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Schweizerisches Bundesblatt.

XXVII. Jahrgang. ÌI.

Nr. 20.

8. Mai 1875.

J a h r e s a b o n n e m e n t (portofrei in der ganzen Schwein): 4 Franken.

Einrükungsgebühr per Zeile 15 Bp. -- Inserate sind franko an die Expedition einzusenden.

Druk nnd Expedition der Stämpflischen Buchdrukerei in Bern.

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Bericht des

schweizerischen Bundesrathes an die h. Bundesversammlung über seine Geschäftsführung im Jahre 1874.

Geschäftskreis des Eisenbahn- und Sandeisdepartements.

Organisation des Departements; Personelles.

Sofort nach Erlaß des Bundesgesezes vom 22. Januar 1874, betreffend die Errichtung und Besoldung der Beamtungen des Eisenbahn- und Handelsdepartements, wurden der technische und der administrative Inspektor, der Sekretär und die fünf Kontrolingenieure, welche bis dahin nur provisorisch im Amte gestanden, definitiv gewählt. Nach erfolgter Ausschreibung besezten wir sodann im März die Stellen eines Büreaugehülfen des technischen Inspektors, eines Registrators, .eines Statistikers und des Kanzlisten und Uebersezers, überall, -- leztere Stelle ausgenommen, welche früher noch nicht bestanden hatte, -- mit den provisorisch für die betreffenden Funktionen bereits angestellten Personen.

In Folge Demission zweier Kontrolingenieure fanden im Laufe des Jahres Ersazwahlen statt.

Bundesblatt. Jahrg. XXVII Bd. II.

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Im November wurde die bisher vakante Stelle eines Adjunkten des administrativen Inspektors, mit Amtsantritt auf 1. Januar 1875, besezt.

In der Handelsabtheilung wurde eine Neuwahl des Sekretärs nöthig, da der bisherige in Folge von Familienverhältnissen seine Entlassung auf Ende des Jahres nahm.

Durch Beschluß vom 27. März (A. S. XI, 499) regelten wir die Funktionen der einzelnen Beamten des Departements und den Geschäftsgang bei einigen besondern Angelegenheiten, schieden auch einzelne Geschäfte aus, welche das Departement, unter Vorbehalt des Rekurses an den Bundesrath, von sich aus zu erledigen ermächtigt ist.

l. Eisenbahnwesen.

A. Ausgestaltung des Eisenbahnrechtes.

Geseze und Verordnungen.

Durch Botschaften vom 26. Mai (Bundesblatt 1874, I. 839 und 889) legten wir Ihnen Entwürfe vor zu dem Geseze betreffend die Rechtsverhältnisse des Frachtverkehrs und der Spedition auf Eisenbahnen und andern vom Bunde konzedirten Transportanstalten und zu dem Geseze über die Verbindlichkeit der Eisenbahnen und anderer vom Bunde konzedirten. Transportanstalten für die beim Bau und Betrieb herbeigeführten Tödtungen und Verlezungen.

Die Berathung im Schöße unserer Behörde hatte die Nothwendigkeit ergeben, von der durch Art. 38 des Eisenbahngesezes für diese Geseze aufgestellten Direktion darin abzuweichen, daß die Post denselben nicht zu unterwerfen, daß vielmehr für dieselbe ein besonderes Gesez vorzuschlagen sei. (Bundesblatt 1874, II. 341.)

Die Berathungen der ständeräthlichen Kommission führten' zu der weitern Abweichung, daß auch die Verhältnisse des Personentransportes durch das erstere Gesez zu ordnen seien. -"Wir entsprachen der diesfalls an uns gerichteten Einladung' durch Schreiben und Anträge vom 29. September (Bundesblatt 1874, III. 114).

Der erstgenannte Entwurf ging am 20. März 1875 als Bundesgesez betreffend den Transport auf Eisenbahnen aus Ihren Berathungen hervor.

: Die Rechtsverhältnisse der Verbindungsgeleise industrieller Etablissement« fanden endlich, nachdem die Frage zwei Jahre lang in verschiedenen Formen Sie und uns beschäftigt hatte, auf Grund unserer Botschaft vom 29. September (Bundesblatt Hl. 137) eine feste Gestaltung in dem Bundesgeseze vom 19. Dezember 1874.

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Das am 10. Oktober in Kraft getretene Bundesgesez über die Verpfandung und Zwangsliquidation der Eisenbahnen vom 24. Juni 1874 wies uns in Art. 5 an, über Einrichtung und Führung des Pfandbuches und über die dafür zu bezahlenden Gebühren die erforderlichen Verfügungen zu erlassen. Unsere Verordnung vom 17. September (A. S., n. F. I. 108) beruht auf folgenden Grundgedanken: 1) Nach dem ganzen Inhalt des Gesezes, insbesondere Art. 10 und 25, soll und kann das Pfandrecht auf Eisenbahnen nur ein Generalpfandrecht sein, das Pfandbuch also nicht eine Aufzählung und Beschreibung aller einzelnen verpfändeten Parzellen und bewegliehen wie unbeweglichen Zubehörden enthalten, in der Meinung, daß was im Pfandbuch steht, verpfändet, was nicht darin komparirt, dagegen nicht verpfändet sein soll. Das Material für den Betrieb und Unterhalt der Bahn vor allem ist in stetem Wechsel begriffen und auch das unbewegliche Eigenthum der Bahngesellschaft ist, namentlich bis nach Inbetriebsezung der Linie, vielfachen Aenderungen unterworfen. Die fortwährende Kontrolirung dieser Veränderungen und .die Kontrolirung der Ledigung jedes Gruiidstükes von den darauf nach kantonalem Rechte haftenden Lasten würde ein zahlreiches Beamtenpersonal uöthig machen und wäre mit einer Verantwortlichkeit verbunden, welche zu übernehmen kaum Jemanden zugemuthet werden könnte. Angesichts des Art. 10 wäre diese Kontrolirung auch geradezu zweklos. Was verpfändet ist, muß im Moment des Eintritts der Liquidation durch Aufnahme des Inventars festgestellt werden, und im Pfandbuch genügt es an einer ganz summarischen Bezeichnung des Pfandobjektes.

2) Eine Abstempelung der wirklich auszugebenden Titel durch den Pfandbuchführer brächte nicht einen mit der dadurch verursachten Mühe in richtigem Verhältniß stehenden Nuzen. Eine Kontrole über die in Händen Dritter befindlichen Obligationen wäre dadurch nicht gegeben, weil eine Verwaltung die abgestempelten Titel einfach in ihren Kassen zurükbehalten könnte, und der Gefahr, daß Obligationen in Umlauf gesezt werden, welche im Pfandbuch nicht vorgemerkt sind, könnte durch dieses Mittel nicht begegnet werden ; denn in der Regel wird eine solche Nichtanmeldung zum Vormerk im Pfandbuch einen Betrug in sich schließen ; wenn aber betrogen werden wollte, so würde die Fälschung eines Stempels und einer Unterschrift
wohl keine großen Hindernisse in den Weg legen. Die Abstempelung ist daher auf die Kontrole der zurükbezahlten Obligationen beschränkt, sowie auf den Fall (von Art. 8 des Gesezes), wo entgegen einem Mehrheitsbeschluß einzelne Titelinhabcr auf das Pfandrecht oder den Rang nicht verzichtet haben.

3) Aus praktischen Gründen ist nicht das Pfandobjekt zur Grundlage der Einträge gemacht, sondern die Person des Schuldners,

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resp. des Pfandeigenthümers. Die Bezeichnung einer verpfändeten Linie, zumal wenn sie mehr als zwei Anfangs- oder Endpunkte hat, ist willkürlich und komplizirt, und der nicht selten vorkommende Fall, wo eine Linie zuerst allein, dann als ein Theil eines größern Ganzen verpfändet ist, würde konsequenter Weise mehrfache Einträge über eine und dieselbe Pfandforderung bedingen, was der Uebersichtlichkeit keineswegs förderlich wäre.

Im leztjährigen Geschäftsberichte haben wir angedeutet, daß kundgewordene Wünsche nach etwelcher Vereinfachung der Verordnung vom 20. Februar 1873, betreffend die erforderlichen Nachweise bei Gesuchen um Eisenbahukonzessionen etc., würden in Erwägung gezogen werden; Bei der Prüfung des Berichtes wurde dann auch von der nationalräthlichen Kommission ein dahin zielendes Postulat angeregt.

. Eine genaue und einläßliche Untersuchung aller einschlägigen Verhältnisse hat unsere Verordnung vom 1. Februar 1875 zu Tage gefördert. Dieselbe enthält, in mehr oder minder revidirter Gestalt zu einem neuen Ganzen verschmolzen, die eben genannte Verordnung vom 20. Februar 1873, das Regulativ vom 14./19. August 1873, betreffend den Geschäftsgang bei Vorlagen für den Bahnbau, den Beschluß vom 11. Mai 1874, betreffend die Finanzausweise, endlich einen Theil unseres Beschlusses vom 27. März 1874, betreffend den Geschäftsgang des Eisenbahndepartementes.

Als wesentlichste und praktisch bedeutende Vereinfachung erscheint, daß nun die am meisten angefochtenen Spezialpläne für.

Wegübergänge uud Bahnhofanlagen nicht mehr verlangt werden, sondern daß bezügliche Einzeiclmungen, resp. Angaben irn allgemeinen Situationsplane und Längenprofil genügen. Dieser Erleichterung gegenüber fallen die wenigen neu hinzugekommenen Forderungen, namentlich der Art. 18 und 15, nicht in's Gewicht; die Zeichnungen betreffend das Betriebsmaterial müssen von den Bahnverwaltungen nicht besonders angefertigt werden, sondern werden ihnen in der Regel vom Fabrikanten geliefert.

Betreffend die für die Genehmigung von Finanzauswcisen im vorhergehenden Geschäftsbericht in Aussicht gestellten festen Normen glaubten wir uns für die strengere Observanz entscheiden zu müssen.

Grundsäzliche Entscheide der Bundesbehörden.

Die Regierung von Bern zeigte unterm 12. August an, daß der Große Rath beschlossen habe-, von dem Rechte des Kantons Bern, den Bau und Betrieb der der Centralbahn konzedirten Bahn Solothurn-Schönbtthl auf Bernergebiet selbst zu übernehmen, keinen Gebrauch zu machen, immerhin in dem Sinne, daß der Kanton

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durch diesen Verzicht nur für die Dauer derjenigen Fristen gebunden sei, welche der Centralbahn in der eidgenössischen Konzession vom 24. September 1873 für die Erfüllung ihrer übernommenen Ausweisund Audführungsverpflichtungen eingeräumt seien. Wir verlängerten auf Begehren der Centralbahn die Fristen für Einreichung der technischen und finanziellen Vorlagen und für den Arbeitsbeginn, ohne Rüksicht auf jene Vorbehalte zu nehmen, davon ausgehend, daß ein Kanton nur entweder von dem ihm durch Art. 4 des Eiseobahngesezes eingeräumten Rechte innerhalb der ihm gesezten Frist Gebrauch machen könne oder aber unbedingt darauf verzichten müsse.

Durch Bundesbeschluß vom 18. Dezember 1873 wurde die Uebertiagung der Konzessionen für die Broyethalbabn theils an die Suisse occidentale theils an die bernischen Jurabahnen genehmigt und den erwerbenden Gesellschaften ein neuer Finanzausweis zur Pflicht gemacht. Troz des Widerspruchs bald dieser bald jener Partei hielten wir strikte am Wortlaute des erwähnten Bundesbeschlusses fest, traten daher weder auf die Anschauung der Suisse occidentale, daß der Finanzausweis Sache der Broyethalbahngesellschaft sei, noch auf das Begehren der lezteren um Genehmigung ihrer Statuten ein, da wir dieselbe nur noch als Generalunternehmer für den Bau betrachten konnten ; wir nahmen auch keinen Anstand, die Verpfändung der Linie Palezieux-Fräschelz für eine Schuld der Suisse occidentale auszuschreiben, und nachdem die Einsprache der Broyethalbahngesellschaft in Folge Vergleiches zurükgezogen war und sie kraft dieses Vergleiches ihre Einwilligung zur Verpfändung der Bahn gegeben hatte, auch zu bewilligen.

Den Finanzausweis einer Unternehmung, welche nur etwas mehr als 2 / 3 des Anlagekapitals besaß, genehmigten wir (vor (jem 11. Mai) nur unter dem Vorbehalte, in passend scheinendem Zeitpunkt die Ergänzung des Ausweises zu verlangen.

In einigen Fällen enthielt der Ausweis keinen Posten für Betriebsmaterial, weil die ausweispflichtige Gesellschaft bereits andere Linien betreibt. Es wurde der Vorbehalt gemacht, daß die Genehmigung des Finanzausweises der Anwendung von Art. 31, Absaz 3 des Eisenbahngesezes nicht präjudizire.

Zwei alte Eisenbahngesellschaften brachten von ihren verfügbaren Mitteln nicht die ganze Bausumme von Linien, für welche der Ausweis früher geleistet worden war,
in Abzug, sondern muso viel, als für dieselben bis zum muthmaßlichen Zeitpunkte der Vollendung der dem Ausweis unterliegenden neuen Linie zu verausgaben sein würde. Sie wurden auf das Unzuläßige dieses

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Verfahrens aufmerksam gemacht, weil so der früher geleistete Finanzausweis zerstört und die nämliche Summe der verfügbaren Mittel doppelt in Ansaz gebracht werde.

Das Expropriationsrecht wurde auch für den Zwek der Materialgewinnung anwendbar erklärt, im Wesentlichen aus folgenden Gründen : Allerdings kann nicht im gleichen strengen Sinne wie bei Immobilien, auf welche das öffentliche Werk placirt werden soll, gesagt werden, Grundstüke, aus welchen man nur Erde, Sand, Kies etc. für den Bahnbau gewinnen will, seien für das Unternehmen nöthig; denn solche Materialien könnten in größerer oder geringerer Entfernung von der Baustelle jedenfalls mittelst freien Vertrages erworben werden. Dazu kommt noch die französische Uebersezung des Wortes Herbeischaffung in Art. 2 des Expropriationsgesezes mit carriage und im nationalräthlichen Kommissionalbericht von 1850 mit transport. Trozdem ist die Enteignung für den genannten Zwek zuläßig. Dafür spricht vor Allem das praktische Bedürfniß, weil die Verweigerung des Rechtes den Bahnbau außerordentlich erschweren und vielfach fast zur Unmöglichkeit machen würde; denn bei dem massenhaften Bedarf und Gewicht solchen Materials nehmen die Transportkosten rasch enorme Proportionen an. Es kann mithin füglich schon auf Grund von Art. l des Gesezes die Abtretung als eine nothwendige erklärt werden.

Das Wort ,,Herbeischaffung"' (des Baumaterials) in Art. 2 hat übrigens offenbar den Sinn von .^Gewinnung", ,,extraction", wie viele von den Kantonen der französischen Schweiz ertheilte Konzessionen das Recht näher umschreiben. Die Befugniß, Grundstüke zum Hinübertransportiren von Baumaterial vorübergehend zu benuzen, versteht sich so sehr (als ein minus des plus) von selbst und ist eine so nothwendige Bedingung jedes Bahnbaues, daß eine ausdrükliche Hervorhebung sehr überflüssig war; auch sind noch andere Dinge als nur Baumaterial über fremde Grundstüke zu transportiren, z. B. Werkgeschirr, Maschinen, Gerüste, die Arbeiter selbst.

In's Gewicht fällt endlich noch der Umstand, daß die Kommission des Nationalrathes, auf deren Antrag die erörterte Bestimmung in's Gesez aufgenommen worden ist, den noch viel weiter gehenden und praktisch weniger nöthigen Vorschlag machte, unter gewissen Beschränkungen auch diejenigen Objekte der Expropriation anheimzugeben, deren Erwerbung zur
Entschädigung von Expropriirten nöthig sei.

Die Pflicht zur Abtretung von Privatrechten wurde mehrfach mit der Begründung bestritten, daß durch die Wahl eines andern Trace oder durch Anbringung einer Stüzmauer statt einer Böschung öder durch Ueberbrükung statt Ausfüllung eines Teiches die Ex-

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propriation vermieden werden könnte. Es wurde geantwortet : Lediglich aus Rüksicht auf einen Privaten könne einer Unternehmung die Wahl eines sonst bessern Trace nicht verweigert werden; der neu in Anspruch genommene Expropriand könnte ja mit dem gleichen Rechte eine nochmalige Verlegung des Trace verlangen und so der Bauunternehmer im Kreise herumgetrieben werden; sobald die öffentlichen Interessen ihre Befriedigung durch definitive Festsezung des Trace gefunden haben, sei der Inhaber von Rechten, welche mit dem Bedarf des öffentlichen Werkes kollidiren, zur Abtretung verpflichtet. Es müsse dem Unternehmer überlassen werden, ob er eine vertheuerte Expropriation durchführen oder derselben durch Anwendung von Maßregeln, wie sie von den Exproprianden vorgeschlagen worden, aus dem Wege gehen wolle.

Wo die Abtretung eines durch die Bahn vom Hauptkomplexe abgetrennten Abschnittes nur verlangt wurde, um keinen Bahnübergang gewähren zu müssen, wurde die Einsprache unter Vorbehalt von Art. 5 des Expropriationsgesezes gutgeheißen ; in gleicher Weise die Einsprache gegen die Abtretung einer Mühle, welche die Gesellschaft nur deshalb zu erwerben wünschte, weil durch den Bahnbau sich das Wasser verloren hatte und daher von der Gesellschaft dafür Ersaz zu leisten war. Nicht minder wurde ein Eigenthümer g^gen die Abtretung einer Parzelle geschüzt, welche der Unternehmer an eine Gemeinde behufs Wiederherstellung eines Ablagerungsplazes übertragen wollte, da ein solcher Zwek nicht unter den Begriff der Art. 6 und 7 des Gesezes falle.

Dagegen wurde in einem andern Falle erklärt, es sei gleichgültig, ob der Bauunternehmer freiwillig oder durch ein Urtheil der Schäzungsbehörden gezwungen es übernehme, einen durch den Bau zerstörten Hafen durch einen neuen zu ersezen, und ob er die Herstellung des neuen Hafens selbst besorge oder dies dem Eigenthümer des alten überlasse.

Das von einer Bahnverwaltung behufs Expropriation einer Straßenstreke, um einen Uebergang zu gewinnen, eingeleitete Verfahren wurde als nichtig kassirt, mit der Begründung, daß im öffentlichen Gebrauche befindliche Straßen nicht Objekte von Privatrechten seien, nicht verkauft und also auch nicht exproprürt werden können, daß es sich vielmehr darum handle, zwei öffentliche Zweke mit einander zu kombiniren, in Anwendung von Art. 14 des Eisenbahngesezes
einen Wegübergang zu genehmigen.

Wiederholt wurde daran erinnert, daß die Anrufung von Art. 46 des Expropriationsgesezes zu den seltenen Ausnahmen gehören sollte, indem die Katasterpläne so rechtzeitig aufgelegt werden,

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daß das ganze Expropriationsverfahren vor Beginn der Bauarbeiten durchgeführt werden könne.

In mehreren Fällen wurde die Inangriffnahme von Expropriationsobjekten erst gestattet, nachdem, nach Ausfällung des Erkenntnisses der eidgenössischen Schäzungskommission, sei es auf Veranstaltung dieser oder der Instruktionskommission des Bundesgerichtes, weitere Pläne und Baubeschriebe aufgenommen worden waren.

Auf Beschwerden über zu niedrige Bemessung der von der Bahnunternehmung zu leistenden Kaution wurde aus Kompetenzgründen nicht eingetreten.

Ueber die Herausgabe der auf Grund des Art. 46 des Expropriationsgesezes hinterlegten Kautionen zu entscheiden, wurde in die Aufgabe der Kantonsregierungen gestellt, da sie im Falle des Widerspruchs die Kaution als genügend befinden müssen, da sie ferner aus erster Hand wissen, ob die Bedingung der Aushingabe erfüllt, d. h. ob die gesprochene Entschädigung bezahlt sei.

In erheblichem Maße wurde im verflossenen Jahre unsere Thätigkeit durch von kantonalen Gerichts- und Verwaltungsbehörden verfügte Inhibitionen gegen Eisenbahnbauten in Anspruch genommen. Die Nothlage einzelner Unternehmungen wurde etwa benuzt, um unter nichtigen oder fictiven Vorwänden Bauverbote auszuwirken, in der Annahrne, die Gesellschaft werde eher, als auf dem Prozeßwege kostbare Zeit zu verlieren, ein Opfer bringen, um sofort im Wege der Güte die Erlaubniß zum Weiterarbeiten zu erhalten.

Außerdem wurden in guten Treuen auf diese Weise vielerlei Zweke angestrebt, z. B. um Durchlässe und Uebergänge von privaten und öffentlichen Wegen zu erzwingen. Manchmal endlich war das Begehren materiell vollkommen begründet, indem das Expropriationsverfahren noch nicht sein Ende erreicht hatte, oder entgegen den genehmigten Plänen gebaut werden wollte.

Wir haben alle von kantonalen Behörden ausgegangenen Verbote als nichtig aufgehoben, gestüzt auf folgende Erwägungen : Vermöge der ihm zustehenden Kontrole über den Bau und Betrieb der Eisenbahnen ist einzig der Bundesrath kompetent und wohl auch in der Lage, zu prüfen und zu entscheiden, ob ein Bauunternehmer gemäß den genehmigten Plänen und unter Erfüllung der durch das Expropriationsgesez und die Expropriationsbehörden ihm auferlegten Verpflichtungen baue; es steht also auch nur dem Bundesrathe zu, auf Eisenbahnbauten bezügliche Bauarbeiten zu gestatten oder zu untersagen. Die Anerkennung der Befugniß . kantonaler Behörden, Bauinhibitionen zu erlassen, schlösse die Anerkennung des kanto-

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nalen Instanzenzuges und die Möglichkeit erheblich schädigender Verschleppungen und unlöslicher Konflikte zwischen kantonalen und eidgenössischen Behörden in sich. In vielen Fällen liegt in einem solchen Bauverbot auch ein direkter Eingriff in das durch Art. 46 des eidg. Expropriationsgesezes dem Bundesrathe eingeräumte Recht, troz Streithängigkeit die Inangriffnahme eines Expropriationsobjektes zu gestatten. Die Wahrung öffentlicher Interessen aber hat bei Eisenbahnbauten nach Maßgabe von Art. 14 des Eisenbahngesezes einzig durch den Bundesrath nach Anhörung der Kantonsregierung und durch deren Organ der Gemeindebehörden zu geschehen.

Wir fanden uns auf Begehren einer Gesellschaft veranlaßt, eine Kantonsregierung zu ersuchen, im Sinne der vorstehenden Erwägungen alle für solche Inhibitionen zuständigen Behörden auf ihre Inkompetenz in Eisenbahnbausachen aufmerksam zu machen.

Während des Baues ihrer Eisenbahn hatte eine Gesellschaft Schuttmassen in ein Bachtobel werfen lassen. Laut angeordneten Expertisen hatten diese Ablagerungen mehrfache Ueberschwemmungen eines unterhalb liegenden Grundstükes verursacht, und drohten solche auch für die Zukunft. Während ein Prozeß vor dem ordentlichen Gerichte pendent war über die Frage, ob und in welchem Umfang die Gesellschaft für den bereits eingetretenen Schaden haftbar sei, verlangte der bedrohte Eigenthümer Maßregeln zum Schuze gegen künftige Ueberschwemmungen. Die Eiseubahngesellschaft bestritt außer dem Causalzusammenhang zwischen ihren Handlungen und den Ueberschwemmungen namentlich die Kompetenz der Verwaltungsbehörden. Dem klägerischen Begehren wurde entsprochen, im Wesentlichen aus folgenden Gründen: Die Kompetenz, früher des Regierungsrathes, jezt des Bundesrathes werde durch die betreffende Konzession begründet, welche die Gesellschaft verpflichtet, alle in Folge des Bahubaues an Straßen, Wegen, Bächen etc. nöthig werdenden Veränderungen in eigenen Kosten vorzunehmen, und die Entscheidung über die Nothwendigkeit und Ausdehnung solcher Bauten ausdrüklich dem Regicrungsrathe zuweist; nun sei in der That durch den Bahnbau (wenigstens indirekt, durch die Art, wie das ausgegrabene Gestein abgelagert wurde) eine Veränderung an einem Bache nöthig geworden.

Daß Fragen solcher Art nach Art. 6 und 7 des eidg. Expropriationsgesezes unbestreitbar auch in
die Kompetenz der eidgenössischen Schäzungskommission gehören, vermöge die Zuständigkeit des Bundesrathes keineswegs aufzuheben, wie ja überhaupt die Polizei mannigfach die Aufgabe habe, Privatrechten den Schuz zu gewähren, welcher ihnen auch vom Gerichte zu Theil werden müßte.

Auch nach Art. 16 des Eisenbahngesezes erscheine der Bundesrath

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zur Anordnung von Schuzvorkehren berechtigt. Wie gemäß Art. 7 des Expropria tionsgesezes Interessen der öffentlichen Sicherheit durch Private bei den Gerichten gewahrt werden können, so können nach dem zitirten Art. 16 des Eisenbahngesezes- Privatinteressea unter die Aegide der Staatsaufsicht genommen werden. Und wie während des Baues der Bundesrath als zur Kontrole über Bau und Betrieb der Eisenbahnen berufene Behörde Vorkehren hätte anordnen können, so sei er auch nachträglich dazu befugt und verpflichtet.

Die Exekution des Beschlusses wurde indessen sistirt, bis die von der Gesellschaft im Civilprozeß angerufene Oberexpertise würde stattgefunden haben.

Auf die Beschwerde einer Bahngesellschaft, daß der Betrieb ihrer Linie durch Schießübungen einer Schuzengesellschaft gefährdet werde, haben wir die Bedingungen festgesezt, unter welchen an der fraglichen Stelle die Hebungen fernerhin stattfinden dürfen. In diesem Falle lag keine Kompetenzbestreitung vor.

Es läßt sich nicht verkennen, daß viele Fragen vorkommen, wo die Grenze zwischen den Kompetenzen, resp. Pflichten der Bundesbehörden und denjenigen der kantonalen Behörden außerordentlich schwer zu ziehen ist.

Widersprechende Begehren betreffend Benennung neu zu errichtender Stationen riefen einem prinzipiellen Entscheide, welcher im Bundesblatt 1874, II. 448 abgedrukt ist.

Unser Kreisschreiben vom 25. Mai (Bundesblatt I. 830), wodurch wir die Verwaltungen der im Betrieb befindlichen Eisenbahnen daran erinnerten, daß jede Veränderung der bestehenden Anlagen unserer Genehmigung bedürfe, war provozirt durch ein mit diesem Saze in Widerspruch stehendes Vorgehen einzelner Gesellschaften.

Von der Ansicht 'ausgehend, daß im Interesse der Sicherheit Inselstationen nur in äußersten Nothfällen gestattet werden dürfen, haben wir dem Plane über eine solche Inselstation die Genehmigung versagt.

Wegen der Verschiedenartigkeit und feinen Nüancirung der Verhältnisse konnten wir über die von mehrern Seiten aufgeworfene Frage, ob die Eisenbahnunternehmungen verpflichtet seien, Zufahrtsstraßen zu den Stationen zu bauen, keine allgemein gültigen Regeln aufstellen. Immerhin haben wir Spezialfälle in bejahendem Sinne entschieden, uns auf die Natur der Sache, auf die von fast allen Gesellschaften freiwillig geübte Praxis und auf das Wort ,,Verbindungsstraßena im Absaz 2 von Art. 14 des Gesezes stüzend.

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Die in manchen kantonalen Konzessionen enthaltenen Vorzugsrechte haben, nachdem sie im Laufe der Zeiten Stoff zu vielem Reden und Streiten geliefert, durch motivirte Tagesordnung der gesezgebenden Räthe ein einfaches Ende gefunden, ohne daß sich eine Stimme zu ihren Gunsten erhoben hätte.

Betreffend die Verpfändung von Eisenbahnen, drängte sich als erste Frage die auf, in welches Stadium eine Unternehmung gelangt sein müsse, bevor die Bewilligung zur Verpfändung ertheilt werden dürfe. Daß nicht gänzliche Vollendung erforderlich sei, ergibt sich klar aus dem Zweke und Wortlaut (Art. 3) des Gesezes. Aus der Natur des Generalpfandrechtes ferner folgt, daß jede Verpfändungsbewilligung nothwendig auf eine Menge Objekte sich erstrekt, welche noch gar nicht im Eigenthum dei- Gesellschaft vorhanden sind oder noch gar nicht existiren, sondern erst später von dem Pfandrecht ergriffen werden. Juristisch steht also nichts entgegen, schon in einem ziemlich frühen Stadium, die Verpfändung zu bewilligen. Wir glaubten, der nach Art. 3 des Gesezes zu ·leistende Ausweis sei hauptsächlich dahin zu verstehen, daß nach dem freien Ermessen des Bundesrathes ein ernstliches Unternehmen vorliegen und seine Lebensfähigkeit durch Förderung der Ausführungsarbeiten bewiesen'haben müsse, bevor die Bewilligung ertheilt werden darf. Dieser Ausweis hängt zusammen mit dem Finanzausweis ; bevor gebaut werden darf, müssen Geldmittel, bevor verpfändet werden darf, müssen Bauarbeiten gezeigt werden.

In die Pfandbestellungsbewilligung und in's Pfandbuch wurde der Zusaz aufgenommen, die und die Linie ,,in ihrem jeweiligen Bestände", um anzudeuten, daß die betreffende Linie noch nicht fertig erstellt sei. Von einem ursprünglich vorgeschlagenen Vorbehalt des Inhalts : ,,Das Pfandrecht ergreift nur Grundstüke, welche unbelastet in's Eigenthum der schuldnerischen Gesellschaft übergegangen sind und deren Bestimmung, den Bahnkörper zu bilden, oder deren Zusammenhang mit lezterem (Art. 9 (jes Gesezes) erkennbar istu, nahmen wir schließlich Umgang, weil im Streitfall die Frage, was verpfändet sei und was nicht, Rechtssache ist und möglicherweise nicht im Sinne des ventilirten Vorbehaltes entschieden würde.

Von einer Seite wurde die Frage aufgeworfen, ob nicht der Bundesrath Kontrole darüber üben solle, daß die Gelder eines hypothekarischen
Anleihens wirklich zu dem deklarirten Zweke verwendet werden. Gegen die Uebernahme einer solchen Verantwortlichkeit müssen wir uns entschieden aussprechen. Das Gesez deutet eine derartige Pflicht in keiner Weise an; Art. 10 berechtigt wohl die Obligationäre, verflichtefc aber die Bundesbehörden nicht,

482 unter gewissen Umständen einzuschreiten. Die Abnahme des Finanzausweises hat ja auch nicht die Folge, daß die Verwendung der gezeigten Gelder im Interesse der Aktionäre und Anleihensgläubiger erfolge, und bei den bisher nach kantonalem Rechte geschehenen Verpfändungen sorgte gleichfalls keine Amtsstelle für die Interessen der Titelinhaber.

Staatsverträge.

Nachdem die großh. badische Regierung über die Konzedirung und den Anschluß einer Linie Schaffhausen-Thäyngen-Hofen-Engen in Unterhandlung zu treten abgelehnt und die Nordostbahndirektion sich entschlossen hatte, ihr Konzessionsgesuch zu trennen und bei Baden zunächst nur um die Konzession für die Streke Bülach-Schaffhausen sich zu bewerben, wurden die Konferenzen zwischen den von beiden Regierungen Abgeordneten eröffnet. Sie führten vorläufig zu keiner Einigung, da Baden verlangte, daß die Bahn von Bülach in Neuhausen, statt in Schaffhausen, an die badische Bahn sich anschließe und daß die Schweiz für die Erstellung der Linie Stühlingen-Beringen sorge, und ungeachtet der schweizerischerseits dagegen gemachten Vorstellungen wenigstens auf der leztern Forderung beharrte, wir aber selbstverständlich die genannte Garantie in keiner Weise übernehmen konnten, damals sogar noch nicht einmal eine Konzession für die Linie Stühlingen-Beringen anbegehrt war.

Im laufenden Jahre hat die badische Abordnung den Wunsch nach Wiederaufnahme der Unterhandlungen ausgesprochen.

Durch Beschluß des h. Ständerathes vom 13. Juni wurde uns die Petition der Herren G. D. Seigneux und Dr. H. Christ betreffend Anbahnung einer internationalen Konferenz, welche in einheitlicher Weise gewisse Theile der Gesezgebung in Sachen des Eisenbahntransportwesens zu regeln hätte, zu entsprechendem Vorgehen überwiesen.

Wir haben die Petition mit einer sie unterstüzenden Begutachtung den schweizerischen Gesandten in Berlin, Wien, Paris und Rom mitgetheilt und sie eingeladen, die Angelegenheit bei den Regierungen der betreffenden Staaten zur Besprechung zu bringen und dieselben zur Mittheilung ihrer Ansichten über die Sache selbst sowohl als über die Anhandnahme und Behandlung derselben zu veranlaßen.

Die deutsche Reichsregierung sprach sich sofort günstig für die Sache aus und wünschte Mittheilung eines Vertragsentwurfes als Grundlage für das weitere Vorgehen.

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Das österreichische Ministerium hat sich noch nicht offiziell geäußert, doch soll es dem . ungarischen Ministerium einen empfehlenden Bericht und Antrag hinterbracht haben.

Frankreich nahm anfänglich eine zurückhaltende Stellung ein, machte übrigens die französischen Eisenbahngesellschaften mit der Anregung bekannt.Lezteree gingen unter derVoraussezungg, daß der internationale Vertrag sich auf die Regelung gewisser Fragen beschränke, bereitwillig auf den Vorschlag ein, und in Folge dessen stellte auch die Regierung ihre Mitwirkung in Aussicht.

Italien befreundete sich gleichfalls mit der Idee, die Vorschriften über die Materie zu unifiziren So ist Grund zu der Hoffnung vorhanden, daß dein schweizerischen Boden eine neue segensreiche Institution internationaler Einigung entspriesse.

Beziehungen auswärtiger Bahnunternehmungen, welche auf Schweizergebiet Bahnstüke betreiben, zum Eisenbahngesez und zu den Bundesbehörden.

Die Beziehungen waren regulär; Anstände haben sich nicht, erhoben. , Unsere Verwendung um Erhebung der Station Riehen (Wiescnthalbahn) zur G Uterstation hatte schließlich den gewünschten Erfolg.

Einem gleichen Gesuche, bezüglich der Station Wildlingen, kam die großh. badische Verwaltung ebenfalls entgegen, nachdem die betheiligten Gemeinden die Verpflichtung eingegangen, 2/3 der Kosten zu tragen.

B. Behandlung spezieller Angelegenheiten, betreffend den Bau und Betrieb von Eisenbahnen.

Konzessionen.

Mit 9 Botschaften haben wir Ihnen 10 Konzessionsentwürfe zur Annahme empfohlen. Denjenigen betreffend eine Konzession für das schweizerische Stük einer Eisenbahn Genf-Dijon haben Sie an uns zurückgewiesen, hauptsächlich weil der französische Theil der Linie noch nicht konzedirt sei und damit wir uns über die militärische Bedeutung der Bahn aussprechen.

Ertheilt wurden in Ihren Sessionen vom Juni und November 1874 und März 1875 Konzessionen für folgende Linien mit den ·beigesezten Hauptverhältnissen :

Linien.

1) 2) 3) 4) 5) 6)

Länge in Mmimalradius Maximal- Kosten per Kilometern. in Metern. Steigung in °/oo. Kilometer.

Dielstorf-Niederweningen .

.

Mendrisio-Monte Generoso Wohlen-Bremgarten .

ZürichseeBrunnen-Rothkreuz Rappersweil-Brunnen Gotthardbahn Lugano-Fornasette (-Luino)

7) Stühlingen-Beringen 8) Zürich-Höngg 9) Stanz-Rothschuh

.

·

7,3 12,5 7,2

33,5 47,8 26,0 11,8 5,6 8,6 160,3

350 160 300 240 240 60 ?

50., 300

14 141 15 10 30 29

Fr.

155,000

GesammtliostenVoranschlag.

Fr.

1,131,500

340,000 4,500,000 1,300,000 180,555 7,988,000 238,806 250,915 11,985,000 95,380, 2,479,880 (esci. Betriebsmaterial) 14 2,843,550 240,000 34 94,400 528,640 6 280,000 2,400,000 35,156,570

Davon werden Nr. 6 und 8 schmalspurig, Nr. 2 nach dem Zahnstangensystem gebaut. Nr. 8 ist theilweise Straßenbahn und wird durch eine neue Art von Betriebsmaterial (Dampfomnibus) bedient.

Bei 5, 6, 9 und, so lange nicht auch von Bremgarten aus die Bahn an das allgemeine Nez anschließt, bei Nr. 3 ist die Geschwindigkeit auf 20 Kilometer per Zeitstunde reduzirt; eine noch weitere Reduktion ist bei Nr. 2 und 8 gestattet, resp. vorgeschrieben.

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Nr. 2 soll im Winter gar nicht, Nr. 4, 5, 6, 8 und 9 dürfen mit weniger täglichen Zügen als im Sommer betrieben werden.

Nr. 8 hat nur e i n e Wagenklasse, ebenso vorläufig Nr. 2; Nr. 3, so lange nicht auch von Bremgarten aus fortgesezt, kann sich auf 2 Klassen beschränken.

Auf der Bergbahn Nr. 2 genießen nur solche Militärpersonen den Vortheil einer Taxreduktion, welche im Bereiche der Bahn ihren Wohnsiz haben und auf Grund eines Aufgebotes reisen.

Nr. 8 ist vom Viehtransport für immer, Nr. 2 vorderhand dispensirt.

Höhere als die normalen Taxen sind gewährt den Linien Nr. 2, 3, 5, 6 und 9. Diese Erhöhung ist bei 9 zu Gunsten der 2. und 3. Klasse wieder gemildert durch die Verpflichtung, Kilometerbillets zu reduzirten Taxen auszugeben.

Besondern Transportregeln unterliegt der Waarentransport bei Nr. 8.

Bei uns p e n d e n t blieben 1) drei Begehren für verschiedene, Bern und Neuenburg näher verbindende Linien (erledigt durch Botschaft vom 17. März 1875}; 2) zwei Konzessionsgesuche für eine Linie zwischen Genf und Annemasse. Auf den Wunsch der Regierung von Genf verschoben wir die Behandlung dieser Gesuche, bis die französischen Behörden über das definitive Trace derjenigen Linien, welche das savoyische Nez bilden sollen, sich ausgesprochen und die Konzession für die Fortsezung der Bahn Gehf-Annemasse einer bestimmten Person ertheilt haben würden. Seither ist der Staatsrath von Genf selbst um die Bewilligung zu Planaufnahmen etc. eingekommen'.

E r l o s c h e n sind durch ausdrüklichen Verzicht die Konzessionen für folgende Linien : 1) Winterthur-Bülach-Baden (Konzession des Kantons Zürich vom 1. Februar 1872); 2) Interlaken-Gummihorn ; 3) Turbenthal-Seelmatten ; 4) von Zürich oder Neumünster über den Zürichberg nach Grüningen mit Abzweigungen nach dem Pfannenstiel und von Eßlingen nach Uster.

486

Fristverlängerungen, Aenderungen und Uebertragungen von Konzessionen, Betriebsverträge.

15 Botschaften hatten Fristverlängerungen zum Gegenstand zur Folge ; darunter bezogen sich 3 auf die Ausweis-, AnfangsVollendungsfristen, 8 .auf die Frist für Finanzausweis und Beder Einarbeiten, 3 lediglich auf den Beginn der Erdarbeiten l auf den Vollendungstermin.

Außerdem erledigten wir kraft der uns von Ihnen am 31. Januar, 26. Juni und 23. Dezember ertheilten Ermächtigungen 19 Gesuche von uns aus, sämmtlich im Sinne des Entsprechens.

Eine Konzession (der Regionalbahn am Südostabhang des Jura) wurde hinsichtlich des Trace und der Fristen für Einreichung der ' technischen und finanziellen Vorlagen und für Beginn der Erdarbeiten abgeändert.

Eine Konzession (Rorschach-Heiden) wurde auf die definitive Betriebsgesellschaft übertragen.

Kraft Spezialvollmacht übertrugen wir von uns aus die neue Konzession für die Ligne d'Italie auf den Ersteigerer, die Simplonbahngesellschaft.

Zwei Betriebsverträge (betreffend einen Theil der Arther-Rigibahn und die Bahn Rigischeidegg-Rigikaltbad) erhielten Ihre Genehmigung, Dem zwischen der schweizerischen Centralbahn und den großh.

badischen Staatseisenbahnen am 30/31. Oktober 1873 abgeschlossenen Betriebsvertrag betreffend die Basler Verbindungsbahn ertheilten, kraft Art. 5 des die Konzession genehmigenden Bundesbeschlusses vom 23. Juli 1870, wir die Genehmigung (Eisenbahnaktensammlung, neue Folge, II. 3).

Ebenso einem zwischen den großh. badischen Staatsbahnen, der Nordostbahn und der Eisenbahn Winterthur-Singen-Kreuzlingen über die Mitbenuzung des Bahnhofes Konstanz abgeschlossenen Vertrage.

und und ginn und

Finanzausweise.

Es wurden die Finanzausweise für folgende Unternehmungen .anerkannt : 1) Lausanne-Ouchy (BaukostenVoranschlag:,Fr. 2,267,868).

2) Interlaken-Bönigen (Fr. 550,000, ohne Betriebsmaterial).

487

3) Winterthur-Singen-Kreuzlingen, definitive Genehmigung des im vorhergehenden Jahre bedingungsweise abgenommenen Ausweises (Fr. 12,000,000).

4) Winkeln-Herisau-Appenzell (Fr. 3,000,000).

5) Tößthalbahn, Winterthur-Bauma-Wald (Fr. 5,595,768).

6) Lyß-Fräschelz, Sektion der Broyethalbahn (Fr. 1,980,000).

7) Linksufrige Zürichseebahn, Zürich-Ziegelbrüke (Fr. 18,484,000).

8) Rigikaltbad-Rigischeidegg, der Regina Montium gehörend, (Fr. 1,450,000).

9) Palezieux-Fräschelz, Sektion der Broyethalbahn (Fr. 7,900,000, ohne Betriebsmaterial 10) Freiburg-Payerne-Yverdon, Transversalbahn (Fr. 8,417,000, ohne Betriebsmaterial).

11) Gäubahn, Lyß-Solothurn-Olten (Fr. 14,647,500, ohne Betriebsmaterial).

12) Langenthal-Wauwyl (Fr. 8,293,000, ohne Betriebs m aterial).

13) Uetlibergbahn (Fr. 1,498,500).

14) Rorschach-Heiden (Fr. 2,200,000).

15) Ziegelbrücke-Näfels (Fr. 870,000).

16) Effretikon-Wetzikon-Hinweil (Fr. 3,475,000).

Statutengenehmigungen.

Wir ertheilten die Genehmigung 1) den Statuten der Gesellschaft Lausanne-Oachy.

2) ,, ,, ,, ,, der Bischofszellerbahn.

3) ,, ,, ,, ,, ,, Tößthalbahu.

4) ,, · ,, ,, ,, der Schweiz. Centralbahn 5) einer Abänderung der Statuten der Gesellschaft WinterthurSingen-Kreuzlingen 6) einer Abänderung der Statuten der Gesellschaft der Suisse Occidentale.

7) den Statuten der Regina Montium.

8) ,, ,, ,, Rorschach-Heiden-Bergbahn-Gesellschaft.

9) einer Abänderung der Statuten der Gesellschaft der Eisenbahn.

Jougne-Eclepens.

10) den Statuten der Gesellschaft Effretikon-Wetzikon-Hinweil.

Bundesblatt. Jahrs. XXVII. Bd. II.

33

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Expropriationsverfahren.

a. Schäzungskommissionen wurden neu bestellt für folgende Linien: 1) Niederglatt-Otelfingen-Baden (2 Kantonsgebiete).

2) Die Centralbahn (alte Linien) auf Aargauergebiet.

3) Effretikon-Wetzikon-Hinweil.

4) Stäfa-Wetzikon.

5) Rorschach-Heiden (2 Kantonsgebiete).

6) Die Simplonbahn.

7) ,, Gotthardbahn auf Luzernergebiet.

8) ,, Gänbahn (2 Kantonsgebiete).

9) ,, Wasserfallenbahn (2 Kantonsgebiete).

10) Langenthal-Wauwyl (2 Kantonsgebiete).

11) Winkeln-Herisau-Appenzell .(3 Kantonsgebiete).

12) Die linksufrige Zürichseebahn auf St. Gallergebiet.

Außerdem traf das Bundesgericht 7 Ersazwahlen und eine Kantonsregierung l Ersazwahl.

b. Das außerordentliche E x p r o p r i a t i o n s v e r f a h r e n wurde in 6 Fällen bewilligt.

c. Bestreitungen der A b t r e t u n g s p f l i c h t veranlagten 54 Beschlüsse (4 davon betrafen die Gotthardbahn). 41 Beschlüsse fielen im Sinne der Abweisung, resp. des Nichteintretens aus ; 6 Einsprachen wurden gutgeheißen ; 7 Beschlüsse hatten eine anderweitige Erledigung der Einsprache, sei es durch Zurükziehung oder durch Anerkennung des Expropriationsbegehrens oder durch einen aus beidem gemischten Vergleich, zum Gegenstande.

Außerdem wurden 40 das Expropriationsverfahren betreffende Eingaben direkt den sie einsendenden Gemeinderäthen zurükgestellt, weil sie offenbar nicht Ein-, sondern Ansprachen oder Wünsche bezüglich Wahrung von öffentlichen Interessen enthielten.

17 Einsprachen waren am Schlüsse des Berichtsjahres noch pendent.

d. 11 Gesuchen um Bewilligung zur sofortigen Besiznahme von Expropriationsobjekten (gemäß Art. 46 des eidgenössischen Expropriationsgesezes) wurde ohne weiteres Verfahren entsprochen, 3 andern erst, nachdem weitere Erhebungen veranstaltet worden waren. Alle mit Ausnahme von 4 gingen von der Gotthardbahn aus,

489

e. A n d e r w e i t i g e B e s c h l ü s s e in E x p r o p r i a t i o n s s a c h e n (Beschwerden über Schäzungskommissionen, Beschwerden über Gemeinderäthe betreffend Auflage, resp. Nichtauflage von Plänen, Gesuche um Erhöhung der Kautionen, um Bewilligung von Planaufuahmen etc.) wurden 28 gefaßt.

Bau-Inhibitionen.

14 von kantonalen Behörden verfügte Bau verbote wurden aufgehoben; in 2 Fällen wurde gleichzeitig von uns aus ein Verbot erlassen.

