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Bericht betreffend

die Ventilation während der Arbeit im Gotthardtunnel.

Die Ventilation im Vorbruch des Richtstollens und der Calottenerweiterung vollzieht sich wie überall dort, wo regelmäßige Maschinenbohrung in Anwendung ist, während der Bohrarbeit von selbst durch die Luft, welche die Maschinen während der Arbeit abblasen, in der Regel in ganz genügendem Maße, so daß während dieser Arbeit kaum eine Athmungsbeschwerde anders als durch den Steinstaub statt hat, welcher jedoch durch fortwährendes Einspritzen von Wasser in die Bohrlöcher durch die Arbeiter selbst thunlichst behoben wird.

Während der Lösung der Minen und der Schuttabfuhr soll die ganze, früher zum Betrieb der Bohrer verwendete comprimirte Luft frei ausgelassen werden, und es ist damit sicher gestellt, daß in dem geringen Richtstollenquerschnitt und dem angrenzenden Theile der Calotte die Luft in dieser Pause für die unmittelbar nachher zur Arbeit zurückkehrenden Arbeiter in der Regel und bei normalem Zustande genügend gut gereinigt worden ist.

Leider ist aber infolge der sehr mangelhaften Leitung, in welcher die comprimirte Luft aus den Reservoirs zu den Maschinen gelangt und der immer häufiger werdenden Störungen in der Thätigkeit der Compressormaschinen und endlich auch durch vielfache Ableitungen und sonstige Unterbrechungen, die Luftspannung sehr variabel und oft so gering, daß sie so wenig für den guten Betrieb der Bohrmaschinen ausreicht, als in der Zwischenzeit für die vollständige Luftreinigung des Stollens und der Calotte und selbstverständlich noch weniger für die ganze Ausweitung.

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In Bezug auf ' die Vorfälle des 27. Juli kommen die nachfolgenden Angaben in Betracht: Die Luftspannung vor Ort des Richtstollens betrug auf der Nordseite im Juli durchschnittlich 31/s Athm., im Minimum am 18. Juli = l'/4 Athm., im Maximum am 27. Juli = 41 2 Athm.

In der unmittelbar vorangegangenen und des Arbeiteraufstandes war die Luftspannung Am 25. Juli ,, 26. ,, .

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,, 27. ,, r,o v · 11 .

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30.

31.

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folgenden Zeitperiode vor Ort wie folgt: 35/s Athm.

. 28/* ,, 4V» ,, nicht gemessen . wegen Aufsfandes.

S1/* Athm.

3 l /8 3

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Es war also während dieser Zeit die Spannung bisweilen über dem Durchschnitte, im Allgemeinen aber nicht geringer als während des ganzen Monats und auch während des nächsten Monats August, in welchem dieselbe durchschnittlich 31/* Athm. betrug. Es kann daher wohl angenommen werden, daß die Arbeiter in der Calotte, von denen die Auflehnung ausging, im Allgemeinen in jener Zeit n i c h t durch unreine Luft gelitten haben -- ob dies gerade am Tage und zur Zeit der ersten Beschwerde der Fall gewesen, läßt sich nicht feststellen, da sich damals Niemand an Ort und Stelle befand, der darüber zuverläßige Aussage zu machen geeignet wäre.

Entschieden durch schlechte Luft beeinträchtigt erscheinen die der Mündung näher liegenden Arbeitstheile, in welchen vorzugsweise oder ausschließlich Handbohrung in Anwendung ist.

Für diese Arbeitstheile geht nicht nur die sehr wirksame unmittelbare und continuirliehe Ventilirung durch das Ausblasen der Bohrmaschinen ab, und es steht auch nicht während der Sprengung und der Abfuhr des Schuttes die Luft zur Verfügung, welche die Machinenarbeit treibt, sondern es wird im Gea.'entheil hier die durch die Minenlösung und durch den Consum zahlreicherer Arbeiter an und für sich verdorbene Luft noch durch Hinzutritt der aus dem Richtstolleu und den vorderen Arbeitstheilen ausgetriebeneu schlechten Gase verschlechtert, so daß die'Athmung hier im äußersten Maße erschwert, wird. Die Reinigung erfolgte hier bisher nur --und zwar in sehr spärlicher Weise -- durch zeitweise Oeffnung der Luftleitungen, welche die Arbeitsstellen passiren, indem sie zu den im Vortrieb arbeitenden Maschinen führen.

