufügen: Art. 6b (neu):

Unabhängige Kontrollinstanz (UKI)

Der Bundesrat wählt eine unabhängige, bundesinterne Kontrollinstanz, die die Rechtmässigkeit der ständigen Funkaufklärung prüft. Die Kontrollinstanz versieht ihre Aufgaben weisungsungebunden.

1

Der Bundesrat regelt die Zusammensetzung der unabhängigen Kontrollinstanz, die Entschädigung ihrer Mitglieder und die Organisation ihres Sekretariats.

2

Begründung: Durch diese Ergänzung wird die UKI im ZNDG und nicht wie bisher vorgesehen im MG geregelt. Das scheint auch deshalb richtig, weil die UKI hauptsächlich die Aufträge der zivilen Nachrichtendienste an die Funkaufklärung kontrolliert. Die Ergänzung des ZNDG durch Artikel 6b (neu), wie sie der Bundesrat vorschlägt, würde die in der Vorlage BWIS II vorgesehenen Bestimmungen von Artikel 99a (neu) MG zur UKI in das ZNDG integrieren. Ein analoger Hinweis sollte aber auch in das MG eingeführt werden, weil auch der Nachrichtendienst der Armee Auftraggeber der Funkaufklärung ist. Zudem sollte Artikel 14a der Vorlage BWIS II (Funkaufklärung) entsprechend auf das ZNDG verweisen.

2.3.6

Artikel XY (neu) ZNDG: Auskunftsrecht

Das ZNDG sieht in den Artikeln 5 und 6 unterschiedliche Regelungen für die Bearbeitung von Personendaten für die Dienststellen des zivilen Nachrichtendienstes vor, je nachdem, ob die Personendaten gestützt auf Artikel 1 Buchstabe a oder b beschafft worden sind. Das entspricht grundsätzlich der heutigen Situation.

Es fehlt im ZNDG eine Regelung des Auskunftsrechts. Es scheint nötig, das Auskunftsrecht für beide Dienststellen zu regeln, zumal das ZNDG vorsieht, dass sich die Dienststellen über alle Vorgänge informieren, die ihre jeweiligen gesetzlichen Aufgabenbereiche gemäss Artikel 1 betreffen (Art. 3). In der Botschaft des Bundesrates vom 15. Juni 2007 zur Änderung des Bundesgesetzes über die Massnahmen zur Wahrung der inneren Sicherheit11 wurde auch vorgesehen, die Regelungen des BWIS, des MG und des Bundesgesetzes über die polizeilichen Informationssysteme des Bundes (BPI; Botschaft des Bundesrates vom 24. Mai 2006)12 bei Bedarf zu harmonisieren.

10 11 12

BBl 2007 5153 ff.

BBl 2007 5037 5104 BBl 2006 5061

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Für die Daten des DAP gilt heute Artikel 18 BWIS. Inwieweit eine Anpassung dieser Regelung im Einklang mit den Artikeln 7 und 8 des BPI (in der Fassung gemäss den parlamentarischen Beratungen vom Winter 2007 und Frühling 2008) notwendig ist, wird im Rahmen der aktuellen Revision des BWIS geprüft werden. Je nachdem kann entschieden werden, ob die Auskunftsregelung für die Daten des SND getrennt im ZNDG oder analog zur revidierenden Regelung im BWIS erfolgen soll.

2.3.7

Artikel 99 Militärgesetz

Die Vorlage ZNDG sieht vor, Artikel 99 MG auf den militärischen Nachrichtendienst zu beschränken (Anhang Ziff. 2). Aus Sicht des Bundesrates drängen sich jedoch einige Anpassungen am Entwurf auf Art. 99 Abs. 1 MG im Anhang Ziff. 2 des Gesetzesentwurfs lautet: Der militärische Nachrichtendienst (Nachrichtendienst) hat zur Aufgabe, für die Armee bedeutsame Informationen über das Ausland zu beschaffen und auszuwerten, insbesondere im Hinblick auf die Verteidigung des Landes, den Friedensförderungsdienst und den Assistenzdienst im Ausland.

1

Der Bundesrat schlägt vor, diesen Artikel wie folgt zu formulieren: Art. 99 Abs. 1 Der Nachrichtendienst der Armee (Nachrichtendienst) hat zur Aufgabe, für die Armee bedeutsame Informationen zu beschaffen und auszuwerten, insbesondere im Hinblick auf die Entwicklung, die Bereitschaft und die Einsätze der Armee. Er stützt sich dazu auf den zivilen Nachrichtendienst, die Nachrichtenbeschaffungsmittel der Armee, Stellen von Bund und Kantonen sowie bei geplanten und laufenden Einsätzen im Ausland auch auf ausländische Partner. Der Bundesrat regelt die Zusammenarbeit mit dem zivilen Nachrichtendienst und den Einsatz der Nachrichtenbeschaffungsmittel im Inland.