11 Bau-Inhibitionen wurden selbständig und direkt bei uns nachgesucht ; 5 wurden abgewiesen, 2 ganz und l theilwcise gutgeheißen, 2 in Folge Vergleiches zurükgezogen, l von der Baugesellschaft als begründet anerkannt.

Verpfändungen.

Bewilligt wurde die Verpfändung 1) der Tößthalbahn für Fr. 1,900,000 ; 2) der Eisenbahn Winterthur-Singen-Kreuzlingen für Fr. 5,000,000; 3) der Broyethalbahn, von Palézieux bis Fräschelz, für nominell Fr. 4,240,000 reell Fr. 5,300,000; 4) der (Bern-) Langnau-Luzern-Bahn für Fr. 10,000,000; 5) der Eisenbahn Winkeln-Herisau-Appenzell für Fr. 1,900,000.

Gegen 3 Verpfändungen war Protest erhoben, derselbe jedoch im Verlaufe wieder zurükgezogen worden.

Nach Inkrafttreten des Bundesgesezes vom 24. Juni 1874 über Verpfändung und Zwangsliquidation der Eisenbahnen luden wir die sämmtlichen Eiseubahnverwaltungen zur Kenntnißgabe der auf ihrea Linien haftenden Pfandrechte und Prioritäten ein. Wegen der vielen laufenden Geschäfte des Pfand buchführers konnte die Eintragung der alten Pfandrechte noch nicht bewerkstelligt werden.

Bahnhoffragen.

Sowohl in technischer als in rechtlicher Beziehung ungemein schwierige Fragen knüpfen sich an die Herstellung, Verlegung oder Vergrößerung von Bahnhöfen, namentlich wo dieselben bestimmt sind, mehreren Bahnunternehmungen gemeinsam zu dienet». Das verflossene Jahr brachte dem Bundesrathe und dem Departemente eine ganze Reihe solcher Aufgaben.

490

1) In L uz er n einen geeigneten, für alle dort ausmündenden Bahnen gemeinsamen Bahnhof zu erreichen, war seit längerer Zeit ein Zielpunkt der Regierung von Luzern ; auch diejenige von Bern im Interesse der Bern-Luzern-Bahn und die Verwaltung der leztern selbst drangen auf eine Lösung dieser Frage. Als wir daher erfuhren , daß die Direktion der Gotthardbahn ihrem Verwaltungsrathe die Frage der Bahnhofanlage in Luzern zur Beschlußfassung vorlegen wolle, empfahlen wir ihr, sich vor definitiver Schlußnahme mit den übrigen betheiligten Bahngesellschaften, sowie mit der Regierung von Luzern in's Benehmen zu- sezen. Später suchte die Gotthardbahndirektion um Veranstaltung einer Konferenz nach, u. a. um den Grundgedanken ihres Projektes eines gemeinsamen Bahnhofes am rechten Seeufer (an der Halde) zum Gegenstand des Ideenaustausches zu machen.

Bei dieser Konferenz protestirten die Vertreter des Kantons und der Stadt Luzern entschieden gegen die Situirung an der Halde, und wünschten den Bahnhof in die Gegend des jezigen Centralbahnhofes, eventuell in den Untergrund placirt zu sehen, welch' lezterem Plaze auch die Bern-Luzern-Bahn den Vorzug gab.

Auf den Antrag der Bahngesellschaften ordnete das Departement eine Expertise über die Frage an, ob der Untergrund nicht genügenden Raum zur Etablirung eines gemeinsamen Bahnhofes biete. Die Experten glaubten die Frage verneinen zu sollen und wiesen in Beantwortung einer fernem Frage auf das Triebschen Moos als den die Interessen aller Betheiligten allein vollständig befriedigenden Plaz des Bahnhofes hin.

Seither gewärtigen wir die weiteren Anträge und Vorlagen der Betheiligten.

2) Auf die Vorstellung des Stadtrathes von W i n t e r t h u r , daß der dortige Bahnhof schon den gegenwärtigen Verkehrsbedürfnissen nicht mehr entspreche und einer rationellen Straßen- und Quartieranlage im Wege stehe, und daß die Aufnahme der neuen Linien Winterthur-Singen, Winterthur-Bauma, Winterthur-Waldshut und Winterthur-Zofingen die Uebelstände in's Unerträgliche steigern würde, berief das Departement die betheiligten Eisenbahngesellschaften und Behörden zu einer Konferenz zusammen, deren Resultat die Erklärung der Nordostbahndirektion war, Pläne für eine solche Erweiterung des Bahnhofes in Winterthur, daß alle hier ausmündenden Bahnen Aufnahme finden können und die Straßenverhältnisse
möglichst berüksichtigt werden , ausarbeiten und den Interessenten zur Prüfung unterbreiten zu wollen. Während sodann der Stadtrath an den im Herbste vorgelegten Plänen Vieles auszu-

491 sezen fand, befriedigten dieselben die andern Gesellschaften bis auf wenige Punkte.

An der Frage über die finanziellen Folgen, namentlich darüber, ob und in welchem Umfange die neuen Bannen auch für die Geldbeschaffung in Mitleidenschaft gezogen werden können, scheiterte jedoch vorläufig das Werk der Einigung.

3) In Basel will die Centralbahn einen besondern Güter- und Rangirbahnhof auf dem Wolf-Felde erstellen,' da der bisherige Bahnhof nicht mehr ausreicht, den Personen- und Güterverkehr zugleich zu vermitteln. Die Behörden von Basel-Stadt verlangen, daß in Verbindung damit die Beseitigung der Uebelstände einiger Niveauübergänge erzielt werden sollte, und haben ihr Augenmerk auf eine andere Lösung der ganzen Frage gerichtet ; jedenfalls wünschen sie genügende Zeit zur gründlichen Untersuchung aller Verhältnisse eingeräumt zu erhalten.

Auf der andern Seite verbot die baldige Eröffnung der Bötzbergbahn und die Notwendigkeit, für die schon längst vor den Mauern Basels stehende bernische Jurabahn (Delsberg-Basel) den Anschlußpunkt zu bestimmen, eine längere Verschiebung. Wir ertheilten daher im Januar 1875 einem von der Centralbahn vorgelegten Plan über einen provisorischen Rangirbahnhof auf dem WolfFelde die Genehmigung, jedoch ohne Präjudiz für die definitive Anlage des neuen Rangir- und Güterbahnhofes, sowie für die Gestaltung des gegenwärtigen Personenbahnhofes und der Wegübergänge, und unter Ansezung einer Frist, um sich mit der Regierung von Basel-Stadt über jene definitiven Anlagen zu verständigen , widrigenfalls wir nach Anhörung der Betheiligten entscheiden würden.

4) Anlaß nehmend von der bevorstehenden Eröffnung der bernischen Jurabahuen und der Bern-Luzern-Bahn, wies die Regierung von Bern auf die Unzulänglichkeit des Bahnhofes in B e r n hin und suchte um Veranstaltung einer Konferenz zwischen den Betheiligten nach. Das Departement entsprach dem Begehren und das Direktorium der Centralbahn übernahm auf Grund der gewalteten Berathung, Pläne über eine Erweiterung auszuarbeiten, nachdem es mit den übrigen betheiligten Verwaltungen, betreffend den Umfang ihrer Bedürfnisse und ihre Wünsche über die Anlage und die inuern Einrichtungen sich werde in's Vernehmen gesezt haben.

5) Der von dem Direktorium der Schweiz. Centralbahn proektirte Gäubahnhof in S o l o t h u r n veranlagte die
Behörden von Solothurn zu mehrfachen Begehren, betreffend Gestattung von Wegübergängen, Errichtung von Durchgängen etc. Der Sehriftenweehsel führte zu keiner Einigung ; eine vom Departemente veranstaltete

492

Konferenz dagegen eröffnete neue Gesichtspunkte, so daß den Parteien mit einiger Aussicht auf Erfolg direkte Verhandlungen unter einander empfohlen werden konnten.

6) Wegen der dem Bahnhof in Wald zu gebenden Lage hatten sich zwischen der Eisenbahngesellschaft Wald-Rüti und der Tößthalbahn Differenzen erhoben, indem leztere gegen das Projekt der ersteren als gegen eine Erschwerung des Anschlusses prolestirte. Eine Vergleichsverhandlung unter dem Vorsiz des Departements schien die Schwierigkeiten beseitigt zu haben. Es blieb Jje O O doch von einer Seite die vorbehaltene Ratifikation der zu Stande gebrachten Uebereinkunft aus. Später indessen einigten sich die beiden Gesellschaften auf ein neues Projekt.

Verschiedenes.

*

K a u t i o n e n wurden geleistet von der Centralbahn für die Wasserfallenbahn auf basellandschaftlichem Gebiete und von der Suisse Occidentale für die Transversalbahn (Freiburg-Payerne- Y verdon) auf Waadtländergebiet.

Die für die sog. Dekretslinien der bernischen Jurabahnen (BielConvers, Sonceboz-Dachsfelden) s. Z. geleistete Kaution wurde, nachdem die Collaudation befriedigend ausgefallen War, restituirt.

Außer 8 Konzessionsverhandlungen und den vorhin erwähnten 5 Verhandlungen über Bahnhofanlagen fanden unter dem Präsidium des Departementschefs noch 4 anderweitige K o n f e r e n z e n statt, über die Verhältnisse zwischen der Stadt Bern und der Centralbahn bezüglich des Wylerfeldes, über das Programm für die Statistik, die Fahrtordnung des Jura Industriel und "die Stellung der betheiligten Kantonsregierungen zu den Eisenbahnprojekten Bern-Neuenburg.

C.

Technische Contrôle.

Bahnbau

Im Laufe, des Jahres 1874 waren folgende Bahnlinien in Ausführung begriffen : 1. Wädensweil-Einsiedeln.

2.. Broyethalbahn (Palezieux-Lyß).

3. Bern-Luzernbahn.

4. Bötzbergbahn.

5. Rigibahn Kaltbad-Scheidegg.

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Emmenthalbahn(Solothurn-Burgdorf).

Tößthalbahn ( Winter thur-Bauma).

Winterthur-Koblenz.

Bernische Jurabahnen (Linien Biel-Convers, Sonceboz-Tavannes, Delsberg-Pruntrut und Delsberg-Basel).

Uetlibergbahn.

Linksufrige Zürichseebahn.

" Arther-Rigibahn.

Bödelibahn (Streke Interlaken-Bönigen).

Aarg. Südbahn (Streke Ruppersweil-Wohlen-Muri).

Rorschach-Heiden.

Lausanne-Ouchy.

Winkeln-Herisau-Appenzell bis Waldstatt).

Wald-Rüti.

Transversalbahn (Fribourg-Payerne-Yverdon).

Winterthur-Singen-Kreuzlingen.

Bischofszellerbahn (Sulgen-Goßau).

Langenthal-Wauwyl (Tunnel bei Ebersecken).

Wasserfallenbahn (der große Tunnel mit Voreinschnitten

An den 9 lezten dieser Bahnen wurden die Bauarbeiten erst im Laufe des Jahres begonnen, während sie bei den übrigen schon kürzere oder längere Zeit im Gange waren.

Der concessionsgemäße Termin für den Baubeginn wurde von sämmtlichen Bahnverwaltungen eingehalten. Behufs Constatirung der rechtzeitigen Inangriffnahme der Erdarbeiten fand jeweilen eine technische Expertise statt und zwar außer den genannten Bahnen auch für die Linie Effretikon-Wetzikon-Hinweil, an welcher die Arbeiten erst gegen Ende Dezember begannen, weßhalb sie in obigem Verzeichniß nicht figurirt.

Vollendet und dem Betrieb übergeben wurden die Linien BielConvers und Sonceboz-Tavannes der bernischen Jurabahnen (49,26 Kilometer lang), die Streke Cheseaux-Echallens 6,85 Kilometer), das Stük Ruppersweil-Wohlen der aargauischen Südbahn (19,14 Kilometer lang), die Sektion Interlaken - Bönigen der Bödelibahn (Länge 3,9 Kilometer) und das Theilstük Kaltbad-Unterstätten der Rigibahn Kaltbad-Scheidegg (Länge zirka 3 Kilometer), für deren Eröffnung wir auf Grund der bezüglichen Berichte des Eisenbahn und Handelsdepartements nach erfolgter Untersuchung und Erprobung gemäß Art. 17 des Eisenbahngesezes die Bewilligung ertheil-

494 ten. Der offlciellen Collaudation dieser Bahnlinien vorgängig wurde jeweilen durch einen Controlingenieur im Beisein eines Ingenieurs, der Bahnunternehmung eine Voruntersuchung vorgenommen, bei welcher auch den betheiligten Kantonsregierungen Gelegenheit gegeben wurde, sich vertreten zu lassen. Erst nach Anhörung des hierüber erstatteten Berichts ordnete das Departement die eigentliche Collaudation an, zu deren Vornahme wir jeweilen die beiden Inspektoren bezeichneten und bei welcher sich auch Vertreter der betreifenden Bahngesellschaft und der von der Bahn berührten Kantone betheiligten.

Eine Begehung der im Bau begriffenen Bern-Luzernbahn durch einen Controlingenieur ergab mehrfache Abweichungen von den genehmigten Bauplänen bei der Bauausführung. Die Bahnverwaltung wurde über diese Modifikationen, von welchen uns keine Kenntniß gegeben worden war, zur Verantwortung eingeladen mit der Auforderung, für dieselben neue Pläne vorzulegen.

Plangenehmigungen.


Die Prüfung der zur Genehmigung eingelangten Baupläne absorbirte bei der außerordentlichen Zahl im Bau begriffener Bahnen einen großen Theil der Thätigkeit des technischen Inspektorats.

Es mußten nicht weniger als 109 verschiedene Vorlagen, die zusammen 713 Pläne (die Doppel nicht gerechnet) umfassen, untersucht und zur Gutheißung vorbereitet werden.

Zu den Plänen für Neubauten kamen dieses Jahr noch solche für Modifikationen aller Art, insbesondere für Bahnhof- und Stationserweiterungen , welche die Bahngesellschaften in Abweichung von den ursprünglich genehmigten Plänen entweder von sich aus oder auf Anregung von Behörden, Gemeinden etc. vornahmen.

Die von uns genehmigten Pläne vertheilen sich auf die verschiedenen Bahnlinien wie folgt: 1) B e r n - L u z e r n - B a h n : Detailpläne für Brüken, Normalien für Durchlässe, Oberbau und Hochbauten : 27 Pläne in 3 Vorlagen.

2) B ö t z b e r g b a h n : Detailpläne über Straßenübergänge und Wegkorrektionen: 4 Stük in 3 Vorlagen.

3) E m m e n t h a l b a h n : Sämmtliche reglementarischen Pläne; außerdem Situationsplan und Längenprofil für die Verlegung^ der Industriebahn Derendingen-Biberist : 28 Pläne in 7 Vorlagen.

49$ 4) T ö ß t h a l b a h n : Catasterpläne und Längenprofile für die Streke Oberwinterthur-Seen, Normalien der Hochbauten, Spezialpläne für Wegübergänge: 34 Stük in 2 Vorlagen.

5) W i n t e r t h u r - K o b l e n z : Catasterpläne und Längenprofile der Streke Bülach-Weiach und Gemeinde Koblenz nebst, einigen Spezialplänen : 9 Stük in 2 Genehmigungen.

6) B e r n i s c h e J u r a b a h n e n : a) Linie Delsberg-Basel : Catasterpläne und Längenprofile,, Detailpläne für Straßenkorrektionen und Brüken, Normalien für Durchlässe und für die Hochbauten; b) Linie Delsberg-Pruntrut: Catasterpläne und Längenprofile: zusammen 43 Pläne in 4 Vorlagen.

7) L a u s a n n e - E c h a l l e n s : Catasterplan und Längenprofil der Streke auf dem Gebiet der Gemeinde Etagnières, Situationsplan der Station Echallens : 3 Pläne in 2 Vorlagen.

8) U e t l i b e r g b a h n : Einige Catasterpläne und Längenprofile , Normal- und Detailpläne der Brüken und Durchlässe, des Oberbaues etc. : 11 Pläne in 2 Genehmigungen.

9) L i n k s u f r i g e Zürichseebahn Catasterpläne und Längenprofile für die ganze Linie nebst einer Variante (Käpfnach-Horgen), Spezialpläne der Linthbrüken, des prov. Aufnahmsgebäudes Enge und einiger Strassenkorrektionen : 35 Pläne in 7 Genehmigungen.

10) A r t h e r - R i g i b a h n : Situationsplan und Längenprofil der ganzen Linie nebst Querprofilen: 11 Stük in 2 Genehmigungen.

11) Bödelibahn Spezialpläne über Brüken und Strassenüber gänge, Situationsplan und Längenprofil der Streke InterlakenBönigen: 10 Pläne.

12) R o r s c h a c h - H e i d e n : Sämmtliche vorgeschriebene Pläne ; 10 Stük in 3 Genehmigungen.

13) L a u s a n n e - O u c h y : Spezialpläne der Kunstbauten, Normalquerprofile: 7 Stük in 3 Vorlagen.

14) W i n k e l n - H e r i s a u - A p p e n z e l l : Sämmtliche vorschriftsgemäße Pläne für die Streke auf Appenzellergebiet bis Waldstatt: 30 Stük in 6 Vorlagen.

15) W a l d - R ü t i : Catasterplan und Längenprofil für die Streke Pilgersteg bis Nr. 52, Spezialpläne für Kunstbauten etc..

Normalien für den Oberbau : 8 Stük.

496 16) T r a n s v e r s a l b a h n (Fribourg-Payerne-Yverdon) : Catasterpläne und Längenprofile für die Streke Fribourg-PayerneCheyres, Spezialpläne über Brüken und Wegkorrektionen, Oberbaunormalien: 75 Stük in 5 Vorlagen.

17) W i n t e r t h u r - S i n g e n - K r e u z l i n g e n : Catasterplan und Längenprofil für die Streke Etzweilen-Schweizergränze, Spezialpläne für die Wegübergänge und Straßenkorrektionen auf der ganzen Linie, für die Rheinbrüke bei Hemmishofen und den Thur-Viadukt bei Ossingen, Situationspläne der Stationsanlagen, Normalpläne für den Unterbau, Hochbauten etc.: 189 Stük in 15 Genehmigungen.

18) B i s c h o f s z e l l e r b a h n : Sämmtliche reglementarische Pläne mit Ausnahme derjenigen für die Station Gossau: 124 Stük in 8 Genehmigungen.

19) G ä u b a h n : Catasterpläne und Längenprofile für die Streke Zuchwyl-Niederbipp , Detailpläne für 3 Brüken: 15 Stük in 3 Vorlagen.

20) L a n g e n t h a l - W a u w y l : Catasterplan und Längenprofil für den Bau des Tunnels bei Ebersecken mit Voreinschnitten: 2 Pläne.

21) W a s s e r fa Ile n b a h n: Catasterplan und Längenprofil für den großen Tunnel mit Voreinschnitten nebst Tunnelprofilen : 7 Pläne.

22) B f f r e t i k o n - W e t z i k o n - Hinweil: Catasterpläne und Längenprofile Normalpläne für Brüken, Durchlässe, Oberbau etc. : 29 Pläne.

23) S t a t i o n s e r w e i t e r u n g e n etc.: Es betrifft dies folgende Stationen : Winkeln, La Plaine, Herzogenbuchsee, Pratteln, Münsingen, Hindelbank, Aarburg, Rüti, Henggart, Brugg Convers, Chaux-de-Fonds Bümplitz, Ruppersweil, Nebikon, Grandvaux, Lyß und die Bahnhöfe in Genf und Thun: 34 Pläne in 21 Genehmigungen.

Behufs einer Geleiseverbindung des Eisenwerkes Roy und Comp. in Vivis wurden die Pläne für einige daherige Abänderungen im dortigen Bahnhofe vorgelegt (3 Stük).

24) S c h w e i z e r . N o r d o s t b a h n : Normalpläne für Nebenlinien über Dohlen, Durchlässe, Brüken, Schienen, Befestigungsmittel, Hochbauten etc. : 22 Stük.

25) Schweiz. C e n t r a l b a h n : Normalvorschriften für dieProjektirung und Ausführung von Ober- und Unterbau der Gäubahn, Wasserfallenbahn, Langenthal-Wauwyl und SolothurnSchönbühl: 34 Pläne.

497 Bei der Mehrzahl der Planvorlagen wurden von Gemeinden und Kantonsregierungen nach erfolgter Einladung zur Vernehmlassung mehr oder weniger weitgehende Begehren gestellt. Wo dies angezeigt erschien , gab das Departement den betreffenden Bahngesellschaften Gelegenheit , ihre Gegenbemerkungen geltend zu machen, was in einigen Fällen zur Folge hatte, daß dieselben die vorgelegten Pläne zurükzogen und durch andere, den gestellten Forderungen entsprechende ersezten. Reklamationen, die an der Hand der Pläne und übrigen Akten nicht gehörig,beurtheilt werden konnten , machten jeweilen einen Augenschein an Ort und Stelle nothwendig während andere Anstünde auf dem Wege eines gütlichen Vergleichs erledigt wurden.

Nicht selten machten sowohl Regierungen als Gemeinden und Privaten, namentlich bei Straßenkorrektionen und Wegübergängen Forderungen geltend, die über das Maß dessen, was man billigerweise einer Bahngesellschaft zumutheu kann, hinausgingen, so in Betreff der Steigungs- und Krümmungsverhältnisse, der Breite der zu korrigirenden Straßen etc. Bei der Erledigung solcher Anstände gingen wir jeweilen von der Ansicht aus, daß die Bahn Verwaltungen nur verpflichtet werden können, die bisherigen Verhältnisse der streitigen Bauobjekte (Straßen, Bäche etc.) zu berüksichtigen Eine ziemlich bedeutende Anzahl von Beschlüssen wurde durch selbstständige Petitionen von Gemeindebehörden um Errichtung weiterer, durch die Baugesellschaften nicht vorgesehener Stationen, um andere Situiru der projektirten Bahnhöfe, um Herstellung oder Abänderung von Wegeg und Wasserdurchlässen etc. veranlaßt.

Expertisen.

Außer denjenigen Expertisen, welche behufs Beurtheilung der bei Bau vorlagen gestellten Begehren nöthig wurden, fanden in verschiedenen Angelegenheiten noch folgende technische Untersuchungen an Ort und Stelle statt : Wenn bei E i s e n b a h n u n f ä 11 e n die Vornahme eines Augenscheines augezeigt erschien, so wurde sofort ein Kontrolingenieur abgeordnet, welcher über das Resultat seiner Erhebungen ein-en schriftlichen Bericht abzugeben hatte. In einzelnen Fällen sah sich das Departement auf Grund dieser Expertisen veranlaßt, auf Verhütung weiterer Unfälle abzielende Vorkehrungen anzuordnen; so bei einem Todesfall auf der Centralbahn in Holderbank, wo die Bahnverwaltung zur Beseitigung eines gefährlichen Wegüberganges angehalten, und bei deu Entgleisungen auf der Suisse occidentale

498

in Flamatt und Düdingen, wo die Beschaffung besser konstruirter Lokomotiven empfohlen wurde.

Weitere Expertisen sind folgende : Begehung der Linie Biel-Neuenstadt wegen Abrutschungen ; Untersuchung betreffend die Wasserverheerungen in Vitznau (Rigibahn); Untersuchung der'Lokomotiven der Ligne d'Italie; ,, betreffend Rollbahngerüste auf der Linie WinterthurKoblenz ; Augenschein betreffend Stationsanlage bei Freienbach (linksufrige Zürichseebahn) ; Augenschein in Solothurn wegen Wegübergängen beim Bahnhof: ,, betreffend Vergrößerung des badischen Bahnhofes in Basel ; Expertise betreffend Wegverhältnisse in Welsikon (WinterthurSingen-Kreuzlingen) ; Augenschein wegen Verlegung der Rigibahn bei Kaltbad; Untersuchung Betreffend Manövrirdienst auf der Station Zollikofen; Augenschein in Winterthur betreffend Wegübergänge im dortigen Bahnhof; Lokalbesichtigung in Kreuzungen betreffend Beschwerde über willkürliche Planänderung.

Kontrole der bestehenden Bahnen und des Betriebsmaterials derselben.

Die bestehenden Bahnen wurden auch im Berichtsjahre behufe Beaufsichtigung des baulichen Zustandes derselben begangen. Ueber das Ergebniß ihrer Erhebungen hatten die Kontroiingenieure jeweilen dem technischen Inspektor einen schriftlichen Rapport einzureichen.

Diese Kontrole konnte indessen nicht in gewünschter Weise geübt werden, weil die Thätigkeit der Kontroiingenieure, von welchen im Laufe des Jahres zwei austraten, die nur mit Zeitverlust durch andere ersezt werden konnten, allzusehr anderweitig in Anspruch genommen werden mußte und das Personal derselben überhaupt nicht ausreichte. Indessen wurde durch diese Kontrole doch so viel erreicht, daß die Bahngesellschaften sich bestrebten, ihre Linien besser zu beaufsichtigen und etwaige Mängel zu beseitigen (Auswechseln schadhafter Schienen etc.), so namentlich in einigen Bahnhöfen, wo ein Umlegen der Geleise stattfand.

Die im leztjährigen Berichte erwähnte Statistik des Betriebsmaterials der schweizerischen Bahnen wurde zum Abschluß ge-

499 bracht und veröffentlicht. Sie umfaßt 21 Tabellen, deren vollständiges Inhaltsverzeichniß folgendes ist: 1) Hauptverhältnisse der Lokomotiven und Tender.

2) Tariflrte Maximalleistungen der Lokomotiven bei verschiedenen Steigungen und Fahrgeschwindigkeiten, mit Angabe der zurükgelegten Kilometer und des Durchschnittskonsums pro Kilometer.

3) Graphische Darstellung der von Lokomotiven gezogenen Lasten.

(Diese Tabelle dient speziell zur Berechnung der relativen Betriebskosten auf variablen Steigungen.)

4) Hauptverhältnisse der Personenwagen.

5) ,, Gepäkwagen.

fl 6) ,, ,, gedekten Güterwagen.

7) ,, offenen Güterwagen.

fl 8) ,, ,, Plattformwagen.

Diese Statistik wurde an die verschiedenen Bahngesellschaften verkauft.

Da der Bestand des Betriebsmaterials sich fortwährend verändert , so müssen die jeweiligen Modifikationen und Ergänzungen Jahr für Jahr nachgetragen werden. Das Supplement für das Jahr 1874 konnte indessen noch nicht ausgegeben werden, weil die Nordostbahngesellschaft im Begriffe ist, eine andere Numerirung ihrer Wagen durchzuführen, welche Aenderung in den betreffenden Tabellen berüksichtigt werden muß.

Die Prüfung und Revision der Dampfkessel nahm das technische Personal weit mehr in Anspruch als voriges Jahr. Die Kesselproben wurden dem technischen Inspektorat von den Bahuverwaltungen jeweilen rechtzeitig zur Kenntniß gebracht, so daß jedes Mal ein Kontroiingenieur abgeordnet werden konnte. Die Zahl der im Beisein eines solchen vorgenommenen Kesselproben beläuft sich auf 37 gegenüber 6 im vorigen Jahr. Dieselben vertheilen sich auf die Bahngesellschaften wie folgt: Nordostbahn 8 Suisse occidentale 7 Schweizerische Centralbahn 13 Vereinigte Schweizerbahnen 3 J ura-Bcrnbahn · l Jura Industriel 2 Rigibahn 3

500 Da die in unserm lezten Geschäftsbericht erwähnten Vorschriften für die amtliche Prüfung der Lokomotivkessel noch nicht in Kraft getreten sind, so fanden obige Prüfungen in der Regel nach den bisherigen Reglementen der verschiedenen Bahngesellschaften statt.

Normalien und andere technische Yorschriften.

Zu den im Jahr 1873 ausgegebenen Plan-Schematen sind vier neue gekommen, nämlich ein Situationsplan, zwei Längenprofile und Querprofile für die Vorlagen behufs Bauausführung:, ein weiteres Blatt (Spezialplan) ist drukbereit.

Von den im vorjährigen Geschäftsbericht erwähnten Verordnungen behufs Erzielung einer zwekmäßigen Einheit im schweizerischen Eisenbahnwesen7 haben wir nach Einholung der Ansichten.

der verschiedenen Bahngesellschaften über den bezüglichen Entwurf des technischen Inspektorats unterm 7. September eine ,,Signalordnung für die schweizerischen Hauptbahnen^ erlassen, die mit dem ·12. März 1875 in Kraft treten sollte, welcher Termin aber auf Ansuchen der Bahngesellschaften, die mit den nöthigen Einrichtungen und Neubeschaffungen nicht rechtzeitig fertig zu werden erklärten, bis zum l. April verlängert wurde. Zu dieser Verordnung, deren Zeitgemäßheit und Zwekmäßigkeit keines weitem Nachweises bedarf,, arbeitete das technische Inspektorat eine graphische Beilage aus, welche in Farbendruk die einzelnen vorgeschriebenen Signale mit möglichster Deutlichkeit darstellt, ein Hülfsmittel, das sich namentlich für die Hand der Bahnwärter etc. eignet. Diese graphische Darstellung ist denn auch bereits von sämmtlichen Bahngesellschaften, mit Ausnahme der Gotthardbahn, angeschafft worden.

Yerschieden.es.

Auf Anregung unseres Postdepartements wurde vom technischen Inspektorat ein Distanzenzeiger für sämmtliche schweizerischen sowie die auf Schweizergebiet liegenden Streken fremder Bahnen ausgearbeitet und ausgegeben. Wie auf demselben bemerkt, sind bei einigen Linien die Angaben nicht ganz genau, weil keine zuverläßigen Längenprofile zur Verfügung standen. Diese Ungenauigkeiten sollen bei einer spätem revidirten Ausgabe korrigirt werden. Außerdem ist eine besondere Distanzenkarte in Arbeit, die nächstens ebenfalls veröffentlicht werden kann.

Auf den Wunsch des nämlichen Departements wird bei der Inbetriebsezung neuer eidgenössischer Bahnpostwagen jeweilen ein Kontrolingenieur abgeordnet, um. die Probefahrt mitzumachen. Ferner

501

wurde auf dem Bureau des technischen Inspektorats ein Postwagen mit automatischer Fangvorrichtung für Briefsäke entworfen.

Weitere Planstudien bezogen sich auf eine verbesserte Aufhängung und Abänderung der Tender-Kuppelung an den Maschinen der westschweizerischen Bahnen, Serien III und IV, und auf den Entwurf eines zweistökigen Personenwagens von 60 Sizpläzen. Auf Grund des daherigen Projektes ist seither von mehreren Bahngesellschaften die Anschaffung solcher Wagen in Aussicht genommen .worden und einige werden noch im Laufe dieses Jahres in Betrieb gesezt werden.

Für die Erweiterung der Bahnhöfe in Bern und Winterthur arbeitete das technische Inspektorat Projekte aus, die durch Autographie vervielfältigt und als Grundlage zu weitern Verhandlungen, sowohl den interessirten Bahngesellschaften als auch der betreffenden Kantonsregierung mitgetheilt wurden.

D.

Administrative Kontrole.

Tarifwesen.

Die bei P r ü f u n g resp. G e n e h m i g u n g n e u e r T a r i f e uns leitenden Grundsäze legten wir im Geschäftsberichte für das Jahr 1873 dar. Zur Revision und Genehmigung gelangten im Berichtsjahre : !.. Neue Tarife neuer Bahnen .

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16 alter ,, 25 41 2 . Nachträge z u Tarifen ·.

. 4 2 3 . Spezialtarife .

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. 2 9 4 . Camionnagetarife .

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5 5. Anzeigen über Rükvergütungen und Frachtermäßigungen 32 Die große Zahl der Nachtragstarife wurde hervorgerufen durch die den deutschen Eisenbahnen bewilligten provisorischen Taxerhöhungen. Da die Abtheilung des administrativen Inspektorates unseres Eisenbahndepartementes während des ganzen Jahres nur aus dem Inspektor und einem Hilfsarbeiter bestand, war es nicht anders möglich, als daß die sich stets erweiternden laufenden Geschäfte der Vollendung der Revision sämmtlicher alten Tarife hindernd in den Weg treten mußten und das Werk seinen Abschluß innert den Rahmen des Berichtsjahres nicht finden konnte. Dem Jahre'

302 1875 bleibt hauptsächlich noch die Durchsicht der Tarife der 'schweizerischen Westbahnen vorbehalten.

Die große und brennende Frage der Gütertarifumgestaltung in Deutschland, deren Entwiklung insbesondere die Bahnverwaltungen der deutschen Schweiz mit Spannung verfolgen, hat im Jahre 1874 keine reellen Fortschritte gemacht. Die in Folge außergewöhnlich geringer Erträgnisse des Jahres 1873 vom Bundesrathe des deutschen Reiches am 11. Juni 1875 bewilligte vorläufige Erhöhung der Gütertarife um durchschnittlich 20 °/o wurde zwar abhängig gemacht von der Zustimmung zu dem in einer Denkschrift des Reichseisenbahnamtes vorgeschlagenen neuen Tarifsystem (sog. Braunschweigersystem) und es sollte dasselbe spätestens auf 1. Januar 1875 zur Ausführung gelangen. Allein der Handelsstand sowohl als die Vertreter der Privateisenbahnen erhoben sich gegen das System und ihre vereinigte Opposition wußte einen Beschluß des Bundesrathes zu provoziren, wonach eine Entscheidung über die Tarifreform zur Zeit nicht tliunlich, vielmehr eine weitere Erörterung der Angelegenheit und eine Verlängerung des Interimistikums erforderlich ·erscheine. Des Fernern wurde der Reichskanzler ersucht, nach vorgängiger Vernehmung von Sachverständigen aus den Kreisen des Handelsstandes, der Industrie, der Landwirtschaft und der Eisenbahnverwaltungen neue Vorschläge für die Einführung eines den Absichten der Reichsverfassung entsprechenden einheitlichen Frachttarifsystems vorzulegen, wobei davon auszugehen sei, daß der Beibehaltung und weiteren Ausdehnung des sog. natürlichen oder Wagenraumsystems (wie es im Großherzogthum Baden und in Elsaß-Lothringen angewendet wird) neben einem andern Systeme nichts entgegenstehe.

Durch die wiederholte Verschiebung eines definitiven Entschlusses fühlen sich auch die schweizerischen Verwaltungen zum Zuwarten mit ihrer beabsichtigten Tarifrcorganisation verurtheilt, und wenn dieses Abwarten zur endlichen Folge hat, daß in ganz Mitteleuropa ein einheitliches Tarifsystem zur Anwendung gelangt, basirt auf Klarheit, Einfachheit, leichte Anwendbarkeit und,Billigkeit, so darf es Vohl ein gerechtfertigtes geheißen werden.

Unser lezter Bericht erwähnte einer Erörterung mit der k.

italienischen Regierung betreffend den V e r k e h r z w i s c h e n Genua und der S c h w e i z via M o n t c e n i s . Wir
glauben der nachbarlichen Regierung den Nachweis geleistet zu haben, daß die schweizerischen Behörden seit der Eröffnung der Montcenisbahu nichts unterlassen haben, um das Aufblühen des Verkehrs auf derselben zu fördern. Selbstverständlich wird dies Bestreben andauern , wenn auch die den Bundesbehörden zustehenden Kompe-

503 tenzen nicht so weit reichen, um einen direkten Verkehr zwischen den betheiligten italienischen,i französischen und schweizerischen o Bahnverwaltungen unter allen Umständen herbeizuführen. Mit Befriedigung können wir übrigens melden, daß bezügliche Verhandlungen, von schweizerischer Seite angeregt, wieder aufgenommen worden sind.

Als das Eisenbahndepartement Kunde erhielt vom Erlaß eines Gesezes durch die k. italienischen Kammern, wonich mit den Frachtsäzen der Eisenbahntarife ein S t e u e r Z u s c h l a g erhoben werden müsse von 3 °/o der Transportgebühren für Eilgüter und der Werthversicherungsprämien, sowie von 2 °/o für gewöhnliche Fracht, glaubte es Schritte thun zu sollen, damit die Steuer ausschließlich vom Empfänger in Italien erhoben werde, möge das Gut frankirt sein oder nicht. Damit wäre verhindert worden, daß die Bewohner der Schweiz zur Entrichtung von italienischen Steuern herangezogen würden. Das Departement gab sich um so eher der Erwartung hin, daß seinem Wunsche entsprochen werde, als vor einiger Zeit ein ähnliches, den französischen Gesellschaften gegenüber gestelltes Begehren ohne Weiteres, als begründet erfunden und ihm Folge gegeben wurde. Leider hat das Departement bis zum Schlüsse des Jahres 1874 sein Ziel nicht zu erreichen vermocht und werden wir uns mit der Angelegenheit weiter zu befassen genöthigt sein.

Dem Bundesbeschlusse, der uns einlud, dahin zu wirken, daß die Bahnverwaltungïn verpflichtet werden, bei eintretenden Nothständen, insbesondere bei ungewöhnlicher Theuerung der Lebensmittel, für den T r a n s p o r t von G e t r e i d e , Mehl und Hülsenfrüchten, Kartoffeln u. s. w. zeitweise einen möglichst niedrigen Tarif zu gestatten, -- haben wir nach Möglichkeit zu entsprechen gjtmclilct. Wir sezten uns mit den Gesellschaften in Verbindung und luden sie zu bezüglichen Vorschlägen ein. Reichliche Ernten verhinderten glüklicherweise das Eintreffen der Voraussezungen des Beschlusses. Hinsichtlich des Transportes von Getreide haben die Bahnverwaltungen den Nachweis geliefert, daß ihre Taxen schon au gewöhnlichen Zeiten sehr niedrig gehalten sind (für die ersten 20 Stunden 11.5, für weitere 20 Stunden 5.2, für mehr als 40 Stunden 2.8 Rappen per Tonne und Kilometer) und daß eine Reduktion derselben bis auf den Betrag der Selbstkosten gar keinen Einfluß auf den
Brodpreis auszuüben vermöchte. Wir gedenken daher dem Postulate weitere Folge nicht zu geben, bis der Eintritt von Nothständen wirklich vorauszusehen ist, in welchem Falle dann nicht bloß die Frage der Bahntaxen, sondern auch des Eingangszolle» für die wichtigsten Lebensmittel in's Auge zu fassen sein wird.

Bundesblatt. Jalirg. XXVII. Bd. II.

34

504

Die für gewisse Speditionen von den betheiligten Verwaltungen bewilligten R ü k v e r g ü t u n g e n (Refaktien] haben unser Eisenbahndepartement wiederholt beschäftigt. Es glaubte, die Gesellschaften zur Publikation solcher Frachtnachlässe anhalten zu müssen, in Betracht ziehend, daß nach Art. 35 des Eisenbahngesezes Niemandem, ein Vorzug in irgend welcher Form eingeräumt werden darf, der nicht unter gleichen Umständen allen Andern gestattet wird. So lange nun die Einzelnen gewährten Benefizien Geheimniß bleiben, ist es den übrigen Frachtaufgebern unmöglich, sie ebenfalls zu beanspruchen, obschon sie sich möglicherweise in den gleichen Umständen befinden, wie die Begünstigten. Die Gesellschaften schrieben der projektirten Maßregel des Departements eine außerordentliche Tragweite bei, ja sie erachteten sie nahezu als gleichbedeutend mit einem gänzlichen Verbot der Rükvergütungen. Indem sie in erster Linie die Kompetenz der Bundesbehörden zu einer solchen Verfügung bemängelten, hoben sie in materieller Beziehung hervor, daß der ohnedies schwierige Konkurrenzkampf der schweizerischen Eisenbahnen mit den ausländischen dadurch noch härter und den inländischen Gesellschaften empfindlicher Schaden angethan würde.

Das Departement hat die Angelegenheit in wiederholte Untersuchung gezogen und bis zum Schlüsse des Berichtsjahres eine definitive Vorlage uns nicht gemacht. Wie sich Deutschland und Oesterreich z. B. zur Frage der Rükvergütungen, beziehungsweise zur Publikation von Vergünstigungen dieser oder jener Art, stellen, mögen folgende zwei Thatsachen illustriren : Die Berlin-Anhalt - Bahn hat im preußischen Verbände beantragt, daß mit keiner Gesellschaft ein Verband eingegangen werde, welche nicht jede Refaktie selbst verweigere und auch ihrerseits mit keiner Eisenbahn, welche Refaktien ertheilt, im Verbände bleibe. Das österreichische Handelsministerium erließ im August v. J. ein Zirkular an die Bahnverwaltungen, in welchem folgende Stelle Plaz fand: ,,Die im direkten Verkehr mit einigen ausländischen Verkehrspunkten herrschende Gepflogenheit, für bestimmte Artikel und Relationen allgemein anzuwendende ermäßigte Frachtsäze im Instruktionswege einzuführen und hievon nur einzelnen Partien spezielle Mittheilung zu geben -- steht mit den gesezlichen Bestimmungen im Widerspruche. Spezialtarife sind im
Instruktionswege nicht mehr oder doch nur in äußerst dringlichen Fällen nach regierungsseitiger Genehmigung und gegen sofortige Publizirung einzuführen -- die bereits eingeführten sind aber sogleich zu publiziren oder aufzuheben."Das Reglement über die Beförderung von D ü r f t i g e n , sowie von Arrestanten liegt beim Departement in Arbeit, nachdem das Material dafür bei den Gesellschaften gesammelt und Vorsorge ge-

505 troffen worden ist, daß ausländische Bahnen Reziprozität für Taxermäßigungen zu Gunsten von Armen halten werden.

Der lezte Geschäftsbericht erwähnt, daß die schweizerische C e n t r a l b a h n g e s e l l s c h a f t , deren Reinertrag wiederholt 10°/o des Aktienkapitals überstieg, auf unsere Veranlaußug ihre Taxen einer Revision im Sinne der Ermäßigung unterzogen habe. In Kraft getreten sind die auf die Säze der Normalkonzession reduzirten Personentaxen, dann die Verlängerung der Gültigkeitsdauer der Hin- und Rükfahrtsbillets von einem auf zwei Tage. Leztere Maßregel wurde auch von den übrigen Verwaltungen successive adoptirt.

Bezüglich der Herabsezung der Gütertaxen ersuchte das Direktorium der schweizerischen Centralbahn, unter Verweisung einerseits auf den Umgestaltungsprozeß in Deutschland, dem die schweizerischen Bahnen in ihrer Mehrzahl zu folgen haben werden, anderseits auf die Minderung des Reinertrages, hervorgerufen namentlich durch eine bedeutende Erhöhung der Betriebsausgaben, um etwelchen Aufschub, und wir sahen uns nicht bewegen, diesem Wunsche entgegenzutreten.

Die von einer Gesellschaft, welche ihre Linien dem Betrieb erst zu übergeben im Fall war, eingereichten Tarife gaben uns Gelegenheit zur Erklärung, daß wir dem Bezug von E x p e d i t i o n s g e b ü h r e n (droits de manutention) überall entgegentreten werden, wo nicht Konzessionen oder kantonale Verordnungen aus der Zeit vor 1873 dieselben gewährleistet haben.

Transportwesen.

Die Revision des T r a n s p ortreglementes für den direkten schweizerischen Verkehr, gültig vom 15. März 1862 an, wurde verzögert dadurch, daß die Berathung des Gesezes betreffend den Transport auf Eisenbahnen im Berichtsjahre nicht zum Abschluß zu gedeihen vermochte und folglich eine der wichtigsten Unterlagen des Betriebsreglementes fehlte. Die Bahn Verwaltungen hatten uns im Laufe des Jahres 1874 den Entwurf zu einem solchen vorgelegt, den wir aber aus dem angeführten Grunde nicht einläßlich zu behandeln im Falle waren. Es wird unser Bestreben seiu, wenn immer möglich das Betriebsreglement für die schweizerischen Bahnen gleichzeitig mit dem Transportgeseze in Wirksamkeit treten zu lassen, da enge Beziehungen zwischen beiden obwalten. Provisorisch und unter den erforderlichen Reserven genehmigten wir die Transportreglemente für die Linien der Regina montium, der schweizerischen Gesellschaft für Lokalbahnen und der Gotthardbahn (tessinische Thalbahnen).

506 Hinsichtlich des K r a n k e n t r a n s p o r t e s wurde Folgendes erreicht : a. die G-esellschaften verpflichteten sich, bei Neuanschaffungen von Wagen dritter Klasse Doppelthüren anbringen zu lassen und an den Treppen Geländer zum Abschrauben, um diese Wagen hierdurch ohne Weiteres in Transportwagen für kranke oder verwundete Militärs verwandeln zu können.

b. Für den Transport von kranken Civilpersonen entschlossen sich die meisten Gesellschaften, eigene Krankenwagen von zwekmäßiger Konstruktion und Einrichtung bauen zu lassen. Es waltet die Absicht ob, dieselben an einem oder mehreren Wochentagen in bestimmten Zügen kursiren zu lassen.

Die Annahme eines neuen Tarifes für den Krankentransport im direkten internen Verkehr nebst Reglement fällt nicht mehr in das Jahr 1874.

Art. 31 des Eisenbahngesezes verpflichtet den Bundesrath, bestimmte Normen aufzustellen, welche , gestüzt auf die Verkehrsbewegung jeder Bahn, das M i n i m u m des von ihr zu beschaffenden B e t r i e b s m a t e r i a l s fixiren. Wir können diese Aufgabe nicht in der Weise erfassen, als ob eine feste Formel aufgestellt werden und auf alle Bahnlinien zur Anwendung gelangen solle. Wir erinnern an die raschen. Wechsel in der Verkehrsdichtigkeit, an die zahlreichen dabei mitwirkenden Faktoren, an die Thatsache, daß durchschnittlich Jahr aus Jahr ein noch einmal so viel fremdes Material auf schweizerischen Schienen rollt als schweizerisches auf ausländischen, daß großartige Anschaffungen, wie z. B. die Saarbrüker Eisenbahn sie jüngsthin in Kohlenwagen machte, bedeutende Rükwirkungen ausüben u. s. w.

Am Schlüsse jedes Jahres lassen wir aber eine Zusammenstellung anfertigen, wie viel Lokomotiven, Sizpläze in Personenwagen, Zentner Tragkraft in Gepäk- und Güterwagen per Kilometer jede Unternehmung nachzuweisen vermag, und vergleichen die Ergebnisse mit denjenigen des Verkehrs und den Aussichten betreffend dessen Gestaltung in der nächsten Zukunft. Wo diese Vergleichung oder eingegangene Reklamationen oder endlich hierseitige Inspektionen abnorme Erscheinungen uns vorführen, wird einzuschreiten und die säumige Gesellschaft zu neuen Anschaffungen zu verpflichten sein.

507

Fahrtordnungen und Pahrplane.