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Dieses Luftausblasen in deri\ rückwärtigen Strecken beeinträchtigt natürlich die Arbeitskraft der Maschinen in den vorderen, oder mindert die Ventilation daselbst ab; sie wird deshalb möglichst eingeschränkt und durchaus nicht nach Regeln und Notwendigkeit betrieben, sondern geschieht zumeist willkürlich und heimlich durch die Arbeiter selbst.

Am meisten leiden die Arbeitsstellen, welche zum Nachschießen der Bogenorte etablirt werden, und die verbühnten Räume für die Mauerung des Gewölbes.

Da, sich diese Uebelstände bei regerem Betriebe der gesammten Minirarbeiten und bei größerer Tunnelläuge stetig vermehren, zugleich aber auch, um die Vorräthe an comprimirter Luft nicht zu weit zu erschöpfen, ist es unerläßlich, für die Reinigung der Luft in den rückwärtigen Tunnelstrecken durch besondere und ausschließlich für diesen Zweck dienliche Einrichtungen zu sorgen.

Die Unternehmung begann auch schon im August 1874 mit der Anlage von Aspiratoren an beiden Tunnelportalen, und es waren bereits im Juni 1875 Gebäude und Aspiratoren fertig hergestellt, so daß seit dieser Zeit nur noch die Rohrleitung in den Tunnel erübrigt, um die Aspiratoren in diejenige nutzbringende Wirksamkeit zu versetzen, welche man schon ein Jahr früher für nöthig erkannt hatte, die aber indessen dringend geboten und unentbehrlich geworden sind.

Mittelst der Aspiratoren sollen die sich im Tunnelraume anhäufenden schlechten Wetter direkt an den Sammelstellen aufgesogen, und es soll dadurch vermieden werden, daß dieselben zur Benachtheiligung der einzelnen Arbeitsstellen offen durch die rückwärtigen Arbeitsstellen wegtreiben.

Die fehlende Rohrleitung, welche ohne große Anstrengung in kurzer Frist erstellt werden könnte, ist bis zum heutigen Tage noch nicht gelegt, und es gelang trotz vieltacher Mahnungen und Aufforderungen Seitens der bauleitenden Ingenieure, der Ceutralbauleitung und des eidgenössischen Inspektors nicht, Sicherheit darüber zu erhalten, wann endlich der Unternehmer dieselbe beischaffen und herstellen wird, geschweige denn die Herstellung selbst durchzusetzen, und doch erscheinen die durch das Fehlen der Aspiration entstehenden Uebelstände allein genügend, den Arbeitern volle und berechtigte Veranlaßung zur Klage über ungenügende Ventilation zu geben und dieselben zur Niederlegung der Arbeit zu treiben. Es ergeben sich hienach folgende Thatsachen :

646 1. Im Richtstollen und dessen Erweiterung sind alle den Umständen nach möglichen Vorkehrungen zur Reinigung der Luft getroffen, und eine mangelhafte Vollziehung derselben tritt nur dann ein, wenn die Arbeit selbst in unachtsamer Weise betrieben, oder die Installationen ungenügend in Wirksamkeit erhalten werden.

2. Die Ventilation an allen denjenigen Arbeitsstelleu, wo nicht mit Maschinen gearbeitet wird, ist bisher durchaus nicht genügend.

3. Die Inbetriebsetzung der Aspiratoren, welche diesem Uebelstande abzuhelfen geeignet wäre, wird nur durch Saumseligkeit der Unternehmung verzögert.

4. Zum eigenen Schaden der Unternehmung ist eine günstige Leistung in den rückwärtigen Ausbruchtheilen des Tunnels -- durch vermehrte Angriffe und Sprengung und eine' ununterbrochene geregelte Thätigkeit der Arbeiter -- gar nicht möglich, so lange die Ventilation der erweiterten Tunnelstrecke nicht durch die Aspiratoren bewerkstelligt wird.

Z ü r i c h , den 7. September 1875.

Der Oberingenieur 5^-

Hellwag.

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17.11.1875

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