1

Begründung: Es sollte vom Nachrichtendienst der Armee gesprochen werden, weil Artikel 99 MG die Grundlage für die nachrichtendienstlichen Tätigkeiten der ganzen Armee bilden soll. Durch die vorgeschlagene Formulierung wird zudem die Tätigkeit des Nachrichtendienstes der Armee auf die Entwicklung, die Bereitschaft und die Einsätze der Armee ausgerichtet, die dem Auftrag der Armee gemäss Artikel 1 MG (Verteidigung, Friedensförderung und Unterstützung der zivilen Behörden) entsprechen. Die Präzisierung, dass sich der Nachrichtendienst der Armee in Beschaffung und Auswertung neben den Aufklärungsmitteln der Armee auf den zivilen Nachrichtendienst und weitere Stellen abstützt, soll sicherstellen, dass in Beschaffung und Auswertung zwischen dem zivilen Nachrichtendienst und dem Nachrichtendienst der Armee keine Doppelspurigkeiten aufgebaut werden und dass die bisherige Zusammenarbeit weiter geführt werden kann. Die vorgeschlagene Formulierung trägt der bisherigen und künftigen Zusammenarbeit Rechnung. Der Bundesrat soll die Zusammenarbeit zwischen dem Nachrichtendienst der Armee und dem zivilen Nachrichtendienst regeln. Die Zuständigkeit des DAP für die militärische Abwehr in Friedenszeiten bleibt davon unberührt13. Der Einsatz der Nachrich13

ND-Politik (BBl 2007 1491)

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tenbeschaffungsmittel soll auch im Inland möglich sein, wobei der Bundesrat die notwendigen Regelungen zu treffen hat. Die Beschränkung der Nachrichtenbeschaffung der Armee auf das Ausland, wie der Entwurf des ZNDG dies vorsieht, würde es der Armee verunmöglichen, z.B. im Hinblick auf Einsätze zur Raumsicherung und Verteidigung, Nachrichtenbeschaffung im Inland zu betreiben, was kaum die Absicht ist. Bei der Regelung dieses Punkts ist der Umstand zu berücksichtigen, dass der Nachrichtendienst der Armee kein Auslandsnachrichtendienst ist, und die meisten Armeeeinsätze im Inland erfolgen.

Zudem ist zu prüfen, ob die im Rahmen der Vorlage BWIS II vorgesehenen Anpassungen von Artikel 99 Absatz 2 MG zum Datenschutz für den Nachrichtendienst der Armee anwendbar sind oder allenfalls angepasst werden sollen.

3

Zusammenfassung der Stellungnahme des Bundesrates und Antrag

Der Bundesrat stimmt dem Hauptanliegen des vorgeschlagenen Bundesgesetzes zu, Bestimmungen für die zivilen Nachrichtendienste zu harmonisieren, diese einem Departement zu unterstellen und dem Bundesrat die Kompetenz zu übertragen, spezifische Aspekte der Zusammenarbeit zwischen ihnen sowie gegenüber dem Nachrichtendienst der Armee zu regeln.

Das ZNDG, insbesondere die darin vorgesehenen Änderungen von Artikel 99 MG, schafft jedoch materielle und gesetzestechnische Abstimmungsprobleme mit der Vorlage BWIS II, weil diese SND-relevante Änderungen des MG vorsieht, wogegen das ZNDG die Wirkung des MG auf den Nachrichtendienst der Armee einschränken will. Aus Sicht des Bundesrates muss sichergestellt werden, dass die in der Vorlage BWIS II enthaltenen Bestimmungen wegen des ZNDG nicht verloren gehen.

Es ist unerlässlich, dass die beiden Vorlagen gemäss den Resultaten der parlamentarischen Beratungen und unter Berücksichtigung der gegenseitigen Auswirkungen sorgfältig aufeinander abgestimmt werden. Dies würde vereinfacht, wenn die Gesetzesvorlagen nach einander im Parlament behandelt würden.

Der Bundesrat beantragt, erstens, dass zunächst die Vorlage BWIS II abschliessend beraten und die Beratung des ZNDG anschliessend aufgenommen wird. Zweitens beantragt er, dass ihm die Möglichkeit eingeräumt wird, seine Stellungnahme zum ZNDG gemäss den Ergebnissen der Beratungen der Vorlage BWIS II zu ergänzen, damit Koordinationsprobleme eliminiert und die rechtliche Kohärenz zwischen den beiden Gesetzen sichergestellt werden.

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