Die definitive Genehmigung der F a h r p l a n e haben wir dem Eisenbahn- und Handelsdepartement delegirt, in der Meinung, daß auch den Bahngesellschaften das Recht des Rekurses an den Bundesrath offen bleibe. Die Begehren der Postverwaltung gegenüber den Bahnverwaltungen hat ebenfalls das Eisenbahudepartcment zu vertreten. Diese Anordnung erschien uns nothwendig, da die Reklamationen der Kantone, Gemeinden und Privaten insgesammt dem Eisenbahndepartement zukommen und die Möglichkeit widersprechender Begehren an die Verwaltungen nicht ausgeschlossen wäre, wenn zwei Rathsabtheilungen mit vielleicht differirenden Interessen selbstständig hinsichtlich der Pahrtordnungen vorgehen würden. Da die Postadministration überdies dabei nur soweit betheiligt ist, als sie die möglichst rasche und direkte Beförderung der Postsendungen durch Erzielung aller erforderlichen Influenzen anzustreben hat, während das Eisenbahndepartement die Fahrpläne auch nach jeder andern Richtung zu kontroliren und zu verbessern pflichtig ist, so bot sich uns das leztere als das geeignetste Organ dar.

Nachdem sattsame Erfahrungen gezeigt hatten, daß kaum eine allseitige Prüfung der Fahrplane, nicht aber auch die Durchführung wünschbarer Aenderungen derselben möglich sei, wenn die Bahnverwaltungen sieh an das im Gesez vorgesehene Minimum der für die Vorlage der Fahrplane an Bund und Kantone eingeräumten Zeit halten, wandte sich das Eisenbahndepartement an die Gesellschaften mit dem dringenden Gesuche, ihre Fahrplanprojekte mindestens vier Wochen vor 1. Juni, beziehungsweise 15. Oktober, den Bundes- und Kantonsbehörden zugehen zu lassen und erhielt von allen Betheiligten die Zusicherung, daß nach Möglichkeit entsprochen werden solle. Gleichzeitig wurden die Kantonsregieruugen angegangen, dem Departement jeweilen so rechtzeitig Kenntniß zu gebea von den Aenderungsvorschlägen, welche sie den Verwaltungen zu machen gedenken, daß es im Stande sei, ihre Postulate zu unterstüzen.

·Von zwei Gesellschaften wollte uns das Recht bestritten werden, n a c h e i n m a l g e n e h m i g t e m F a h r p l a n d a r a u f z u r ü k z u k o m m e n und nachträgliche Abänderungen zu verlangen.

Wir finden jedoch, daß, da die Genehmigung keineswegs für einen festen Termin, sondern nur auf unbestimmte Zeit ertheilt wird,
die Staatsbehörde fortwährend berechtigt sei, die Genehmigung zurükzuziehen, und daß es Fälle geben könne, wo sie geradezu verpflichtet ist, einzugreifen und Fahrplanänderungen auf kurze Frist zu verlangen, insofern die betheiligten Verwaltungen dieselben nicht

508

aus freien Stüken eintreten lassen. Es ist lediglich Usus, aber nirgends vorgeschrieben, daß die Gesellschaften jährlich zweimal ihre Fahrplane revidiren ; sie könnten sich auch verständigen, von einer einmal adoptirten Fahrtordnung bis auf Weiteres nicht mehr abzugehen. Wollte man den Anschauungen der beiden Gesellschaften beitreten, so wäre bei dieser Sachlage jede Einwirkung der Staatsbehörden auf den Fahrplan ebenfalls auf unbestimmte Zeit lahm gelegt, möchten auch neue Postkurse oder internationale Verbindungen u. s. w. noch so dringend nach Modifikationen rufen.

Da die Aufsichtsorgane gleich den Gesellschaften einen möglichst konstanten Dienst im Interesse des Publikums wünschen müssen, so ist es anderseits wohl selbstverständlich, daß nachtriigiiche Aenderungen genehmigter Fahrpläne nur aus gewichtigen Gründen begehrt werden.

An dieser Stelle haben wir uns noch auszusprechen über ein Postulat zur sog. Normalkonzession, lautend : ,,Der Bundesrath wird eingeladen, bei Genehmigung der Fahrplane und der Tarife eine Verständigung mit den Bahngesellschaften, in dem Sinne anzustreben, daß bei i n d u s t r i e l l e n C e n t r e n die A r b e i t e r bis auf eine bestimmte Entfernung zu einer thunlichst ermäßigten Taxe hin- und zurük befördert werden.a Besondere A r b e i t e r z ü g e sind zuerst in England auf Anordnung des Parlaments (daher ^Parlamentszüge" genannt) eingeführt worden, als einzelne Bahngesellschaften ganze Quartiere in London für ihre Zweke abrissen und dadurch eine Menge von ärmeren Leuten' ihres Obdachs beraubten. Die Verpflanzung der arbeitenden Bevölkerung in die luftigen ländlichen Umgebungen und gesunde Wohnungen war ohne Zweifel ein löblicher Akt. Die Arbeiterzüge kursiren Morgens zwischen 5 und 7 Uhr als Extrazüge, die Rükkehr Abends ist mit den gewöhnlichen Zügen gestattet. Die Billets für die Arbeiterzüge werden theils als Retourbillets für einen Tag gültig, theils als Wochenabonnements ausgegeben und haben den gleichen Preis (meistens einen Penny) für die ganze Fahrt oder Theile derselben. Nur Handwerker und Tagesarbeiter erhalten aber solche/Billets und haben sich zu diesem Behufe vorher auszuweisen. In Deutschland sind in neuester Zeit einzelne Extrazüge für Arbeiter zu dienlichen Tageszeiten, aber ohne spezielle Taxermäßigung eingeführt worden.

Ziehen wir unsere einheimischen Verhältnisse zu Rathe, so finden wir: a. Große Verkehrszentren wie in England existiren bekanntlich zur Zeit bei uns noch nicht.

509 b. Dagegen wohnt allerdings namentlich in der Ostschweiz eine ziemlich bedeutende Zahl von Arbeitern bis auf zwei Stunden von den Ateliers entfernt und zwar in Ortschaften mit Bahnstationen.

c. Diese bedienen sich, wofern sie überhaupt die Eisenbahn benuzen, der Abonnementsbillets, für welche insbesondere die schweizerische Nordostbahn großen Rabatt eingeführt hat.

,· Ein dortiges Mona.tsabonnement (30 Hin- und Riikfahrten) genießt auf der bereits um 35 °/o erniedrigten einfachen Taxe für Retourbillets einen weitern Rabatt von .

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Centralbahn, Vereinigte Schweizerbahnen und Jura-Bern-Bahn ermäßigen ihre um 20 °/o moderirten Retourbillets im Vierteljahrsabonnement um fernere .

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. 75 °/o Die Westbahnen beziehen die nämlichen Säze, halten jedoch das Vierteljahrsabonnement um 10 °/o höher.

d. Die von der schweizerischen Nordostbahn und den Vereinigten Schweizerbahnen ausgegebenen eigentlichen Arbeiterbillets sind hauptsächlich für Leute berechnet, welche Hausindustrie treiben, aber mit den Comptoirs ihrer Brodherren dennoch in regem direktem Verkehr stehen. Diese Billets wurden von jeher fast ausschließlich von Arbeitern der in Zürich und Umgebung wohnenden Seidenfabrikanten benuzt. Sie sind übrigens nicht so billig wie die Abonnementskarten, können dagegen während eines ganzen Jahres beliebig verwendet werden.

Wir glauben, daß gegen den Betrag der Abonnementstaxen mit Grund keine erhebliche Beschwerde geführt werden kann, und es sind uns bisher auch von keiner Seite solche zugekommen. Erleichterungen durch Umwandlung von persönlichen Abonnements mit langer Dauer in solche au porteur dürften willkommen sein.

Was einem großen Theile der betheiligten Arbeiter aber fehlt, das sind besondere Frühzüge, die sie rechtzeitig ihren Werkstätten zuführen. Das Eisenbahndepartement hat in dieser Richtung mehrfache Unterhandlungen angeknüpft, bis jezt leider ohne Erfolg.

Die Gesellschaften verlangen, daß ihnen in erster Linie eine Minimalzahl von regelmäßigen Benuzern solcher Züge garantirt werde, eine Forderung, die ihrer Erfüllung noch entgegensieht. Es dürfte

510 die bezügliche Vorschrift einer englischen Konzession vielleicht einen Leitfaden bieten. Hiernach ist die Gesellschaft, wenn binnen sechs aufeinanderfolgenden Monaten es sich herausstellt, daß weniger als hundert Passagiere in jedem Zug gefahren sind, berechtigt, nachdem sie diese Thatsache vor dem Handelsamt bewiesen, mit dessen Zustimmung die Fahrten einzustellen ; das Handelsamt kann aber nach seinem Ermessen jederzeit die Wiederaufnahme der Züge verlangen.

Wir müssen bestätigen, was unser Geschäftsbericht vom vorigen Jahre sagte : Es ist selbstverständlich, daß solche Züge an allen Stationen halten und, um den Vorschriften von Art. 35 des Eisenbahngesezes nicht zu widersprechen, J e d e r m a n n zu gleichen Bedingungen aufnehmen und befördern würden.

Wenn wir mit obstehenden Auseinandersezungen Ihr Postulat für einmal als erledigt erklären zu dürfen.glauben, so geschieht dies immerhin nur in dem Verstande, die Frage nicht aus dem Gesichte zu verlieren und jeden geeigneten Anlaß zu benuzen, um daherigen Wünschen der Bevölkerung Vorschub zu leisten.

Die Kontrole der Z u g s v e r s p ä t u n g e n ist nunmehr definitiv geordnet worden, nachdem das Eisenbahndepartement sich entschlossen, zur Zeit wenigstens von der Einführung mechanischer Apparate zu diesem Zweke abzusehen. Die BahnVerwaltungen reichen nach gleichmäßigen Formularen vom 1. Januar d. J. an monatliche Uebersichten der Verspätungen ein und zwar bei Schnell- und Personenzügen aller von zehn Minuten und mehr, bei gemischten Zügen derjenigen von fünfzehn und mehr Minuten.

Jedem Monatstableau soll beigefügt werden die Zahl der während des Monats beförderten Züge sammt der Zahl der von denselben zurükgelegten Achskilometer.

Ueber die Art der Publikation dieser Verzeichnisse bereitet das Eisenbahndepartement Anträge vor.

Unfälle.

Wir verweisen auf die dem Berichte angefügte U n f a l l s t a t i s t i k Die Einsendung der Anzeigen und Untersuchungsakten ließ während des ganzen Jahres noch zu wünschen übrig. Das Eisenbahndepartement mußte beispielsweise in 23 Fällen die kantonalen Behörden zur Anordnung oder Vervollständigung von Untersuchungen, in 43 Fällen zur Einsendung der Akten einladen, in 14 Fällen hin-

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Ursachen.

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511 wieder die Bahnverwaltungen zu nachträglicher Anzeige oder Berichterstattung angehen. Die sämmtlichen Untersuchungen wurden genau geprüft und in 23 Fällen Verfügungen zur Abhilfe von zu Tage getretenen Uebelständen erlassen. Ueberdies sind 22 Untersuchungen betreffend Gefährdung des Bahnbetriebs behandelt worden.

Mehrere Staaten haben den Bahnverwaltungen vorgeschrieben, die Züge mit Arzneikasten zu versehen, welche die zu den ersten H i l f e l e i s t u n g e n bei U n g l ü k s f a l l e n nothwendigen Medikamente und Instrumente enthalten. Manchen Ortes steht auch an den bedeutendem Stationen ein Vorrath der unerläßlichsten Hilfsmittel zur Disposition. Gewiß sind diese Vorsichtsmaßregeln sehr zwekmäßig und deren obligatorische Einführung in der einen oder andern Form auch bei uns wünschbar. Wir veranlaßten die Gesellschaften, dem Eisenbahndepartement Bericht zu erstatten, welche Anordnungen von ihnen in dieser Hinsicht schon getroffen worden seien, und sehen dessen Anträgen entgegen.

Von Interesse müßte auch eine Statistik der beim Bau der Eisenbahnlinien vorkommenden Unfälle sein; es hält aber, wie man uns überzeugt hat, sehr schwer, in den Besiz eines auch nur einigermaßen vollständigen Materials zu gelangep.

Bahnpolizei.

Das Eisenbahngesez scheidet einen Theil der B a h n p o l i z e i der Bundesgewalt zu, indem der Bundesrath verpflichtet wird, die Gesellschaften zu deo nöthigen Maßnahmen anzuhalten gegen die Gefährdung des Verkehrs auf öffentlichen Straßen und Wegen durch den Manövrirdienst auf den Bahnhöfen. Die Bundesgesezgebung aber soll die nöthigen Bestimmungen treffen gegen Beschädigung der Eisenbahn, Gefährdung des Verkehrs auf derselben und Ueberschreitung bahnpolizeilicher Vorschriften. Endlich legt Art. 32 die Genehmigung der Bahnpolizeireglemente in die Hand des Bundesrathes, indem übrigens mit Ausübung der Bahnpolizei selber in erster Linie die Gesellschaften, resp. die kantonale Polizei betraut werden.

Von der eigentlich strafrechtlichen Materie abgesehen, die in Art. 67 and 68 des Bundesstrafgesezbuches bereits theilweise Ausführung erhalten hat, scheint uns auf dem Wege eines, soweit das Eisenbahngesez es verlangt, unter Mitwirkung der Kantonsregierungen und Bahngesellschaften zu berathenden einheitlichen Bahnpolizeireglernentes, das sich neuen Verhältnissen rascher zu accommodiren weiß als ein Bundesgesez, am zwekmäßigsten vorgegangen zu werden. Es würde dies gewissermaßen den 2. Theil des Be-

512 trieb sreglements bilden, und wenn aus den Käthen kein Widerspruch erfolgt, gedächten wir diesen Weg einzuschlagen.

* Im Laufe des Berichtsjahres haben wir unter ähnlichen Vorbehalten, wie bei den Transportreglementen, Vorschriften zum Schuze der Bahn und ihres Betriebes genehmigt für die aargauische Südbahn, die Vorarlbergerbahn, die Linie Langnau-Luzern und die tessinischen Thalbahnen. Daneben sah sich das Eisenbahndepartement im Falle, Spezialweisungen zu ertheilen wegen Beleucntung der Züge beim Passiren von Tunnels, ungenügender Heizung der Wagen, Beschaffenheit und Bewachung von Barrieren bei Straßenübergängen, Uebelständen in verschiedenen Bahnhöfen u. s. w.

Freisonntage.

Nachdem wir aus den Jahresberichten mehrerer Bahnverwaltungen und aus andern Quellen erfahren, daß die Bestimmung von Art. 9 des Eisenbahngesezes immer noch sehr verschieden interpretirt und je nach der Auslegung auch vollzogen werde, sahen wir uns veranlaßt, den Gesellschaften die bezügliche Stelle unsers leztjährigen Geschäftsberichtes zur Kenntniß zu bringen und beizufügen , daß die Mehrheit des Ständerathes den Standpunkt des Bundesrathes ausdrüklich gebilligt, im Nationalrath eine Diskussion darüber nicht stattgefunden habe. Wir knüpften daran die wiederholte Einladung, uns Berieht zu erstatten, ob das gesammte Personal nunmehr die durch das Gesez postulirte Sonntagsruhe genieße, eventuell auf welche Klasse von Angestellten Art. 9 noch keine Anwendung finde und welches die entgegenstehenden Gründe seien. Insbesondere wünschten wir auch Aufschluß darüber, ob das zahlreiche Korps der sogenannten Arbeiter (Manövristen u. s. w.), überhaupt das zwar mit Taglöhnen bezahlte, aber in Wirklichkeit dennoch ständige Personal einer regelmäßigen Sonntagsruhe sich zu erfreuen habe, ohne daß es gezwungen sei, auf den betreffenden Taglohn zu verzichten.

Die Antworten der Gesellschaften lassen sich in folgende Säze zusammenfassen : 1. Eine Verwaltung glaubt, dem Beschlüsse des Ständerathes keine Bedeutung für die Interpretation von Art. 9 beilegen zu müssen, weil derselbe weder das erforderliche formelle Gewand erhalten habe, noch im Nationalrathe aufgenommen und behandelt worden sei.

2. Die meisten Direktionen erklären wiederholt, daß sie den Art. 9 nur dahin deuten können, es sei dadurch jedem Angestellten das Recht auf den dritten Sonntag als Minimum der Freitage

513

garantirt, aber keineswegs ihm die Verpflichtung überbunden worden, je den dritten Sonntag feiern zu müssen. Sie glauben, eine Interpretation in leztenvähntem Sinne enthielte eine Verlezung von Art. 4 der Bundesverfassung, der alle Schweizer vor dem Geseze gleichstellt, ebenso des Art. 49, welcher die Unverlezlichkeit der Glaubens-und Gewissensfreiheit garantirt und verfügt, daß Niemand zur Vornahme einer religiösen Handlung gezwungen werden dürfe.

Es wird betont, daß die große Mehrheit der Angestellten sich wider jeden Zwang, bestimmte Sonntage feiern zu müssen, energisch erhebe als wider eine unwürdige, demüthigende Ausnahmsbehandlung des Eisenbahnpersonals gegenüber allen übrigen Ständen der bürgerlichen Gesellschaft. Diese Beamten hätten sich denn auch die Zutheilung des dritten Sonntags als Ferientag geradezu verbeten, und die Gesellschaften sehen sich nicht veranlaßt, Zwangsmaßregeln in Anwendung zu bringen.

3. Während ein Theil der Verwaltungen anführt, daß denjenigen Angestellten, welche sich darum beworben haben, dieWohlthat des dritten Sonntags zu Theil geworden sei, erklären andere, daß ihr Betrieb es schlechterdings nicht gestatte, gerade die Sonntage und nur die Sonntage als Ferientage zu gewähren. So der Jura industriel mit seinen sehr rediizirten Sonntagstaxen, die JuraBern-Bahn wegen der bedeutenden Arbeiterzahl, die sich regelmäßig Sonntags auf ihren Schienen bewegt ; so die Westbahnen, welche hervorheben, daß sie z. B. kein ungeübtes Personal als Sonntags-Weichenwärter verwenden und dadurch ganze Züge gefährden wollen; so die Bödelibahn als hauptsächlich Touristenbahn; so die Linie Lausanne-Echallens wegen Mangels an Ersazpersonal.

Alle aber betonen, daß nichtsdestoweniger jeder ihrer Angestellten zum Mindesten diejenige Zahl von jährlichen Freitagen genieße, welche der dritte Theil aller Sonntage ausmache.

4. Unter diesem Personal sind aber nur die mit fixem Gehalt Angestellten verstanden , wozu ausnahmsweise bei der schweizerischen Nordostbahn auch die sog. ,,Manövristen" (Wagenwärter u. s. w.) gehören. Die übrigen Gesellschaften verwahren sich mit großer Entschiedenheit gegen die Zumuthung, ihren Arbeitern im Taglohn Freitage zu gewähren unter Belassung des Lohnbezuges. Sie verlangen auch in dieser Beziehung gleiche Rechte wie andere gewerbliche öffentliche und private
Unternehmungen.

Sie sprechen ferner die Ansicht aus, daß ein Verlangen, die Taglohn-Arbeiter auch für diejenigen Tage zu entschädigen, an welchen sie feiern. einer entsprechenden Verkürzung des Taglohnes selber rufen müßte, so daß der Arbeiter materiell dabei nichts gewinnen, dürfte.

514 Während das durch die Frage zunächst betroffene Personal zu Händen der Bundesbehörden gar keine Kundgebungen erließ, wird vom Centralkomite der schweizerischen Gesellschaft für Sonntagsheiligung eine lebhafte Bewegung zu Gunsten der Durchführung des Art. 9 ini Sinne der Verpflichtung, den dritten Sonntag zu feiern, in und außerhalb der Schweiz entfaltet durch Versammlungen, Drukschriften, Petitionen u. s. w.

Die Angelegenheit ist in neuerer Zeit auch in die Rathssäle unserer Nachbarstaaten getreten. Dem deutschen Reichstage liegt eine Petition vor, auf eine Beschränkung des Eisenbahnbetriebs an Sonntagen abzielend ; in Frankreich sind Eingaben gleichen Inhaltes von der Kammer dem Ministerium überwiesen worden. In England beschränken die meisten Bahnen an Sonntagen nicht nur die Güterzüge auf ein Minimum, sondern auch die Zahl der Personenzüge auf wenige, ja einzelne Bahnen in Schottland und Wales stellen sogar den gesammten Betrieb vollständig ein. Offenbar steht indeß diese Thatsache im Zusammenhang mit der puritanischen Auffassung des Sonntags , wie sie in England und Schottland noch weit verbreitet ist.

Wir treten heute auf weitere Erörterungen nicht ein, sondern beziehen uns auf das im lezten Geschäftsbericht Gesagte, aber wir müssen wünschen, daß die Räthe selbst in bestimmter Weise über die Tragweite der in Frage liegenden Gesezesbestimmung sich aussprechen möchten.

Anlagekosten.

Die Kommission des Ständerathes hat unserer Absicht, die Frage betreffend Feststellung des u r s p r ü n g l i c h e n A n l a g e k a p i t a l s der schweizerischen Eisenbahnen wieder an Hand zu nehmen, ihre volle Billigung ausgesprochen. Um so mehr muß das Eisenbahndepartement bedauern, im verwichenen Jahre von anderà dringenden Geschäften abgehalten worden zu sein, diesen Gegenstand wesentlich weiter zu fördern. Eingegangen ist uns nur --~ durch Vermittlung der Regierung des Kantons Thurgau -r- eine Zusammenstellung der Bau-Ausgaben der ehemaligen St. GallerAppenzeller-Bahn (Linie Winterthur-Rorschach) in den Jahren 1853 bis und mit 1872, angefertigt durch die Generaldirektion der Vereinigten Schweizerbahnen. Von andern Verwaltungen hören wir, daß ihre bezüglichen Arbeiten der Vollendung eutgegenreifen. Wir hoffen zuversichtlich, daß der Geschäftsbericht für das laufende Jahr auch in dieser Richtung positive Ergebnisse zu registriren haben werde.

515

E. Eisenbahnstatistik.

Nach erfolgter Besezung der neu kreirten Stelle eines Eisenbahnstatistikers wurde das Programm der in Fortsezung des Ende 1873 erschieneneu ersten Jahrgangs der schweizerischen Eisenbahnstatistik aufzunehmenden und zur Veröffentlichung zu bringenden Arbeiten gutgeheißen. Gemäß demselben sollte die Betriebsstatistik für die Jahre 1869 bis und mit 1873 und die Baustatistik auf Ende 1873 einverlangt und nach dem Maß der vorhandenen Kräfte und des ertheilten Kredites in größtmöglichem Umfang nach dein bisherigen Schema bearbeitet werden. Für das Jahr 1875 und Fortsezung' wurde eine Aenderung des Schemas in dem Sinne in Aussicht genommen, daß dasselbe in Zukunft als Grundlage der Jahresberichte von allen Eisenbahnverwaltungen adoptirt werden könnte, damit dieselben außer ihrem Jahresbericht nicht jeweilen noch besondere statistische Arbeiten vorzunehmen hätten, deren Ablieferung immer mit großen Verzögerungen verbunden ist.

In Vollziehung dieses Programms wurde von den Bahnverwaltungen das Material für Betriebs- und Baustatistik pro 1873 einverlangt. Ferner wurde mit denselben die Anlage eines neuen Schemas für das Jahr 1875 und Fortsezung besprochen und die Anwendung eines reduzirten Schemas für die Betriebsstatistik der Jahre 1869 bis und mit 1872 vereinbart.

Troz wiederholter Mahnungen waren bis Ende 1874 noch eine Anzahl Verwaltungen mit der Ablieferung des einverlangten Materials pro 1873 im Rükstand und zur Stunde fehlt noch dasjenige der bisherigen Direktion des industriellen Jura.

Das eingelangte Material wurde sofort in Revision genommen und zusammengetragen. Mit dem Druk konnte unter obwaltenden Umständen indessen noch nicht begonnen werden.

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F. Besondere Inanspruchnahme der Bundesbehörden einzelnen Eisenbahnunternehmungen.

bei

Gotthardbahn.

Unter Hinweisung auf die an die Subventionsstaaten sowohl als an die subventionirenden Kantone und Bahngesellschaften erstatteten ausführlichen Monats- und Quartalberichte beschränken wir uns hier auf folgende Mittheilungen:

516

I. Organisation der Gesellschaft.

Im Hinblike auf die Eröffnung der tessinischen Thalbahnen Biasca-Bellinzona-Locarno und Lugano-Chiasso wurden die Stellen eines Betriebschefs und eines Maschinenmeisters kreirt, deren Siz in Luzern ist. Dem Erstem wurde ein Adjunkt, namentlich auch zur Besorgung des Sekretariats, sodann je ein Betriebsinspektor für jede der beiden Thalbahuen, ferner ein Betriebsingenieur und endlich ein Materialverwalter untergeordnet. Der Betriebsingenieur -soll erst ein Jahr nach Eröffnung der Bahnlinie in Funktion treten, bis zu welcher Frist der Bahnunterhalt von der Bauverwaltung zu besorgen ist.

Der Maschinenmeister ist zugleich Chef der mechanischen Abtheilung des Centralbüreaus der Bauleitung. Es ist ihm ein Adjunkt unterstellt, der seinen Siz im Kanton Tessin zu nehmen hat.

Es wurde ein Reglement für die Organisation der Betriebsverwaltung, ein solches betreffend das Rechnungswesen für den Betrieb und dazu ein Schema der Betriebsrechnung aufgestellt.

Die Betriebskontrole wurde dem II. Departement zugetheilt, in dessen Geschäftskreis das Taxwesen fällt.

II. Baukapital.

Bis Ende 1874 sind, ohne Abzug des Kursabschlags und der Provision bei dem eingezahlten Aktien- und Obligationenkapitale folgende Summen zur Verfügung der Gotthardbahngesellschaft gelangt.

Einzahlung von 40°/o auf die Aktien . .

Fr. 13,600,000 ,, der I. und II. Serie der Obligationen ,, 30,000,000 Antizipirte Einzahlung auf der III. Serie der Obligationen ,, 4,000,000 I. Subventionsrate : Tunnelbaukosten . . . . F r . 1,475,000 1. Annuität ,, 3,148,148 ,, 4,623,148 u. Subventionsrate : Tunnelbaukosten . . . . F r . 3,723,000 2. Annuität 3,148,148 * 6'871'148 Gesammteinzahlung Fr. 59,094,296

517.

Das Ausstellungsdatum für die dritte, 18 Millionen betragende Serie der Obligationen ist auf 1. Oktober 1874, der Almahmetermin auf 31. Mai 1875 festgesezt. Eine dritte Einzahlung von 20°/o auf die Aktien erfolgte am 31. März 1875.

III. Bau.

A. O r g a n i s a t i o n des Baudienstes und technisches Personal.

Wie leztes Jahr waren 5 Sektionen für den Unterbau, 2 Sektionen für den Hochbau und 3 Sektionen für Vorarbeiten in Thätigkeit, zwei der leztern mit veränderlichem Siz in Uri und Tessin.

Bestand des technischen Personals Ende 1872 101 Personen.

,, , » » » 1873 148 ,, 1874 188 * » ,, ,, B. V o r a r b e i t e n .

1. Gotthardtunnel Von den beiden Visirstolle bei Goeschenen wurde der eine von 109,4 Metern im Mai, der andere von 91,6 Metern im November durchgeschlagen. Die Ausmauerung des leztern ist noch in Arbeit.

Die Fundamente des Observatoriums in Goeschenen sind gemauert und das Holzwerk für die Hütte ist abgebunden. Die Absteckungen im Tunnel wurden einstweilen nach provisorisch fixirten Punkten bestimmt. Die in den Sommermonaten vorgenommene zweite Triangulation, welche als Kontrole der ersten Triangulation dienen soll, wurde zum Abschluß gebracht. Man ist noch mit den Rechnungen und Ausgleichungen der Winkelbeobachtungen beschäftigt, doch weiß man bereits, daß die Resultate der beiden Operationen sehr wenig differiren.

In Goeschenen wurde nach den von uns genehmigten Plänen an der Korrektion der Reuß, in Airolo am Voreinschnitt vor dem definitiven Tunnelportal gearbeitet und derselbe größtentheils nebst den entsprechenden Kunstbauten vollendet. Der Unternehmer des Gotthardtunnels konnte vom Voreinschnitt aus am 24. November mit dem Richtstollen für die in der Kurve liegende Tunnelstreke beginnen. Dem Programm für die Ausmauerung des Tunnels auf der Südseite bis 900 Meter, den neuen Profiltypen Nr. 5a und 5b und den Typen für den Kanal wurde die Genehmigung ertheilt, desgleichen einem Antrage auf Verlängerung des Tunnels vom Nordportal gegen die Reuß.

518

Für Airolo wurde eine Wasserleitung vom rechten Tessinufer aus erstellt, da in Folge des Tunnelbaues alle bisher ben uzten, auf dem linken Ufer entsprungenen Quellen versiegten.

In einer am 19. Juni unter Vorsiz des Herrn Bundesrath Welti abgehaltenen Konferenz wurde zwischen Vertretern der Gotthardbahngesellschaft und der Unternehmergesellschaft des großen Tunnels über verschiedene streitige Punkte eine Verständigung angebahnt.

Den Abonnenten auf die geologischen Sammlungen wurde die erste Serie der geologischen Profile und Tabellen vertheilt, nachdem ihnen schon vorher die erste Serie der Handstüke aus dem Tunnel zuseganc-en war.

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2. Tessinisehe Tiialìsaìineii.

Es wurden ausgearbeitet und von uns genehmigt: die Projekte für die Güterschuppen, Lokomotivremisen, Werkstätten, Nebengebäude, Aborte und Bahnwartshäuser und es fand die Ausschreibung und Vergebung aller dieser Hochbauten, sowie einer Anzahl provisorischer Stationsgebäude statt. Desgleichen die Ausschreibung und Vergebung der Wasserstations- und Werkstätteneinrichtungeu, der Möbeln, der Weichen, Kreuzungen, Drehscheiben, Schiebbühnen, Erahnen, Brükenwagen etc., kurz aller zum Hochbau, Oberbau und zum Betrieb nöthigen Ausrüstungen. In Folge der schwierigen Transporte, theils über den Gotthard, theils über Brenner, Mont Cenis und Genua erlitten alle Lieferungen, namentlich aber die der Bestand theile der eisernen Brüken und die der verschiedenen Ausrüstungsgegenstände große Verspätungen.

Für den internationalen Bahnhof von Chiasso mußten von der Gottharddirektion drei Projekte ausgearbeitet werden, bis es gelang, die Ansprüche der Verwaltung der oberitalienischen Bahnen zu befriedigen. Erst den 25. März 1875 konnte der Austausch der von uns und der italienischen Regierung ratifizirten Plane stattfinden; die ini Staatsvertrag vom 23. Dezember 1873 vorgesehene Vereinbarung zwischen den beiden Gesellschaften, der Gotthardbahn und der oberitalienischen Bahn, batr. den gemeinsamen Betrieb des internationalen Bahniiofs, kam bis jezt nicht zur Vorlage. Unter diesen Umständen ist es erklärlich, daß man sich in Chiasso einstweilen mit einem Provisorium behelfen mußte, weil man bis im November über die Höhenlage des internationalen Bahnhofs nicht ganz im Reinen war. Erst mit der Genehmigung der Pläne über die Konstruktionsdetails des Bahnkörpers an der schweizerisch-italienischen Grenze, welche am 18. November erfolgte, war die Höhenlage unabänderlich festgesezt.

519 Während der Bauausführung kamen nachträglich noch Aeuderungen der ursprünglichen Unterbauprojekte zur Vorlage und Genehmigung und zwar für Verlegungen mehrerer Straßenübergänge zwischen Biasca und Osogna, für Erweiterung der Vorpläze einer Anzahl Stationen./ für theilweise Höherlegung des Bahnvisirs auf O ö der Streke Bellinzona-Locarno und der Station Gordola, für Aenderung der am 14.15. August zerstörten Versascabrük, für Verlängerung des Vallone-, Bissone- und Maroggiatunnels und für Verkürzung des Coldreiotunnels.

3. Streke BellinzonaLugano.

Nach vollendeter Triangulation und Ausführung des Hauptnivellements wurde die Aufnahme eines Höhenkurvenplanes, im Maßstab von l : 2500 auf dem Südabhange des Monte Cenere ganz, auf dem Nordabhange größtentheils durchgeführt. Auf der Südseite wurden noch Parzellarpläne im Maßstab von i : 1000 und Querprofile aufgenommen. Eingehendere Studien fanden namentlich für die Bestimmung der Lage des Monte Ceneretunnels statt, der baldmöglichst in Angriff genommen werden soll.

4. Zufahrtslinien zum Gotthardtunnel Die Aufnahme des Höhenkurvenplanes im Maßstabe von l : 2500 wurde auf beiden Seiten vollendet und sodann diejenige von Parzellarplänen im Maßstab von l : 1000, sowie Profilmessungen begonnen. -- Auf der Nordseite sind diese Vorarbeiten für die Streke Erstfeld-Göschenen größtentheüs beendigt, auf der Südseite AiroloBiasca noch nicht ganz. Auf lezterer fanden auch nähere geologische Untersuchungen der Thalabhänge statt und wurde das Loos Airolo-Piotta vollständig zur Vergebung ausgearbeitet, indem man auf demselben Steine für den Tunnelbau gewinnen zu können hofft.

5. Streke Luzern · Goldau - Zug und Goldau-Brunnen -Fluelen, Die Aufnahmen für den Bahnhof Luzern inklusive Seetiefenmessungen wurden beendigt und die Ausarbeitung mehrerer Bahnhof varianten an der Halde behufs Vergleichung in Bezug auf Kosten und Zwekmäßigkeit vorgenommen. Troz der über die Luzerner Bahnhoffrage veranstalteten Expertise ist bis jczt eine definitive Verständigung unter den Verwaltungen der in Luzern einmündenden Bahnen nicht erzielt worden.

Die Feldarbeiten auf der Streke Luzern-Zug-Pluelen bestanden.

in Triangulationen, Meßtischaufnahmen, Längennivellementen, Querprofilmessungen und strekenweise in Parzellaraufnahmen. Am weitBundesblatt Jahrg. XXVII. Bd. II.

35

\

S20 gehendsten waren die Vorarbeiten für die Partie des Goldauertunnels, der zuerst zur Vergebung kommen soll.

C. E x p r o p r i a t i o n .

Von dem für den Bahnhof in Airolo sowohl als für die tessinischen Thalbahnen benöthigte Terrain konnte nur ein ganz geringer Theil auf gütlichem Wege erworben werden. Dieser Theil umfaßte im abgelaufenen Jahre eine Entschädigung von bloss Fr. 191,648, während fürdieo auf dem Rechtswege bewirkten Expropriationen die Entschädigungen sich auf Fr. 1,529,719 belaufen, obschon eine große Zahl von Entscheiden noch nicht in Rechtskraft erwachsen und daher noch nichtzumm Vollzug gelangt ist.

Die durch obiges Verhältniß dargestellten Expropriationsschwierigkeiten haben nicht wenig zur Verzögerung der Inangriffnahme der Bauten beigetragen. Es mußte deshalb auch öfters der Art. 46 des Expropriationsgesezes in Anwendung gebracht werden.

D. B a u a u s f ü h r u n g .

1. Gotthardtunnel In nachfolgender Tabelle rekapituliren wir die bisherigen monatlichen Fortschritte des Richtstollens an den beiden Angriffspunkten, sowie den jeweiligen Gesammtfortschritt auf Ende jeden Monats, den monatlichen Durchschnitt und das monatliche Maximum. Zur Vergleichung lassen wir sodann die im Frejustunnel erzielten Fortschritte folgen.

Die beiden Tabellen zeigen einen namhaften Fortschritt in den Ergebnissen der mechanischen Bohrung seit dem Beginn derselben bis zum Schlüsse, welcher Fortschritt besonders den Verbesserungen in den Installationen, an den Bohrmaschinen und am Bohrverfahren selbst zugeschrieben werden muß.

Im zweiten Baujahr des Gotthardtunnels wurde schon das größte jährliche Ergebniß des Frejustunnels überschritten, obschon die Terrainschwierigkeiten im ersteren viel größer waren, als im lezteren. Dieses Resultat ist hauptsächlich der Anwendung der verbesserten Bohrmaschinen von Dubois & François und von Ferroux sowie des Dynamits zu verdanken, ohne welch lezteren man in dem bisher auf der Nordseite aufgeschlossenen außerordentlich harten Gneisgranit und in dem Hornblendegestein und den Quarziten auf der Südseite nur äußerst langsam vorgerükt wäre. -- Am Mt. Frejus war z. B. der tägliche Fortschritt in der Zone der Quarzite blos zirka 0.6 bis 0.7 Meter, denn es bedurfte zum Durchbruch der

I.

Zur Seite 520.

Gotthardtnnnel.

E r g e b n i s s e d e s F o r t s c h r i t t s im l i i c h t s t o l l e n seit dem Beginn der Arbeiten bis Ende des Jahres 1874.

Die Länge zwischen der projektirten Mündung von Goeschenen und derjenigen des ßichtungstunnels in Airolu liolrägt 14,920 Meter.

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Januar . .

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65.8 März 82.i April 58.4 M a i. . . .

82.o Juni . . . .

70.3 Juli . . . .

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120.0 September . .

108.2 Oktober . .

113.i November .

83.7 Dezember . .

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125.5 143.6 165.i 177.i 199.1!

219.2 266.6 355.7 415.!)

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165.5 204.i 252.3 294.7 359.7 427.4 525.8 681.5 791.0 921.» 1048.0 1196.2

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1196.2

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126.8 133.4 157.o 179.8 159.4 186.:, . 168.3 172.9

672.2 738.0 820.!

878.0 960.5 1030.8 1125.8 1245.8 1354.o 1467.1 1550.8 1637.3

647.7 7()3.o 766.2 818.i 862.:> 926.o 988.o 1047.8 1099.o 1172.4 1257.o 1343.4

1319.a 1441.0 1586.3 1696.6 1823.4 1956.8 2113.« 2293.6 2453.0 2639.:, 2807.8 2980.7

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NB. Die mit * bezeichneten Ziffern beziehen sich auf Handarbeit, die übrigen auf Masehinenbohrung. -- Der Kichtstollen wurde mit Handbohrung begonnen: in Goeschenen den 24. Oktober 1872, in Airolo den 13. September 1872. -- Die Jfaschinenbohrung begann in Goeschenen den 4. April 1873, in Airolo den 1. Juli 1873. -- Die definitiven Kompressoren wurden in Funktion gesezt: in Goeschenen Ende Oktober 1873 die erste Gruppe, im November 1873 die zweite Gruppe, im Januar 1874 die dritte Gruppe; in Airolo alle drei Gruppen Ende November 1873.

1

1

If.

Zur Seite 520.

Fréjustiiîinel (Mont Cenîs).

Ergebnisse der mechanischen Bohrung' im Biclitstollen vom 12. Januar 1861 bis 25. December 1870.

17.;.»

·26.ÜO 24.30 32.50 38.02

Juni Juli September Oktober November Dezember

Total

. . . .

I

f:r lieiile Angriffsirankte

33.25

35.00 30.00 33.10

4(5. ss 42.io 42.::,-» -Ì4.:!(.

32.60

33.7Ü 31.« 38. so

43.50 40.1,, 4<).!>o 48.10 43.30 49.20 60.80 56.00 57.10

54.00 52.S5

63.50 62.20 68.50 59.*o

51.35

65.30 56.60 67.40 60.00

11.35

77.00 66.00 78.8o 80.70

24.55

62.65

91.30

68.35

14.45

90.60

26.50 46.80 SO.« 45.05 oO.so 39.40 40.85

65.15 74.05

49.50 16.10

65.05 74.00

20.30

63.50 82.20

71. S5

13.70 19.50

74.65 68.25

17.23

68.30 68.r,o 56.50 48.30

24.05 43.iä 43.10

38.45 55.65

22.00 15.45 18!65

59.75

60.10

19.20 20.70 27.35

75.30 69.70 63.80

12.59

22.08 21.80

70.35 59.55 71.20

49-on 35.10

70.30 76.70

75.85

54.05

62.45

76.75

48.25

61.30

54.50 54.15 64.80 56.8o

71.90

53.70 45.30 50.00 58.2* 58.15 47.30

75.51 86.84 61.62

72.S5 69.30 69.18 60.65 60.10 38.05

56.85 63.25 61.35

50.90 60.60

70.55

69.10 68.40 72.80 76.40 66.10 62.30

41.05

37.50

Modane.

41.50 j

81.90

57.54

681.55

61.75

15.86

44.55 i

61.20 71.80

Sl.oo 47.05 60.S5

426.00 376.00 62L.20 466.65 765.30 458.40 812.70 212.2U 824.30 687.81 638.60

28.30 34.00 34.13 49.05

65.00

51.75

54.30 49.00 49.30 46.90

47.10

44.2,1 33. '-o

25.55

20.05

56.«

21.20 15.21

59.80 63.90 52.10 50.00 52.20 56.10 43.70

38.85

Bardonnèche.

Bardonnèche.

Modane.

Bardonnèche.

Modane.

Bardonni'clie.

Modane.

ßardonnecho.

Modane.

Bardonneclie.

34.53

142.'.,,.

. . . .

f AMTiïfaimnkt Pr

--

23.99

i Ti h ö PQ

ii

Bardonnèche.

31.65

4.43

31.00 ·24. :o 29.-0 34. so 33.7.-,

·s

1870.

1869.

o5

Modane.

9.70

18.50

1868.

1867.

Modane.

. . . .

32.60 28,,

1866.

1865.

Modane.

_

Januar Februar März April

1864.

1863.

Modane.

^lodane.

Bardonneclie.

Monate.

Bardonuèclie.

1882.

1861.

31.75 *

67.85 75.75

79.80 83.90 89.20 80.10 67.85

52.45

70.oo 75.30 67.0,-, !

78.20 ; 79.50 ' 74.10 j 55.60 ;

t

l?*!.«*.!

--

170.00

380.00

--

380.DO

802.no \

1,"';87.85

1,223.70

1,024.99

1,512.1l

1,320.15

827.70 603.75 889.45 745.85 ; 1,431.45

l,635.3o

l

1 Fr Täglicher j i°(t«^" Fortschritt !

1

f.r t .-i k Angriffspunkte

O.*, ! -- U.:s

1.01 1.04

--

1.17

1.03

2.20

1.70

1.27

2.,7

2.10

1.25

3.35

O.r,8

2.23 2.81

1.88

2.26

4.u

1.75

1.86

o. 01

2.27

1.65 3.92

2.47

2.07

4.54

beiden Langen, nämlich SB. Die Länge des mechanisch gebührten Kichtstollens beträgt 10,587,:,; Meter, der t Ji'lirfie Fortschritt pr. Angriffspunkt somit 1 ei Meter; die von Hai d gebohrt« 0Streke mi, st 1646,00 Meter. Die Summe dieser n 12,233,55 Meter, ist die Distanz zwischen den Jlünuun gen der beiden Riclit;lüj^tuniiels. Auf die= r Distanz wurden in der Eichtung von Kor den nach Süden durch krochen i l" /» in der Anthrazit führenden Zone, 3 % i der Quarzitzone, 7 °/° im -- Di } ganze Tunnellünge r oit den beiden Endkuirven misst 12,849,« 1 ieter, wovon ll,653,is in gerader Linie sich befinden. -- Die massigen krystallinischen Kalkstein und 73 % in öf ers mit Qnarzadern d urciizygeuen Kalk- mir Tiillr-ii'.iiie&rn.

a Steigung in der nördlichen Ha Ifte des Tunnels Lt Eleistens 23 °/>jj, in dor aüdliclien Hulfte 0,; ili l* ; ». -- Hohe d 2r nördlichen Mündunj : 1156(w Meter, der südlichen Mündung: 270,os Meter über Me er. -- Höhendifferenz der beiden Mündangen: H3,ti Meter.

' , 1

521 380 Meter haltenden Zone eine Zeitdauer von 20 Monaten oder beiläufig 600 Tagen, während in Göschenen der tägliche Fortschritt im zweiten Baujahr und in einem fast ebenso harten Gestein schon 2.35 Meter betrug, während derselbe inAirolo in Folge der starken Wasserzuflüsse und des Mangels an Luft allerdings nur 2.05 Meter erreichte. -- Das Maximum der täglichen Bohrleistung in mildern Gesteinen ging in Göschenen bis auf 6.0 Meter, in Airolo bis auf 4.5 Meter.

Am Ende des Jahres war der Stand der Ausweitung und der Ausmauerung des Tunnels folgender : Göschenen. Airolo.

-- -- Meter.

Meter.

Erweiterung des Richtstollens .

Sohlenschliz Fertiger Ausbruch Mauerung des Gewölbes . . .

,, ,, östlichen Widerlagers ,, ,, westlichen ,, Abzugskanal

660.c 599.7 88.0 88.0 103.n 88.0 --

656.o 212.0 145.o 329.8 101.9 141.6 126.o

Im Ganzen.

1874.

1873.

Meter. Meter.

131 G.c 811.7 233.)

417.s 204.o 229.6 126.0

525.4 257.2 163.o 145.o 101.o 141.6 115.3

Das stärkste monatliche Mittel der Arbeiterzahl an beiden Mündungen war im August 2131 Mann, das Maximum im August 2470 Mann, das Jahresmittel 1744 Mann, wovon 859 Mann auf Göschenen und 885 Mann auf Airolo fallen.

Gemäß der im Juni 1874 getroffenen Vereinbarung zwischen der Gotthardbahngesellschaft und der Unternehmung sollte der Fortschritt des Richtstollens am 31. März 1875 inklusive Richtungstunnel 3330 Meter betragen, derselbe beläuft sich aber effektiv auf 3537.6 Meter, so daß die Unternehmung bereits um 197.o Meter im Vorsprung ist. Dabei soll aber bis 1. August 1875 der fertige Tunnel so weit vorgerükt sein, daß die Distanz bis zum Stollenort nicht mehr als 600 Meter betrage, in Summa für beide Seiten also nicht mehr als 1200 Meter. In dieser Beziehung ist jedoch die Unternehmung bis jezt ziemlich im Rükstande geblieben, was aus folgenden vergleichenden Ziffern erhellt:

522

Richtstollen.

Ende Juni /

1874

,)

September

,,

Dezember März 1875

,,

Göschenen.

Meter.

. 1030.8 . 1354.0 . 1637.3 . 1905.1

Airolo.

Meter.

926.0 1099.0 1343.1 1632.5

Distanz zwischen Richtstollen und fertigem Tunnel.*)

Fertiger Tunnel.*) Göschenen. Airolo.

Meter. Meter.

145.o 76.0 145.0 88.0 145.o 88.0 145.o Rükstand.

Göschenen. Airolo.

Göschenen. Airolo.

Meter. Meter.

Meter. Meter.

Ende Juni 1874 . 1030.8 781.0 430.8 181.0 ,, September ,, . 1278.0 944.0 678.0 344.0 ,, Dezember ,, . 1549.3 1198.4 949.8 598.4 . 1817.! 1487.5 1217.1 ,, März 1875 887.; Der Ende Juni schon ziemlich bedeutend gewesene Rükstand ist laut obiger Tabelle seither noch erheblich angewachsen, was uns schon im Oktober und seither nochmals zu Mahnungen an die Gottharddirèktion zu Händen der Unternehmung veranlaßte. Von lezterer ist nun das verlangte Programm über die Weiterführung der Arbeiten vorgelegt worden, gestüzt auf welches dieselbe bestimmt hofft, den Tunnel spätestens den 30. September 1880 in betriebsfähigem Zustande übergeben zu können. Der Grund, daß die Ausweitung" und Ausmauerung bis jezt zurükgeblieben sind, ist hauptsächlich der, daß die Aspiratoren und die Hebeeinrichtungen im Tunnel nicht früher erstellt wurden und daß es noch an kom1 primirter. Luft fehlte, um die nöthige Anzahl Bohrmaschinen für die Ausweitung in Gang zu sezen. Dadurch, daß nun auf jeder Seite des Tunnels zwei neue Kompressorengruppen erstellt, daß in Airolo durch Anlage eines neuen Kanals aus dem Tessin 1000 Pferdekräfte mehr gewonnen wurden, daß die Aspiratoren für den Abzug des Rauches aus der Tunnel er Weiterung in kurzer Zeit in Funktion kommen werden und die Hebevorrichtungen vorhanden sind, ist der Unternehmung Möglichkeit gegeben, mit der Erweiterung und Ausmauerung des Tunnels den Fortschritten des Richtstollens bald folgen zu können. Auch für diesen sind nun die größten Schwierigkeiten überwunden, indem nämlich auf der Nordseite der außer3

*) Am fertigen Tunnel fehlte in Göschenen noch der Abzugskanal und in Airolo war nur der sogenannte Richtungstunnel annähernd fertig.

523 ordentlich harte Gneisgranit durchbrochen ist und auf der Südseite der Wasserzufluß fast gänzlich aufgehört hat, so daß man nach den bekannten geologischen Erhebungen mit ziemlicher Sicherheit in Zukunft auf die in der Vereinbarung vom Juni 1874 supponirte Zunahme der Jahresfortschritte wird zählen dürfen. Diese Jahresfortschritte sind vom 1. April 1875 bis 1. April 1880 angenommen zu 2050, 2320, 2400, 2400, 2400 Meter, im Ganzen zu 11,570 Meter, so daß bei ihrer Verwirklichung, einschließlich der schon durchfahrenen 3538 Meter, der Tunnel schon vor dem 1. April 1880 durchbrochen sein und für die Vollendung des Tunnels noch eine Frist von zirka 7 Monaten übrig bleiben würde. Die in der Kurve liegende Tunnelstreke bei Airolo wird wahrscheinlich schon im Laufe von 1875 vollendet werden.

Nach den bisherigen Beobachtungen wird der Tunnel wahrscheinlich auf seiner ganzen Länge mit einem Gewölbe versehen werden müssen und auf größern Streken auch mit Widerlagern.

Dieser Tunnel muß bei seiner Inbetriebsezung vollständig fertig sein, so daß keine Nacharbeiten mehr vorzunehmen sind, weil dieselben bei dem zu erwartenden außerordentlich stärkt Verkehr und folglich der großen Zahl von Zügen, nur schwer mehr unternommen werden könnten. Deßhalb wird man sich hier entschliessen müssen, auch solche Felspartien mit einem leichten Schuzgewölbe zu versehen, die man bei kleinern Tunnels nicht ausmauern würde. Der Mont Cenistunnel ist bis auf die kurze Streke von 80 Meter im Quarzite aus den angeführten Gründen auch vollständig ausge.mauert worden.

Das im Laufe des Jahres 1874 durchbrochene Gestein war auf der Nordseite mit Einlagerungen von gewöhnlichem Gneis und Glimmerschiefer der schon von der Mündung an aufgeschlossene sehr harte Gneisgranit (zur Gruppe des Finsteraarhoms gehörig) meistens mit stark nach Süden fallender, hie und da aber auch anderweitiger Verklüftung und mit Richtung von Nord 50° Osten bis Süd 31° Osten. -- Trozdem, daß der Tunnel immer in der Nähe der Reuß blieb und sogar schon drei Mal, allerdings 240--340 Meter, unter derselben durchsezte, so war das Gestein fast durchweg troken oder doch nur feucht und nur an wenigen Klüften zeigten sich Tropfen. Die Temperatur vor Ort ging schon auf 19.2 ° C.

im Juli und im Dezember. Zwischen diesen beiden Monaten nahm sie ab bis 17.s ° im Oktober,
um sich nachher wieder zu erheben.

Die Abnahme erklärt sich dadurch, daß im Oktober bei Unterfahrung der Reuß die Terrainoberfläche sich neuerdings dem Stollen bis auf 240 Meter genähert hatte. Die Tunnelaxe geht unter der Kapelle am Urnerloch durch, der Stollen hat bereits lezteres überschritten und kommt nun zunächst in den grauen Gneis und sodann

524

in die Casannaschiefer unter dem Ursernthal. Ob auch die bei der alten Kirche zu Tage tretende, vom Rhone- bis in's Rheinthal .führende Kalkschicht noch in der Tiefe des Tunnels angetroffen wird und ob mit derselben, wie einige Geologen befürchten, ein starker Wasserabfluß in den Tunnel stattfinden wird, darüber werden die nächsten Monate Aufschluß geben.

C Auf der Seite von Airolo wechselten wie früher Glimmerschiefer, Talkschiefer, Quarzitschiefer und Hornblendeschiefer ziemlich häufig mit einander ab. Vorherrschend war quarziger Glimmerschiefer.

Bis im November kamen zeitweise noch immer starke Wasserzuflüsse im Stollen vor und man beobachtete damals an der Tunnelrnündung einen Erguß von 235 Liter per Sekunde. Seither blieb das Gebirge vor Ort fast troken. Die lezten Quellen zeigten eine Temperatur von 15 ° C., die Lufttemperatur vor Ort stieg im November auf 18 ° C., im Dezember auf 18.5 ° C. Sie nahm bis jezt mit der Vertiefung des Tunnels immer zu. Die Temperatur der äußern Luft hat keinen Einfluß mehr auf dieselbe, wohl aber die mehr oder weniger große Feuchtigkeit des Gebirges. Der Stollen befand sich Ende Dezember bereits 860 Meter unter der Terrainoberfläche.

Die Gesteinsschichten zeigten in Airolo wie früher immer ein Fallen nach Nordwesten und eine Richtung nach Nordosten, daneben eine mehrfache Verklüftung, welche den Wasserzuflüssen den Weg öffnete.

Die Verifikation der Tunnelarbeiten durch die internationale Kommission wurde den 1. Oktoker in Airolo, den 2. Oktober in GösChenen vorgenommen und ergab einen Stollenfortschritt in Airolo von 1099.o Meter, in Gesehenen von 1357.o Meter, r-- Für das zweite Tunnelbaujahr vom 1. Oktober 1873 bis 1. Oktober 1874 war überhaupt der Fortschritt in Airolo 683.i Meter, in Göschenen 978.0 Meter, zusammen 1661.t Meter. Die Tunnelbaukosten des zweiten Jahres wurden auf Fr. 3,723,000 gewerthet, im Ganzen auf Fr. 5,198,000, d. h. für die beiden ersten der in Aussicht genommenen 8 Baujahre auf blos zirka 9 °/0 der für den Tunnel bestimmten Subvention von 2 /s X 85 Millionen gleich 562/s Millionen Franken, was derselbe inklusive Ausmauerung und Oberbau wahrscheinlich auch kosten wird. In den nächsten 6 Baujahren müssen also die Tunnelbaukosten um ein namhaftes höher als bisher steigen, im Mittel auf 15°/0 oder Fr. 8,600,000 per Jahr.

Es ist unter den Vertragsstaaten vereinbart worden, daß der laufende Meter fertigen Tunnels, welches auch die wirkliche Aus-

525 gäbe dafür gewesen sein möge, gleichmäßig zu Fr. 3800 angeschlagen werde, welche Ziffer der Quotient ist aus der für den Tunnel bestimmten Subsidiensumme durch die ganze Tunuellänge inklusive Richtungstunnel. Dadurch werden die Subsidien immer im Verhältniß zu der kilometrischen Leistung stehen und sie können nicht vor gänzlicher Vollendung des Tunnels aufgebraucht werden.

2, Tessinisclie Thalbalmen.

Von diesen Bahnen sind bekanntlich dem Betriebe übergeben worden : Die Sektion Lugano-Chiasso mit 26.o Kilometer Länge den 6. Dez. 1874, ,, ,, Biasca-Bellenz ,, 19.i ,, ,, ,, 6. ,, ,, ,, ,, Bellenz-Locarno ,, 20.o ,, ,, ,, 20. ,, ,, Mit Ausnahme der leztern Sektion ist also die durch den internationalen Vertrag festgesezte Vollendungsfrist eingehalten worden.

Die verzögerte Eröffnung der Streke Bellenz-Locarno ist der durch das Hochwasser am 14/15. August erfolgten Zerstörung der Verzascafbrüke zuzuschreiben, für welche eine größere als die ursprünglich lestgesezte Oeffnung vorgesehen werden mußte,, was die nachträgiche Bestellung eines zweiten Brükenträgers nothwendig machte.

Nur durch außerordentliche Kraftanstrengung war es möglich, die beiden ersten Sektionen auf den vorgeschriebenen Termin fertig zu bringen, da in Folge eines Beschlusses des Verwaltungsratb.es der Gotthardbahn der Unterbau dieser Linien für eine zweispurige Bahn in Aussicht genommen und großentheils auch so ausgeführt wurde, wahrend sowohl die Konzession als der internationale Vertrag die Gesellschaft bloß zu einer einspurigen Bahn verpflichtete.

Selbstverständlich wurden dadurch die Arbeitsleistungen erheblich größer als die ursprünglich vorgesehenen. Diesem Umstände ist es auch zuzuschreiben, daß einzelne Partien des Unterbaues, welche sich auf die zweite Spur beziehen, am 6. Dezember noch nicht ganz vollendet waren und noch auszuführen bleiben, wozu der Gesellschaft bis Ende dieses Sommers Zeit gegeben ist, wie ebenso für die größern definitiven Aufnahmsgebäude der Vollendungstermin bis Ende 1876 erstrekt wurde, damit diese Arbeiten, die für den jezigen einspurigen Betrieb und den noch sehr spärlichen Verkehr eigentlich entbehrlich sind, sorgfaltig ausgeführt werden können.

526

Eine abschließliche Beschreibung dieser Bahnbauten müssen wir einem spätem Berichte und der Eisenbahnstatistik vorbehalten.

Wir glauben mit Rüksicht auf den internationalen Vertrag nur hervorheben zu sollen, daß die Steigungen auf der Streite BiascaLocarno nirgends 10 °/oo, auf der Streke Lugano-Chiasso nirgends 16,66 °/oo überschreiten, daß der kleinste Krümmungsradius von 300 Meter sich nur bei wenigen Kurven angewendet findet und daß alle Tunnel schon jezt für eine zweispurige Bahn angelegt, zwei davon gegenwärtig aber noch nichtg anz vollendet sind.

Betrieb.

Anschließend an den lezten Jahresbericht, in dem schon die Aufstellung der Tarife Erwähnung fand, haben wir mitzutheilen, daß die Tarife, die Transportbestimmungen, die Vorschriften über Bahnbewachung und Bahnpolizei, die Fahrtenpläne der tessinischen Thalbahnen zur Vorlage gebracht und von uns genehmigt wurden.

Auf den Termin des 6. Dezember 1874, d. h. drei Jahre nach erfolgter Konstitution der Gotthardbahngesellschaft, hätte nach Vorschrift des internationalen Vertrages vom 15. Oktober 1869, Art. 3, Seitens der oberitalienischen Bahnverwaltung auch die Streke ChiassoCamerlata, resp. Cucciago, dem Betriebe übergeben werden sollen, was leider nicht "geschehen ist.

Auf unsere wiederholten Reklamationen bei der italienischen Regierung hinsichtlich des sehr läßigen Fortschritts dieser Bauten haben wir immer die Antwort erhalten, es seien an die oberitalienische Bahnverwaltung die nöthigen Mahnungen erlassen worden und die Regierung glaube, daß die Eröffnung dieser Streke gleichzeitig mit derjenigen der Linie Lugano-Chiasso stattfinden werde.

In der That scheint nun die Ansicht bei der italienischen Regierung zu herrschen, daß auch für die Linie Lugano-Chiasso der Vertrag nicht eingehalten worden sei, weil der internationale Bahnhof Chiasso, für welchen erst kürzlich die Ratifikation der Pläne vollzogen werden konnte, nicht auch am 6. Dezember 1874 dem Betriebe übergeben wurde. - Es sind weiter oben die Gründe angegeben worden, warum dies nicht geschehen konnte. Wir haben hier zu bemerken, daß es bei rechtzeitiger Verständigung über den internationalen Bahnhof der Gotthardbahnverwaltung wohl möglich gewesen wäre, die Arbeiten desselben nach Bedürfniß zu fördern, daß aber auch der jezige provisorische Bahnhof-für den gegenwärtigen noch geringen internationalen Verkehr auch in dem.

527 Falle genügen würde, wenn es der oberitalienischen Bahnverwaltung gelungen wäre, ihre Streke rechtzeitig zu eröffnen.

Die Länge der ganzen Streke Cucciago-Chiasso beträgt 9 Kilometer, diejenige von Cucciago bis Como 5 Kilometer. Von Mailand bis zur Schweizergrenze bei Chiasso wird die Entfernung per Bahn 51.5 Kilometer betragen.

Ligne d'Italie.

Im leztjährigen Berichte ist noch erwähnt, daß wir durch Beschluß vom 28. November (Eisenbahnaktensammlung, neue Folge I. 313) auf den 4. März die zweite Steigerung anordneten, bei welcher die Bahn auch unter dem Anschlagspreise dem Meistund Leztbieter zugeschlagen werden sollte.

Die im Art. 5 der Gantbedingungen zur Einholung der bundesrätliliehen Bewilligung, als Bieter aufzutreten, angesezte Frist lief mit dem 17. Februar, und die Frist zur Hinterlegung der Kaution von Fr. 500,000 mit dem 25. Februar zu Ende.

Rechtzeitig meldeten sich an :

·

1) Das Comité suisse et international du Simplon, welches bei der ersten Gant einziger Steigerer gewesen war; 2) die Regierung von Wallis; 3) die Vereinigung der waadtländischen Finanzgesellschaft und der Eisenbahngesellschaft Westschweiz.

Das unter Nr. l aufgeführte Comité zog seine Anmeldung bald wieder zurük, und die Regierung von Wallis brachte weder die Vollmacht des Großen Rathes, welche bis zum 25. Februar auszuwirken wir (wie bei der ersten Gant) ihr aufgegeben hatten, noch die Kaution bei. Im Gegentheil hatte der Große Rath am 11. Februar dem Staatsrath die Vollmacht, Zulassung zur Steigerung zu verlangen und die Kaution aufzutreiben, verweigert. Ein Gesuch, jene Frist bis zum 3. März zu erstreken, wiesen wir ab, und eine darauf erfolgte Verwahrung des Staatsrathes legten wir ad acta.

528

Mit Telegramm vom 25. Februar meldeten sich zwar die Herren W atei et Ferry, Eisenbahnunternehmer in Paris, und mit Telegramm und Brief vom 26. Februar Hr. A. Lion, Civilingenieur in Paris, als Steigerer an^ sie mußten aber wegen Verspätung ausgeschlossen werden.

So blieb wiederum nur e i n Gants teigerer übrig.

Der entscheidende Termin konnte indessen nicht herannahen, ohne daß von verschiedenen Seiten versucht worden wäre, die Angelegenheit auf einen neuen Boden zu stellen. Während ein Bewerber uns belieben wollte, auf einen Kauf aus freier Hand, unter theilweise abgeänderten Konzessionsbedingungen, einzugehen, liefen aus den bei der Gesellschaft der Ligne d'Italie interessirten Kreisen mehrfache Gesuche um Verschiebung der Steigerung und Eröffnung von Verhandlungen, um jene auf neuen Grundlagen das Unternehmen fortbetreiben zu lassen, ein. In diesem Sinne verwendeten sich die Vertreter eines angeblich neubestellten Verwaltungsrathes, ein Ausschuß von Aktionären, welcher von der gegen Hrn. Lavalette angestrengten Civilklage die Reorganisation der Gesellschaft erhoffte, endlich der angeblich im Mai 18T3 wieder in seinem Amte bestätigte Verwaltungsrath selbst, in Verbindung und Uebereinstimmung mit einem Aktionärkomite. Unsere Stellung all diesen Ansinnen gegenüber war uns durch die. faktischen und rechtlichen Antecedentien unzweideutig angewiesen.

Einen nach abschlägiger Bescheidung des vorerwähnten Verschiebungsgesuches vom Verwaltungsrath und dem Aktionärkomite eingereichten Protest gegen die Gant legten wir ad acta ; eine von Hrn. D1 Claivaz in Sitten als Vertreter der Gesellschaft zur Unterstüzung eines gleichen Protestes aufgestellte Behauptung, daß die Konkurrenz willkürlich beseitigt worden sei, wiesen wir auf demselben Wege zurük.

Noch am Steigerungstage selbst protestirte Hr. Claivaz Namens der Gesellschaft durch den Bezirksgerichtspräsidenten von Sitten gegen die Gültigkeit und Rechtmäßigkeit der Steigerung, namentlich von dem schon früher eingenommenen Standpunkte aus, daß nur ein Schiedsgericht hätte die Konzession als verwirkt erklären, den Ausrufspreis und die Steigerungsbedingungen festsezen können.

Dieses Gebahren gipfelte in dem von Hm. Lavalette und seinem Berather, Hrn. Advokat Gay in Genf, beim Staatsrath von Wallis gestellten Antrag, den mit der Leitung des Verfahrens beauftragten eidg. Kommissär mit Gewalt aus dem Gantlokal zu vertreiben.

529 Unterdessen hatten sich Zwischenfälle ereignet, welche eine Sistirung der Steigerung veranlaßten.

Anfangs Februar hatte der Staatsrath von Wallis ein Pfandrecht auf die Eisenbahn eintragen lassen für eine Forderung von Fr. 400,000, angeblich herrührend von Landerwerbungen und Erdarbeiten, welche der Staat und Gemeinden für Rechnung der Gesellschaft der Ligne d'Italie ausgeführt haben.

Mußten wir schon von uns aus den Staatsrath um Aufklärung über diesen Anspruch, von welchem er bei der ersten Gant nichts hatte verlauten lassen, ersuchen, so versezte uns in die Nothwendigkeit, Stellung dazu zu nehmen, vollends eine Anfrage der Vereinigung der waadtländischen Finanzgesellschaft und der Eisenbahngesellschaft Westschweiz über die Gültigkeit dieser Pfandrechtsansprache, womit sich die weitere Anfrage verband, ob ein zu Gunsten des gewesenen Generalunternehmers Hrn. Baur konstituirtes Pfandrecht durch den Gantkauf untergehe, möge der Kaufpreis die Forderung deken oder nicht. Wir antworteten, daß nach unserer Ansicht die Pfandrechtsansprache des Kantons Wallis aus formellen und materiellen Gründen ungültig sei und daß durch den Zwangsverkauf der Erlös an die Stelle des Pfandobjektes trete, gegen Bezahlung des Kaufpreises also das Gantobjekt in das unbeschwerte Eigenthum des Ersteigerers übergehe, daß wir aber immerhin jede Verantwortlichkeit bezüglich der Erledigung dieser Fragen ablehnen.

Im Sinne dieser Erklärungen ergänzten wir auch die Steigerungsbedingungen. (Eisenbahnaktensammlung, neue Folge TL. 87.)

Durch eine vom 3. März datirte, am 4. eingegangene Zuschrift nahm die mehrgenannte Vereinigung Akt von diesen Erklärungen und schloß mit den Worten : ,,Diese Ihre Entscheidungen genügen uns, und ohne bei den Vorbehalten, mit denen Sie dieselben begleiten zu sollen glauben, zu verweilen, begeben wir uns unter dem Eindruk dieser doppelten Zusicherung und im Vertrauen auf sie zu der Steigerung.''

Wir erblikten in diesen Aeußerungen einen Versuch, dem Bunde doch eine Art Garantie zuzuschieben, und so eine Quelle von widrigen Controversen; da sich überdies in unserem Schöße verschiedene Meinungen über die Interpretation eines Artikels der Steigeruugsbedingungen, betreffend die successive Ermäßigung des Ausrufspreises (ob sie nöthigenfalls bis auf 0 fortzusezen sei), geltend machten, so verfügten wir die Sistirung des Verfahrens.

"i30

V Wenige Tage nachher gab die mehrgenannte Vereinigung Erklärungen ab, welche die volle Uebereinstimmung ihrer Auffassung des Artikels 10 der Gantbedingungen mit der unsrigen herstellten ; sie übernahm zugleich freiwillig die Pfandforderung des Hrn. Baur ohne Abzug an der Kaufsumme. Die Zweifel endlich über die Auslegung des Art. 2 der Bedingungen hoben sich durch nochmalige Erwägung des Wortlautes und Zwekes des zitirten Artikels und des damit übereinstimmenden Artikels 7 der Konzession von 1866.

So ordneten wir auf den 16. März die Fortsezung der Steigerung an. (Eisenbahnaktensammlung, neue Folge II. 83.) .

Sowohl den angeblichen Vertretern der Ligne d'Italie, welche neuerdings um Anbahnung gütlicher Unterhandlungen nachsuchten, als dem Staatsrath von Wallis und den Herren Watel et Ferry, welche Zulassung zur Gant vom 16. März verlangten, antworteten wir, daß es sich nicht um eine neue Gant, sondern nur um Fortsezung und Beendigung der bereits eröffneten zweiten Gant handle.

Am 16. März wurde die Eisenbahn der Ligne d'Italie der solidarischen Vereinigung der waadtländischen Finanzgesellschaft und der Eisenbahngesellschaft Westschweiz um Fr. 10,100 zugeschlagen. (Unterm 7. des darauf folgenden Monats erklärte das Turiner Handelsgericht in erster Instanz die Gesellschaft der Ligne d'Italie der italienischen Konzession für verlustig und die Kaution von Fr. 200,000 für verfallen.)

Am 22. April übertrugen wir die von Ihnen am 24. September 1873 beschlossene Konzession auf die Ersteigerer, welche die Firma ,,Simplonbahngesellschaft11 angenommen hatten, und trafen die nöthigen Anordnungen für die Uebergabe der Steigerungsobjekte auf den l. Juni, sowie für den Abschluß der Rechnung über die Sequesterverwaltung. (Eisenbahnaktensammlung, neue Folge, u. 116,114.)

Die Tradition stieß auf Schwierigkeiten, indem 4 Wochen hernach sich herausstellte, daß die Regierung von Wallis sich weigere, bei derselben mitzuwirken, da sie auch an dem Verkaufe nicht theilgenommen habe, und indem der bisherige Unternehmer des Zugkraftdienstes, Hr. Lommel, mit welchem das Sequesterkomite den Vertrag bis Ende 1874 erneuert hatte, Miene machte, die Besizesübergabe zu verhindern, bis sein Vertrag den Erwerbern überbunden sei.

»

531 Der Weg wurde in ersterer Beziehung durch unsern Beschluß vom 23. Mai (Eisenbahnaktensammlung, neue Folge, II. 123), in lezterer Hinsicht durch einen Vergleich zwischen der Simplonbahngesellschaft und Hrn. Lommel geebnet.

Am 1. Juni wurden unter der Leitung des eidg. Kommissärs die Steigerungsobjekte durch das vom Staatsrathe seinerzeit mit dor Sequesterverwaltung betraute Sequesterkomite der Simplonbahngesellschaft übergeben.

Kurz vorher hatte die Gesellschaft der Ligne d'Italie einen lezten Angriff gegen das fait accompli gemacht, in der Form, daß sie durch Hrn. Advokat Gentinetta in Leuk beim Gericht in Sitten Klage auf Aufhebung des Gantkaufes erhob. Wir erklärten die bezügliche Citation, wie überhaupt jedes gegen die Steigerer der Ligne d'Italie zu dem bezeichneten Zweke eingeleitete gerichtliche Verfahren als nichtig. (Amtliche Sammlung, XI. 581.)

Auch zu diplomatischen Verhandlungen gab die Versteigerung noch Veranlaßun°;.

O Mit Note vom 2. Juni erneuerte die französische Gesandtschaft die schon 1873 abgegebenen Verwahrungen zu Gunsten der mit dem Schiksal der Ligne d'Italie verflochtenen französischen Interessen, indem sie aus dem Gantverfahren verschiedene Umstände hervorhob, welche ihr unregelmäßig zu sein schienen. In unserer Antwortnote vom 13. Juni wahrten wir zunächst unsererseits mit Nachdruk unseren schon im vorhergehenden Jahre eingenommenen Slandpunkt, daß es sich um eine innere Angelegenheit handle, über welche wir einzig Ihnen Rechenschaft schuldig seien, und daß, nachdem gegen eine unter den schweizerischen Behörden stehende Gesellschaft, gemäß schweizerischem Recht und Gesez verfahren worden, ein Grund KH diplomatischer Intervention nicht vorliege. Wir nahmen dann aber keinen Anstand, über die bemängelten Punkte aktengeinäß ^ Aufschluß zu ertheilen. (Bundesblatt 1874, II. 4(51, 463.)

Nachdem im Januar 1875 endlich die Rechnung über die SeO queste r Verwaltung abgeschlossen und seither auch die der Gesellschaft der Ligne d'Italie gehörenden Gelder, auf welche der Staatsrath von Wallis unter verschiedenen Formen Anspruch erhoben hatte, uns eingeliefert worden, wird in nächster Zeit der Saldo den Berechtigten zur Verfügung gestellt werden. Es sind indessen für mehrere Forderungen im Betrage von zirka Fr. 600,000 Arreste darauf gelegt und einige von Hrn. Lavalette im Betrage von Fr. 125,000 gemachte Abtretungen notißzirt worden.

532

G. Postulate, Kommissionsdesiderien.

Ueber die Erledigung, resp. Weiterbehandlung der schon vom lezten Jahre her pendenten Postulate : 1) betreffend die Taxermäßigung für Arbeiter in der Umgebung von industriellen Centren, 2) betreffend die eventuelle Reduktion der Tarife für Getreide, Mehl etc. in Zeiten ungewöhnlicher Theurung, 3) betreffend den Transport kranker Militär- und Civilpersonen, 4) betreffend die Stellung des Bundes zu den Verbindungsgeleisen industrieller Etablissemente, 5) betreffend die Prioritätsrechte (Motion Dubs) haben wir uns schon an andern Orten dieses Berichtes ausgesprochen ; nicht minder über die auf den Wunsch der ständeräthlichen Kommission von uns ausgearbeitete Ergänzung des Gesezes über das Transportwesen auf den Eisenbahnen.

Das Postulat vom 24/25. Juni 1874, welches uns beauftragt, die Frage, ob und in welchem Umfang von den schweizerischen Eisenbahnverwaltungen verlangt werden soll, daß sie auch den Schnellzügen Wagen dritter Klasse beigeben, zu prüfen und über das Ergebniß dieser Prüfung Bericht zu erstatten, ist vorerst Gegenstand von Untersuchungen des technischen laspektorates unseres Eisenbahndepartementes geblieben.

533

II. Handelswesen.

A.

Bundesgesezgebung.

In Vollziehung des Artikels 39 der Bundesverfassung haben wir der hohen Bundesversammlung den Entwurf zu einem B u n d e s geseze über die Ausgabe und Einlösung von Banknoten unterbreitet. Wir verweisen auf unsere bezügliche Botschaft vom 16. Juni (vide Bundesblatt II, S. 259 ff.}.

Betreffend Ausführung des Artikel 34 der Verfassung ist aus dem Berichtsjahre Folgendes mitzutheilen : Zunächst wurden die sämmtlichen Kantonsregierungen ersucht, über die Kinderarbeit in Fabriken, über die Fabrikarbeit von Erwachsenen und über den Schuz gegen Gesundheit oder Sicherheit gefährdenden Gewerbsbetrieb im resp. Kantone Aufschluß zu ertheilen, zu welchem Zweke wir ein Fragenschema zur Beantwortung beilegten.

Durch die daherigen Antworten, sodann durch bezügliche Eingaben unserer Industriellen, sowie der Arbeiterkreise, endlich durch die Sammlung von sach bezüglichen ausländischen Gesezen bildete sich ein reichhaltiges Material zur Benuzung bei Ausführung der allegirten Verfassungsbestimmung. Das Departement redigirte einen Entwurf zu einem ,, B u n d e s g e s e z e b e t r e f f e n d die Verhältn i s s e der F a b i i k a r b e i t e r " ' , welcher einer Expertenkommission, die im Einverständnisse des Bundesrathes vom Departemente bestellt wurde, als Grundlage dienen dürfte. Auf dem Wege der Aktenzirkulation hat die Kommission ihre Arbeit begonnen, indessen im Berichtsjahre noch keine Sizungen gehalten, weil einzelne Mitglieder wegen anderweitigen Geschäften an denselben nicht hätten Theil nehmen können.

B.

Freier Verkehr im Innern der Schweiz.

In der Berichtsabtheilung H a n d e l s w e s e n tritt die Geltendmachung des Artikels 31 der Bundesverfassung, welcher die Freiheit des Handels und der Gewerbe gewährleistet, in den Vorder-

534

grund. Nachdem von den eidgenössischen Räthen die revidirte Bundesverfassung mit Datum vorn 29. Mai in Kraft erklärt worden, sind vom Bundesrathe am 30. gleichen Monats sämmtliche Kantonsregierungen ersucht worden,' ihre auf Ausübungo von Handel,t Gewerbe O o und Besteurung des Gewerbbetriebes bezüglichen Geseze vorzulegen.

Es wurde diese Anordnung getroffen, um sich sofort einen Einblik in die kantonalen Verhältnisse betreffend die Handels- und Gewerbefreiheit zu verschaffen, einerseits, und in der Absicht, später zu einer materiellen Prüfung der fraglichen Bestimmungen hinsichtlich ihrer Verträglichkeit mit Art. 31 der Bundesverfassung schreiten zu können, andererseits.

Inzwischen sind dem Bundesrathe eine Reihe von Beschwerden von Bürgern verschiedener Kantone gegen Verfügungen ihrer kantonalen Behörden als mit dem allegirten Art. 31 im Widerspruch stehend zugekommen und zwar : Verweigerungen der Ertheilung von Wirthschaftspatenten wegen mangelnden Bedürfnisses und Verweigerung von H a u s i r p a t e n t e n , sowie Verbot des Hausirhandels.

Die Untersuchung der bezüglichen kantonalen Geseze und Verordnungen führte zu folgendem Ergebnisse: 1. In sämmtlichen Kantonen, mit Ausnahme von Graubünden und Tessin, bedarf Jeder, der wirthen will, hiefür eine Bewilligung, welche er sich entweder durch den Erwerb eines Real-Rechts verschafft, oder für sich persönlich bei der zuständigen Behörde einzuholen hat. Die Kantone Bern, Luzern, Ob - und Nidwalden, Freiburg, Basel-Landschaft, St. Gallen, Aargau und Wallis machen die Ertheilung eines Personal-Wirthsrechtes vom Vorhandensein, eines öffentlichen Bedürfnisses abhängig.

2. Das Hausiren ist grundsäzlich gestattet in den Kantonen Zürich, Uri, Schwyz, Ob- und Nidwaiden, Glarus, Solothurn, BaselStadt, beiden Appenzell, St. Gallen, Graubünden, Aargau, Thurgau, Tessin, Neuenburg und Genf, jedoch in allen, außer Ïnner-Rhoden, unter der Bedingung der Lösung eines Patents ; -- grundsäzlich verboten aber in den Kantonen Bern, Luzern, Zug, Freiburg, BaselLandschaft, ßchaffhausen, Waadt und Wallis.

Die anhängig gemachten Beschwerden wurden als begründet befunden und gleichzeitig an die sämrnthchen Kantonsregierungen bezüglich der Bewilligung zur Errichtung von Wirthschaften, sowie den Hausirhandel ein Kreisschreiben erlassen, welches im Bundesblatt III, S. 888 ff. in extenso enthalten ist.

535 M a r k t p a t e n t g e b ü h r e n . Eine Anzahl Handelsleute aus dem Kanton Bern, welche regelmäßig Jahresmärkte im Kanton Luzern besuchen, führten darüber Beschwerde, daß sie für das Ausstellen und Feilbieten von Waaren auf dem Markte nebst dem allerorts üblichen Standgeld noch eine Patentgebühr von 7--14 Franken bezahlen müssen.

Wir fanden diese Beschwerden nicht für begründet und ertheilten einen abweisenden Bescheid. Das luzernische Gesez über den Markt- und Hausirverkehr schreibt ganz allgemein vor, daß, wer die Jahrmärkte behufs des Verkaufs von Waaren auf festen Pläzen oder hiefür aufgeschlagenen Buden besuchen will, ein Marktpatent zu lösen hat und daß den Ortsbehörden gestattet ist, von den Verkäufern ein bescheidenes Standgeld zu beziehen.

Eine Ungleichheit in der Behandlung von Kantons- und Niclitkantonsbürgern liegt nicht vor. Die fragliche Abgabe in dem Umfang, wie sie von den luzernerischen Behörden erhoben wird, ist keine Beeinträchtigung des Grundsazes der Handels- und Gewerbefreiheit; sie stellt sich vielmehr als Konsequenz einer erlaubten Verfügung über Ausübung von Handel und Gewerbe dar. Gegen die Forderung, daß jeder Markthändler ein Patent lösen müsse, ist nichts einzuwenden, da der Markthandel zu denjenigen Gewerben gehört, bei welchen eine besondere staatliche Ueberwachung und Kontrole im öffentlichen Interesse liegt. Die im Zusammenhange damit geforderte Taxe kann in Berüksichtigung ihrer mäßigen Höhe als ein Aequivalent für die Mühewaltung des Staates und insbesondere auch für die durch den Markthandel nöthige besondere Polizeiaufsicht aufgefaßt werden, eine Vergütung, welche durch Bezahlung des als Plazmiethe zu bezahlenden Standgeldes noch nicht geleistet ist.

M e li l - u n d B r o d t a x e . Die amtliche Taxirung von Meld und Brod ist gegenüber dem Art. 31 der Bundesverfassung nicht mehr haltbar. Es sind hier gar keine Verhältnisse, welche eia Reglementiren von Amtswegen begründeten. Auch ist mau in Wissenschaft und Praxis allgemein längst davon abgekommen, zu glauben, es lasse sich durch amtliche Taxirung ein niedrigerer Preis dieser Lebensmittel und damit ein national-ökonomischer Vortheil erzweken; man hat einsehen gelernt, daß auch hier die freie Konkurrenz der beste Regulator ist.

Die aus einigen Kautonen eingelangten Beschwerden wegen dem Furt bestand der amtlichen Mehl- und Brodtaxe haben wir daher als begründet erklärt.

Bundesblatt Jahrg.XXVII Bd.II.

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536

F ü h r e r o r d n u n g v o n W a 11 i s. Auf erhobene Beschwerde wurde die. Regierung von Wallis angewiesen, die den Bergführern und Kutschnern von Martigny auferlegte Tour-Ordnung aufzuheben und die zum Zweke des Unterhalts der Straße nach Chamounix bezogene Gebühr für die Zukunft fallen zu lassen.

Durch jene Tourordnung wird der Art. 31 der Bundesverfassung beeinträchtigt, ohne daß hiefür irgend ein öffentliches Interesse spräche. Auch wird durch dieselbe die Gleichheit vor dem Geseze verlezt.

Was die Gebühr für Benuzung der Straße nach Chamounix betrifft, so ist sie als nichts anderes denn ein Weggeld zu betrachten, welches nicht mehr zuläßig ist.

K a m i n f e g e r . Auch hinsichtlich der Ausübung des Kaminfegerberufes waren wir im Falle, auf Grundlage des Art. 31 der Bundesverfassung einen grundsäzlichen Entscheid zu fassen.

Die Regierung von Basel hat ein Gesuch um die Bewilligung zur Ausübung dieses Berufes abgewiesen. Die Zahl solcher Bewilligungen wird dort im Verhältniß der Häuserzahl und in Berüksichtigung des allgemeinen Bedürfnisses berechnet. Dieser Beruf ist durch eine Verordnung vom 18. Jänner 1873 hinsichtlich seiner Rechte und Pflichten polizeilich geregelt und fällt nicht in die Kategorie der freien Gewerbe, vielmehr ist derselbe ein Zweig der öffentlichen Sicherheitspolizei und hat somit einen amtlichen Charakter.

Mit Rüksicht auf diese Verhältnisse haben wir den Rekurs als nicht begründet erklärt.

G r a b e n n a c h K r y s t a l l e n . Ein Angehöriger von Uri führte beim Bundesrathe Beschwerde gegen die Regierung jenes Kantons, welche ihm deßhalb eine Geldstrafe auferlegte, weil er zum Graben nach Krystallen in der Göschenalp Arbeiter aus dem Kanton Bern angestellt und verwendet habe.

Der Beschwerdeführer sieht hierin eine Verlesung des Grundsazes der Gleichheit aller Schweizerbürger vor dem Geseze, sowie der Gewerbefreiheit. Bas Strafurtheil stüzt sich auf eine im Landrecht enthaltene strafrechtliche Vorschrift, Art. 99, lautend : ,,Kein Fremder noch Beisaß soll Strahlen (Krystall), Erzr ,,noch andere Mineralien, noch nach Würzen in hiesigem ,,Land graben bei Gld. 50 Büß von jedem Mal."

In ihrer Vernehmlassung spricht sich die Urner Regierung im Wesentlichen dahin aus : Es könne von einer Verlezung des Grundsazes der Gleichheit aller Schweizerbürger vor dem Geseze oder der Gewerbefreiheit nicht die Rede sein, weil die Allmend des

537

Bezirkes Uri, wozu die Göschenalp gehöre, reines Korporationsgut ohne Hoheits- oder Staatsansprüche sei, über welches nach den Gruntisä/.en des Privatrechts die Korporation als E i g e n t h ü m e r h i volle Verfügungsfreiheit habe.

Wir haben die Beschwerde als begründet erklärt. Allerdings ist es, soweit die Allmenden des Kantons Uri Korporationsgut, also Privateigentum sind, der betreffenden Korporationsgenossenschaft ganz anheimgegeben, die Nuzung und überhaupt jedwede Berechtigung am Korporationsgut über den Kreis der Genossen hinaus beliebig auszudehnen oder solche auf leztere zu beschränken und steht auch der Aufnahme einer derartigen Bestimmung bei reffend das Korporationsgut in das Urner'sche Landrecht nichts entgegen.

Allein es sind nach dem Wortlaut der betreffenden Strnfbestimmung Fremde und Beisaßen nicht bloß von der Nuzung des Korporationsgutes des B e z i r k e s Uri ausgeschlossen, wie die Vernehmlossung der Regierung von Uri den Sachverhalt darstellte, sondern von der Nuzung des öffentlichen Grund und Bodens des Kantons Uri überhaupt , und es ist nach dem Wortlaut der Strafbestimmung nicht anzunehmen, daß die betreffende Bestimmung auch gegenüber Kantonsbürgern, die nicht Bürger des Bezirkes Uri, also nicht Korporationsbürger wären, Anwendung fände. Es läuft demnach der Sinn jener Bestimmung darauf hinaus, daß zwischen Schweizern, die Kantonsbürger, und solchen, die nicht Kantonsbürger sind, eiii Unterschied gemacht wird.

Ebenso liegt hierin eine unbegründete Beschränkung der Gewerbefreiheit, welche der Art. 31 der Bundesverfassung statuirt.

Es ist nicht zuläßig, den im Kanton nicht eingebürgerten Schweizern gewisse Arten des Gewerbebetriebes schlechthin zu verbieten.

C. Landwirthschaftliche Produktion.

Das Jahr 1874 war für die Landwirtschaft wesentlich günstiger als die beiden Vorjahre und darf als ein gutes M i t t e l j a h r bezeichnet werden.

Was vorab den Weinbau betrifft, so war demselben die rauhe Frühlingswitterung allerdings sehr ungünstig ; man hatte im Mai bereits beinahe alle Hoffnungen auf einen nennenswerthen Ertrag aufgegeben. Sehr günstig waren dagegen die späteren Monate und zwar bis zur Weiulese. Hinsichtlich der Qualität und Quantität darf im D u r c h s c h n i t t das Jahr 1874 als ein gutes Weinjahr bezeichnet werden. Wenn einzelne Gegenden allerdings durch den starken Frost, welcher spät im Frühling noch eingetreten, oder

.'538 durch Hagel sehr litten, so ist dennoch der hiedurch verursachte Schaden infolge der günstigen Verhältnisse anderer Gegenden im Allgemeinen nicht wesentlich fühlbar. Vorab sind günstige Berichte aus der Westschweiz zu notiren.

Der Mittelpreis von La Côte beträgt dort 58 Rp. und von La Vaux 65 Rp. per Maß.

Der Kanton Schaffhausen hat 2838,961 Jucharten Weinreben.

Der Gesammtreinertra im Jahre 1874 beträgt 49236,05 Saum, der Geldwerth des produzirten Weines Fr. 2,484,490 ; der durchschnittliche Ertrag per Jucharte 1734 Maß, in Geldwerth Fr. 875. 10.

Der Durchschnittspreis des neuen rothen Weines war 58,8, des weißen 40,9 und des gemischten 48,9 Rp. per Maß.

Im Thurgau galt dar rothe Wein Fr. 60--100, der weiße Fr. 35 -- 50 per Saum.

Im Aargau wurden im Ganzen 71,743 Saum Wein produzirt, welche zum Durchschnittspreis von Fr. 50. Rp. 40 per Saum berechnet, einen Geldwerth von Fr. 3,615,847. 20 repräsentiren. Der Ertrag per Jucharte betrug durchschnittlich 9 Saum.

Obgleich auch im Tessin die Weinernte eine günstige war, so fand dennoch eine bedeutende Einfuhr aus Italien statt.

Es wird dies dem Umstand zugeschrieben, daß die Vorräthe gänzlich erschöpft waren und der Konsum infolge der Eisenbahnarbeiten im Wesentlichen zugenommen hat.

Auch der Ob s t er t rag war im Allgemeinen ein günstiger.

Aus der Central- und Ostschweiz sind während den Monaten September, Oktober und November über Romanshorn 254,160 Zentner Obst ausgeführt worden, welches Quantum zum Durchschnittspreise von Fr. 3 per Zentner Fr. 762,480 ausmacht. Die größte Ausfuhr war für Wurtemberg und zirka 6000 Zentner für Bayern bestimmt.

Die nachtheiligen Folgen der rauhen Frühlingswitterung traten namentlich beim Steinobst ein, dessen Ertrag u n t e r mittelmäßig steht.

lieber die G e t r e i d e e r n t e liegen übereinstimmend günstige, theilweise sogar sehr günstige Berichte vor, namentlich bezüglich des Wintergetreides.

Es trat ein sehr wesentlicher Preisabschlag ein, beim Kernen 20--30 °/o, was indessen nicht allein den günstigen Ernteergebnissender Schweiz, sondern namentlich den günstigen Ernten anderer Länder zuzuschreiben ist. Während beim Jahresbeginn der Preis des Waizen auf Fr. 37--39, des Roggen auf Fr. 30--31, des Hafer auf Fr. 23-24, des Mais auf Fr. 25--26 stand, ging derselbe im.

539 Juli angesichts der günstigen Ernteaussichten auf Fr. 31 beim Waizen, Fr. 23--24 beim Roggen, Fr. 24--2472 beim Hafer, Fr. 21--22, beim Mais herab.

Bei der günstigen Ernte werden wir auch so lange billigere Preise haben, als für die künftige Ernte günstige Aussichten vorhanden sind.

Beim F u t t e r bau sind nicht so günstige Resultate zu notiren wie beim Getreidebau.

Jener hatte durch die Maifröste eine bleibende Benachteiligung erlitten, und der Ertrag der ersten, sowie auch der zweiten Heuernte war unter mittelmäßig, zumal der trokene Sommer den Wiesen nicht die nöthige Feuchtigkeit bot.

O O In Folge des deutsch-französischen Krieges, welcher eine ganz außerordentlich starke Fleischkonsumation hervorrief, war seinerzeit Viehmangel eingetreten. Das Streben, diesen Mangel zu er sezen, dazu die Folgen der Rinderpest trieben die Viehpreise auf eine ungeahnte Höhe. Während man früher für eine gute Milchkuh Fr. 300 -- 400 zahlte, wurde jezt bis auf das Doppelte verlangt und bezahlt. Es veranlaßte dies eine sehr starke Nachzucht.

Diese Verhältnisse im Verein mit der ungünstigen Heuernte führten rasch den R ü k s c h l a g der Viehpreise herbei. Damit ermäßigten sich auch die Preise von Fleisch und Milch, namentlich aber beim Käs. Die Butter erhielt sich dagegen immer im Preise von Fr. 1. 30 -- Fr. 1. 40, was dem Export derselben zuzuschreiben ist.

Die K a r t o f f e l e r n t e hat mit wenig Ausnahmen ganz befriedigt und zwar in Quantität und Qualität. Preise von Fr. 5--71/* per Doppelzentner werden notirt.

Der F o r s t k u l t u r wird allmälig mehr Aufmerksamkeit zugewendet; es werden Forstgeseze, Verordnungen und Wirthschafts plane aufgestellt, Kurse für Bannwarte abgehalten, Waldsaat- und Pflanzenschulen angelegt u. s. w.; je länger desto mehr kommt man zur Einsicht, daß wir bei Vernachläßigune der Forstkultur einer großen Kalamität entgegen gehen würden. Im Kanton Luzern z. B.

werden jährlich 22,000 Klafter Holz mehr konsumirt als der Nachwuchs beträgt. Aus Bern wird gemeldet, daß der Preis des Brennholzes seit 10 Jahren um, 40°/o, derjenige des Bauholzes um 29°/o gestiegen ist.

Aehnlich verhält es sich in den meisten andern Kantonen.

Es werden allerdings jezt 100 Stämmchen nachgezogen, während früher nur eines; viele schöne neue Waldparzellen entstehen.

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allein die vorhandenen Bestände dürften kaum ausreichen bis die jezigen Pflanzungen zum Schlagen reif sind.

Der T a b a k b a u ist in der Schweiz nur sporadisch; im Thaïe des Poschiavino (Graubünden) ist die Ernte sehr günstig ausgefallen. In Tessin scheint der Tabakbau an Bedeutung wesentlich verloren zu haben, selbst allmälig gänzlich aufgegeben zu werden.

D. Industrie.

Für unsere Industrie war auch das Jahr 1874 wieder ein ungünstiges nnd die Hoffnungen, welche man für Ende des Jahres auf die durchschnittlich guten Ernten gestellt hatte, realisirten sich nicht. Verschiedene Industriezweige waren geradezu Verlust bringend.

S e i d e n in d u s trie.

Das Jahr 1874 war besonders für diese Industrie ein ungünstiges. Der Abschlag der Rohstoffe, der schon in der ersten Hälfte des Jahres 1873 begonnen hatte, dauerte mit kurzen Unterbrechungen bis in die lezt Zeit fort, was auf den Werth der bereits fertigen Waare empfindlich drüken mußte.

Der durchgängige Abschlag der Seidenstoffe wird, abgesehen vom Rükgang der Preise der Rohseide, der in Folge der Beendigung des Krieges von 1870/71 entstandenen übermäßigen Produktion zugeschrieben. Seit 1873 sind überall die Märkte mit Seidenwaaren überfüllt.

Viele Seidenwaaren welche für die nordamerikanischen Pläze angefertigt., aber wegen zu großem Abschlage nicht dorthin versandt wurden, mußten schließlich zu äußerst geringen Preisen in Europa verkauft werden.

Zu diesen ungünstigen Konjunkturen gesellten sich eine stete Vermehrung der Produktion und eine große Zahl von Zahlungseinstellungen in verschiedenen Ländern.

Leider sind diese Fallimente auch an unsern Seidenfabrikanten nicht immer spurlos vorübergegangen.

Baumwollen-Industrie.

Auch hier sind nicht erfreuliche Resultate zu notiren. Der Rohstoff sank allerdings successive im Preise; allein die schweizerische Spinnerei hat gegenüber England, Belgien und Frankreich in solchen Fällen im Allgemeinen den Nachtheil, daß sie für längere

541 2eit vorauskaufen muß als ihre Konkurrenz jener Länder, sie befindet sich deßhalb bei fortschreitendem Abschlag in ungünstiger Lage. Die Preise roher Baumwolle sind seit Anfang des Jahres 1874 für amerikanische Sorten um zirka 6%, für indische um 11--15°/o gesunken; der große Rükgang der Preise der indischeil Baumwolle hat zum Theil seinen Grund iu der geringer gewordenen Qualität. Die Garnpreise sind je nach ihrer Qualität um 5--10%, bei groben Garnen noch mehr gefallen.

Troz der nach und nach billiger gewordenen Garnpreise wollte doch kein rechter Zug in's Geschäft kommen; und da es in England und Belgien nicht anders aussah als bei uns, so wurden in größerem Maßstabe fremde Garne importili und zwar theilweise zu Preisen, die in einigen Sorten es der inländischen Spinnerei fast unmöglich machten, ohne Verlust zu konkurriren.

Die Baumwolle wird, wenn nicht direkt aus den Produktionsländern Amerika, Indien, Egypten etc., immer noch zum größten Theil aus England (Liverpool und für gewisse Sorten London), sodann aus Bremen und Hamburg, Havre etc. bezogen. Die deutschen und niederländischen Seehäfen vermehren ihre Importe von Jahr zu Jahr und sind deßhalb für den kontinentalen Spinner von immer größerer Bedeutung.

Drukindustrie.

Die Levante ist noch immer ein günstiges Absazfeld für bunte Tücher, allein wegen des außerordentlich strengen Winters von 1873/74 herrschte in mehreren türkischen Provinzen großes Elend, was auf den Absaz im Anfange des Berichtsjahres sehr ungünstig einwirkte. Nach mehrjährigem Unterbruch bot sich Persien wieder als Absazgebiet dar. Mit Ausnahme von Batavia und anderen Pläzen in Ostasien, wo sich eine anhaltende Besserung im Geschäftsgange zeigte, blieb der überseeische Absaz in Drukwaaren schwach, besonders auch der Export nach Südamerika, das noch unter den Folgen der stattgefundenen Krisis litt.

Nach Frankreich konnte der hohen Einfuhrzölle ·wegen nur in einzelnen Spezialartikeln gearbeitet werden, während nach Belgien und Holland ein zwar beschränkter, aber immerhin regelmäßiger Absaz stattfand, namentlich in türkisch-rothen Tüchern.

Wollindustrie.

Die Wolle war das ganze Jahr theuer, was hauptsächlich der steten Vermehrung der Kammgarn-Spinnerei zugeschrieben wird.

Dabei blieben die Preise des Fabrikats verhältnißmäßig zurük.

542 Der Bedarf für Wollstoffe war in der Schweiz ziemlich vorhanden, allein infolge des Geldmangels, welcher von den ungünstigen Ernten früherer Jahre herrührte, zeigte sich der Konsument zurükhaltend. Der Absaz nach dein Auslaude lieferte keine günstigen Resultate. Man fürchtet, Italien werde als Absazgebiet nach und nach gänzlich verloren gehen, und der Orient wird infolge der ungünstigen Kreditverhältnisse ein immer schwierigerer und weniger lohnender Abnehmer.

Leinwandindustrie.

Die ungünstige Fremdensaison übte namentlich auf diese Industrie eine nachtheilige Wirkung aus. Fremde Etablissemente konkurrirten wegen Stagnation im eigenen Lande in vermehrtem Maße auf hiesigem Markte; vermochten sie auch nicht, den Absaz.

des hiesigen Erzeugnisses zu hindern, so ließen sie wenigstens die Preise nicht unalterirt.

Hiezu kommt, daß je länger desto mehr die Leinwand von der Baumwolle verdrängt wird.

S t i k er ei.

Nachdem in den vergangenen Jahren die Stikereien überaus stark gearbeitet hatten, mußten sie ihre Thätigkeit im Berichtsjahr in etwas einschränken, ohne daß das Geschäft im Ganzen einen allzuharten Stoß erlitt.

In den ersten Monaten war die Unternehmungslust für alle Stikereiartikel ziemlich bescheiden und der Fabrikant fühlte den Mangel an festen Aufträgen empfindlich. In Folge davon sanken die hohen Arbeitslöhne sowohl für mechanische Blattstichstikereien als auch für Kettenstich.

Allmälig mehrten sich die Aufträge des Auslandes wieder der Art, daß von Mitte Sommer an bis zum Schlüsse des Jahres die Fabriken vollauf zu thun hatten und bei wieder erhöhten Arbeitslöhnen entsprechenden Absaz fanden.

Die Abnehmer der Stikereiprodukte sind in erster Linie Nordamerika und England, dann Südamerika und sämmtliche Staaten unseres Kontinents. Indien, China und Japan haben so viele eigenegeschikte und dabei billige Arbeitshände, daß diese Länder bei uns keine namhaften Käufe abschließen.

Weniger günstig als für die Blattstich- gestaltete sich das Geschäft für die Kettenstichstikerei, in welcher Branche eher etwas weniger gearbeitet wurde als im Vorjahre, dabei aber zu verhältnißmäßic billigem Arbeitslöhnen.

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543

Die Handarbeit wird größtentheils in den angrenzenden süddeutschen Staaten gemacht, so daß der billigere Arbeitslohn weniger nachtheiligen Einfluß auf unsere schweizerischen Verhältnisse ausübt.

Die seit einigen Jahren immer mehr in Aufnahme kommende m e c h a n i s c h e Kettenstich-Stikerei hingegen wird hauptsächlich in der Schweiz betrieben, wobei die Arbeiter bedeutend mehr verdienen als bei der entsprechenden Handarbeit.

Der Absaz dieser Fabrikate vertheilt sich auf alle Welfgegenden. In Europa sind es vorab Frankreich, Deutschland, Italien, Belgien und Holland, dann England, Oesterreich und der Norden mit Rußland, die Levante; ferner beinahe alle überseeischen Länder, worunter wieder in erster Linie Nordamerika für Tüllvorhänge, Südamerika für Mousseline-Gardinen.

Der früher sehr wichtige und bedeutende Absaz nach der Levante ist seit einer Anzahl von Jahren auf ein Minimum gesunken und wahrscheinlich zum Theil durch die billigen Drukartikel verdrängt worden.

Einheitliche

Garn-Numerirung.

Anläßlich der Wiener Weltausstellung fand zur Besprechung der Einführung einer einheitlichen Numerirurig von Gespinusteti ein internationaler Kongreß statt. Auf denselben waren 10 Staaten vertreten, nämlich : Belgien, Dänemark, das deutsche Reich, Frankreich, Großbritannien, Italien, Oestreich, Rußland, Schweden und die Schweiz (Herr Oberst Rieter in Winterthur). Man anerkannte einstimmig die großen Vortheile einer solchen Regelung für die Textilindustrie und ernannte zur Förderung der Angelegenheit eine Kommission von 55 Mitgliedern.

Am 21.--24. September 1874 fand in Brüssel ein zweiter internationaler Kongreß statt, an welchem die Schweiz durch Hrn.

Rieter-Fenner in Winterthur als Abgeordneten des schweizerischen Handels- und Industrievereins vertreten war.

Von einer offiziellen Betheiligung des Bundes am BrüsselerKongreß wurde abstrahirt.

Das Resultat dieses Kongresses ist folgende Resolution: In Erwägung, daß die vielen verschiedenen Systeme der Garnnumerirung, welche gegenwärtig in Kraft sind, ein Hinderniß für Handel und Verkehr bilden, wie dies bereits der Wiener-Kongreß im Jahre 1873 anerkannt hat;

544

In Berüksichtigung der allgemein anerkannten Notwendigkeit, alle Arten von Garnen nach einem einzigen einheitlichen System zu numeriren ; In der Annahme, daß das metrische System im Begriff, das allein geltende für Maß und Gewicht zu werden, und daher das einzige ist, welches für die beabsichtigte Reform zuläßig erscheint ; In der Voraussezung, daß es zwar möglich ist, für alle Sorten Garne Haspel von gleichem Umfang anzuwenden, daß aber die bestehenden Gebräuche ,,und die Schwierigkeit, diese abzuändern, be rüksichtigt werden müssen; In Anbetracht, daß unter diesen Verhältnissen keine Veranlas.sung gegeben ist, die Haspelumfänge für jede Art von Garn gesezlich festzustellen; In Erwägung indessen , daß der Umfang des englischen Haspels für Baumwolle von l, 37 Meter (l1/* Yard) derjenige ist, dessen Annahme die meiste Aussicht bietet, England zur Anerkennung des metrischen Systems zu veranlaßen; beschließt der Kongreß: 1. Die internationale Garnnumerirung gründet sich auf das metrische System.

2. Die Nummer des Garnes wird durch die Anzahl von Metern ausgedrükt, welche auf ein Gramm gehen; für die rohe und gezwirnte Seide findet eine Ausnahme laut Art. o und 6 statt.

3. Die Länge des Strähns (Schnellers , Echeveau) wird für alle Sorten gehaspelter Garne auf tausend Meter mit Decimal-Unterabtheilungen festgesezt.

4. Jede Art von Ha speiung ist gesezlich zuläßig, insofern sie tausend Meter Garn auf den Strähn (Schneller, Echeveau) ergiebt.

5. Die Numerirung der rohen und gezwirnten Seide ist auf die unveränderliche Einheit der Länge von tausend Metern und die veränderliche Einheit des Gewichtes von einem Decigramm begründet.

6. Für die Nummeru-Scala der Seide wird, um den HandelsUsancen aller Seide cultivirenden Länder Rechnung zu tragen, das veränderliche Gewicht einer unveränderlichen Längeneinheit angenommen und die Sortirprobe. auf Längeneinheiten von fünfhundert Metern zu fünfzig Milligrammen Gewicht zugelassen.

Diese Resolution scheint überall günstige Aufnahme gefunden zu haben.

Zustimmungsadressen erfolgten aus verschiedenen Ländern. Der sechste deutsche Handelstag in Berlin erklärte {24. Oktober) ebenfalls seine Zustimmung.

545 Für den nächsten Kongreß von 1875 ist eine Stadt Oberitag liens und für denjenigen von 1876 Zürich am Brüsseler Kongreß in Aussicht genommen worden.

Die Strohin dus trie und die v e r w a n d t e n Industrien haben ihren Siz hauptsächlich im Kanton Aargau. Sie e.ntwikelten in ihren verschiedenen Abtheilungen eine sehr ungleiche Thätigkeit; das Gesammtresultat kann nicht als ein günstiges bezeichnet ·werden.

Der Verkauf von Strohgeflechten war durch ausländische Konkurrenz sehr erschwert; dagegen zeigte sich eine lebhafte Nachfrage nach Bast- und Holzgeflechten, was auch theilweise den Hausverdienst vermehrte.

Strohgewebe wurden in großer Quantität angefertigt; der Verkauf hafte indessen nicht günstige Resultate aufzuweisen was hauptsächlich der Ueberproduktion zugeschrieben wird.

In Strohhüten von Halmen und Geflechten wurde sehr viel gearbeitet ; der Ertrag für Arbeiter und Arbeitgeber war der lohnendste dieser Industrien. Garnituren für Hüte, Futterale und dgl waren dagegen weniger gesucht als im Vorjahre, daher die Löhne für diese Arbeiten gedrükt.

Die Ho lzs chni erei im Berner Oberlande hat ihr Arbeitsgebiet auch auf Gegenstände zur Ausschmükung au Gebäuden, auf Verfertigung von geschnitten Möbeln ausgedehnt und scheint dabei wohl zu bestehen. Ungünstig lauten die Berichte über die Holzschnizerei aus Genf und zwar wegen der dort stattgefundenen Arbeiterkrisis; es wurde um die Hälfte weniger pvoduzirt als im Vorjahre.

Lederindustrie.

Der stattgefundene Abschlag auf rohen Häuten und Fellen und die unwesentliche Ausfuhr nach dem Auslande übten einen starken Druk auf diese Fabrikation aus. Die Ausfuhr nach Deutschland wird als null dargestellt, während freilich Frankreich einige Ankäufe in der Schweiz machte und zwar infolge sehr beträchtlicher Anschaffungen für das Militär.

Hieraus darf indessen noch keineswegs der Schluß abgeleitet werden, Frankreich sei als neues Absazgebiet für unsere Lederfabrikation anzusehen.

546 Maschinenbau.

Ueber diesen Industriezweig liegen einzig aus dem Kanton Waadt günstige Berichte vor, während man in andern Kantonen nicht über die Mittelmäßigkeit hinaus gekommen zu sein scheint.

Infolge der sehr hohen Arbeitslöhne, der großen Konkurrenz und des flauen Geschäftes überhaupt, konnten mit der bereits erwähnten Ausnahme keine lohnenden Preise erzielt werden.

Lauter und lauter ertönt mit jedem Jahr Seitens der Maschinenbauer der Ruf nach Aufhebung oder wenigstens Ermäßigung der Eisenzölle, indem sonst die Konkurrenz mit den ausländischen Etablissementen nicht möglich sei.

Uhrenindustrie.

Das Jahr 1874 war für diesen Industriezweig keineswegs günstig. Während einerseits die Konkurrenz zunimmt, hat andererseits^ der Absaz namentlich nach Amerika, dann auch nach Spanien abgenommen.

Bijouterie.

Es ist hier kein günstigeres Evgebniß zu melden, als bei der Uhrenindustrie. In Genf wurde gegenüber denn Vorjahre etwa die Hälfte produzirt. Während der Absaz sowohl auf dem Fläz als in's Ausland schwer zu bewerkstelligen war, machten die Arbeiter größere Lohnansprüche; ein Theil derselben verließ Genf. Zu diesen Verhältnissen gesellte sich noch die Zunahme der Konkurrenz; in andern Ländern, namentlich auch in Italien.

Eines bessern Resultates erfreute sich dagegen die S p i e l d o s e n f a b r i k a ti on.

Die Nachfrage überseeischer Länder nommen.

hat wesentlich zuge-

Papier fabrikation.

Das Jahr 1874 wird als das ungünstigste, welches diese Fabrikation seit 10 Jahren durchzumachen hatte, bezeichnet. Der Grund liegt zum Theil in dem flauen Gange anderer Industriezweige, zum größern Theile aber in der effectiv bestehenden Ueberproduktion, welche durch den Bau neuer und die Erweiterung bestehender Fabriken im In- und Auslande hervorgerufen wurde.

547

Tabak- und Cigarrenfabrikation.

Der Absaz in der Schweiz war ein ziemlich normaler, die Konkurrenz ist in diesem Industriezweige im steten Zunehmen begriffen. Doch ist das Gesammtergebniß im Berichtsjahre kein ungünstiges zu nennen.

Auch werden die Resultate der Schnupftabakfabrikation als befriedigend bezeichnet.

H o t e l s u n d Pensionen, Die sogenannte Fremdenindustrie hat einen bedeutenden Aufschwung genommen. Immer mehr dehnt sich dieselbe aus, immer neue Etablissemente werden erstellt, namentlich um den Vierwaldstätter-See herum und in den rhätischen Alpen. Die Resultate können gleichwohl im Ganzen nicht als gut bezeichnet werden ; viele neuen Etablissemente haben mit Verlust gearbeitet.

E. Handel.

Im Handel mit Waaren und Produkten wurde im Allgemeinen große Vorsicht beobachtet, nur im Getreidehandel sind in Folge des Preisrükganges größere Verluste eingetreten. Das Effektengeschäft, soweit es aleatorische Werthe anbetrifft, lag während des ganzen Jahres darnieder.

Die liquiden Kapitalien suchten ihre Verwendung in soliderer Art. Anleihen von Kantonen und Gemeinden fanden Nehmer, allein auch für. diese mußte der Zins allmählig erhöht werden. Gute fünfprozentige Bahnobligationen standen unter pari, und erste Gemeinde- und Kantonal-Obligationen , z. B. solche von Basel-Stadt und Zürich mußten sich einer Verzinsung von 43/4 °/o p a. unterwerfen, so daß alles Geld für feste Aulagen um circa1/4* °/° theurer geworden ist.

Der Dis c o n t o stand im Berichtsjahr durchschnittlich folgendermaßen: Zürich 4,9; Bern 5,3; Basel 5; Genf 4,5; Baden 3,8; Paris 4,30; Frankfurt 4; Berlin 4,385 °/o. Am höchsten war in Zürich der Disconto in den Monaten Jänner und Oktober, G "/o, am niedrigsten in den Monaten Juni und Juli, 4 °/o; in Bern stieg derselbe im Oktober auf 6 7* °/°; am niedrigsten stand er im August, 4 °/o. In Basel .stand derselbe während drei Monaten, Jänner, Februar und November, auf 6 , im Oktober auf (>'/2 °/n und fiel wie in Zürich, im Juni und Juli auf 4 °/o. Anders waren die Verhältnisse in Genf. Auf. 6 °/o stieg der Disconto ein/ig im Jänner

548

und stand während 3 Monaten im Minimum auf 3 T /2 °/o und zwar in den Monaten Juni, Juli und August.

Im Durchschnitte war der Disconto im Jahr 1874 um l °/o niedriger als irn Jahr 1873.

Am Schlüsse dieser Berichtabtheilung ist nach bisheriger Uebung eine U e b e r s i c h t des Allgemeinen V e r k e h r s im J a h r 1874 verglichen mit dem Jahr 1873 ,· und eine Tabelle über die Verk e h r s v e r h ä l t n i s s e des Jahres 1874 gegenüber 1873 angefügt.

Als bemerkenswert!] heben wir aus dieser Zusammenstellung, hervor, daß die Einfuhr von Vieh gegenüber dem Vorjahr um 39,716 Stük sich vermindert hat. Es hängt dieß wohl mit den bereits unter ,,Landwirtschaft11 besprochenen Verhältnissen zusammen.

Während die Ausfuhr von .,,Bodenprodukten1-1 im Ja,hr 1873 gegenüber dem Jahr 1872 sich um 45,695 Zugthierlasten verminderte, ergiebt das Jahr 1874 gegenüber dem Vorjahre eine Vermehrung von 24,851 Zugthierlasten, ein Beweis günstigerer Produktionsverhältnisse einzelner Branchen im Berichtsjahre.

Die große Differenz der Einfuhr von Eisenwaaren gegenüber dem Vorjahre fällt besonders in die Augen. Bei der Einfuhr von Eisen und Stahl, geschmiedet und gezogen , Eisenblech etc. fand eine Vermehrung von 29,650 Centner, bei Eisenguß eine solche von 27,120, bei Eisen- und Stahlwaaren eine solche von 104,475 Centnern statt.

Diese Metallwaaren wurden zum großen Theil für den Eisenbahnbau verwendet. Mit dem 19. Juli 1874 ist der Bundesbeschluß betreffend Zollvergünstigung für Einfuhr von gewissen Eisenbahnmaterialien , wie sie im Bundesbeschluß vom 19. Juli 1874, Art. l, 2 und 3 näher bezeichnet sind, außer Kraft getreten, und mußten von jenem Tage an die betreffenden für den Bahnbau bestimmten Eisen- und Stahlwaaren verzollt werden; sie erscheinen daher auf der Uebersichtstabelle, was aber im gegenteiligen Falle nicht stattfände. Hieraus erklärt sich theil weise die Vermehrung der Einfuhr.

Die wesentliche Verminderung von 444,659 Centner der Einfuhr von Getreide und Hülsenfrüchten hängt mit der günstigen Erndte zusammen.

Bei der Ausfuhr ist namentlich die ganz beträchtliche Verminderung von Uhren -- nicht weniger als 1421 Centner -- hervorzuheben, -- der sprechendste Beweis der bereits besprochenen ungünstigen Verhältnisse der U'hrenindustrie. In Seide und Floret-

549

seide fand eine Verminderung von 859 Centnern, bei den Stroh,arbeiten eine solche von 548 Centnern statt.

F.

Handelsbeziehungen zum Auslande.

a. Bez ü g l i c h H a n d e l s v e r t r ä g e .

Zwischen F r a n k r e i c h und England ist eine SupplementärKonvention zu dem zwischen diesen Staaten bestehenden Handels-.

vertrag abgeschlossen worden. Dieselbe sezt für die Fälle, wo Ursprung oder Klassifikation einer in, Frankreich zu importirenden Waare streitig ist, fest, daß vor einem ,,Comité d'expertise légale institué auprès du ministère de l'agriculture et du Commerce" in Paris die Sache zur Verhandlung und zum Entscheid kommen soll.

Das Protokoll bestimmt des Fernern, daß für Fälle bestrittener Werthdeklarationen in jedem Douanen-Bureau, wo Verzollung nach dem Werthe überhaupt zuläßig ist, eine von der betreffenden Handelskammer jährlich aufzustellende Expertenliste von Fabrikanten oder Kaufleuten vorhanden sein soll. Die von den Deklaranten und der Douane zu bezeichnenden Experten sollen ausschließlich aus dieser Liste genommen und im Fall von Nichtübereinstimmung der beidseitigen Experten vom Handelsgericht ein ,,tiers arbitre1' bezeichnet werden und zwar nur aus der Zahl der Kaufleute oder Fabrikanten, die sich praktisch mit der im Streit liegenden Produktionsbranche beschäftigen. In Fällen streitiger Werthdeklaration werden, wenn die Douane auf das ihr zustehende Vorkaufsrecht verzichtet, nur Muster von der streitigen Waare zuriikbehalten, diese selbst dagegen dem Importeur sofort herausgegeben. Sowohl der Deklarant als die Douane kann verlangen, daß bei streitiger Werthdeklaration die Expertise, statt beim Eingangsbureau, in Paris stattfinde. Wenn eine Expertise gewünscht wird , so ist dies innerhalb 48 Stunden nach geschehener Deklaration zu erklären.

Die Experten sind verpflichtet, ihren Entscheid innerhalb 10 Tagen nach ihrer Ernennung abzugeben.

Die schweizerische Gesandtschaft in Paris, welche uns obige Mittheilung gemacht hat, erhielt den Auftrag, die geeigneten Schritte zu thun, um eine Erklärung auszuwirken, daß für die Schweiz die gleichen Modifikationen eintreten.

Der Gegenstand fand im Berichtjahre seine Erledigung noch nicht.

Der Handelsvertrag mit I t a l i e n geht Ende April 1877 und derjenige mit 0 es t r eie h im Februar gleichen Jahres zu Ende.

550

In beiden Staaten machen-sich schuzzöllneriche Tendenzen geltend. Bei Oestreich zeigt sich dies namentlich Italien gegenüber.

Der zwischen jenen beiden Staaten abgeschlossene Handelsvertrag läuft im Jahr 1876 ab.

Es hat nun unter den Industriellen Oestreichs eine gewaltige Gährung in rein sehuzzöllnerischem Sinne begonnen, die von Privaten und Vereinen auf das Lebhafteste geschürt wird. Wie sich .anläßlich der Budgetberathung zeigte, haben die Freunde des Schuzzollsystems ihre eifrigen Vertreter im östreichischen Reichstage.

Wenn nun Oestreich beim Abschluß eines neuen Handelsvertrages mit Italien sich auf den Standpunkt des Schuzzollsystems stellt, so wird dies den leztern Staat um so mehr in seinen ähnlichen Tendenzen gegenüber andern Ländern bestärken.

Da der italienische Handelsvertrag der erste ist, der in Oestreich erneuert werden muß, so dürfte er für alle folgenden und somit auch für denjenigen mit der Schweiz als maßgebend betrachtet ·werden.

Die italienische Regierung ist gegenwärtig mit den Vorarbeiten für die Revision der Handelsverträge beschäftigt und hat zu diesem Zweke in andern Staaten die statistischen Angaben gesammelt, welche über die Tariffrage Aufschluß geben.

Man hört, es walte die Absicht, auch die Schweiz zu veranlaßen, den im Jahr 1877 zu Ende gehenden Handelsvertrag gleichzeitig mit denjenigen der übrigen Staaten einer Revision zu unterwerfen. Offizielle Mittheilungen liegen indessen hierüber im Berichtsjahre nicht vor.

Die zwischen der Schweiz und den Ni ed erl and en am 22. November 1862 abgeschlossenen Freundschafts-, Handels- und Niederlassungsverträge sind von [der Bundesversammlung am 17.

und 22. Jänner 1863 ratifizirt von der zweiten Kammer der niederländischen Generalstaaten in ihrer Sizung vom 18. Juni 1863 mit Rüksicht auf die damalige Stellung der israeliten in einigen Kantonen der Schweiz die Sanktion aber verweigert worden.

Der niederländische Generalkonsul hat nun dem Bundesrath zur Kenntniss gebracht, seine Regierung wünsche, nachdem durch die Annahme der Bundesverfassung vom 29. Mai 1874 die Gründe dahingefallen seien, welche im Jahr 1863 dieNichtratifikationn veranlaßten, die bezüglichen Verhandlungen wieder aufzunehmen.

Dieselben sind bereits im Gange.

551 b. S o n s t i g e

Handelsbeziehungen.

Frankreich.

Von Seite unserer Industriellen werden fortwährend Beschwerden über Vexationen französischer Zollbehörden geführt. Nach den Bestimmungen des Handelsvertrages mit Frankreich steht der Zollbehörde, insofern sie den deklarirten Werth für unrichtig hält, das Recht zu, entweder gegen Bezahlung des deklarirten Werthes mit einem Zuschlage von 5 °/o die Waare selbst zu behalten (Art. 15} oder eine Schäzung durch Sachverständige zu verlangen (Art. 16).

Von der ersten Alternative, die für die Zollbehörde ganz fakultativ ist, wird äußerst selten Gebrauch gemacht. Laut den eingegangenen Klagen fällt die Schäzung immer zu Ungunsten der Importeurs aus; es soll selbst der Fall vorgekommen sein, daß die Richtigkeit der Werthangabe zugegeben, dieselbe aber dennoch um 10 0 /o -- gerade so viel, um die im Art. 17des Handelsvertrages vorgesehene Buße von 50 °/o zu verfallen -- erhöht wurde.

Diejenigen Sehritte, welche bei der französischen Regierung wegen ungerechter Behandlung an den Zollstätten gethan wurden, blieben fruchtlos. Es dürfte indessen denselben dadurch abgeholfen werden, daß der oben erwähnte Supplementarvertrag zwschen Frankreich und England auch auf die Schweiz ausgedehnt wird.

Italien.

Zu Verhandlungen mit der italienischen Regierung gaben ebenfalls, wie bei Frankreich, Anstände mit den Zollbehörden Verar.laßung. Die italienische Douane in Isella erhebt Einfuhrzoll auch auf leeren Fässern, Säken, auf Pakleinwand etc., wenn diese Gegenstände für den Transport gekaufter Waare von der Schweiz nach Italien gesendet werden. Unsere durch Vermittlung der Gcsand ;schaft in Rom bei der italienischen Regierung stattgefundene Verwendung, es möchte mit Rüksicht auf die von der Schweiz Italien gegenüber faktisch gewährte Zollbefreiung fraglicher Artikel Geger.recht gehalten oder wenigstens diese Vergünstigung für den Grenz verkehr, welcher im speziellen Falle in Frage kam , zugestände n wurden, blieb ohne Erfolg. Die italienische Regierung erwiederte, daß unter den zollfreien temporären Einfuhren , welche der ita lienische Zolltarif gestatte, fremde Gegenstände zur Aufnahme na-tionaler (italienischer)Waarenu nicht aufgezählt seien, während deren Einfuhr offenbar auch als temporäre Einfuhr, nicht als Transit betrachtet werden müsse. Angesichts Art. 40, welcher die zollfreie Wiedereinfuhr nationaler Gefäße, die zur Ausfuhr nationalerWaaBundesblatt Jahrg. XXVII. Bd. II.

37

552 ren gedient haben, gestatte, müsse die umgekehrte Hypothese einer freien temporären Einfuhr von ausländischen Gefäßen, die zur Ausfuhr von im Königreich, produzirten Waaren bestimmt seien, gerade ausgeschlossen sein.

Einen , nicht günstigem Erfolg haben wir bezüglich der bei der italienischen Regierung zu dem Zweke gethanen Schritte zu melden, daß die auf AVaaren, welche aus der Schweiz nach Italien exportirt oder aus Italien nach der Schweiz importirt werden, erhobene Kontroigebühr von 10 Ct. (diritto di Statistica) fallen gelassen werden möchte.

Deutschland.

Zu Verhandlungen mit dem großherzoglich badischen Ministerium gaben Anlaß: die Errichtung einer Privat-Spannseilfähre bei W a 11 b a c h , um deren Konzession die Fabrikbesizer Fahrländer und Bauer in Laufenburg. Aargau, eingekommen sind; ferner die Errichtung einer Spannseilfähre zwischen W y l e u und S c h w e i zern a l le, um deren Konzession dieBesizer der dortigen Salzwerke nachgesucht haben; sodann einige wegen unbefugter nächtlicher Benuzung der Fähre E t z g e n - H a u e n s t e i n nothwendig gewordenen Abänderungen der bezüglichen Konzession.

Endlich sind mit dem genannten Ministerium Unterhandlungen zu dem Zweke eingeleitet worden, um die R e c h t s v e r h ä l t n i s s e der sog. Rheingenossenschaft umzugestalten.

Da die Beschaffenheit des Flußbettes die Schifffahrt von Laufenburg bis unterhalb Rhcinfelden erschwert, haben sich schon in alten Zeiten die Schiffer der Umgebung, denen alle Hindernisse genau bekannt gewesen, zu einer Art Genossenschaft zusammen gethan und sind dann auch mit bedeutenden Privilegien zu Ungunsten des freien Verkehrs ausgestattet worden.

Die Urkunde, auf welche diese Vorrechte sich stüzen, ist der sogenannte ,,Maienbrief* vom Jahr 1767, durch welchen die Kaiserin Maria Theresia die Rechtsverhältnisse der Rheingenossen eigens kodifizirt hat. Dieser Maienbrief hat bis 1808 bestanden. Im Anschluß an den Vertrag zwischen Baden und Aargau vom 2. und 17. September 1808 ist dann in Anbetracht der theils durch die Zeitumstände , theils durch die Trennung des Frikthals von Breisgau eingetreteneu veränderten Verhältnisse die sogenannte ,,Neue Ordnunga von 1808 an dessen Stelle getreten. Hiernach steht den Rheingenossen von Säkingen bis unterhalb Rheinfelden das ausschließliche Recht zum Führen der Schiffe und Flösse zu und ist somit jedem Dritten die Schifffahrt auf dem Rhein in dortiger

553

Gegend untersagt. Auch besizt die Gesellschaft der Rheingenossen in ihrem ,,Maien-Gericht", das sich alle zwei Jahre besammelt, eine Organisation, die nicht nur die innern Verhältnisse regelt, sondern für die Zuwiderhandelnden ein Ausnahmsgericht konstituirt.

Diese heute noch in Kraft bestehende ,,Neue Ordnung" verstoßt gegen den durch die Bundesverfassung garantirteli Grundsaz der Handels- und Gewerbefreiheit, wie gegen den ebendaselbst ausgesprochenen Ausschluß von Ausnahmsgerichten, von Vorrechten des Orts, der Geburt, der Familie oder Personen.

Anläßlich der Beschwerde eines Privaten über Beschränkung des freien Verkehrs durch die Rheinschiffahrtsordnung machte die Regierung des Kantons Aargau die Anregung zu einer Umgestaltung der bezüglichen Verhältnisse.

Eine beim großherzoglich badischen Ministerium gestellte Einfrage, ob dortseits Geneigtheit zur Neugestaltung dieser Rechtsverhältnisse vorhanden sei, wurde im bejahenden Sinne beantwortet, und für die einleitenden Schritte eine amtliche Befahrung des Rheins vorgeschlagen, um eine möglichst genaue Untersuchung des Rheinlaufes vom Rheinfall bei Schaffhausen bis nach Basel vorzunehmen.

Die weitern Verhandlungen werden Gegenstand unseres nächsten Jahresberichtes bilden.

Oes t r e i c h .

Für die Einfuhr von Teigwaaren aus der Schweiz in östreichisches Gebiet muß ein Zoll von 2*/2 fl. per Zentner entrichtet werden. Auf die von Seite einer schweizerischen Teigwaareufabrik erhobene Reklamation, daß die Schweiz ungünstiger als IJaiem behandelt werde, welches für den Export solcher Fabrikate nach Oestreich keinen Zoll zahle, und daß deßhalb das schweizerische Fabrikat nicht konkurrenzfähig sei, wurden mit der östreichischen Regierung Verhandlungen gepflogen. Aus denselben ergiebt sich, daß die Baiern gewährte Zollfreiheit für Teigwaaren ausdrüklich nur als eine Erleichterung des Grenzverkehrs gewährt worden ist, auf solche aber nach Art. l, a des östreichisch-schweizerischen Handelsvertrages die Anwendung des Prinzips der gegenseitigen Meistbegünstigung sich nicht erstrekt.

G.

Verkehr mit den Handels-Consuln und Veröffentlichung ihrer Berichte.

Im Berichtsjahre beschränkte sich im Wesentlichen der Verkehr mit den schweizerischen Consuln im Auslande auf ihre Jahres-

554 berichte, die jeeilen, wie sie einlangten, im Bundesblatt veröffentlicht wurden, soweit sie für unsern Handelsstand Interesse bieten.

Ein Theil dieser Jahresberichte wurde erst in der zweiten Hälfte des Jahres eingesendet und publizirt. Solche Berichte verlieren aber allerdings desto mehr an" ihrem Werth, je später sie veröffentlicht werden können. Da aber unsere Konsulate keine besoldeten Amtsstellen sind, so kann auch nicht auf die sonst so wünschenswerte Beförderung solcher Arbeiten gedrungen werden.

H. Ausstellungen.

Die Ausstellungen, aufweiche das handels- und gewerbtreibende Publikum jeweilen besonders aufmerksam gemacht wurde, sind folgende : 1. Die internationale landwirtschaftliche Ausstellung in B r e m e n in Verbindung mit einer Ausstellung von Maschinen und Geräthen, welche der Landwirtschaft dienen.

2. Ausstellung von Gegenständen der Käserei in M a i l a n d .

3. Gartenbau-Ausstellung in F l o r e n z .

4. Ausstellung für Künste, Gewerbe, Erfindungen etc. in Kensington, London.

5. Ausstellung von Spinn- und Faserpflanzen, sowie von Geräthschaften , die zur Bearbeitung dieser Pflanzen dienen , in Petersburg.

6. Insektologische Ausstellung in Paris. Die entomologisohe Sektion der schweizerischen naturforschenden Gesellschaft und der schweizerische Bienenzuchtverein wurden besonders auf diese Ausstellung aufmerksam gemacht.

7. Die Zucht- und Mastviehausstellung in F r a n k f u r t a./M.

in Verbindung mit einer Ausstellung von Maschinengeräthschaften für Land-, Forst-, Garten- und Hauswirthschaft.

8. Ausstellung für Zeichnungsunterricht (Schülerarbeiten, Lehrmitteln und Materialien) in Berlin.

Bei keiner dieser Ausstellungen war die schweizerische Betheiligung eine besonders nennenswerthe. In Bremen wurden nur einige Stük Rindvieh ausgestellt.

Von der britischen Gesandtschaft wurde der Wunsch ausgesprochen, es möchte sich namentlich die schweizerische Stikerei an der Ausstellung in Kensington betheiligen. Auf eine vom schweizerischen Industrieverein erlassene Publikation erfolgte nur eine einzige Anmeldung und wurde auch diese schließlich wieder zurükgezogen.

555 An der Ausstellung in Berlin betheiligten sich, so viel uns zur Kenntniß gelangte, einzig das Lehrerseminar in Münchenbuchsee.

Der eidg. Schulrath, welcher auf diese Ausstellung besonders aufmerksam gemacht wurde, lehnte für das Polytechnikum eine Be, theiligung ab, indem sich die Ausstellung überhaupt mehr für untere Anstalten eigne.

Wenn wir das Ergebniß der Betheiligung an diesen Ausstellungen zusammenfassen, so stellt sich deutlich heraus, daß man überhaupt ausstellungsmüde ist.

P h i l a d e l p h i a . Zur Jubelfeier der hundertjährigen Unabhängigkeit der Vereinigten Staaten soll im Jahre 1876 in Philadelphia eine i n t e r n a t i o n a l e A u s s t e l l u n g für K u n s t , M a n u f a k t u r , B o d e n - und M i n e n p r o d u k t e stattfinden. Namens seiner Regierung hat der Gesandte der Vereinigten Staaten bereits im November 1873 eine Einladung zur Theilnahme der SchwesterRepublik Schweiz an dieser Ausstellung uns Übermacht.

In einer zweiten Note wurde uns mitgetheilt, daß, wiewohl die Regierung sich für das Unternehmen sehr interessire und auch durch. Mitwirkung bei der Kreirung der allgemeinen Ausstellungskommissionen der Kongreß dasselbe sanktionirt habe, die Ausstellung doch ein Privatunternehmen in dem Sinne sei, daß die Regierung dafür keinerlei Verantwortlichkeit übernehme.

Der Bundesrath verdankte diese Einladung und erklärte die Bereitwilligkeit, die nöthigen Schritte zur Betheiligung der Schweiz an'jenem Unternehmen zu thun.

Das Ausstellungsprogramm wurde im Bundesblatt (v. N. 40 und 41) publizirt und in Separatabdrüken unter dem schweizerischen Handels- und Gewerbestand verbreitet.

Gleichzeitig wurden durch Vermittlung des Vorstandes des schweizerischen Handels- und Industrievereins bei den einzelnen Sektionen dieses leztern nähere Informationen über die Geneigtheit zur Betheiligung an der Ausstellung eingezogen. Uebereinstimmend sprachen sich dieselben dahin aus, daß voraussichtlich keine große Betheiligung zu erwarten sei. Es folgen diese Ausstellungen, wird bemerkt, zu schnell aufeinander. Dazu komme, daß die Kosten der Betheiligung an einer amerikanischen Ausstellung nach hiesigen Begriffen ganz außergewöhnlich hoch zu stehen kommen und jedenfalls dem Nuzen, welcher sich von der Betheiligung erwarten ließe, nicht entsprechend sein würden; denn einerseits sei der amerikanische Markt durch die hohen Eingangszölle einem großen Theil der schweizerischen Fabrikate ohnehin verschlossen ; andererseits sei

556

derselbe mit andern Industrien, deren Produkte er aufnehme, durch regelmäßigen und direkten Verkehr auch ohne Ausstellung wohl bekannt. Auch werde der belehrende und fördernde Besuch der Ausstellung durch schweizerische Aussteller selbst bei der großen Entfernung und den großen Kosten beinahe zur Unmöglichkeit.

Das ganze Unternehmen verspreche mit Rüksicht auf alle diese Verhältnisse der schweizerischen Industrie und dem schweizerischen Handel weder mittelbar noch unmittelbar erheblichen Nuzen.

Auch die Thatsache , daß der amerikanische Kongreß selbst dem Projekte bisher jede Unterstüzung versagt habe, lasse bei vielen Industriellen kein rechtes Vertrauen zu demselben aufkommen.

Eine während der Anwesenheit des Hrn. John Hitz, Schweiz.

Generalkonsuls in Washington, vom Vorsteher des Eisenbahn- und Handels-Departements veranstaltete Konferenz mit schweizerischen Industriellen verschiedener Branchen , um die Frage der Betheligung an dieser Ausstellung zu besprechen, führte zu einem ähnlichen Resultate, wie die so eben erwähnten Informationen bei den Sektionen des Handels- und Industrievereins. Da unter diesen Verhältnissen von einer eigentlich n a t i o n a l en Betheiligung der Schweiz nicht wohl die Rede sein konnte, glaubte der Bundesrath, vorderhand von Anträgen bei den eidg. Käthen, betreffend die aktive und finanzielle Betheiligung des Bundes Umgang nehmen und sich darauf beschränken zu sollen, vereinzelten schweizerischen Ausstellern ihr Unternehmen dadurch zu erleichtern, daß er die schweizerischen Konsuln, Hrn. Jakob Bertschmann in New-York und Hrn. Rudolph Koradi in Philadelphia, beauftragte, solchen Ausstellern auf ihr Begehren mit Rath und That an die Hand zu gehen und sie bei der allgemeinen Ausstellungskommission zu vertreten (v. B.-B1. Nr. 50 und .51).

557

Geschäftskreis des Justiz- und Polizeidepartements.

A. Gesezgebung und Verträge etc.

I. Oesezgebung.

Die Thätigkeit des Departementes auf dem Gebiete der Gesezgebung ist durch die neue Bundesverfassung erheblich umfangreicher geworden, als es unter der Bundesverfassung von 1848 der Fall sein konnte, indem es gerade eine der Hauptaufgaben der erstem war, auf verschiedenen Gebieten des Rechtslebens den dringendsten Bedürfnissen gerecht zu werden. In Folge dessen fällt eine ansehnliche Zahl derjenigen Geseze, welche direkt oder indirekt zur Ausführung der neuen Bundesverfassung gefordert sind, in den Geschäftskreis des Justiz- uud Polizeidepartements.

Bekanntlich hat der Bundesrath, einer Einladung des Nationalrathes entsprechend, am 9. Oktober 1874 der Bundesversammlung einen besondern Bericht erstattet, betreffend das Programm über die Reihenfolge aller zu erlassenden Geseze {Bundesblatt 1874, Bd. III, Seite 176). Dieser Bericht hat die Billigung der Bundesversammlung in dem Sinne erhalten, daß die in demselben angetragene Reihenfolge nicht unter allen Umständen bindend sein solle.

Folgendes ist der Stand der Geseze, welche in den Geschäftskreis des Justiz- und Polizeidepartemeuts fallen: 1. Gesez über die Organisation der B u n d e s r e c h t s pflege zur Ausführung der Art. 106--114 der Bundesverfassung.

Der Entwurf dieses Gesezes konnte der Bundesversammlung in der

558 ordentlichen Junisizung vorgelegt werden und erhielt am 27. Juni von beiden Räthen die Genehmigung (Bundesbl. 1874, Bd. I, S. 1059 und 1188). Am 26. Juni erwählte die Bundesversammlung mittelst eines besondern Dekretes die Stadt L a u s a n n e zum Siz des Bundesgerichtes. Sowohl jenes Gesez als auch dieses Dekret kamen im Bundesblatt vom 9. Juli 1874 zur Publikation (Bd. II, S. 425 ff.), so daß vom 10. Juli an bis und mit dem 7. Oktober die neunzigtägige Referendumsfrist abgelaufen war. Mit Beschluß des Bundesrathes vom 9. Oktober 1874 wurden daher beide Erlasse als mit dem 8. Oktober in Kraft getreten und von diesem Tage an als vollziehbar erklärt (off. Sammlung, neue Folge, I. 134 und 136.).

Die Vollziehung dieses Bundesgesezes und Dekretes führte zu folgenden Maßnahmen: a. Botschaft vom 9. Oktober 1874, betreffend den B e g i n n d e r F u n k t i o n e n d e s n e u e n B u n d e s g e r i c h t e s nebst Antrag zu einem bezüglichen Bundesbeschluß (Bundesblatt 1874, HI, 51). Dieser Antrag erhielt am 16. Oktober 1874 die Genehmigung der Bundesversammlung. Der diesfällige Beschluß wurde als dringlich erklärt, so daß er sofort in Vollziehung treten konnte (neue off. Sammlung, Band I, Seite 157).

Nach diesem Beschlüsse fielen alle Geschäfte, die bis und mit dem 7, Oktober einkamen, noch in die Kompetenz des Bundesrathes und eventuell in diejenige der Bundesversammlung; die andern Geschäfte aber, die am 8. Oktober bis und mit 31. Dezember einkamen, wurden in die Kompetenz des Bundesgerichtes verwiesen, dessen Amtstätigkeit mit dem 1. Januar 1875 beginnen mußte.

In Folge dessen konnten am 4. Januar 1875 28 Rekurse an das Bundesgericht abgegeben werden. Um die gleiche Zeit wurde, in Vollziehung von Art. 7 des oben erwähnten Bundesbeschlusses vom 16. Oktober 1874, auch das ganze bundesgeriehtliche Archiv, welches nach Art. 86 des Bundesgesezes vom 5. Juni 1849, Art. 88 des Bundeszivilprozesses und Art. 27 des Réglementes für die eidgenössischen Schäzungskommissionen, bis anhin unter der Obsorge des eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartements im Bundesarchiv untergebracht war, nach Lausanne transportât und der Kanzlei des Bundesgerichtes übergeben.

Die Wahl der Mitglieder des neuen Bundesgerichtes fand am 22. und 23. Oktober 1874 statt (Bundesblatt 1874, Band IH, Seite 232).

b. Botschaft betreffend die provisorische Feststellung der E n t s c h ä d i g u n g einiger Justizbeamter vom 16. No-

559 vember 1874 (Bundesblatt 1874, Band m, Seite 5393, welche den Bundesbeschluß vom 22. Dezember 1874 zur Folge hatte. Auch dieser Beschluß wurde als dringlich erklärt und trat ebenfalls mit dem 1. Januar 1875 in Kraft (neue offizielle Sammlung, Band I, Seite 221> c. Die Herstellung der nöthigen Lokalitäten für das Bundesgericht an seinem Amtssiz. Diese Aufgabe wurde sogleich nach Erlaß des Bundesgesezes vom 27. Juni an die Hand genommen. Die Behörden von Lausanne erklärten sich bereit, zunächst im Casino provisorisch die erforderlichen Räumlichkeiten herzustellen. Im Einverständnisse mit dem Präsidenten des Bundesgerichtes wurde schon zum voraus das diesfällige Programm berathen, um es möglich zu machen, daß nach Ablauf der Referendumsfrist die Arbeiten ohne Zögerung beginnen könnten. Sobald diese Frist abgelaufen war, das heißt schon am 9. Oktober, erhielt der Staatsrath des Kantons Waadt davon Kenntniß, daß am Tage vorher sowohl der Bundesbeschluß vom 26. Juni, als auch das Bundesgesez vom 27. Juni in Kraft getreten seien. Gleichzeitig wurde der Staatsrath eingeladen, beförderlich die Erklärungen der zuständigen Behörden einzusenden, daß sie in der Lage seien, die ihnen nach Art. 11 des erwähnten Bundesgesezes obliegenden Verpflichtungen endgültig zu übernehmen. Mit Schreiben vom 22. Oktober 1874 Übermächte derselbe erstens einen Auszug aus dem Protokoll des Stadtrathes (Conseil communal) der Stadt Lausanne vom 9. Oktober 1874, womit dem Gemeinderath (Municipalité) alle Vollmacht gegeben wird, Namens der Gemeinde Lausanne in definitiver Weise die Uebernahme der Verpflichtungen, welche der Art. 11 des Bundesgesezes über die Organisation der Bundesrechtspflege fordert, zu erklären, -- und zweitens einen Auszug aus dem Protokoll des Gememdrathes von Lausanne vom 19. Oktober 1874, die Erklärung enthaltend, daß diese Behörde im Namen der Gemeinde Lausanne und in Gemäßheit der oben erwähnten Vollmacht die in Art. 11 des zilirten Gesezes aufgeführten Verpflichtungen übernehme.

Der Staatsrath des Kantons Waadt begleitete diese Aktenstüke mit folgenden Mittheilungen : 1) Daß gemäß Art. 82, 83, 87 und 89 der Verfassung dieses Kantons der Stadtrath und der Gemeindrath von Lausanne kompetent seien, Namens dieser Stadt die bezeichneten Verpflichtungen zu übernehmen, und daß die von diesen Behörden gefaßten Beschlüsse für die Gemeinde, welcher sie vorstehen, verbindlich seien;

560 2) daß nach dem dortigen Gesez vom 28. Januar 1832 über die Pflichten und Befugnisse der Gemeindbehörden diese Verpflichtungsurkunde in regelmäßiger Form ausgestellt sei; 3) daß die Gemeinde Lausanne sich in der Lage befinde, die Kosten für die provisorische, sowie für die definitive Installirung des Bundesgeriches zu übernehmen.

Der Bundesrath erklärte am 26. Oktober 1874, daß hiermit dem Art. 3 des Bundesbeschlusses vom 26. Juni 1874 betreffend den Siz des Bundesgerichtes Genüge geleistet sei, und gab auch den aresezgebenden Käthen hievon Kenntniß (Bundesblatt 1874, Bandoni, Seite 307).

Die Arbeiten für die Herstellung der provisorischen Räumlichkeiten wurden nun so eifrig betrieben, daß sie rechtzeitig dem Bundesgerichte zur Verfügung gestellt werden konnten. Ihre Ausführung wurde durch einen vom eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartement delegirten Architekten kontrolirt. Die Räumlichkeiten sowohl als auch das Mobiliar, welches die Stadt Lausanne ebenfalls zu liefern hat, erhielten die Genehmigung des Bundesgerichtes und des Bundesrathes.

Bezüglich der Baute eines definitiven Gerichtsgebäudes haben auch einige einleitende Verhandlungen stattgefunden. Indeß wurden sie im Jahr 1874 nicht weiter gefördert, da es passend schien, vorerst einige Zeit die Entwikelung des Geschäftsumfanges des Bundesgerichtes abzuwarten, bevor zur Feststellung eines definitiven Programmes geschritten wird, das für eine längere Zukunft genügend sein sollte.

2. Gesez b e t r e f f e n d die politische S t i m m b e r e c h t i g u n g der S c h w eiz e r b ü r g e r vom 24. Dezember 1874. Der Entwurf zu diesem Gesez wurde den "eidgenössischen Räthen mit Botschaft vom 2. Oktober 1874 vorgelegt (Bundesblatt 1874, Band IH, Seite 34). Das Gesez, wie es aus der Berathung der Bundesversammlung hervorging, ist am 7. Januar 1875 publizirt worden und gegenwärtig noch nicht in Rechtskraft CBundesblatt 1875, Band I, Seite 8).

3. Gesez b e t r e f f e n d die z i v i l r e c h t l i c h e n Verhältnisse der Niedergelassenen und Aufe n t h a l t e r (Art. 46 und 47 der Bundesverfassung).

4. Gesez b e t r e f f e n d d i e E r t h e i l u n g des Bürge r r e c h t e s an A u s l ä n d e r und den V e r z i e h t von S c h w e i z e r n auf ih r B ü r g e r r e c h t (Art. 44 der Bundesverfassung).

561 Die Redaktion dieser beiden G-eseze ist in Arbeit. Die Frage über die Reihenfolge dieser drei leztern G-eseze wurde dahin erledigt, daß das G-esez, welches die politischen Interessen der Bürger beschlägt, vorangehen soll, wie es auch bereits geschehen ist. Dann soll die Ordnung der zivilrechtlichen Verhältnisse der Bürger folgen, wobei auch der Unterschied zwischen Niederlassung und Aufenthalt festgestellt und das Verbot der Doppelbesteurung gesezlich geordnet werden wird. Die umfangreichen Vorarbeiten zu diesem Gesez sind abgeschlossen und der Entwurf desselben geht seiner baldigen Beendigung entgegen. Doch wird es nicht möglich sein, denselben, wie beabsichtigt war, in der Sommersizung den eidgenössischen Räthen vorzulegen. Das Gesez über den Erwerb und Verlust des Bürgerrechtes wird sich sodann beförderlich anschließen.

Bei Anlaß der Genehmigung des bundesräthlichen Geschäftsberichtes pro 1873 hat die Bundesversammlung beschlossen, es sei der Bundesrath eingeladen, die Frage zu untersuchen und darüber Bericht zu erstatten, in wie weit die Rükhaltung von Ausweisschriften wegen Forderungen mit den Art. 45 und 59 der Bundesverfassung vereinbar sei. Behufs Erledigung dieses Postulates wurden zunächst die Kantonsregierungen mit Kreisschreiben vom 3. Juli 1874 eingeladen, über das bei ihnen übliche Verfahren Bericht zu geben und die bestehenden gesezlichen und reglementarischen Vorschriften einzusenden. Das Departement hatte dabei die Absicht, in dem oben sub 3 erwähnten Geseze auch diese Spezialfrage zu berüksichtigen. Es schien nämlich dem Departemente, daß es nicht conveniren könne, hierüber eine besondere Verfügung zu veranlagen, während gleichzeitig ein Bundesgesez über die zivilrechtlichen Verhältnisse der Niedergelassenen und Aufenthalter erlassen werden soll, in welchem dieser Punkt sodann naturgemäße Erledigung finden kann.

Inzwischen wird der unten Abtheilung B. 6. erwähnte Entscheid der Bundesversammlung in Sachen R u d o l f Weber maßgebend sein.

Im Weitern können wohl auch die Bestimmungen des Konkordates vom 28. Januar 1854 betreffend die Form der H e i m a t scheine in diesem Geseze ihre dem neuen Rechtszustande angemessene Revision erhalten. Es versteht sich zwar von selbst, daß der Vorbehalt in dem Formular der Heimatscheine für Unverheirathete, wonach sie ohne Bewilligung
ihrer heimatlichen Regierung sich nicht verehelichen durften, durch Art. 54 der neuen Bundesverfassung aufgehoben und ohne Werth ist. Dagegen sollten nun die Heimatscheine mit Rüksicht auf die Schulpflichtigkeit der Kinder, das Stimmrecht und die Militärpflicht ,,etc., die Angabe des

562 Geburtsdatums aller Personen enthalten, auf welche jene Urkunde sich bezieht. Es scheint keinem Zweifel zu unterliegen, daß jezt dem Bunde die Kompetenz zusteht, hierüber allgemein verbindliche Vorschriften aufzustellen. Zwei bezügliche Eingaben wurden in diesem Sinne beantwortet.

5. Das B u n d e s g e s e z b e t r e f f e n d die D a u e r und die Kosten der N i e d e r l a s s u n g s b e w i l l i g u n g vom 10. Dezember 1849 (alte off. Sammlung, Band I, Seite 271) wird einer Revision unterstellt werden müssen, wenn die Vorschrift des Schlußsazes von Art. 45 der Bundesverfassung nicht durch das oben sub 3 erwähnte Gesez ebenfalls ihre Vollziehung finden sollte. Nach Art. 2 der Uebergangsbestirnmungen zu der neuen Bundesverfassung bleibt jenes Gesez in Kraft bis es durch neue Bundesvorschriften ersezt sein wird, mit Ausnahme jedoch von Art, 4, welcher mit Art. 43 und 45 der Bundesverfassung im Widerspruch steht und daher nicht mehr anwendbar ist.

6. G-esez ü b e r S c h u l d b e t r e i b u n g und K o n k u r s . Sogleich als die Annahme der Bundesverfassung in Aussicht stand, wurde der Redaktor dieses G'esezes, Hr. Prof. Dr. A. Heus 1er in Basel, veranlaßt, die Motive zu dem frühern Entwurfe zum Abschlüsse zu bringen. Die Uebersezung übernahmen Hr. Prof. Carrard und Hr. Kantonsrichter V e r r e y in Lausanne, Der Druk beider Ausgaben wurde Anfangs August beendigt. Das Departement säumte nicht, diesen wichtigen Gesezentwurf den obersten Gerichtshöfen sämmtlicher Kantone mitzutheilen, damit sie rechtzeitig davon Kenntniß erhalten und ihre Bemerkungen, wozu sie sich veranlaßt sehen möchten, auch von den vorberathenden Behörden noch gewürdigt werden könnten. Nachdem die frühere Kommission theils durch Austritt und theils durch Tod auf wenige Mitglieder reduzirt worden war, wurde dieselbe mit Zustimmung des Bundesrathes durch das Departement unter Rüksichtnahme auf die verschiedenen Landestheile ergänzt und auf den 21. September 1874 zu einer ersten Sizung einberufen. Die Kommission beschloß zwar einstimmig, auf den vorliegenden Entwurf einzutreten, aber die Detailberathung zu verschieben, bis ihren Mitgliedern die nähere Prüfung der von kantonalen Behörden eingegangenen Bemerkungen möglich gewesen sei. Es sind nämlich die meisten Obergerichte, sowie einige Regierungen der oben erwähnten
Einladung nachgekommen, theilweise mit weitläufigen und inhaltreichen Eingaben. Um deren Inhalt leichter zugänglich zu machen, beschloß daher die Kommission, das Wichtigste aus denselben durch den Druk zu veröffentlichen und dadurch eine Abklärung der Ansichten über die in Frage kommenden Hauptprinzipien zu erleichtern. ' In Folge dessen sind im

563

Dezember d i e ,,M i t t h e i l u n g e n a u s d e n E i n g a b e n kantonaler Behörden zu dem Ent würfe eines B u n d e s g e s e z e s ü b e r S c h u l d b e t r e i b u n g u n d Konk u r s" im Druk erschienen. Diese Publikationen beschränken sich jedoch auf die allgemeinen Gesichtspunkte, unter Weglassung der Details, wie z. B. der Bemerkungen zu einzelnen Artikeln. Der Bericht einer vom Regierungsrath des Kantons Bern zur Begutachtung dieses Gesezentwurfes niedergesezten Spezialkommission ist zu spät erschienen und konnte daher beim Druke der,,Mittheilungent nicht mehr benuzt werden. Die Regierung des Kantons Bern hat deßhalb diesen Bericht besonders druken lassen. Unter diesen Umständen konnte die Kommission erst im Januar 1875 in die definitive Berathung des in Frage stehenden Gesezentwurfes eintreten.

7 . Gesez b e t r e f f e n d d i e p e r s ö n l i c h e H a n d lungsfähigkeit und über das O b l i g a t i o n e n r echt mit I n b e g r i f f des Handels- und Wechselrechts.

(Art. 64 der Bundesverfassung.) Diese verschiedenen Materien werden in einem einzigen Bundesgeseze ihre Erledigung finden. Der neue Redaktor, Hr. Prof. Dr. H. Fick in Zürich, konnte die Revision des Munzinger'schen Entwurfes im Sinne der Kommissionsbeschlüsse vom Oktober 1872 aus verschiedenen Gründen nicht sobald zu Ende bringen, als er früher glaubte. Indeß ist sie am Ende des Jahres bis zum Art. 544 vorgeschritten, so daß noch ungefähr ein Drittel zur Umarbeitung übrig blieb. Die Uebersezung dieses Entwurfes hat Hr. Dr. jur. Gustav Fick in Genf übernommen und im August begonnen. Die mannigfachen Schwierigkeiten dieser Arbeit verhinderten jedoch ein rasches Vorschreiten derselben.

Wahrscheinlich wird der Druk der deutschen Ausgabe des revidirten Entwurfes im Laufe des Monates Mai 1875 beendigt und in der Sommersizung den Mitgliedern der eidgenössischen Räthe mitgetheilt, sowie auch durch weitere Verbreitung der öffentlichen Kritik anheim gegeben werden können. Die französische Uebersezung soll, wenn möglich, auch noch im Laufe des Jahres 1875 nachfolgen.

8. Gesez über den G e s c h ä f t s b e t r i e b von Pfivatunternehmungen im Gebiete des Versic h e r u n g s w e s e n s (Art. 34 der Bundesverfassung).

9. G e s e z ü b e r die L o t t e r i e n (Art. 35).

10. Gesez ü b e r das U r h e b e r r e c h t
an W e r k e n d e r L i t e r a t u r u n d K u n s t (Art. 64).

«Zur Ausarbeitung dieser drei leztern Geseze ist im Jahr 1874 noch nichts geschehen, da sie als minder dringlich mit Zustimmung

564

der Bundesversammlung in die dritte und lezte Linie gestellt worden sind.

Die bis hieher aufgezählten 10 Geseze gehören in den Geschäftskreis des Justiz- und Polizeidepartementes in F o l g e der n e u e n B u n d e s v e r f a s s u n g . Es waren aber noch einige andere Fragen gesezgeberischer Natur in Behandlung, welche ebenfalls in seinem Geschäftskreise lagen.

11. Gesez über V e r p f ä n d u n g und Z w a n g s l i q u i d a t i o n d e r E i s e n b a h n e n . Dieses Gesez wurde am 24. Brachmonat 1874 von den eidgenössischen Käthen genehmigt und im Bundesblatt vom 11. Juli 1874 öffentlich bekannt gemacht.

Da von dem Referendum kein Gebrauch gemacht wurde, so ist dasselbe gemäß Art. 89 der Bundesverfassung in Kraft getreten und mit dem 10. Oktober vollziehbar geworden (Amtliche Sammlung, neue Folge, I. 121).

12, Bei Anlaß der Berathung des Entwurfes zu einem Bundesgesez betreffend die Volksabstimmung über Bundesgeseze und Bundesbeschlüsse erließ der Bundesrath unterm 23. Mai an das Justizund Polizeidepartement die Einladung, in Erwägung zu ziehen und zu berichten, welche Maßnahmen behufs S i c h e r u n g des Geh e i m n i s s e s d e r S t i m m g e b u n g bei eidgenössischen Abstimmungen und behufs Verhütung des Mißbrauchs eidgenössischer Stirnmzeddel zu treffen sein möchten. Um diese Frage an der Hand der in den Kantonen bereits bestehenden bezüglichen Vorschriften prüfen zu können, wurden mit Kreisschreiben vom 3. Juli sämmtliche Kantonsregierungen eingeladen, über die vorhandenen Vorschriften und das bis anhin übliche Verfahren Bericht zu erstatten (Bundesblatt 1874, II. 509). Das Departement wird im Laufe dieses Jahres einen Bericht und Anträge vorlegen.

^D^-

IT. Garantie von Kantonsverfassungen.

Die am lezten Tage des Jahres 1873 eingekommene neue Verfassung des K a n t o n s Zug hat am 17. Juni 1874 die eidgenössische Garantie erhalten, mit Ausnahme einiger in den Erwägungen des Bundesbeschlusses speziell erwähnter Artikel. In dieser Beziehung hat die Bundesversammlung den Kantonsrath von Zug eingeladen, die beanstandeten Artikel mit der neuen Bundesverfassung in Einklang zu bringen und die revidirten Bestimmungen dem Bunde nachträglich vorzulegen. Amtl. S. neue Folge Bd. I, S. 45. Die bezüglichen Berichte sind gedrukt im Bundes-Blatt 1874, I, 1112, -- Bd. II, S. 489. -- Am 20. Juni 1874 erließ der Bundqsrath in Vollziehung des erwähnten Bundesbeschlusses eine Einladung

565 an die Regierung des Kantons Zug, die entsprechenden Aenderungen der Verfassun g mit thunlicher Beförderung zu veranlaßen und dieselben behufs nachträglicher Gewährleistung durch den Bund einzusenden, inzwischen aber den frühern Zustand beizubehalten.

Nach dem neuesten Berichte der Regierung werden diese Aenderungen im Laufe des Jahres 1875 der Bundesversammlung vorgelegt werden.

Im Weitern sind dem Justiz- und Polizeidepartement zur Prüfung vorgelegen 3 Verfassungsgeseze des Kantons G e n f und die Abänderung einiger Artikel der Verfassung des Kantons Glarus.

Beide Revisionen haben die Gewährleistung des Bundes erhalten.

Die bezüglichen Botschaften und Berichte sind gedrukt: betreffend die Verfassungsgeseze von Genf, B.-Bl. 1874, I, 913, amtl. Samml., neue Folge I, 48, -- betreffend die Revision in G l a r u s , B.-B1.

1874, I, 980 und 1122, amtl. Sammlg. neue Folge I, 43.

III. Verhältnisse zu auswärtigen Staaten.

a. V e r t r ä g e und K o n v e n t i o n e n .

1) Im December ließ die Regierung der N i e d e r l a n d e den Wunsch aussprechen, daß die im Jahr 1867 unterbrochenen Verhandlungen betreffend den Abschluß eines F r e u n d s c h a f t s - , N i e d e r l a s s u n g s - und H an de l s ver t i - â g e s wieder aufgenommen werden möchten. Wir erklärten uns hiermit einverstanden und bezeichneten den Chef unsern Justiz- und Polizeidepartements, Hrn. Bundesrath Ceresole, zu unserm Bevollmächtigten. Die Unterhandlungen mit dem Bevollmächtigten der Niederlande, Hrn. Generalkonsul Suter, finden in Bern statt und haben bereits begonnen.

2) Ebenso sind gegen Ende des Jahres auch die Unterhandlungen mit dem d e u t s c h e n R e i c h e betreffend den Abschluß eines N i e d e r l a s s u n g s v e r t r a g e s wieder aufgenommen worden, und es wurde am Plaze des Hrn. Bundesrath Knüsel der gegenwärtige Chef des Justiz- und Polizeidepartementes, Hr. Bundesrath Ceresole, als schweizerischer Bevollmächtigter bezeichnet.

3) Der N i e d e r l a s s u n g v e r t r a g mit L i e c h t e n s t e i n ist arn 6. Juli 1874 in Wien abgeschlossen und seither beidseitig rati fizirt worden. B.-B1. 1874, III 169 und 173. Dagegen hat die Auswechslung dieses Vertrages im Jahr 1874 noch nicht stattfinden können, weßhalb er erst im Jahr 1875 in Kraft treten konnte.

4) Nachdem die neue Bundesverfassung mit dem 29. Mai 1874 in Kraft getreten und mit Art. 65 derselben die Todesstrafe in der

I.

Nach Seite 536.

Allgemeiner Verkehr im Jahr 1874, verglichen mit dem Jahr

1873.

1874

'

i

1874.

1874.

1873.

Verminderung, i i*

Vermehrung.

!

!

A. Einfuhr.

ij

Vieh Stüke Akergeräthe, Fuhrwerke, Waggons und deren Reparaturen .

.

. Werth Fr.

Landesprodukte .

.

Zugthierlasten ; Waareu .

.

.

.

Zentner

217,297

257,013

39,716 1 i 1

--

671,602 3,397,908 2,726,806 1,504,019 1,343,337 · 160,682 15,857,030 14,671,208 1,185,822 1

B. Ausfuhr.

Vieh Holz und Holzkohlen Landesprodukte .

Waaren .

.

.

.

.

Stüke . Werth Fr.

Zugthierlasten .

Zentner

114,624 5,752,070 143,820 1,896.309

108,697 5,818,787 118,969 1,828.404

5,927

-- [ 66,717 -- --

-- 24,851 67,905

!

C. Durchfuhr.

i Vieh : a. Sömmerungsvieh b. Transitirtes Vieh '· Landesprodukte .

.

Waareu

.

.

.

1

.

. Stüke .

.

,, Zugthierlasten .

Zentner

50,400 30,971 61,936 1,778,585

44,385 51,721 39.190 1.884,532

i i

6,015 22,746 ^

20,750 ' -- 105,947

II.

Zur Seite 556.

Verkehrsverhältnisse im Jahr 1874 gegenüber 1873.

Auszug aus der Generalüb er sieht der Ein-, Aus- und Durchfuhr.

·

A. Einfuhr.

1874.

Eine V e r m e h r u n g erzeigen vorzüglich folgende Artikel : Zentner.

Amlung .

.

.

.

.

.

.

.

.

50,707 Apotheker- u n d Drogueriewaaren .

.

.

. 112,462 Baumwolle, rohe u n d Abfälle .

.

.

.

.

423,356 Baumwollenwaaren aller A r t .

.

.

.

.

56,130 Bier 207,237 Branntwein und Weingeist in Fässern 243,390 Chemische Produkte u n d Säuren .

.

.

.

173,522 Eisen und Stahl, geschmiedetes, gezogenes, Eisenblech u n d Eisendrath .

.

.

.

.

.

.

425,781 Eisen und Stahl, roh, und Eisen zum Maschinenbau .

1,287,706 Eisenguß, grober u n d verarbeiteter .

.

.

.

151,511 Eisen- u n d Stahlwaaren .

.

.

.

.

. 194,763 Flachs und Leinewaaren, Leinwand etc.

29,023 Gerberrinde u n d Lohkuchen .

.

.

.

.

118,352 Glas- und Krystallwaaren aller Art (außer Fensterglas) 68^191 ,, Fensterglas .

.

.

.

.

.

.

47,144 Holzwaaren u n d Möbeln aller A r t .

.

.

.

48,897 Kaffee: Cichorienkaffee und andere Kaffeesurrogate 65,139 Krapp u n d Krappwurzeln .

.

.

.

.

.

33,811 Leder, rohes und gebeiztes .

30,939 Lederwaaren : Schuhwaaren .

.

.

.

.

9,223 Lumpen u n d Makulatur .

.

.

.

.

.

39,127 Malze, Gerstenmalz u . dgl. .

.

.

.

.

.

165,948 Maschinen u n d Maschinenteile .

.

.

.

. 183,762

1873.

1874.

Vermehrung.

Zentner.

40,118 103,674 381,267 51,532 171,432 224,104 140,084

Zentner.

396,131 546,125 124,391 90,288 26,664 107,240 63,390 39,641 36,696 62,599 26,686 28,931 7,362 38,239 143,173 135,353

29,650 741,581 27,120 104,475 2,359 11,112 4,801 7,503 12,201 2,540 7,125 2,008 1,861 888 ·- 22,775 48,409

10,589 8,788 42,089 4,598 ' 35,805 19,286 33,438

1874.

1873.

1874.

Vermehrung.

Mineralwasser .

.

.

Salz (Koch- u n d Viehsalz) .

Seidenbänder aller A r t .

Soda u n d Potasche .

.

Südfrüchte Tabak in Blättern Töpferwaaren, feine .

.

^ gemeine .

Wolle, rohe .

.

.

Wollengariie .

.

.

Wollenwaaren aller A r t .

Zuker u n d reiner Syrup .

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

Eine V e r m i n d e r u n g erzeigen dagegen Butter u n d Schweineschmalz .

.

Cichorienwurzeln, getroknete .

.

Farbhölzcr, Farbkräuter u. s. w. . ' Felle und Häute, rohe und ungegerbte Flachs, Hanf u n d Werg .

.

.

Getreide u n d Hülsenfrüchle .

.

.

Kaffee Mehl Obst, gedörrtes .

.

.

.

.

Oele, fette, nicht medizinische .

.

,, Petroleum .

.

.

.

.

Papier u n d Pappeudekel aller A r t .

Reis .

.

.

.

.

.

.

Sämereien .

.

.

.

.

.

Seide und Floretseide, roh und gesponnen Seife aller A r t .

.

.

.

.

Talg- u n d andere Fettwaaren .

.

Teigwaaren (Nudeln u. dgl.)

.

.

Wein i n Fässern .

.

.

.

Zuker, Melasse, brauner und schwarzer

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

Zentner.

18,965 294,570 1,849 93,308 35,519 119,323 26,785 17,352 43,662 8,729 60,089 394,043

vorzüglich: .

.

.

.

.

.

Zentner.

17,108 252,385 909 82,135 33,663 108,335 20,486 16,541 30,504 7,847 57,950 365,020

Zentner.

1,857 42,185 940 11,173 1,856 10,988 0,29t) 811 13,158 882 : 2,139 j 29,023 Verminderung.

61,462 15,358 46,618 22,823 .

.

.

19,883 .

.

. 4,845,540 131,784 444,781 .

.

.

8,282 .

.

.

209,283 .

.

.

258,177 .

.

.

40,166 .

.

.

137,833 .

.

.

78,848 .

38,147 .

.

.

41,464 .

.

.

13,388 .

13,175 .

.

. 1,763,227 12,684

88,311 20,436 48,533 24,115 28,354 5,290,199 167,675 519,543 16,867 216,145 269,781 41,289 140,564 91,947 38,898 44,552 1 0/280 17,891 2,051,454 16,272

26,849

5,078 1,915 1,292 8,471 '< 444,659 35,891 74,762 !

8,585 0,802 11,604 1,123 2,731 13,099 !

751 3,088 2,892 · 4,716 288,227 3,588

B. Ausfuhr.

Eine V e r m e h r u n g erzeigeu : Apotheker- u n d Drogueriewaaren Baumwollenwaaren aller A r t .

Vermehrung.

.

.

.

.

.

.

.

.

66,684 243,126

60,177 236,128

0,507 6,998

187e.

Zentner.

Bier 10,102 Branntwein und Weingeist in Fässern 7,286 Butter 15,848 Eisen und Stahl, geschmiedetes, Eisenblech und Eisendrath .

.

.

.

.

.

.

.

.

16,964 Eisen u n d Stahl, r o h .

.

.

.

.

.

. 88,094 Eisen- und Stahlwaaren .

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19,237 Felle und Häute, rohe und ungegerbte 63,690 Flachs-, Hanf-, Jute- und Paktuchgarn, Strike etc.

3,115 Käse .

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408,673 Leder, rohes u n d gebeiztes .

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10,675 *Maschinen und Maschinentheile 199,829 Mehl 46,786 Metalle, rohe, außer Eisen .

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7,876 Obst, gedörrtes .

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11,781 Seidene u n d halbseidene Stoffe .

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32,567 Töpferwaaren, gemeine .

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21.095 Wolle, rohe .

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11,967 Wollenwaaren aller A r t .

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6,029

1873.

1874.

Zentner.

Vermehrimg.

Zentner.

3,396 6,090 10,712

6,706 1,196 5,136

15,005 49,718 16,716 51,267 594 392,153 8,202 190,115 38,764 4,995 3,842 23,098 18,790 7,350 4,133

1,959 38,376 2,521 12,423 2,521 16,520 2,473 9,714 8,022 2,881 7,939 9,469 2,305 4,617 1,896

Eine V e r m i n d e r u n g erzeigen dagegen: Baumwolle, rohe u n d Abfälle .

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Baumwollgarn u n d Zwirn aller A r t .

Eisenguß, grober u n d verarbeiteter .

Farbh.ölzer, Farbkräuter u. s. w. .

Getreide u n d Hülsenfrüchte .

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Lumpen u n d Makulatur .

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Salz (Koch- und Viehsalz) Sämereien .

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Seide und Floretseide, roh und gesponnen Seidenbänder aller A r t .

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Soda u n d Potasche .

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Stroharbeiten, feine u n d gemeine .

Tabak in Blättern ,, Zigarren .

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Teigwaaren (Nudeln u . dgl.)

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Uhren u n d Uhrenbestandtheile .

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Verminderung.

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11,415 77,621 22,139 5,029 24,667 3,404 75,933 5.704 22,161 30,464 2,459 5,494 1,290 7,257 9,547 2,369

15,332 84,408 26,222 6,677 44,794 5,008 91,513 9,119 23,020 35,249 3,605 6,042 4,359 8,423 16,255 3,790

3,917

6,787 4,083 1,648 20,127 1,604 15,580 3,415 859 4,785 1,146 548 3,069 1,166 6,708 1,421

1874.

1873.

1874.

Vermehr UHR.

C. Durchfuhr.

Zentner.

Eine V e r m e h r u n g erzeigen: Baumwollwaaren .

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Bier Chemische Produkte .

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Eisen und Stahl, roh und Eisengußwaaren Eisen, gewalztes u n d gezogenes .

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Farbhölzer u n d Farbwaaren .

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Felle, rohe .

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Holzwaaren u n d Möbeln .

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Krapp u n d Krappwurzeln .

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Maschinen und Maschinenbestandtheile Oele aller A r t .

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Seide, rohe u n d gesponnene .

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Wolle, rohe

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34,200 12,242 10,621 48,043 66,312 20,775 33,340 46,105 22,154 131,723 35,505 17,470 16,463

Zentner.

27,534 9,372 7,420 24,940 14,928 19,444 20,376 27Ì479 17,636 128,137 31,167 15,474 9,575

Eine V e r m i n d e r u n g erzeigen dagegen: Eisenblech u n d Drath .

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Eisen- u n d Stahlwaaren .

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Getreide u n d Hülsenfrüchte .

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Glaswaaren aller Art .

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Kaifee Käse .

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Mehl Reis .

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Salz Seidenabfälle und Seidencocons Seidene und halbseidene Waaren Südfrüchte .

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Weine aller Art .

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Zuker

Zentner.

6,666 2,870 l 3,2ul | 23,103 i 51,384 1,331 12,964 1 18,62» 4,518 3,586 4,338 1,996 6,888 Verminderung.

69,726 12,732 32,360 384.693 5Ì417 18,090 12,413 159,424 8,150 7,517 10,387 6,116 7,119 140,482 49,757

79,855 24,405 36,131 528,339 6,644 19,746 24,777 200,486 10,774 j 8,573 11,230 8,328 17,733 176,898 50,538

10,129 11,673 3,771 143,646 1,227 1,656 12,364 41,062 2,624 1,056 843 2,212 10,614 36,416 781

566 ganzen Schweiz abgeschafft worden war, ist das im lezten Geschäftsberichte hervorgehobene Hinderniß gegen die Ratification des am 30. Oktober 1873 mit P o r t u g a l abgeschlossenen A u s l i e f e r u n g s v e r t r a g e s dahingefallen. Es ist dann auch diese Ratification von Seite der Bundesversammlung erfolgt, und am 23. September 1874 die Auswechslung des Vertrages vollzogen worden.

(Amtl. S. neue Folge I, 160, 161.) Nach Art. 17 ist er mit dem gleichen Tage in Kraft getreten.

5) Bezüglich des A u s l i e f e r u n g s V e r t r a g e s mit dem d e u t s c h e n R e i c h e konnte im lezten Geschäftsberichte noch mitgetheilt werden, daß derselbe am 24. Januar 1874 in Berlin unterzeichnet worden sei. Nach erfolgter Ratification ist dieser Vertrag am 6. Juli 1874 ausgewechselt und am gleichen Tage in Vollziehung gesezt worden, wovon die Kanfpne mit Kreisschreiben vom 10. Juli Kenntniß erhielten. Nach Art. 16 dieses Vertrages sind die frühern Auslieferungs-Verträge der Schweiz mit dem Großherzogthum Baden und dem Königreich Bayern ebenfalls vom 6. Juli hinweg außer Kraft getreten, indem nun lediglich der Vertrag mit dem gesammten deutschen Reiche auch im Verkehr mit diesen beiden Staaten zur Anwendung kommen muß. -- Behufs Ausführung von Art. 15 betreffend die Mittheilung der rechtskräftigen Strafurtheile wurden dieselben Formularien angenommen, wie sie auch zwischen der Schweiz und Italien im Gebrauche sind. Amtl. S. neue Folge I, 81 und 82. -- Bundesblatt 1874, I, 223. -- II, 539 und 851.

6) In Folge eines neuen Gesezes war der Regierung von Belg i e n die Möglichkeit gegeben, einige Erleichterungen in dem ö O O Verfahren betreffend die Behandlung von A u s l i e f e r u n g s begehren zu bewilligen. Sie beeilte sich daher, die entsprechenden Modificationen des Vertrages von 1869 anzuregen. In Folge dessen wurde zwischen den beidseitigen Bevollmächtigten am 13. Mai 1874 ein neuer Vertrag unterzeichnet, welcher am 20. Juli 1874 in Kraft getreten ist, nachdem er vorher die Ratification der höchsten Stellen erhalten hatte. Neue amtl. S. 1, 57 und 59. -- B.Bl. 1874, I, 953. H, 508.

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1

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7) Der A u s l i e f e r u n g s v e r t r a g mit G r o ß b r i t a n n i e n , dessen im lezten Geschäftsberichte auch Erwähnung geschah, ist am 31. März 1874 unterzeichnet und am 16. Juni von den eidg.

Räthen genehmigt worden. Dagegen konnte er im Laufe dieses Jahres nicht in Kraft treten , weil noch vor der Ratification des Vertrages durch die Königin von Großbritannien sich ergeben hat, daß der Absaz 2 von Art. 16 mit den dort bestehenden Gesezen nicht vereinbar sei. Nach dem ursprünglichen Wortlaut jener Be-

567 Stimmung hätten nämlich Auslieferungsgesuche gegen Verbrecher, welche sich nach einer der Kolonien oder auswärtigen Besizungen Englands geflüchtet haben, auch durch den Schweiz. Generalkonsul in London an den Staatssekretär für die Auswärtigen Angelegenheiten gerichtet werden können, während nach den britischen Gesezen die Behandlung dieser Geschäfte in die Kompetenz des Gouverneurs oder der höchsten Behörde der betreffenden Kolonie oder ßesizung fällt.

Die Regierung Großbritanniens ließ daher imNovbr. den Antrag stellen, daß jener Absaz 2 annullirt und durch eine Redaktion ersezt werden möchte, welche ihrer Gesezgebung entspräche. Wir glaubten auf diese Modifikation rein formeller Natur eintreten zu dürfen , ohne den Vertrag selbst nochmals der Bundesversammlung vorzulegen, zumal für die Schweiz keine Erschwerung daraus erwächst, iudem das Auslieferungsbegehren durch den in der Kolonie oder Besizung residirenden Schweiz. Konsul, oder, in Ermangelung eines solchen, durch den Konsularagenten eines andern Staates, welchem für diesen speziellen Fall die Wahrung der Schweiz. Interessen anvertraut wird, gestellt werden kann. --- Wir haben daher ein in diesem Sinne zwischen den beidseitigen Bevollmächtigten am 28. November 1874 vereinbartes Protokoll genehmigt, worauf am 31. Dezember die Auswechslung des Vertrages vollzogen wurde. Nach ~ O c ?

erfolgter Publikation ist derselbe gemäß Art. 17 in England am I.März und in der Schweiz am 10. März 1875 in Vollziehung getreten. Amtl. S. der Bundesgeseze, neue Folge Bd. I, S. 355 und 356. -- B.-Blatt 1874, Bd. I, S. 967 und 973. -- 1875, Bd. I, S. 303.

8) Einzelne neuere Fälle machten einen A u s l i e f e r u n g s v e r t r a g mit B r a s i l i e n wünschbar. Die bezügliche Anregung wurde von der kaiserlich Brasilianischen Regierung günstig aufgenommen und es ließ dieselbe im August ihre Geneigtheit aussprechen, einen dießfälligen Entwurf des Bundesrathes in Erwägung ziehen zu wollen. Diese Unterhandlungen, wofür der Chef des Justiz- und Polizeidepartementes ermächtigt wurde, konnten ndeß noch nicht beginnen.

9) Ueber die Verhandlungen mit B r a s i l i e n betreffend einen neuen K o n s u l a r v e r t r a g verweisen wir auf den Bericht des politischen Departernentes. Das Justiz- und Polizeidepartement hatte lediglich diejenigen Partieen des
Entwurfes zu prüfen, welche auf die civilrechtlichen Verhältnisse sich beziehen.

10) Zum Schlüsse dieser zahlreichen Verhandlungen betreffend internationale Verträge mag noch erwähnt werden, daß die von der N i e d e r l ä n d i s c h e n R e g i e r u n g bei den europäischen Bundesblatt. Jahrg. XXVII. Bd. II.

38

568

Staaten gemachte Anregung einer Konferenz zum Zweke des Abschlusses einer allgemein verbindlichen Uebereinkunft betreffend die g e g e n s e i t i g e V o l l z i e h u n g der g e r i c h t l i c h e n Urt h e i l e in C i v i l - und H a n d e l s s a c h e n , auch an die Schweiz gekommen ist. Nach einer nachträglichen Mittheilung des GeneralKonsuls der Niederlande läge es nicht in der Absicht seiner Regierung, daß jene Konferenz den Charakter eines förmlichen Kongresses erhalten müßte. Sie gehe vielmehr von der Ansicht aus, daß nur eine beschränkte Zahl von Rechtskundigen (für jeden Staat einer oder zwei) zusammentreten sollte mit der Aufgabe, von praktischen Bedürfnissen ausgehend, gewisse Regeln zu vereinbaren , durch welche die theilnehmenden Staaten, sei es auf dein Wege der Gesezgebung, oder sei es durch internationale Vereinbarungen, die Konflikte aufheben würden, welche gegenwärtig aus Anlaß der Vollziehung eines Civilurtheils in einem andern Staate so oft hervortreten. Die Theilnahme an jenen Verhandlungen soll in keiner Weise die Ratification der vereinbarten Regeln in sich schließen. Der Hr. Generalkonsul fügte bei, daß bis in den Monat Juni außer den Niederlanden noch Belgien, Italien, Griechenland und Rußland ihre Theilnahme an solchen Verhandlungen zugesichert haben, und daß die Niederländische Regierung einen hohen Werth darauf seze, auch die Schweiz repräsentirt zu sehen.

Nach näherer Prüfung dieser Angelegenheit fanden wir, daß zwar die Ausführung der angeregten Idee ohne Zweifel großen Schwierigkeiten begegnen müsse, namentlich wegen der manigfaltigen Verschiedenheit der Gerichtsstände, daß aber gerade wegen der Rechtsunsicherheit, die aus diesen verschiedenen Gerichtsständen entspringt, die Nüzlichkeit und die Wünschbarkeit gewisser allgemeiner Regeln um so überzeugender bewiesen erscheine und daß endlich mindestens über die zu beobachtenden Formen gemeinsame Säze aufgestellt werden dürften, an deren Entstehung die Schweiz, mit Rüksicht auf ihren ausgedehnten Verkehr nach Außen, ein großes Interesse hätte. Wir glaubten daher der Regierung der Niederlande eröffnen zu sollen , daß auch die Schweiz an der angeregten Konferenz sich vertreten lassen werde und ersuchten dieselbe , uns s. Z. Ort und Zeit des Zusammentrittes der Konferenz zur Kenntniß bringen, sowie auch ein allfälliges
Programm mittheilen zu wollen. In neuester Zeit ist jedoch zweifelhaft geworden, daß die Anregung der Niederländischen Regierung sich realisiren werde, da Frankreich sich enthalten zu wollen scheint. Für die Schweiz hat zwar dieser Umstand kein besonderes Gewicht, da sie mit Frankreich die Gerichtsstände und die Formen des Verfahrens behufs Vollziehung civilgcrichtlicher Urtheile durch den Vertrag vom 15. Juni 1869 geordnet hat. Allein da eine allgemeinere

569 Regulirung dieser Verhältnisse kaum erheblich von den Grundsäzen dieses Vertrages abweichen könnte, so würde dadurch der leztere nur noch mehr geschüzt.

b. S p e z i a l f a l l e .

11) Der im leztjährigen Geschäftsberichte, Ziff. 19, erwähnte Prozeß zwischen dem Franzosen Oger und dem Waadtländer P e r r o u d , betreffend die Theilung der Verlassenschaft der Frau Perroud, hat dadurch eine neue Wendung genommen, daß das Urtheil des Appellationshofes von Rennes, womit die Kompetenz der schweizerischen Gerichte anerkannt worden war, auf den Rekurs des Hrn.

Oger unterm 3. Juni 1874 von der Civilkammer des französischen Kassationshofes aufgehoben, und daß der Prozeß zur neuen Beurtheilung an das Kassationsgericht von Angers gewiesen worden ist.

Das Urtheil des Kassationshofes ist wie folgt motivirt : Die von Hrn. Oger gegen Perroud erhobene Klage habe nicht die Liquidation oder Theilung der Erbschaft der Frau Perroud, einer in Frankreich gestorbenen Schweizerbürgerin, zum Gegenstande, und betreffe auch nicht die Abrechnung zwischen ihren Erben. Sie ziele vielmehr einzig darauf ab, zur Anerkennung zu bringen, daß der Schweizerbürger Perroud, indem er in Frankreich, wo er den Wohnsiz gehabt, eine Ehe abgeschlossen habe, Mangels einer anderweitigen Vereinbarung über die Behandlung des ehelichen Vermögens , unter der Herrschaft der gesezlichen Gütergemeinschaft gestanden sei, und dem zu Folge die Verfügung zu erhalten, daß das Vermögen dieser Gütergemeinschaft zwischen dem überlebenden Ehegatten und den Rechtsnachfolgern der vorhergestorbenen Frau zu gleichen Theilen getheilt werde. Diese Operation sei wesentlich verschieden von der Liquidation oder Theilung der Erbschaft der Frau Perroud, für deren Regulirung gemäß der speziellen Vorschrift in Art. 5 des Staatsvertrages mit der Schweiz vom 15. Juni 1869 der schweizerische Gerichtsstand vorbehalten sei.

Die Klage, wie sie oben festgestellt und schon bei der Einleitung des Prozesses präzisirt worden, falle unter die Bestimmung des lezten Sazes von Art. l des erwähnten Staatsvertrages, indem die Eheleute Perroud, wie durch das angefochtene Urtheil konstatirt sei, in Frankreich geheiratet und daselbst gewohnt haben als der Prozeß anhängig gemacht worden sei. Daraus folge, daß die Klage, da sie auf Erfüllung von Verpflichtungen gehe, die aus einer
in Frankreich geschlossenen Ehe sich ergeben, vor das Gericht in Rennes habe gebracht werden können, in dessen Gerichtskreis die eine wie die andere Prozeßpartei zur Zeit, als der Prozeß entstanden sei, den Wohnsiz gehabt haben. Das Appellationsgericht

570 von Rennes habe also, indem es dahin sich ausgesprochen, daß für diesen Prozeß die . schweizerischen Gerichte allein kompetent seien, dem Art. 5 des Vertrages eine unrichtige Anwendung gegeben und den Art. l desselben verlezt.

Die in diesem Urtheile entwikelte Theorie scheint jedoch, wenigstens soweit es das bewegliche Vermögen betrifft, dem Sinn und Geist des Vertrages vom 15. Juni 1869 zu widersprechen, indem die minderjährigen Kinder Oger nur in der Eigenschaft als Erben ihrer Großmutter den Prozeß führen können, also lediglich die Erbschaft einer in Frankreich gestorbenen Schweizerin in Frage liegt, wobei ausschließlich der Art. 5 des Vertrages Anwendung finden darf. Es wurde daher die französische Regierung ersucht, das Appellâtioilsgericht von Rennes auf diesen Umstand aufmerksam zu machen. Das Urtheil dieses Gerichtes ist noch nicht bekannt.

12. Der M i l i t ä r d i e n s t , zu w e l c h e m die S c h w e i z e r im A u s l a n d e oft angehalten werden, war mehrfach Gegenstand von diplomatischen Verhandlungen. Im Laufe des Berichtsjahres sind namentlich 5 Reklamationen von Schweizern, die in I t a l i e n zum Militärdienst berufen wurden, in Behandlung gelegen, und zum Theil in günstigem Sinne erledigt worden. Einiges Interesse mag folgender Fall bieten : Der Tessiner N e u r o n i , wohnhaft in der Lombardei, sah sich zur Zeit der Austreibung der Schweizer aus der Lombardei (1855) genöthigt, sich als Oesterreicher naturalisiren zu lassen, um dem gleichen Schiksal zu entgehen.. Er blieb indeß bis in die Gegenwart auch Tessinerbürger. Im Jahr 1874 wurden zwei seiner Söhne zum italienischen Militärdienst gerufen. Die vom Bundesrathe unterstüzte Reklamation des Neuroni fand folgende Erledigung : der jüngere Sohn, welcher seit der Naturalisirung des Vaters in der Lombardei geboren ist, wurde nach Art. 4 des italienischen Code civil als Italiener und daher in Italien als militärpflichtig erklärt; der ältere Sohn dagegen, welcher vor der österreichischen Naturalisation des Vaters geboren ist, wurde nach Art. 10 des gleichen Code civil ausschließlich als Schweizer anerkannt.

13. Aus D e u t s c h l a n d kamen Zwei Fälle in Behandlung, aus denen es sich ergab, daß die in Sachsen wohnhaften Schweizer, um ein selbstständiges Gewerbe zu betreiben, das sächsische Indigenat erwerben mußten. Da
sie dessenungeachtet immer noch Schweizer blieben und sich auch als solche betrachten, so glaubten sie, dagegen reklamiren zu können, daß ihre Söhne in Deutschland Militärdienst leisten sollen. Der Bundesrath konnte jedoch darauf nicht eintreten, indem einer langjährigen Praxis gemäß als Grundsaz

571 anerkannt wird, daß in Fällen von Doppelbürgerrecht die Militärpflicht in demjenigen Staate erfüllt werden muß, wo der betreffende Bürger zur Zeit, da er militärpflichtig wird, seinen Wohnsiz hat.

14. Für zwei S c h w e i z e r , die in F r a n k r e i c h geboren sind und in Folge dieser Thatsache unter die französische Fahne gerufen wurden, konnte aus den im lezten Geschäftsbericht sub A, HI, 17 erwähnten Gründen nicht intervenni werden. Nach dem französischen Gesez vom 27. Juli 1872, betreffend die Rekrutirung, muß die Frage der Nationalität in einem förmlichen Prozeß mit dem Präfekten des betreffenden Departements zur gerichtlichen Beurtheilung gebracht werden.

Im Uebrigen ist daran zu erinnern, daß die Stellung der in Frankreich geborenen Schweizer durch ein neues- Gesez der französischen Nationalversammlung vom 16. Dezember 1874 geregelt ist. Darnach wird jedes in Frankreich geborne Kind eines Ausländers, der selbst auch in Frankreich geboren wurde, Franzose, wenn es nicht in dem Jahre, das auf die nach französischem Rechte eingetretene Mündigkeit folgt, also zwischen dem 21. und 22. Altdrsjahre, vor der Munizipalität seines Wohnortes in Frankreich, oder vor einem diplomatischen oder konsularischen Agenten Frankreichs im Auslande förmlich erklärt, sein ursprüngliches Heimatrecht beibehalten zu wollen, und wenn es nicht gleichzeitig mittelst einer Bescheinigung seiner heimatlichen Behörde nächweist, daß es wirklich noch im Besize der ursprünglichen Nationalität sich befinde. Bundesblatt 1875, Bd. I, S. 40 ff.

15. Was die S ö h n e von F r a n z o s e n , w e l c h e vor der s c h w e i z e r i s c h e n N a t u r a l i s i r u n g i h r e r V ä t e r geboren sind, betrifft, so haben diese gar keine Hoffnung, von der Verpflichtung zum Militärdienst in Frankreich befreit zu werden. Angesichts der Note der französischen Regierung vom 1. August 1873 (Bundesblatt 1873, Bd. III, S. 565) konnte auf sechs derartige Reklamationen nicht eingetreten werden.

Uebrigens müssen die Einreden dieser Art nach dem oben erwähnten Gesez vom 27. Juli 1872 ebenfalls vor den französischen Gerichten zur Beurtheilung gebracht werden. Die Civilkammer des Kassationshofes in Paris hat sich in einem solchen Falle unterm 19. August 1874 dahin ausgesprochen: Die Frage der Nationalität, welche der Kläger (Constantin}
entgegenhalte, um von der Liste des Militärkontingents gestrichen zu werden, müsse nach der französischen Gesezgebung gewürdigt und beurtheilt werden. Nun schreibe zwar der Art. 17 des Code civil vor, daß die Eigenschaft als Franzose verloren gehe 1} durch

572 die in einem fremden Staate erworbene Naturalisation; 2) durch jeden Aufenthalt in einem andern Lande, in der Absicht, nicht wieder zurükzukehren ; allein diese Vorschrift könne nur Anwendung finden auf Franzosen, welche, frei von jeder Verpflichtung gegen ihr Vaterland, die gesezliche Fähigkeit erlangt haben, auf ihre Nationalität zu verzichten, und eine fremde Nationalität zu erwerben.

Constantin habe jedoch nicht gültig auf seine französische Nationalität verzichten können, wenn schon er vor dem Stoatsrathe in Genf erklärt habe, daß er die Naturalisirung in Genf, welche gemäß der Gesezgebung dieses Kantons in der Naturalisirung seines \7aters Inbegriffen sei, auch für sich erwähle.

16. Bezüglich der Angehörigen von Elsaß-Lothringen haben Deutschland und Frankreich durch nachträgliche Erläuterungen zu den Friedensverträgen vom 10. Mai und 11. Dezember 1871 dahin sich vereinbart, daß der Ausdruk ^originaires des territoires cédésa (Art. 2 des ersten und Art. l des zweiten Vertrages') nur auf solche Personen sich beziehe, welche auf dem an Deutschland abgetretenen Gebiete g e b o r e n seien. Vergleiche auch die Beilagen zu dem Kreisschreiben vom 31. Mai 1872.

Bundesblatt 1872, Bd. II, S. 459 ff. Alle jene Personen, welche nicht auf dem abgetretenen Gebiete geboren sind, brauchten nicht zu optiren, sondern sind von Rechtswegen Franzosen geworden.

Aus diesem Grunde konnte für den in Bern g e b o r n e n Sohn eines Elsäßers, welcher nach der Annexion das Bürgerrecht im Kanton Bern erworben hatte, keine Intervention eintreten, um ihn von der Aufforderung "o zu der französischen Rekrutiruns; zu befreien.

In Uebereinstimmung mit dem oben Gesagten hat der französische Appellationshof mit Urtheil vom 24. Juli 1874 den in P a r i s g e b o r n e n Sohn des Elsäßers Blum, welcher im November 1871 für sich und seine minderjährigen Kinder das Bürgerrecht in Genf erworben hatte, als in Frankreich militärpflichtig erklart.

Dieses Urtheil ist vollständig abgedrukt in der Gazette des Tribunaux vom 26. Juli 1874, Nr. 14,701.

573

B. Justiz.

I. Allgemeines und Statistik.

Im Laufe des Jahres 1874 sind 191 neue Rekurse eingegangen.

Mit den 15 Rekursen, welche aus dem Jahr 1873 noch pendent geblieben, waren also 206 zu behandeln. (1873: 169.)

Nachdem jedoch in Vollziehung der Art. 106--114 der neuen Bundesverfassung das Bundesgesez über die Organisation des Bundesgerichtes vom 27. Juni 1874 mit dem 7. Oktober gì. J. in Kraft getreten, giengen, wie oben in der Abtheilung A. I. 1. a.

bereits erwähnt wurde, 28 Geschäfte an das Bundesgericht über, welches in allen seine Kompetenz anerkannte.

Einzig der Rekurs der Herren Nationalräthe von Mentlen, Magatti und Gatti gegen den Entscheid des Staatsrathes des Kantons Tessin betreffend das Stimmrecht der Niedergelassenen und Aufenthalter, sowie der Rekurs einiger Geistlicher betreffend ihr eigenes Stimmrecht bei den Wahlen des Kantonsrathes und der Bezirksbehörden, veraulaßte das Bundesgericht, nähere Darlegung der Gründe zu verlangen, aus welchen der Bundesrath sich nicht für kompetent halte. Nachdem die gewünschten Aufklärungen gegeben worden waren, erklärte sich der Gerichtshof auch für diese Beschwerden als kompetent und erledigte sie mit Entscheid vom 1. Februar 1875. -- Diese Kompetenzfrage hatte indeß keine große Bedeutung, weil die Streitpunkte, auf welche jene Beschwerden sich beziehen, durch das Bundesgesez über ..die politische Stimmberechtigung der Schweizerbürger vom 24. Dezember 1874 für die Zukunft geregelt werden.

Aehnlich verhält es sich mit der Frage, ob Jder Bundesrath oder das Bundesgericht über Beschwerden zu entscheiden habe, welche erhoben werden wegen Beschlagnahme von Legitimationspapieren am bisherigen Wohnorte, oder wegen Verweigerung solcher Papiere von Seite der Heimatsbehörden. Im Einverständnisse mit dem Präsidenten des Bundesgerichtes behielt der Bundesrath den Entscheid über Fragen dieser Art in seiner Hand, in der Meinung, daß sie in dem nahe bevorstehenden Bundesgesez über die civilrechtliche Stellung der Niedergelassenen und Aufenthalter ihre Lösung finden werden und daß am gleichen Orte auch gesezlich.

574 bestimmt werden könne, welche Behörde über allfällige Reklamationen zu entscheiden habe.

Von den 178 Rekursen, welche dem Bundesrathe zum Entscheide, verblieben, wurden 165 erledigt und 13 blieben pendent.

Es waren dabei sämmtliche Kantone betheiligt, namentlich Luzern mit 26 Rekursen, Freiburg mit 18, Bern mit 17, St. Gallen und Wallis mit je 14, Aargau und Waadt mit je 13, Schwyz und Basel-Landschaft mit je 8 etc.

Dem Objekte nach bezogen sich diese Rekurse: 37 auf Gerichtstandsfragen, 30 ,, Niederlassungsverhältnisse, wovon 15 die Forderung von NiederlassungsgebUhren betrafen, 29 ,, Eheangelegenheiten, davon 14 auf Forderung von Heirategebühren, 18 ^ auf Rükhaltung von Ausweisschriften durch die Behörde der Heimat oder des lezten Wohnortes, 13 ,, Steuerverhältnisse, 9 n Verlezung verfassungsmäßiger Rechte, 5 ,, Vollzug von Zivilurtheilen, 4 n Verbannung und Schuldverhaft, 3 ,, konfessionelle Verhältnisse, 2 fl Verlezung des Konkordates betreffend Bestimmung und Gewähr von Viehhauptmängeln, 2 ,, Beschränkung der Gewerbsfreiheit im Versicherungswesen, l ,, auf das Stimmrecht in -kantonalen Angelegenheiten. -- Die übrigen Rekurse bezogen sich auf sehr verschiedenartige, zum Theil unklare oder nicht leicht bestimmbare Verhältnisse.

Die eidgenössischen Räthe hatten sich im Jahr 1874 mit 18 Beschwerden und Rekursen zu befassen (1873:29). Von jenen 18 wurden 14 erledigt und 4 blieben pendent. Von den erledigten wurden 6 abgewiesen, 5 zurükgezogen und 3 begründet erklärt.

Bezüglich der von dem Bundesrathe behandelten Rekurse ergibt sich das nähere Detail aus der folgenden Tabelle:

Kantone.

Zürich . . . .

Bern . . . .

Luzern . . . .

Uri Schwyz . . .

Obwalden . .

Nidwaiden . .

Glarus . . . .

Zug Freiburg . . .

Solothurn . . .

Basel-Stadt . .

Basel-Landschaft Schaffhausen .

Appenzell A. Rh.

Appenzell I. Rh.

·St. Gallen . . .

Graubünden .

Aargau . . .

Thurgau . . .

Tessin . . . .

Waadt . . . .

Wallis . . . .

Neuenburg . .

Genf . . . .

BeRekurse war en gerichtet gegen NichtAbBlieben Die Gerichtsverwaltungs- S u m m a .

gründet- Rükzug eintreten. weisung. erklärung etc.

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576

u. Entscheide über Anwendung der Bundesverfassung.

1. G e w e r b e f r e i h e i t .

»

1. Einige Einfragen von Kantonsregierungen und Beschwerden betheiligter Gesellschaften über die Bewilligung oder Schmälerung des Geschäftsbetriebes von Privatunternehmungen im Gebiete des Versicherungswesens wurden dahin beantwortet, daß gemäß Art. 2 der Uebergangsbestimmungen zu der neuen Bundesverfassung Fragen dieser Art erst dann der Aufsicht des Bundes unterstellt sein werden, wenn das in Lemma 2 von Art. 34 der Bundesverfassung vorgesehene Bundesgesez in Kraft getreten sei. Bis dahin bleibe die Bewilligung solcher Privatunternehmungen und deren Kontrolirung, wie bis anhin, den Kantonen anheimgestellt.

2. N i e d e r l a s s u n g s v e r h ä l t n i s s e , a. E n t z u g der N i e d e r l a s s u n g .

2. Hier ist vor Allem aus mit Rüksicht auf das neue Bundesrecht in Niederlassungsverhältnissen der Entscheid zu zitiren, welchen die Bundesversammlung auf den Rekurs des Christian Salvisberg von Mühleberg, Kts. Bern, wohnhaft in Prilly, Kts. Waadt, erlassen hat und welcher im Bundesblatt 1874, III, 536 vollständig abgedrukt ist. Die weitern bezüglichen Aktenstük'e sind gedrukt im Bundesblatt 1874, I, 672 und n, 374.

3. Die Regierung des Kantons Schwyz bestätigte unterm 13: Juni 1874 die im April gleichen Jahres von dem Gemeinderath von Schwyz beschlossene Wegweisung der Frau Katharina M a r t y , Bürgerin von Iberg, gleichen Kantons, weil sie im Jahr 1869 in Konkurs gefallen sei und daher ihre bürgerlichen Rechte und Ehren verloren habe, und weil zur Zeit des Beschlusses der Gemeindebehörde die Bundesverfassung von 1848 noch Anwendung gefunden habe.

Frau Marty rekurrirte unter Berufung auf die neue Bundesverfassung an den Bundesrath, welcher unterm 22. Juli 1874 den Rekurs begründet erklärte, gestüzt auf folgende Erwägungen: 1) Daß durch Art. 45 der neuen Bundesverfassung vom 29. Mai 1874 jedem Schweizer das Recht garantirt ist, innerhalb des schweizerischen Gebietes an j e d e m O r t e sich niederlassen zu können, wenn er einen Heimatschein oder eine andere gleichbedeutende Ausweisschrift besizt;

577 2) daß nach Art. 2 der Uebergangsbestimmuugen zu der neuen Bundesverfassung die mit der leztern im '-Widersprüche stehenden kantonalen Vorschriften mit dem Tage der Annalune, beziehungsweise mit dem Erla.ß der in Aussicht genommenen Bundesgeseze, außer Kraft treten müssen; 3) daß aber in Art. 45 der neuen Bundesverfassung über die Bedingungen betreffend den Erwerb und den Entzug der Niederlassung kein weiteres Bundesgesez vorgesehen ist, weßhalb die in jenem Artikel enthaltenen Vorschriften sofort mit dem 29. Mai allein maßgebend geworden sind ; 4) daß die Rekurrentin am 17. Mai 1873 die Bewilligung zur Niederlassung in der Gemeinde Schwyz erhalten hat, welche Bewilligung nach Art. l des zur Zeit noch in Kraft bestehenden Bundesgesezes über die Dauer und Kosten einer Niederlassungsbewilligung für vier Jahre gültig ist; 5) daß kein Grund vorliegt, welcher nach Art. 45 der jezt maßgebenden neuen Bundesverfassung den Entzug der Niederlassung gegenüber der Rekurrentin rechtfertigen würde.

4. Die Waadtländerin Rosa Mär. An. C l o t beschvserte sich, weil sie mit Urtheil des korrektionnellen Gerichtes des Kantons Genf vom 23. Juni 1874 wegen Diebstahls außer zu einer Gefängnißstrafe auch noch zur L a n d e s v e r w e i s u n g für die Dauer eines Jahres verurtheilt worden war, indem sie darauf sich berief, daß sie eine gehörige Niederlassungsbewilligung für den Kanton Genf besize und der Art. 45 der neuen Bundesverfassung ihre Ausweisung nicht gestatte.

Der Stäatsrath von Genf rechtfertigte das erwähnte Urtheil durch Saz 3 von Art. 45 der Bundesverfassung. Der dort gebrauchte Ausdruk ^punis'1 beschränke sich nicht ausschließlich auf gerichtliche Urtheile. Nun sei bekannt, daß die Clot auch schon in ihrem Heimatkanton wegen schlechten Lebenswandels ausgewiesen worden. Uebrigens sei das Urtheil rechtskräftig geworden, und es bestehe kein Rechtsmittel mehr, dasselbe anzugreifen. Der Bundesrath könne also auf diese Beschwerde nicht mehr eintreten.

Ein Ausweg wäre einzig möglich, wenn diese Angelegenheit an das Bundesgericht gewiesen werden könnte.

Der Bundesrath erklärte am 16. Oktober 1874 diesen Rekurs als begründet und annullirte das Urtheil des korrektionellen Gerichtes von Genf, so weit gegen die Rekurrentin Landesverweisung ausgesprochen worden war.

578

Dieser Entscheid stüzte sich auf folgende rechtliche Gesichtspunkte : 1) Was zunächst die von der Regierung des Kantons Genf erhobene Einrede betrifft, daß der Bundesrath auf den Rekurs nicht eintreten könne, so hat derselbe nur die eine Frage zu prüfen, ob das gegen die Rekurrentin ausgefällte Urtheil mit einer oder mit mehreren Bestimmungen der jezt in Kraft bestehenden Bundesverfassung im Widerspruch stehe ; 2) falls zwischen dem Urtheile des Genfer Gerichtes und der Bundesverfassung ein Widerspruch bestehen sollte, so muß der Bundesrath denjenigen Theil des Urtheiles, in welchem dieser Widerspruch enthalten ist, als null und nichtig erklären, ohne daß er die Folgen in Berüksichtigung zu ziehen hätte, welche die Nichtigkeits-Erklärung in prozessualischer Hinsicht haben könnte, und ohne daß er das Urtheil selbst zu reformiren hätte. Dies ergibt sich aus dem Sinn und Geiste, sowie aus dem Wortlaute von Art. 102. Ziff. 2 der Bundesverfassung, womit auch die konstante Praxis der Buudesbehörden im Einklänge steht; 3) was die Frage betrifft, ob im Spezialfalle nach Inhalt des in der Antwort des Staatsrathes von Genf angerufenen Artikels 113 der Bundesverfassung das Bundesgericht kompetent sei, so kann diese Gerichtsbarkeit hier nicht zur Anwendung kommen, weil gemäß Art. 3 der Uebergangsbestimmungen der Bundesverfassung die neuen Vorschriften der leztern betreffend die Kompetenzen des Bundesgerichtes, erst nach dem Erlaß der hierauf bezüglichen Bundesgeseze, nämlich am 7. Oktober 1874, also erst nachdem der Rekurs'der Frau Clot anhängig gemacht war, in Kraft getreten sind ; 4) der Bundesrath ist daher kompetent, den Rekurs zu entscheiden, und es ist kein Grund vorhanden, bei der erhobenen Kompetenzeinrede sich aufzuhalten; 5) in der Hauptsache fällt in Berüksichtigung, daß Frau Clot weder in Folge eines strafgerichtlichen Urtheiles ihrer bürgerlichen Rechte und Ehren beraubt, noch daß sie wegen schwerer Vergehen wiederholt bestraft worden ist, sondern daß im Gegentheil nur eine einzige gerichtliche Bestrafung gegen sie vorliegt ; 6) in Folge dessen kann ihr gemäß Art. 45 der Bundesverfassung die Niederlassung im Kanton Genf nicht entzogen werden, und es steht demgemäß das gegen sie erlassene Urtheil des korrektionellen Gerichtes in Genf vom 23. Juni 1874 im Widerspruch mit der Bundesverfassung.

ft. Joseph H a i t i n e r von Altstälten, Kts. St. Gallen, wurde im Januar 1874 aus der Gemeinde Tablât, gleichen Kantons,

579 ausgewiesen, weil er in einem Konkubinatsverhältnisse lebe. Indeß wurde die Ausweisung nicht sogleich vollzogen, sondern erst am 26. Juni 1874 erhielt Haitiner vom Gemeinderath die Aufforderung, die Gemeinde zu verlassen, unter Androhung der Exekution. Haitiner rekurrirte jedoch an die Regierung von St. Gallen, unter Berufung auf Art. 45 der inzwischen in Kraft getretenen neuen Bundesverfassung. Seine Beschwerde wurde jedoch als unbegründet abgewiesen, weil er schon drei Male wegen schwerer Vergehen korrektionnell zu Geldbußen von 40, 150 und von 20 Franken verurtheilt worden sei.

Diese Bestrafungen sind erfolgt im Jahre 1865 wegen nächtlicher Unfuge, ferner im Juni, 1873 wegen einer vorsäzlichen Körperverlezung, welche noch -innert 30 Tagen geheilt werden konnte, und das dritte Mal im Frühjahr 1874 wegen Mißhandlung einer altern Frauensperson.

Haitiner rekurrirte an den Bündesrath, welcher mit Beschluß vom 2. Dezember 1874 diesen Rekurs als begründet erklärte, gestüzt auf folgende Erwägungen : 1) . Nach Art. 45 der Bundesverfassung vom 29. Mai 1874 kann die NiederlassungO einem Schweizerbürger nur dann verO weigert, beziehungsweise entzogen werden, wenn er in Folge eines strafgerichtlichen Unheiles nicht im Besize der bürgerlichen Rechte und Ehren ist, oder wenn derselbe wegen schwerer Vergehen wiederholt gerichtlich bestraft wurde, oder endlich, wenn er am Niederlassungsorte dauernd der öffentlichen Wohlthätigkeit zur .Last fällt ; 2) die Regierung von St. Gallen stüzt nun ihren Ausweisungsbeschluß lediglich darauf, daß der Rekurrent bereits drei Male wegen schwerer Vergehen gerichtlich bestraft worden sei ; 3) die erste Bestrafung datirt aber schon aus dem Jahr 1865, zu welcher Zeit der Rekurrent laut den vorliegenden Prozeßakten noch in der Stadtgemeinde St. Gallen wohnhaft war ; da sie aber kein Hinderniß bildete bei seiner Bewerbung um die Niederlassung in Tablât, so kann auch hier auf diese Verurtheilung nicht mehr zurükeegriffen werden:l O O 4) was die beiden neuern Bestrafungen betrifft, so handelt es ·sich dabei nur um polizeilich strafbare Vergehen, welche mit einer Buße bestraft werden, also nicht um schwere Vergehen im Sinne des Art. 45 der Bundesverfassung. Die Voraussezungen dieses Artikels für die Zuläßigkeit des Entzuges der Niederlassung liegen sonach hier nicht vor (vergi. Bundesbeschluß vom 13. November ,a. c. in Sachen Salvisberg, oben Nr. 2).

580

b. R ü k h a l t u n g von

Legitimationspapieren.

6. Hieher gehört der Entscheid der Bundesversammlung in Sachen R u d o l f W e b e r , Steinhauer, in Riesbach bei Zürich. Derselbe fällt zwar in das Jahr 1875, allein es wird darum schon jezt darauf hingewiesen, weil er bis das oben erwähnte Bundesgesez besteht maßgebend sein wird. Der Entscheid des Bundesrathes vom 20. Januar 1875 ist gedrukt im B.-Blatt 1875, Bd. I, S. 240. Die Bundesversammlung hob am 19. März 1875 diesen Entscheid auf und erklärte den Rekurs des Weber begründet. Die Motivirung ist in einem Kommissionsberichte enthalten, welcher im Bundesblatt noch veröffentlicht werden wird.

Siehe auch unten Rekurs G l au s e r, Nr. 14.

c. A u f e n t h a l t s g e b ü h r e n

von N ied e r g e l a s s e n e n .

7. Art. 220 des Frei burgisch en Gesezes über die Gemeinden und Pfarreien vom 7. Mai 1864 bestimmt: ,,Jedermann, der in einer Gemeinde wohnt, welcher er nicht angehört, sei es um daselbst irgend eine Industrie auszuüben, oder sei es als Grundbesizer, oder endlich als Miether, muß vor Allem aus bei dem Gemeinderath eine Aufenthaltsbewilligung (permis d'habitation) nachsuchen und zum Voraus für das ganze Jahr die Gebühr dafür bezahlen.'0 In einem spätem Gesez vom 30. November 1872 ist diese Wohnsizgebühr auf 2 bis 10 Fr. fixirt worden.

Nachdem die neue Bundesverfassung angenommen war, beschwerten sich mehrere Niedergelassene in Gemeinden des Kantons Freiburg, daß sie die Wohnsizgebühr für das ganze Jahr 1874 bezahlen sollen, obschon gemäß Art. 45 der Bundesverfassung seit dem 29. Mai 1874 die Niedergelassenen mit keinen andern Lasten oder Abgaben mehr belegt werden dürfen, als die Ortsbürger. Sie können daher nur angehalten werden, die Wohnsizgebühr noch bis den 29. Mai zu bezahlen.

Nach Anhörung der Regierung des Kts. Freiburg gab der Bundesrath den Petenten (D al e r in Freiburg, Gas s er und Consorten in Romont etc.) die Antwort, daß ihre Beschwerde als unbegründet erscheine. Das Freiburgische Gemeindegesez von 1864 sei mit der Bundesverfassung von 1848 nicht im Widerspruch gestanden, somit sei auch der Art. 220 desselben so lange vollziehbar , bis er durch neue Bundesvorschriften aufgehoben worden.

Nach diesem Art. 220 sei die Forderung einer Aufenthaltsgebühr ·mit Beginn des Jahres begründet gewesen. Die Beschwerdeführer

581 hätten daher zur sofortigen Bezahlung angehalten werden können.

Wenn die Freiburgischen Behörden Nachsicht geübt haben, so vermöge dieser Umstand ihr Recht nicht 'zu,beeinträchtigen. Dieses Recht habe am 1. Januar 1874 darin bestanden, daß die Aufenthaltsgebühr für das ganze Jahr 1874 habe verlangt werden können.

Die Petenten seien somit pflichtig, dieser Aufgabe nachzukommen, da die neue Bundesverfassung nicht rükwirkende Kraft habe.

d. Pflicht zur Deposition

der

Legitimationspapiere.

8. Während der Pendenz des unten erwähnten Rekurses (Nr. 10) wurde Hr. Ferdinand Me r i an, Geschäftsführer derFloretspinnerei Angenstein im Bezirke Laufen, Kts. Bern, durch die bernischen Behörden aufgefordert, in diesem Kantone eine Aufenthaltskarte zu lösen. Allein er weigerte sich dessen, weil er in Aesch, Kts. Basel-Land , die Niederlassung habe und nur einige Stunden des Tages im Kanton Bern zubringe.

Die Regierung von Bern vertheidigte jenes Begehren mit Art. 30 des Fremdengesezes dieses Kantons vom 21. Dezember 1816. Hr.

Merian verbringe die meiste Zeit in Angenstein als Angestellter einer im Kanton Bern domizilirenden industriellen Gesellschaft, weßhalb er als bernischer Aufenthalter zu betrachten sei.

Die Beschwerde des Hrn. Merian wurde am 18. Mai 1874 begründet erklärt, gestüzt auf folgende Erwägungen: 1) Hr. Merian ist im Kanton Basel-Land in gehöriger Weise niedergelassen und hat dort auch die für seine Niederlassung nöthigen Förmlichkeiten erfüllt.

.

2) Es richtet sich sonach Alles, was sich auf seine Niederlassung bezieht, nach der Gesezgebung von Basel-Land.

3) Unter diesen Umständen kann er nicht angehalten werden, sich gleichzeitig auch dem Niederlassungs-Geseze des Kantons Bern zu unterwerfen, wo er weder niedergelassen ist, noch den Aufenthalt hat.

4) Wenn man ihn blos aus dem Grunde , daß er einen Theil seiner Zeit in einem industriellen Etablissemente auf bernischem Gebiete zubringt und dort arbeitet, dazu anhalten wollte, sich im Kanton Bern mit Ausweisschriften zu versehen, so läge hierin eine Verlezung des in der Bundesverfassung gewährleisteten Grundsazes der Gewerbe- und Handelsfreiheit.

582 3. S t e u e r r e c h t .

9. Am 1. November 1871 erhielt Hr. Friedrich F es q u e t von Marseille eine Niederlassungsbewilligung für den Kt. Woadt und starb am 9. Oktober 1872 in der Gemeinde Tour-de-Peilz ohne Leibeserben. Sein Vermögen bestand in Werthtiteln und einigem Mobiliar. Mit Testament hatte er seine Wittwe als Universalerbin eingesezt und verschiedene Legate ausgeworfen. Zur Dekung dieser Legate deponirte die Wittwe Fesquet eine Anzahl Werthschriften hei dem Bankier Marcel in Lausanne, welche jedoch, nachdem Frau Fesquet den Kt. Waadt verlassen hatte, zur Sicherung der vom Waadtländischen Fiscus und von der Gemeinde Lütry geforderten Erbschaftssteuer im Betrage von zusammen Fr. 4750. 06 Cts.

mit Sequester belegt wurden.

Hiegegen beschwerte sich Hr. Professor König in Bern Namens der Wittwe Fesquet bei dem Bundesrathe und stellte das Gesuch, daß der Sequester aufgehoben und der Entscheid über die Erbschaftssteuer an die Gerichte des Wohnortes der Beklagten in Frankreich verwiesen werden möchte. Der Sequester sei formell und materiell unstatthaft; ersteres weil bestimmte gesezliche Vorschriften nicht beobachtet worden seien, und leztercs, weil Frau Fesquet in Frankreich ein den Waadtländischen Behörden bekanntes Domizil habe und nach Art. l des Staatsvertrages zwischen der Schweiz und Frankreich vom 15. Juni 1869 persönliche Forderungen von Schweizern gegen Franzosen am Wohnorte der leztern in Frankreich eingeklagt werden müssen, durch welche Vorschrift Arreste ausgeschlossen seien. -- Was die Steuerforderung betreffe, so sei eine solche im0 Kt. Waadt gemäß dem Gese?, vom 25. Mai 1824 nur von solchen Erbschaften zuläßig, welche im Et. Waadt e r ö f f n e t worden seien. Nach Art 5 des erwähnten Vertrages mit Frankreich werde die Erbschaft eines in der Schweiz verstorbenen Franzosen stets an seinem lezten Wohnorte in Frankreich eröffnet.

Der Paß des Erblassers bezeichne Crcst als dessen leztes Domizil in Frankreich, somit sei an diesem Orte die Erbschaft eröffnet worden. Hr. Fesquet habe nicht im rechtlichen Sinne Domizil im Kt. Waadt gehabt; es sei dieß auch nie in seiner Absicht gelegen.

Der Staatsrath des Kts. Waadt behauptete, daß die Erbschaft Fesquet wirklich im Kt. Waadt eröffnet worden sei, weil der Erblasser förmliche Niederlassungsbewilligung daselbst besessen, factisch
dort gewohnt habe und im Kt. Waadt gestorben sei. Noch mehr : das Testament sei in Tour-de-Peilz eröffnet und die Wittwe sei in Lutry in den Besiz der Erbschaft eingesezt worden. Auch habe leztere im Kt. Waadt eine neue Niederlassungsbewilligung verlangt

583 und den Aufenthalt daselbst noch einige Zeit fortgesezt. Die Forderung der Erbschaftssteuer sei somit vollkommen gerechtfertigt. Die Art. l und 5 des Vertrages mit Frankreich vom 15. Juni 1869 finden hier keine Anwendung, da dieser Vertrag nur auf bürgerliche Rechtsverhältnisse sich beziehe, während im Spezialfalle eine Frage des öffentlichen Rechtes vorliege. Die Sequester seien materiell und formell durch die Gesezgebung des Kts. Waadt gerechtfertigt. In Allem sei Frau Fesquet behandelt worden, wie unter gleichen Verhältnissen eine Waadtländerin, oder auch eine Schweizerin aus einem andern Kanton, behandelt würde.

Mit Beschluß vom 21. August 1874 wurde dieser Recurs ab« gewiesen, mit folgender Begründung: 1) Was zunächst die Frage betrifft, ob der im Kanton Waadt gegen die Rekurrentin erwirkte Arrest in regelrechter Form stattgefunden habe, so bezieht sich diese Frage lediglich auf die Anwendung und Auslegung eines kantonalen Gesezes über die Schuldbetreibung und liegt deßhalb nicht in der Kompetenz des Bundesrathes. Wenn auch aus den von der Regierung des Kantons Waadt ertheüten Aufschlüssen sich nicht ergeben würde, daß bei diesem Arrest die im waadtländischen Prozeßgesez vorgesehenen Formen beobachtet worden seien, so hätte dennoch der Bundesrath mit der Form dieser Maßregel und -mit der Art und Weise, wie sie notifizirt worden ist, sich nicht zu befassen; 2) Was sodann die angebliche Verlezung des Art. 5 des Staatsverürages zwischen der Schweiz und Frankreich vom 15. Juni 1869, welche gegenüber der Erbin des Hrn. Fesquet stattgefunden haben soll, angeht, so liegt eine solche Verlezung auch nicht vor, weil dieser Artikel nur auf die Klagen betreffend Liquidation oder Theilung einer Erbschaft und betreffend die Abrechnung zwischen Erben und Legataren, d. h. nur auf zivilrechtliche Ansprüche zwischen Rechtsnachfolgern des Erblassers sich bezieht, während im vorliegenden Falle eine Frage des öffentlichen Rechtes vorliegt und eine Ansprache des Fiskus, welche der Kanton Waadt kraft des dinglichen Rechtes, das er auf die Erbschaft zu haben behauptet, geltend macht; 3) Der Art. 5 des Vertrages von 1869 hat aber nicht Ansprachen dieser Art im Auge und ist auch in dieser Weise niemals zur Anwendung gebracht worden ; namentlich ist hinlänglich bekannt, daß der französische Fiskus die Klagen
betreffend Erbschaftssteuern, welche er von den Erbschaften von Schweizern fordert, die in Frankreich gestorben sind, nicht den schweizerischen Gerichten überläßt ; Bundesblatt. Jahrg. XXVII. Bd. II.

39

584

4) Ueberdieß hat die schweizerische Bundesversammlung ihrerseits anerkannt, daß Ansprachen solcher Art, wie sie der Staat Waadt geltend macht, in die Kompetenz der schweizerischen Behörden fallen (Vgl. unter andern den Beschluß vom 17./23. Januar 1863 über den Rekurs der Erben Braun) ; 5) Im Fernern steht thatsächlich fest, daß die Erbschaft Fesquet im Kanton Waadt eröffnet wurde, weil am 12. Oktober 1872 in diesem Kanton das Testament gerichtlich eröffnet worden ist; 6) Die Rekurrentin ist auch ganz gleich behandelt worden, wie ein waadtländischer Erbe mit Bezug auf eine Erbschaft behandelt würde, die unzweifelhaft den waadtländischen Gesezen unterworfen ist; 7) Sie kann sich daher weder über ungleiche Behandlung, noch über eine Rechtsverlezung beschweren; 8) Es ist also ihr gegenüber weder ein Staatsvertrag, noch eine Bestimmung der Bundes- oder der kantonalen Verfassung von Waadt, noch auch ein Bundesgesez verlezt worden, weßhalb sie zu einer Beschwerde an den Bundesrath nicht als legitimirt erscheint; 9) Was endlich die Frage betrifft, ob Hr. Fesquet gemäß den Bestimmungen des Zivilgesezbuches von Waadt und des waadtländischen Gesezes. über die Fremdenpolizei vom 25. Mai 1867 zur Zeit seines Todes im Kanton Waadt domizilirt gewesen sei, so steht die Prüfung dieser Frage nicht dem Bundesrathe, sondern einzig den waadtländischen Gerichten zu.

10. Hr. Ferdinand M e r i an (Siehe Nr. 8), Geschäftsführer der Aktiengesellschaft ,,Floretspinnerei Angenstein", wohnte früher in Angenstein, Gemeinde Duggingen, Kts. Bern, und bezahlte damals die Steuern in dieser Gemeinde. Ende 1872 nahm er jedoch seine Wohnung in Aeseh, Kts. Basel-Land, und erwarb dort die Niederlassung. Er wurde aber dennoch auch für das Jahr 1873 an seinem frühern Wohnorte im Kt. Bern für die Einkommenssteuer belangt und die Regierung von Bern wies seine Einsprache ab, gestüzt auf § 7 des Gesezes über die Einkommensteuer, wonach entscheidend sei, daß Hr. Merian den Siz seiner Berufsthätigkeit im Kanton Bern habe.

Lezterer rekurrirte an den Bundesrath, welcher unterm 18. Mai 1874 den Rekurs als begründet erklärte unter folgender Motivirung : 1) Der Rekurrent hat seinen Wohnsiz , d. h. seine wirkliche und alleinige Niederlassung, in Aesch im Kanton Basel-Land; er muß also nach 'konstanter Praxis die Steuern in diesem Kanton bezahlen, was auch wirklich geschieht;

f

585

2) Obschon Hr. Merian täglich einen Theil seiner Zeit in einem industriellen Geschäfte zubringt, das auf bernischem Gebiete liegt, so folgt daraus noch nicht, daß er im Kanton Bern niedergelassen sei, oder auch nur den Aufenthalt daselbst habe; 3) er kann daher weder f ersönlich noch als Stellvertreter des industriellen Geschäftes, in welchem er arbeitet, im Kanton Bern besteuert werden, weil dieses Etablissement selbst schon im Kanton Bern besteuert wird, und Hr. Merian nur ein Angestellter in demselben ist; 4) der Bundesrath muß daher den vorliegenden Steuerkonflikt zwischen den Kantonen Bern und Basel-Landschaft nothwendig zu Gunsten von Basel-Landschaft entscheiden und in jedem Falle verhüten, daß Hr. Merian doppelt besteuert werde.

11. Hr. Joseph Meyer, Fabrikant in Triengen, Kts. Luzern, beschwerte sich gegen zwei Urtheile des Obergerichtes des Kantons Aargau vom 3. November 1868 und 15. November 1870, womit das Vermögen und der Erwerb der Aktiengesellschaft ,,Spinnerei und Weberei Aarburg" als im Kanton Aargau steuerpflichtig erklärt- worden war, während er durch Entscheide der Regierung des Kantons Luzern vom 3. und 24. Mai und 23. Oktober 1872 verpflichtet worden sei, von den in seinem Besize befindlichen 56 Aktien im Betrage von Fr. 28,000 auch noch die Staats- und Gemeindesteuern im Kanton Luzern zu bezahlen. Der Rekurrent erblikte hierin eine unzuläßige Doppelbesteurung.

Der Bundesrath hat unterm 5. Juni 1874 dahin entschieden, daß Hr. Meyer die Staats- und Gemeindesteuern von seinen Aktien auf die ,,Spinnerei und Weberei Aarburg" nur an seinem Wohnorte im Kanton Luzern zu bezahlen habe.

Dieser Entscheid stüzt sich aufzeigende rechtliche Gesichtspunkte: 1) Wenn auch die Kantone im Steuerwesen souverän sind, so erlaubt ihnen diese Souveränität dennoch nicht, Personen und Gegenstände zu besteuern, welche bereits in richtiger Weise in einem andern Kantone zur Besteuerung herangezogen sind. Der Bund hat die Doppelbesteuerung schon unter der Bundesverfassung von 1848 nicht mehr anerkannt und anerkennt sie auch nicht unter derjenigen von 1874, vielmehr hat er in Konfliktsfällen von jeher zur Verhinderung solcher Unbilligkeiten den Entscheid sich vorbehalten ; 2) die Bundesversammlung hat bei verschiedenen Anläßen, speziell in Sachen Dürr, den Grundsaz aufgestellt, daß das beweg-

586 liehe Vermögen in dem Kanton versteuert werden müsse, in welchem der Eigenthümer seinen Wohnsiz hat; 3) an diesem Grundsaz wurde seither in allen Entscheiden des Bundesrathes festgehalten, und wenn er es für zuläßig erklärte, daß eine anonyme Gesellschaft in dem einen Kanton zur Besteuerung herangezogen werden könne, ihre Aktionäre aber in einem andern Kanton, so geschah es in Fällen, wo die Gesellschaft ein besonderes, von dem Aktienkapital getrenntes Vermögen besaß; niemals aber hat er zugegeben, daß Aktionäre doppelt besteuert werden dürfen; 4) der Art. 20 des aargauischen Gesezes betreffend die Staatssteuer, welcher ebenfalls auf die von Meyer geforderte Gemeindesteuer von Aarburg Anwendung findet, beruht auf dem nämlichen Grundsaz, indem er als Regel feststellt, daß bei Gesellschaften die Steuer anf die einzelnen Antheilhaber nach Verhältniß ihrer Betheiligung verlegt werden soll, und ebenso ist der gleiche Grundsaz auch im luzernischen Steuergesez vom 18. September 1867 anerkannt; \ 5) nun hat der llekurrent seinen Wohnsiz im Kanton Luzern und hat daselbst nach Maßgabe des soeben erwähnten Gesezes die Steuern von demjenigen Theile seines beweglichen Vermögens, welcher in Aktien auf'die Spinnerei in Aarburg besteht, bezahlt; 6) die Urtheile des Obergerichtes von Aargau, gegen welche der Rekurs gerichtet ist, haben also wirklich zur Folge, daß der Rekurrent im Widerspruch mit der bundesrechtlichen Praxis und selbst mit dem aargauischen Rechte einer Doppelbesteuerung unterworfen wird; 7) in diesem Konflikte muß gemäß den erwähnten Grundsäzen der Kanton Luzern bei seinem Steuerrecht geschüzt werden.

4. A r r e s t .

12. Hieher gehört zunächst der Rekuus des Gaudenz Willi von Lenz, Kts. Graubünden, wohnhaft in Chur. Da jedoch diese Angelegenheit auch an die Bundesversammlung rëkurrirt wurde, so genügt es, auf die gedrukten Aktenstüke zu verweisen. Bundesblatt 1874, II, 882 und HI, 1014. Der definitive Entscheid ist zur Zeit der Abfassung dieses Berichtes noch nicht erfolgt.

13. Das gleiche ist der Fall bezüglich des Rekurses von Peter Bin z in Welschenrohr, Kts. Solothurn, worüber ein Bericht .des Bundesrathes gedrukt ist im Bundesblatt 1874, HI, 989.

587 14. Rudolf Già u s e r von Jegenstorf, Kts. Bern war, als Käser in Stein, Kts. Appenzell A. Rh., wohnhaft. Am 10. Dezember 1873 verließ er diesen Ort und nahm Aufenthalt in der Gemeinde Oberbüren, Kts. St. Gallen. Von hier aus reklamirte er seine Legitimationspapiere, allein der Gemeindehauptmann von Stein antwortete ihm, daß seinem Gesuche nicht entsprochen werden könne, weil schon vor seiner Entfernung auf Begehren seiner Gläubiger ihm verboten worden, das Land zu verlassen und gleichzeitig sein Hab und Gut, sowie insbesondere auch seine Legitimationspapiere mit Arrest belegt worden seien.

Die Beschwerde des Glauser wurde von der Regierung des Kantons Appenzell A. Rh. abgewiesen, weil derselbe zur Zeit, da die angegriffenen Verfügungen erlassen worden, noch in Stein gewohnt habe, weil jene Verfügungen der Vorschrift von Art. 25 des Schuldbetreibungsgesezes entsprechen, und weil der Art. 50 der Bundesverfassung nicht Anwendung finde, da er, Glauser, noch an keinem andern Orte einen festen Wohnsiz habe.

Glauser rekurrirte noch an den Bundesrath, welcher am 11. Mai 1874 dahin entschied, daß die Ausweisschriften aushin zu geben seien, daß aber der Rekurs bezüglich der in Appenzell A. Rh.

angehobenen Betreibungen für persönliche Ansprachen abgewiesen sei.

Gründe : 1) Was zunächst die Weigerung der Gemeindebehörden von Stein, dem Glauser seine Ausweisschriften auszuhändigen, betrifft, so hat dieselbe zur. Folge und zum Zwek, Glauser zu verhindern, sich auf regelmäßige Weise in einer andern Gemeinde niederzulassen ; diese Weigerung bewirkt somit die Beeinträchtigung eines Rechtes, das jedem Schweizerbürger zusteht; der Arrest auf Ausweispapiere ist nur im Fall einer gerichtlichen Klage gegen die Person ihres Eigenthümers, oder im Falle einer Strafuntersuchung statthaft, keineswegs aber auch für bloße zirilrechtliche Ansprachen ; es ist somit der Rekurs des Glauser mit Bezug auf diesen ersten Punkt begründet.

2) Was sodann zweitens die Betreibungen betrifft, welche gegen Glauser im Kanton Appenzell A. Rh. angehoben worden sind, so ergibt sich aus dem Berichte der Regierung dieses Kantons, daß dieselben begonnen haben, bevor Glauser von Stein weggezogen war und während er noch sein regelmäßiges Domizil daselbst hatte, was übrigens auch von Glauser nicht in Abrede gestellt worden ist;

588 jene Betreibungen haben daher in gehöriger Weise noch am alten Domizil Glausers begonnen, und es steht lezterem nicht mehr zu, nach angehobener Betreibung den Gerichtsstand zu ändern, vielmehr haben seine Kreditoren das Recht, ihre Rechtsvorkehren an dem Orte zu vollenden, wo sie dieselben augefangen haben, ohne mit Art. 50 der Bundesverfassung von 1848 im Widerspruch zu stehen.

5. G e r i c h t s s t a n d , a. G e r i c h t s s t a n d des W o h n o r t e s .

15. Ein hieher gehöriger Entscheid in Sachen des Hrn. Advokat Franz S c h e n a r d i in Roveredo, Kts. Graubünden, ist von der Gegenpartei, den Erben Phi ff e r - G a g l i a r d i in Prato und des Hrn. Jos. P a t o c c h i in Peccia, Kts. Tessin, an die Bundesversammlung gezogen worden und gedrukt im Bundesblatt 1875, I, 207.

Der Entscheid ist verschoben.

16. Hr. Thomas de M o n c o u r t aus Paris unterzeichnete am 21, August 1873 in Genf einen Wechsel, zahlbar am 17. Oktober gì. J. in seinem Domizil in Paris, 65 rue de Montceau, an die Ordre des Hrn. Albert Thomeguex, Angestellter eines Wechselagenten in Paris, aber damals vorübergehend in Genf. Der fragliche Wechsel wurde jedocl] zur Verfallzeit nicht bezahlt, weßhalb Hr. Thomeguex im November 1873 gegen Hrn. de Moncourt bei dem Handelsgerichte in Genf eine Klage einleitete. Der Beklagte bestritt die Kompetenz der Genfer Gerichte, allein diese Einrede wurde in beiden Instanzen unbegründet erklärt. Er rekurrirte nun, gestüzt auf Art. l des Vertrages mit Frankreich vom 15. Juni 1869, an den Bundesrath, indem er behauptete, daß er in Paris sein regelmäßiges Domizil habe, also dort belangt werden müsse.

Am 9. November 1874 erklärte der Bundesrath diesen Rekurs als unbegründet, indem er folgende rechtliche Gesichtspunkte in Betracht zog: 1) Es handelt sieh im vorliegenden Falle uni die Auslegung und Anwendung des Lemma 3 von Artikel l des Vertrages zwischen der Schweiz und Frankreich vom 15. Juni 1869, sowie des erläuternden Protokolls zu diesem Vertrage von gleichem Datum; 2) nun steht einerseits fest, daß im Moment, da der Prozeß anhängig gemacht wurde, Hr. Thomas de Moncourt in Genf den Aufenthalt hatte, indem er dort Pächter eines Landsizes war, dea er mit Familie, Dienerschaft und Equipage etc. bewohnte;

589 3) auf der andern Seite hatte Hr. Thomeguex, um seine Klage in Genf einzuleiten, in dieser Stadt nicht bloß einfachen Aufenthalt, sondern sogar förmlich Domizil gewählt; 4) die beiden Parteien hatten sonach zur Zeit, als der Prozeß anhängig gemacht wurde, rechtlich den Aufenthalt oder das Domizil in Genf, es findet deßhalb die Bestimmung des Lemma 3 von Artikel l des Vertrages vom 15. Juni 1869 auf sie Anwendung, wonach die Klage bei dem Richter des Ortes, wo der Vertrag abgeschlossen worden ist, also bei dem Richter in Genf, angehoben werden konnte ; 5) wenn auch in diesem Vertrage, d. h. in dem von dem Rekurrenten unterzeichneten Wechsel, Paris als der Ort der Zahlung vereinbart wurde, so folgt daraus noch nicht, daß der Rekurrent nur in Paris hätte belangt werden können, denn die Bezeichnung eines Domiziles für die Zahlung ist bezüglich des Gerichtsstandes nicht allein maßgebend, so daß jedes andere Domizil oder der persönliche Aufenthaltsort des Schuldners ausgeschlossen wäre; übrigens kann der Umstand, daß eine solche Bezeichnung mit Rüksicht auf die Zahlung gemacht worden ist, von Seite des Schuldner» dem Gläubiger nicht entgegengehalten werden, wenn dieser Schuldner seinen Verpflichtungen am vereinbarten Zahlungsort nicht nachgekommen und der Gläubiger in Folge dessen genöthigt ist, ihn gerichtlich zu belangen; 6) in diesem Falle hat der Gläubiger die Wahl, die Klage an dem Orte, wo die Zahlung hätte geleistet werden sollen, oder aber an dem thatsächlichen Wohnorte seines Schuldners anzuheben, immerhin vorausgesezt, daß er innerhalb den durch internationale Verträge gezogenen Grenzen und inner den gesezlichen Bestimmungen verbleibt, durch welche der Gerichtsstand für Forderungsklagen geordnet wird; 7) diese Voraussezung trifft bei Hrn. Thomeguex zu; es kann daher die Genfer Gerichte, indem sie seine Klage annahmen, nicht der Vorwurf eines Entzuges des Gerichtsstandes treffen.

17. Nikiaus M ü h l e t h a l e r , Steinhauer in Mötschwyl, Kts.

Bern, verpflichtete sich gegenüber den Baumeistern Widmer und Wild in Zürich, zur Lieferung und Zurüstung der Steine für den Bau des Kurhauses in Baden, Kts. Aargau. In dem bezüglichen Vertrage wurde für allfällige Streitigkeiten ein Schiedsgericht vorgesehen, das inappellabel entscheiden sollte.

Noch während der Ausführung des Baues behaupteten jedoch die Herren Widmer und Wild, daß ihnen aus Schuld des Mühlethaler ein Schaden entstanden sei, weil dieser seine Lieferungen zu

590 spät und theilweise unrichtig gemacht habe. Zum Beweise bezeichneten sie als Zeugen die an dem Bau noch beschäftigten Arbeiter und stellten unter Hinweisung auf die Dringlichkeit der Sache bei dem Bezirksgerichte von Baden das Gesuch, daß diese Zeugen zu ewigem Gedächtniß abgehört werden möchten, Mühlethaler bestritt jedoch die Kompetenz des Gerichtes und verlangte, daß diese Zwischenverhandlung vor dem für die Hauptsache kompetenten Gerichte, also an seinem Wohnorte, stattfinden müsse. Das Obergericht des Kantons Aargau verwarf diese Einrede, worauf Hr. Mühlethaler an den Bundesrath rekurrirte.

Am 14. August 1874 wurde dieser Rekurs auch hierorts abgewiesen und /war aus folgenden Gründen: 1) Das Begehren, welches die Rekursbeklagten Widmer und Wild vor dem Bezirksgerichte Baden und vor dem Obergerichte des Kantons Aargau gegen den Rekurrenten Mühlethaler gestellt haben, ist nicht eine persönliche Forderung; 2} dasselbe bezwekt bloß die Einvernahme von Zeugen behufs eventueller Anbringung einer gerichtlichen Klage, welch' leztere vor einem Schiedsgerichte, das noch nicht konstituirt ist, angehoben werden muß; 3) es wird also durch das Begehren der Rekursbeklagten die Gerichtsstandsfrage keineswegs präjudizirt, und es gefährdet sie auch nicht; 4) dasselbe gehört daher nicht zu den in Art. 59 der Bundesverfassung vorgesehenen Fällen, und indem das Obergericht des Kantons Aargau dem Begehren entsprach, hat es die Rechte des Sekurrenten Mühlethaler in keiner Weise gefährdet.

18. Im Juni 1873 starb in Luzern Mär. Antoinette geb.

Häfliger von Walkringen, Kts. Bern, geschiedene Ehefrau des Fürsprecher A. S t e c k in Bern. Ihre Erben waren die mit Hrn..

Steck erzeugten Kinder. Während ihres Aufenthaltes in Luzern fiel ihr daselbst ein Erbe an, das jedoch zur Zeit ihres Todes noch nicht bereinigt war, sondern bei der dortigen Theilungsbehörde lag, aber den bernischen Behörden Veranlaßung gab, sie deßhalb unter Vormundschaft zu stellen.

Nach dem Tode der Frau Steck machte Wirth Jos. Felder in Luzern noch eine Forderung von Fr. 45. 30 geltend und erließ gleichzeitig an die Theilungsbehörde von Luzern das Verbot, die Verlassenschaft herauszugeben, bis er bezahlt sei.

Die Erben verweigerten jedoch die Bezahlung, weßhalb Jos.

Felder seine Klage bei dem Bezirksgerichte Luzern anhängig machte.

591 Hr. Fürsprech Steck, welcher als natürlicher Vormund seiner Kinder vorgeladen wurde, verweigerte jedoch die Annahme der Zitation und verlangte, daß der Gerichtsstand von Bern anerkannt werden solle. Einerseits sei Frau Steck im Kanton Bern unter Vormundschaft gestanden, und habe daher ihr rechtliches Domizil am Wohnorte ihres Vormundes und andererseits wohnen auch ihre Erben in Bern und können deßhalb persönlich nur in Bern belangt werden.

Der Rekurs des Fürsprechers Steck wurde unterm 17. September 1874 abgewiesen, in Erwägung: 1} Frau Steck, welche seit mehreren Jahren von ihrem Ehemann, dem gegenwärtigen Rekurrenten, geschieden ist, lebte seit dieser Zeit bis zu ihrem Tode mit festem und ununterbrochenem Wohnsiz in Luzern; 2) es unterliegt daher keinem Zweifel, daß persönliche Forderungen an sie nur an ihrem Wohnorte konnten geltend gemacht werden. Eine solche persönliche Klage liegt aber vor, indem Wirth Felder eine Rechnung für Speise und Trank geltend macht, die er an Frau Steck abgeliefert haben will; 3) Der Umstand, daß der Frau Steck, nachdem ihr ein Erbe angefallen war, durch die bernische Heimatgemeinde ein Vogt bestellt wurde, ändert an der rechtlichen Seite der Sache nichts, denn nach luzernischen Gesezen konnte sie diesen Wohnsiz und den dadurch begründeten Gerichtsstand durch die eingetretene Bevogtung nicht verlieren; 4) namentlich konnte auch die Vorschrift des bernischen Prozeßgesezes, wonach bevormundete Personen den Wohnsiz ihres Vormundes haben, an jenem Verhältnisse nichts ändern, weil: a. die Geseze eines Staates, resp. Kantones, wenn nicht ausdrüklich etwas anderes vorgesehrieben ist, auf den Umfang des Staates oder Kantons beschränkt sind ; b. unmöglich angenommen werden kann, es liege einer solchen prozessualischen Bestimmung die Absicht zu Grunde, die gesammte Jurisdiktion über einen Einwohner des Kantones aufzugeben oder sie einem andern Kantone abzutreten, falls dieser Einwohner einen Vormund hat, der zufällig und wohl sehr ausnahmsweise in einem andern Kantone wohnt; c. die Ausdehnung einer solchen prozessualischen Bestimmung auf interkantonale Verhältnisse zu beständigen Konflikten führen müßte (vide Ullmer, Band I, Nr. 288); 5) Hr. Steck befindet sich rechtlich in keiner andern oder bessern Stellung, als der Vormund der Frau Steck, wenn er als natürlicher Vertreter seiner Kinder die Aushändigung der Erb-

592 schaft verlangt, an welche eine zu Lebzeiten der Verstorbenen aufgelaufene Forderung geltend gemacht wird; 6) diese Ansicht scheint selbst von den beiden Vormündern wenigstens früher getheilt worden zu sein, da sie keineswegs auf unbedingte Herausgabe der Erbschaft abstellen, indem sie den Schuldenruf an dem Wohnort der Frau Steck, in Luzern, anbegehrten, wo auch die Kreditoren der Frau Steck an die dort deponirte heriditas jacens ihre Anforderungen eingaben; 7) nach den Gesezen des Kautons Luzern sind Prozesse, welche gegen einen Bevormundeten, gleichviel aus welchem Rechtstitel, wollen geführt werden, an dessen Wohnsiz anzuheben, wenn derselbe unter einem andern Gerichtsstand wohnt, als der Vogt. Diese Regel ist allgemein und gilt für Luzerner und Nicht-Luzerner, daher auch die hängende Erbschaft, als Rechtsnachfolger der in Luzern wohnhaften und verstorbenen Frau Steck, bei dem gleichen Gerichtsstande Rede und Antwort zu geben hat, bei welchem die VerstorL bene selbst hätte belangt *a" werden müssen.

19. Johannes Troxler, wohnhaft in Zofingen, Kts. Aargau, wurde von dem Gemeindeammann von Wykon, Kts. Luzern, für rükständige Gemeinde- und Staatssteuer pro 1871 und 1872 im Betrage von Fr. 135 belangt, gestüzt darauf, daß er in diesen Jahren in der Gemeinde Wykon gewohnt habe. Troxler verweigerte die Bezahlung. Der Repräsentant der Gemeinde Wykon sah sich daher genöthigt, bei dem Obergerichte des Kantons Aargau, welchem nach der Gerichtsorganisation dieses Kantones der Entscheid über streitige Steuerverhältnisse zugewiesen ist, gegen Troxler eine.

Klage anzuheben.

Das Obergericht von Aargau anerkannte zwar in seinem Urthftile vom 15. April 1874, daß, sofern die Gerichtsbarkeit des' Kantons Aargau überhaupt zur Anwendung käme, die Beurtheilung der Klage iiicht dem ordentlichen Zivilrichter, sondern dem Obergericht als Administfativrichter zufiele; es erklärte aber gleichzeitig, daß im Spezialfalle der aargauische Richter nicht als kompetent erscheine, weil er über die Frage, ob die Steuerforderung eines andern Kaatones prinzipiell und in welchem Maße begründet sei, nicht entscheiden könne; auch liege es nicht in seiner Stellung, der Steuerforderung auswärtiger Behörden gegenüber einem Bewohner des Kantons Aargau die Vollziehung zu verschaffen. Das Gericht wies daher die Klage ab.

Auf den
Rekurs des Gemeindeammannamtes Wykon entschied der Bundesrath am 26. August 1874, daß diese Ablehnung cinesi materiellen Entscheides unstatthaft und daß das im Kanton Aargau,

593 für Steuersachen zuständige Gericht gehalten sei, auf diese Klage einzutreten. Gründe : 1) Nach wiederholten Entscheiden der Bundesbehörden sind ,die persönlichen Steuerforderungen in Bezug auf den Gerichtsstand den andern persönlichen Ansprachen gleichgestellt und der Wirkung des Art. 50 der alten, resp. des Art. 59 der neuen Bundesverfassung unterworfen (vergi, z. B. Ullmer, Band I, Nr. 306 und 260) ; 2) Es können daher die Steuerforderungen, welche von Seite der Luzerner Behörden gegen Troxler erhoben werden, nicht im Kanton Luzern, sondern sie dürfen nur in seinein gegenwärtigen Wohnsizkanton Aargau eingeklagt werden; 3) Wenn nun die aargauischen Gerichte das Eintreten auf die Klage ablehnen, so kommen die Luzerner Behörden dadurch in die Lage, daß sie ihre Steuerforderungen thatsächlich nicht zur Geltung bringen können; 4) Es folgt aber aus der in Ziffer i erwähnten Gerichtsstandbestimmung, daß das kompetente Gericht nicht nur das Recht zur Beurtheilung der grundsäzlichen Begründetheit und des Maßes von persönlichen Forderungen hat, sondern daß es auf diese Beurtheilung auch eintreten muß ; 5) Da nun das Obergericht von Aargau in seinem Urtheile vom 15. April 1874 ausdrüklich anerkennt, daß, sofern überhaupt die aargauische Gerichtsbarkeit auf die gegen Troxler erhobene Klage zur Anwendung komme, die Beurtheilung derselben nach aargauischem Gesez in seinen Bereich, als Administrativgericht, falle, so muß es auch gehalten sein, auf die Klage materiell einzutreten.

20. Im Jahr 1869 starb in Häfelfingen, Kantons Baselland, Emil Fehlmann, Bürger von Bottenwyl, Kantons Aargau. Er hinterließ eine Wittwe und minderjährige Kinder. Seine Erbschaft, bestehend aus einem Landgute in Häfelfingen, wurde den Kindern zum Eigenthum zugewiesen und der Wittwe zur Nuznießung. Leztere kam 1872 in Konkurs, wobei es sich ergab, daß Hr. Gemeindeschreiber Ad. Hunziker in Langenthal, Vogt der Kinder Fehlmann, den ganzen Hof sammt Fahrhabe und mit den Bodenerzeugnissen im Interesse seiner Mündel verkauft hatte. In Folge dessen erhob die Konkursbehörde gegen den Vormund Hunziker bei dem Bezirksgerichte von Sissach eine Zivilklage mit dem Rechtsbegehren, daß die Kinder Fehlmann die Schulden ihrer Mutter deken, eventuell für die der Masse entfremdeten Gegenstände Entschädigung leisten müssen.

594

Hr. Hunziker bestritt jedoch die Kompetenz der Gerichte von Basseiland und beschwerte sich bei dem Bundesrathe. Die Konkursbehörde begründete indeß die Kompetenz der Gerichte von Baselland, indem sie darauf sich stüzte, daß eine diagliene Klage vorliege, da es sich lediglich um die Frage handle, wer Eigenthümer jener Landeserzeugnisse sei, ob die Wittwe Fehlmann, beziehungsweise deren Konkursmasse, oder die Kinder Fehlmann.

Der Bundesrath erklärte unterm 24. Juni 187?. den Rekurs begründet, gestüzt auf folgende Erwägungen: 1) Die Klage, welche gegen die Kinder Fehlmann'\erhoben wird, hat nach ihrem Wortlaute zum Zweke, dieselben anzuhalten, die Schulden ihrer Mutter zu bezahlen, eventuell an die Konkursmassa derselben den Werth gewisser Gegenstände zu vergüten; 2) Diese Ansprache ist jedoch rein persönlicher Natur, sie muß also bei dem Richter am Wohnsize der Beklagten angehoben werden CArt. 59 der Bundesverfassung von 1874 und Art. 50 der frühern Bundesverfassung) ; 3) Nun ist die Frage, welches der Wohnsiz der Kinder Fehlmann sei, nach den Regeln des Personenstandes, also nach der Gesezgebung von Aargau, als ihres Heimatkantones, zu entscheiden, und nach dieser Gesezgebung haben die Minderjährigen und Pflegbefohlenen ihr Domizil am Wohnorte des Vormundes; 4} Der Vormund Hunziker hat aber gegenwärtig seinen Wohnsiz im Kanton Bern und war früher im Kanton Aargau wohnhaft; die Klage ist also in unrichtiger Weise bei den Gerichten von Baselland anhängig gemacht worden.

b. G e r i c h t s s t a n d

der g e l e g e n e n Sache.

21. Christian Zürcher, Landwirth auf Gummen, Gemeinde Trüb, Kts. Bern, besizt in der luzernischen Gemeinde Marbach ein Stük Land, wovon er an die Gemeinde Marbach die Grund- und Vermögenssteuer bezahlen sollte. Er anerkannte jedoch nur die Grundsteuer und verweigerte die Bezahlung einer Vermögenssteuer, weil er sein. Vermögen im Kanton Bern versteuern müsse, also einer unzuläßigen Doppelbesteuerung unterworfen würde. Eine derartige Forderung müsse indeß an seinem Wohnorte eingeklagt werden.

Gestüzt auf § 3, litt, d und § 4, litt, c des luzernischen Steuergesezes vom 18. September 1867, ferner auf § 24 des Konkursgesezes und § 2 des Schuldbetreibungsgesezes für den Kanton Luzern, wurde Christian Zürcher mit seiner Beschwerde von der Justizkommission des Obergerichtes dieses Kantons abgewiesen, weil die betreffende Liegenschaft in der Gemeinde Marbach wirklich zu

595 Gunsten der dortigen Polizei- und Armenkasse steuerpflichtig sei, möge der Eigenthümer wohnen wo er wolle, und weil die Betreibung für das Steuerbetreffniß da stattzufinden habe, wo das belastete Grundstük liege.

Chr. Zürcher rekurrirte auch noch an den Bundesrath, wurde aber unterm 5. Juni 1874 ebenfalls abgewiesen, und zwar gestüzt auf folgende Gesichtspunkte: Die Steuer, welche die luzernische Gemeinde Marbach vom Rekurrenten fordert, bezieht sich ausschließlich auf dasjenige Grundeigenthum, welches derselbe auf luzernischem Gebiete besizt.

Der Grundsaz, daß Liegenschaften da steuerpflichtig sind, wo sie sich befinden, ist durch die bundesrechtliche Praxis stets anerkannt worden, und steht mit Doppelbesteuerung, welche allerdings schon zu wiederholten Malen als mit der Bundesverfassung im Widerspruch stehend erklärt wurde, in keiner Beziehung.

Die Grundsteuer bildet einen Anspruch des Fiskus an ein Grundstük und kann durch die Gesezgebung eines Kantons mit einem Realrechte auf gleiche Linie gestellt werden.

Die rechtlichen Vorkehren zur Eintreibung dieser Steuer können daher an dem Orte vorgenommen werden, wo das Grundstük liegt, ohne daß in diesem Vorgehen " eine Verlezung des Art. 50 der Bundesverfassung vom 12. September 1848 liegt.

Der Rekurrent ist als Bürger des Kantons Bern von den luzernischen Behörden nicht anders behandelt worden, als eia Luzerner in gleicher Lage behandelt worden wäre.

Wenn Rekurrent gegen den Betrag der Steuer, für welche er belangt wird, Einsprache erheben zu können glaubt, so hat er sich an die zuständige Behörde des Kantons Luzern zu wenden. Der Bundesrath hat sich mit der Bestimmung der Höhe einer Gemeindesteuer nicht zu befassen.

22. Die zwei weitern hieher gehörenden Rekurse des Jakob Halter in Balgaeh (St. Gallen) gegen Job. Georg Carisch in Andest (Graubünden) und des David Nüesch von Balgach gegen Mathias Anton Wieland in Somvix (Graubünden) wurden von der Bundesversammlung begründet erklärt, während der Bundesrath im umgekehrten Sirihe entschieden hatte. Es wird hier lediglich auf die gedrukten Aktenstüke verwiesen (Bundesblatt 1874, I. 1097 und 1101. -- H. 521. -- HI. 397 und 399).

596 c. G e r i c h t s s t a n d in E h e s a c h e n .

CBischöfliche Gerichte.)

23. Der im lezten Berichte erwähnte Rekurs des Hrn. August D u b e y gegen die Gerichtsbarkeit des Bischofes von Lausanne (Bundesblatt 1873. II. 1005) kam nicht zum Entscheid der Bundesversammlung, indem der Rekurrent selbst von dem Weiterzug abstand.

24. Dagegen kam der ganz ähnliche Rekurs des Xaver M e r z in Unterägeri, Kts. Zug, gegen die Gerichtsbarkeit des bischöflichen Kommissariates im Kt. Zug, zur Verhandlung vor der Bundesversammlung und wurde am 23. Juni 1874 als unbegründet abgewiesen CBundesblatt 1874. I. 471. II. 413).

25. Wenn indeß noch im Anfange des Jahres 1874 die Komp e t e n z der b i s c h ö f l i c h e n G e r i c h t e in E h e s c h e i d u n g s f r a g e n anerkannt werden mußte, so änderte sich dieses, so bald die neue Bundesverfassung in Kraft trat. Es wurde zwar von verschiedenen Seiten die Ansicht aufgestellt, daß die geistliche Gerichtsbarkeit erst, mit dem Erlaß eines Bundesgesezes oder, wenn ein solches nicht zu Stande käme, durch entsprechende Geseze der Kantone, außer Wirksamkeit treten müßte. Wir konnten jedoch diesen Standpunkt nicht anerkennen und haben uns daher Ende Juli und Anfangs August den Regierungen der Kantone W a l l i s und St. G a l l e n gegenüber dahin ausgesprochen, daß durch Art. 58 der neuen Bundesverfassung die geistliche Gerichtsbarkeit direkt und positiv als abgeschafft erklärt worden sei. Nach Art. 2 der Uebergangsbestimmungen sei diese ohne irgend welchen Vorbehalt aufgestellte Vorschrift am gleichen Tage mit der Bundesverfassung in Kraft getreten. Der Bundesrath müsse daher auch darauf halten, daß sie sofort ihre Anwendung finde, und daß somit die bischöflichen Offlzien ihre bis anhin geübte Gerichtsbarkeit ohne Weiteres einzustellen haben. Es sei allerdings nicht zu verkennen, daß in Folge dessen die in Ehesachen betheiligten Bürger und Bürgerinnen momentan eines Gerichtsstandes zur Scheidung und Ordnung der damit verbundenen ökonomischen Fragen entbehren.

Diesem Rechtsbedürfniß könne jedoch nicht in der Weise genügt werden, daß eine durch die Bundesverfassung verbotene Gerichtsbarkeit provisorisch noch weiter fungire. Vielmehr habe der Staat die Pflicht, diese ohne Verzug durch eine andere Gerichtsbarkeit zu ersezen, da er sich keiner Rechtsverweigerung schuldig machen dürfe.

597

Die Regierung des Kts. Wal lis veranlaßte ohne Zögerung einen gesezgeberischen Akt, womit die geistliche Gerichtsbarkeit provisorisch durch die ordentlichen Civilgerichte ersezt wurde, welche im gewöhnlichen Verfahren, jedoch nach Maßgabe der bisher zur Anwendung gekommenen Rechtsgrundsäze, zu urtheilen haben. Zu diesem Ende wurden die Akten der pendenten Ehescheidungsprozesse dem bischöflichen Gerichte abgefordert und an die Civilgerichte vertheilt.

« Auch der Große Rath des Kts. St. G a l l e n erließ am 3. Dezember 1874 einen Beschluß, wodurch das Verfahren in Ehestreitigkeiten provisorisch geordnet und die Kompetenz zum Entscheide sowohl der bei den konfessionellen Matrimonialgerichten bereits anhängigen, als auch der neu eingehenden Ehescheidungsfälle, den ordentlichen bürgerlichen Gerichten zugewiesen wurde.

In gleicher Weise wurde auch im Kt. F r e i b u r g verfahren.

In Folge dieser gesezgeberischen Verfügungen haben mehrere Rekurse, die aus den genannten Kantonen gegen die Fortsezung der geistlichen Gerichtsbarkeit anhängig gemacht worden waren, ihre faktische Erledigung gefunden. Ueber das Verfahren in den andern bei dieser Frage betheiligten Kantonen wurde nichts bekannt.

d. P r oro g i r i e r G e r i c h t s s t a n d .

26. Der Rekurs der Gebrüder C a v a l a s c a ist auch an die Bundesversammlung gezogen worden und aus den bezüglichen Verhandlungen bekannt. Er wurde sowohl von dem Bundesrath, als auch von der Bundesversammlung als unbegründet abgewiesen.

Der Beschluß ist gedrukt im Bundesblatt 1874. I. 643.

6. V o l l z i e h u n g von C i v i l u r t h e i l e n .

27. Der Entscheid des Bundesrathes in Sachen der Herren Gaillard aine, Petit et Haibon in La Ferté-sous-Jouarre, Frankreich, wodurch ein französisches Civilurtheil gegen den Franzosen A. Mi 11 o t in Zürich auch in der Schweiz vollziehbar erklärt wurde, ist von Millot an die Bundesversammlung gezogen und von dieser bestätigt worden. Bundesblatt 1874. I. 445. II. 495 u. 413.

7. E h e r e c h t .

28. Schon bevor die neue Bundesverfassung in Kraft getreten war, sind über die Tragweite von Art. 54 derselben verschiedene Eintragen bei dem Bundesrathe eingekommen, aus denen sich ergab, daß eine große Zahl betheiligter Personen die Annahme, der

598 Bundesverfassung erwartete, um bei Eingehung ihrer Ehen der Erleichterungen und Begünstigungen, welche ihnen durch Art. 54 in Aussicht -standen, theilhaft zu werden.

Gleiche Eintragen erneuerten sich unmittelbar nach dem 19. April und besonders vom 29. Mai hinweg.

Eine große Zahl solcher Einfragen wurden gemacht, ohne daß vorher die kantonalen Behörden begrüßt worden wären. Der Bundesrath bemühte sich zwar, an; dem Prinzipe festzuhalten, daß erst nach vorangegangenem Entscheide einer Kantonsregierung an den Bundesrath rekurrirt werden könne, indem es nicht seine Aufgabe sei, Rechtsbelehrungeh zu geben. Er konnte es jedoch in mehreren Fällen nicht umgehen, auch -materiell seine Ansicht zu äußern, insbesondere dann, wenn es sich um Einfragen von Konsulaten oder von Schweizern im Auslande handelte, oder auch um Verhältnisse, die eine schnelle Erledigung wünschbar machten. Ebenso konnte der Bundesrath einen sachlichen Bescheid auf mehrere Einfragen, die von Kantonsregierungen einkamen, nicht ablehnen.

Aus diesen Entscheiden und aus der Absicht, der Vermehrung von Einzelbeschwerden vorzubeugen, sind dann diejenigen zwei Kreisschreiben an sämmtliche Kantonsregierungen hervorgegangen, welche der Bundesrath am 3. Juli und 5. August 1874 erlassen hat (Bundesblatt 1874. IL. 509 und 622), um auf die Wichtigkeit von Art. 54 aufmerksam zu' machen und für die praktische Anwendung desselben zugleich diejenigen Gesichtspunkte bekannt zu geben, welche nach der Ansicht des Bundesrathes im Allgemeinen daraus abzuleiten sind. Damit die im Ausland lebenden Schweizer hierüber ebenfalls orientirt werden, wurden beide Kreisschreiben auch den sämmtlichen Schweiz. Gesandtschaften und Konsulaten im Auslande mitgetheilt.

Es mögen folgende einzelne Entscheide, die der Lundesrath.

bis zum 7. Oktober, bis zu welchem Tage gemäß Bundesbeschluß vom 16. Oktober 1874 seine Kompetenz dauerte, erlassen hat, von Interesse sein. Er ging hiebei von dem allgemeinen Gesichtspunkte aus, daß nach Art. 2 der Uebergangsbestimmungen zu der neuen Bundesverfassung alle Vorschriften der kantonalen Verfassungen und Geseze, welche mit derselben in Widerspruch stehen, von dem Tage an, da dieselbe als angenommen erklärt worden, ihre Gültigkeit verloren haben, soweit nicht spezielle Bundesgeseze vorgesehen seien, und daß, da in Art. 54 kein
besonderes Gesez vorbehalten worden, die in demselben ausgesprochenen Säze sofort mit dem 29. Mai allgemein verbindliche Rechtskraft erhalten haben.

a. In Anwendung des lezten Sazes von Art. 54, wodurch jede Erhebung von Brauteinzugsgebühren oder a n d e r n ä h n l i c h e n

599 A b g a b e n als unzuläßig erklärt ist, wurden als aufgehoben erklärt: die Gebühren für die Heiratsbewilligung, die Heiratsgelder des Bräutigams, die Einzugsgebühren für die Braut, die Beiträge an ·die Armenkassen und Schulfonds, sowie an die Militärkassen und Militärausrüstung, die Deposita in Gemeindekassen etc. Dagegen ·wurde eine kleine Schreibgebühr für die Ausstellung der nöthigen Zeugnisse und die Stempeltaxe, Porto etc. zuläßig erklärt.

b. Die Frage, ob für die Ausstellung solcher Scheine, die nicht absolut nöthig sind, sondern nur auf spezielles Verlangen der Betheiligten ausgestellt werden, z. B. Dispense vom 2. und 3. Aufgebot, die bisherigen Taxen gefordert werden können, wurde dahin beantwortet, daß nur eine kleine Kanzleigebühr statthaft erscheine.

c. Mit Bezug auf den Schlußsaz im Kreisschreiben vom 5. August 1874, wonach vorausgesezt ist, daß die Eheverkündung nicht nur am Wohnorte, sondern auch am Heimatorte stattzufinden habe, machte die Regierung des Kts. Neuenburg darauf aufmerksam, daß eine solche Auslegung von Art. 54 im Kanton Neuenburg nicht anwendbar sei, da nach Art. 103 des dortigen bürgerlichen Gesezbuches die Eheverkündungen lediglich am Wohnorte der Brautleute und nur wenn sie weniger als 6 Monate daselbst sich aufhalten, auch an ihrem frühern lezten Wohnsize stattzufinden haben.

Diese Reklamation wurde dahin beantwortet, daß der Art. 54 der Bundesverfassung in Bezug auf die kantonalen Verordnungen betreffend die Eheverkündungen nichts geändert habe, und daß die Absicht des Bundesrathes ebensowenig dahin gehe, mit dem erwähnten Kreisschreiben in dieser Richtung etwas ändern zu wollen.

Im Weiteren wurde jener Passus im Kreisschreiben vom 5. August dahin interpretirt, daß die Eheverkündung am Heimatsorte nicht erforderlich sei mit Bezug auf Verlobte, die sich in einem Lande heiraten wollen, wo diese Formalität gesezlich nicht vorgeschrieben sei. Er beziehe sich zunächst nur auf Ehen, die im Innern der Schweiz geschlossen werden, und habe auch hier nur den Sinn, daß neben der Verkündung am Heimatsorte die Kantone jedenfalls keine andern Formalitäten, wie z. B. die Bewilligung der Ehe, fordern können ; die Verkündung am Heimatsorte müsse unter allen Umständen genügen.

d. Ueber die Frage, ob und unter welchen Voraussezungen die Kautionen, welche früher behufs der
Verehelichung mit einer Ausländerin in einzelnen Kantonen geleistet werden mußten, zurükgefordert werden können, erklärte sich der Bundesrath inkompetent, indem die Gerichte hierüber zu entscheiden haben.

Bnndeeblatt. Jahrg. XXYJI. Bd. II.

40

600

e. Betreffend die Ausländer, die solchen Staaten angehören,, mit denen> die Schweiz über die gleiche Behandlung ihrer Angehörigen Verträge besizt, wurde anerkannt, daß sie auch bei Eingehung der Ehe zu behandeln seien, wie die Schweizer. Was die Angehörigen anderer Staaten betrifft, so wurde empfohlen, auch diese Fremden nicht anders zu behandeln, als die eigenen Bürger, indem eine größere .ökonomische Belastung derselben für die eigenem Angehörigen, die sich in jenen Staaten aufhalten, nachtheilig sei.

29. Jos: Anton G r ö b l i von Henau, Kts. 'St. Gallen, wurde durch Beschluß der Regierung dieses Kantons vom 16. September 1874 mit dem Gesuche um Bewilligung der Ehe mit Witwe Egle abgewiesen,, weil er geistig beschränkt, ja sogar blödsinnig sei.

Die'.'Beschwerde des" Gröbli wurde am 6. November 1874 als unbegründet erklärt, gestüzt auf folgende Gesichtspunkte: 1) Der Ait. 54 der Bundesverfassung schreibt vor, daß eineEhe weder aus konfessionellen Gründen, noch wegen der Armuth« des Einen oder des Andern der Verlobten, noch wegen ihres frühern Verhaltens oder aus irgend einem andern polizeilichen Grunde verhindert werden dürfe.

, 2 ) Nun, verbietet, aber,die Bundesverfassung nicht, eine Ehe wegen Wahnsinnes oder Blödsinnes zu verhindern.

; 3) Es. geschähe auch mit Unrecht, wenn man solche Ehehinderungsgründe, die dem gemeinen Rechte angehören, unter die polizeilichen Gründe klassifiziren wollte.

4) Eine solche Auslegung würde zu Absurditäten führen, zumal die gleichen Gründe eben so gut zur Rechtfertigung einer Ehe zwischen Geschwistern oder zwischen Eltern und Kindern geltend gemacht werden könnten.

8. S c h u l d v e r h a f t .

30. Jakob C h a s s o t von Vuisternens, Kts. Freiburg, wohnhaft in Genf, schuldet dem Banquier Daler in Freiburg Fr. 1850.

Da er nicht bezahlen konnte, so erwirkte Daler am 11. Juni 1873 ein Urtheil des Civilgerichtes des Glanebezirkes (Freiburg), womit gegen Chassot in "Anwendung von Art. 108 ff., des freiburgischen Gesezes über die Schuldbetreibung der Schuldverhaft für die Dauer von 4 Wochen und nachherige Verbannung während eines Jahres ausgesprochen wurde. In Folge · der Appellation des Chassot wurde dieses Urtheil am 7. Januar 1874 von dem Kantonsgericht von Freiburg bestätigt.

, .

601 Er rekurrirte nun im März 1874 an den Bundesrath, indem er zunächst verlangte, bei "seinem persönlichen Gerichtsstande in Genf geschüzt zu werden. Nachdem jedoch die neue BundesVerfassung in Kraft getreten war, wollte Chassot in den Kt."Freiburg zurükkehren und verlangte" deshalb, gestüzt auf Arti 44, und 59, : Aufhebung des Schuldverhäftes und der Verbannung. : " Die Gegenpartei machte jedoch geltend, daß. das. schon vorher rechtskräftig gewordene Urtheil auch unter der neuen Bundesverfas.sung noch vollziehbar sein müsse, indem die Vorschriften derselben, soweit sie civilrechtliche Verhältnisse beschlagen, nicht rükwirkende Kraft haben können.

: - . . . . . Das eidg. Justiz- und Polizeidepartement sprach sich jedoch unterm 9. Juni 1874 gegenüber dem Staatsrath von Freiburg dahin aus, daß die Vorschrift in Art, 59 der neuen Bundesverfassung, wonach der Schuldverhaft als abgeschafft erklärt worden, und die andere Bestimmung in Art. 44 derselben, wonach kein Kanton einen Kantonsbürger verbannen darf, sofort mit dem,29. Mai 1874 in Rechtskraft getreten und von diesem Tage an vollziehbar sein müssen, so daß ein Bürger, der an diesem Tage in.Schuldverhaft gesessen wäre, mit Recht sofort seine Freiheit, hätte verlangen können, da nach Art. 2 der Uebergangsbestimmungen der, neuen Bundesverfassung die kantonalen Vorschriften, welche'mit der leztern im Widerspruche stehen, mit der Annahme dieser Verfassung außer Kraft getreten seien. Da der Staatsrath des Kts. Freiburg diesen Auseinandersezungen sich anschloß und Weisung ertheilte, den Chassot ungehindert in den Kanton eintreten zu lassen, so wurde ein förmlicher Entscheid über diesen Rekurs nicht nothwendig.

31. Dagegen genehmigte der Bundesrath die Anschauungen des Departementes in folgendem Entscheid über den Rekurs des Innozenz D o n n e t in Mothey, Kts. Wallis. Es standen nämlich im Jahr 1870 zwei Söhne des Donnet in Untersuchung wegen Eigenthumsbeschädigung im Betrage von 80 Cts. Sie wurden zwar freigesprochen, aber zur Bezahlung der Kosten, welche auf 79 Fr. 95 Cts.

anstiegen, verurtheilt. Im Juni 1874 führte nun Vater Donnet Beschwerde, daß gegen seine Söhne, während sie sich im Auslande befinden, ein Zeugniß über ihre Vermögenslosigkeit (acte de carence) ausgestellt worden sei, in Folge dessen sie ihre bürgerlichen Rechte verloren haben
und im Falle der Rükkehr in Schuldverhaft gesezt werden sollen, was nach Art. 59 der neuen Bundesverfassung unstatthaft sei.

Der Staatsrath des Kts. Wallis rechtfertigte dieses Verfahren durch Art. 52 und 43 des Strafgesezbuches dieses Kantons, wonach

602 die Kosten in -Strafsachen im Falle der Zahlungsunfähigkeit der Schuldner in Gefärigniß umgewandelt werden müssen. Der Art. 59 der Bundesverfassung finde auf dieses Verhältniß keine Anwendung, da er sich nur auf bürgerliche Schulden beziehe, für welche das gewöhnliche Betreibungsverfahren stattfinde. Der Entzug der politischen Rechte sei lediglich die gesezliche Folge der Insolvabilität.

Mit Beschloß vom 22. Juli 1874 erklärte der Bundesrath diesen Rekurs nur begründet, soweit er sich auf die Umwandlung der Gerichtskosten in Gefangenschaft bezieht ; die weiter gehenden Begehren des Rekurrenten wurden abgewiesen. Dieser Entscheid stüzt sich auf folgende rechtliche Gesichtspunkte: 1) Was zunächst die Beschwerde wegen Entzuges der politischen Rechte betrifft, so schreibt der Art. 68 der Verfassung des Kts.

Wallis vor : ,,es können weder stimmen, noch gewählt werden ...

2. Diejenigen, deren Zahlungsunfähigkeit mittels eines Urtheiles oder Karenzaktes erwiesen ist, es wäre denn, daß diese Zahlungsunfähigkeit aufgehört hätte, oder von unabwendbarer Gewalt oder ererbten Schulden herrührte.a 2) Diese Bestimmung, so hart sie auch, besonders in dem vorliegenden Falle, erscheinen mag, darf dennoch so lange Anwendung erhalten, als nicht in Gemäßheit von Art. 66 der Bundesverfassung durch ein Bundesgesez andere Bestimmungen über den Verlust der politischen Rechte aufgestellt sein werden.

3) Was sodann den Verhaft betrifft, mit welchem die Söhne Donnet von Seite des Staates Wallis bedroht werden, so ist diese Maßregel allerdings eine Form des Schuldverhaftes.

4) Man kann im Hinblik auf den Art. 59 der Bundesverfassung zugeben, daß es den Kantonen erlaubt sei, in ihren Gesezgebungen die Umwandlung einer Geldbuße in Gefängniß vorzusehen, wie dies auch im Art. 8 des Bundesgesezes über das Bundesstrafrecht der Fall ist; dies rechtfertigt sich dadurch, daß die Geldbuße, wie die Gefängnißhaft, jede als Strafe sich darstellt, und weil die Gerechtigkeit verlangt, daß die eine oder andere dieser alternativ neben einander ausgesprochenen Strafarten vollzogen werde.

5) Dagegen kann der Schuldverhaft, nachdem er durch Art. 59 der Bundesverfassung ganz allgemein als aufgehoben erklärt worden ist, von dem Zeitpunkte an, da die Bundesverfassung in Kraft getreten ist, auch nicht mehr zu Gunsten eines kantonalen Fiskus angewendet werden, sobald es sich blos um Bezahlung einer Forderung des Staates handelt, an deren Stelle der Schuldverhaft treten soll.

603

32. Aus Anlaß dieses leztern Entscheides und um ähnlichen Reklamationen zuvorzukommen, gab der Bundesrath mit Kreisschreiben vom 22. Juli 1874 (Bundesblatt 1874 II. 579} sämmtlichen Kantonen Kenntniß von der Interpretation, die er dem Verbot des Schuldverhaftes in Art. 59 .der Bundesverfassung glaubte geben zu sollen und ersuchte sie, ihre administrative und gerichtliche Praxis damit in Uebereinstimmung zu bringen.

33. In Folge einer weitern Beschwerde des Anton S u g n a u x von Billens, welcher wegen Diebstahl zu l Jahr Gefängnißstrafe und zur Bezahlung der' Kosten im Betrage von mehr als Fr. 700 verurtheilt worden war und gemäß Art. 26 des Freiburgischen Strafgesezbuches diese Kosten ebenfalls mit beinahe Ì Jahr Gefängniß (l Tag = · 2 Fr.) abzahlen sollte, sah sich die Regierung des Kts. Freiburg veranlaßt, bei dem Bundesrathe mittelst eines einläßlichen Memorials die Modifikation des Kreisschreibens vom 22. Juli 1874 in dem Sinne zu "befürworten, daß die Kosten einer Strafuntersuchung gleich zu behandeln seien, wie eine Buße, zu der ein Angeklagter hätte verurtheilt werden körinen ; da beide auf der Strafgerichtsbarkeit und auf dem Strafgeseze beruhen, so bestehe kein Grund, sie verschieden zu behandeln, zumal die Untersuchungskosten sich auch mit einer gewöhnlichen Schuld gar nicht vergleichen lassen.

Obgleich die hierauf gegebene Antwort vom 20. Januar 1875 datirt, so glauben wir dennoch, sie hier inittheilen zu sollen, weil damit dieser Gegenstand, soweit et den Bundesrath beschäftigen kann, seinen Abschluß gefunden hat. Es wurde nämlich der Regierung des Kts. Freiburg geantwortet, der Bundesrath sei nicht im Falle, auf ihr Begehren einzutreten. Einerseits seien durch das Gesez über die Organisation des Bundesgerichtes Fragen dieser Art in die Kompetenz des Bundesgerichtes übergegangen und andererseits bestehe kein Grund, auf eine Revision solcher Entscheide einzutreten, die der Bundesrath zur Zeit, da er noch die Kompetenz dazu besessen, erlassen habe, indem gegen jeden derselben an die Bundesversammlung rekurrirt werden könne. Das Kreisschreiben vom 22. Juli habe nicht die Bedeutung einer authentischen Interpretation , dazu sei lediglich die Bundesversammlung kompetent.

Es ist indeß ein derartiger Rekurs nicht eingekommen.

9.

Preßfreiheit.

34. Der Entscheid des Bundesrathes in Suchen der Herren T j r a v e r s a & Degiorgi in Lugano vom 2. September 1874 (Bundesblatt 1874 III. 842) ist von dem Staatsrathe des Kts. Tessin

604 an die Bundesversammlung gezogen worden. Es genügt daher, auf jenen Entscheid zu verweisen und zu erwähnen, daß der Nationalrath am .IT. März 1875 den Rekurs des Staatsrathes von Tessin als unbegründet abgewiesen :, der Ständcrath dagegen seinen Entscheid noch verschoben hat.

35. Herr .Eduard G l ardo, n in Freiburg wurde von der Staatsanwaltschaft des Kts, Freiburg, gestüzt auf Art. 324 und 411 des Freiburgischen Strafgesezbucb.es, in Kraft seit 1. Januar 1874, bei dem korrektionellen Gerichte seines Wohnortes wegen eines Preßvergehens angeklagt, dessen er sich in dem zu Freiburg erscheinenden Journal ,,Le Confédéré tt schuldig gemacht haben soll.

Herr Glardon bestritt jedoch die Kompetenz des erwähnten Gerichtes, weil das von dem Bundesrathe genehmigte Preßgesez vom 3. Mai 1854 maßgebend sei, wonach im Et. Freiburg alle Preßvergehen vor die Assisen gewiesen werden müssen und weil das neue Strafgesezbuch und das Gesez vom 29. Mai 1869 über die Organisation der Strafrechtspflege, wodurch die Jury für Preß vergehen aufgehoben worden, keine Anwendung finden dürfen, da sie die in Art. 45 der Bundesverfassung von 1848 vorgeschriebene Genehmigung des Bundesrathes noch nicht erhalten haben.

Das korrektiohelle Gericht dès Saanebezirkes nahm jedoch auf diese Kompetenzeinrede keine Rüksicht, sondern überwies am 24. April 1874 diese Angelegenheit an die Anklagekammer behufs des Entscheides über die Anklage gegen Hrn. Glardon.

Mit Beschluß vom 3. Juli 1874 erklärte der Bundesrath -diesen Rekurs als begründet, gestüzt auf folgende Erwägungen : 1) Die Gesezgebung des Kts. Freiburg in Sachen der Presse ist abgeändert worden : a. durch das Gcsez vom 29. Mai 1869 über die Organisation und Zuständigkeit der Gerichtsbehörden in Strafsachen, das in theilweiser Aufhebung des "Gesezes vom 3. Mai 1854 betreffend die Polizei über die Presse, die Preßvergehen nicht mehr ausschließlich den Assisen zuweist, und b> durch das im Jahr 1868 beratheue und mit 1. Januar 1874 in Kraft getretene StrafgesezIbuch des Kts. .Freiburg..

2) Diese Gesezesänderungen waren am 20. März 1874, als der Rekurrent Glardon in dem Journal ,,Le Confédéréa den Artikel veröffentlichte, welcher zu der Strafklage gegen ihn Anlaß gab, dem Bundesrathe noch nicht zur Genehmigung vorgelegt, worden, und hatten damals noch viel weniger dessen Genehmigung erhalten.

* 3) Die fraglichen Gesezesabänderungen entbehrten daher zur Zeit, da der fragliche Artikel erschien, sowie auch noch am 24. April

605 1874, als das korrektioneile Gericht des Saanebezirkes das Urtheil -ausfällte, gegen welches rekurrirt worden ist, einer notwendigen Bedingung, um sie in Vollziehung sezen zu. können, nämlich der Genehmigung durch die Bundesbehörde (Art. 45..der Bundesverfassung vom 12. September 1848).

4) Es darf aber in der Schweiz weder ein Gesez,, noch eine gesezgeberische Vorschrift über die Presse zur Anwendung gebracht ·werden, ohne vorher diese Genehmigung erhalten zu haben.

5) In Folge dessen war am 20. März und 24. April 1874 noch ·die frühere Preßgesezgebuug des Kts. Freiburg in Kraft und auf 'die dem Rekurrenten Glardon zur Last gelegte Handlung allein anwendbar.

6) Das korrektioneile Gericht des Saanebezirkes war daher nicht kompetent, in dieser Sache zu entscheiden.

36. Aus Anlaß dieses Spezialfalles wurde die Regierung des .Kts. Fr ei b ü r g eingeladen, die Aenderungen, welche das G e s e z ü b e r die Presse vom 3. Mai 1854 erlitten haben möchte, der im Art. 55 der Bundesverfassung von 1874 vorgeschriebenen Genehmigung des Bundesrathes zu unterstellen.

Es ergab sich, daß lediglich durch ein Gesez vom 29. Mai 1869 betreffend die Organisation und die Befugnisse der Gerichtsbehörden in Strafsachen die Preßdelikte den allgemeinen Vorschriften über den Gerichtsstand unterstellt worden sind, so daß jezt je nach ihrer Schwere entweder die Assisen und Kriminalgerichte oder die korrektionnellen Gerichte darüber urtheilen, während nach dem Gesez von 1854 alle Fälle ausschließlich vor die Assisen gewiesen werden mußten. -- Das neue Strafgesezbuch des Kts. Freiburg, in Kraft seit 1.Januar 1874, enthält keinerlei .spezielle Vorschriften über die Preßvergehen, indem diese lediglich den allgemeinen Strafbestimmungen unterstellt sind Aus der Prüfung dieser Geseze überzeugte sich der Bundesrath, daß dieselben nichts enthalten, was dem Prinzipe der Freiheit deiPresse zuwider wäre, und ertheilte ihnen, soweit sie auf die Presse -sich beziehen, seine Genehmigung, immerhin unter Vorbehalt, deren Anwendung in den Spezialfällen zu prüfen, welche auf dem Wege des Rekurses ihm vorgelegt werden könnten.

10. B ü r g e r r e c h t .

37. Auf bezügliche Einfragen von Kantonsregierungen wurde geantwortet, daß nach Art. 44 der neuen Bundesverfassung, in Verbindung mit Art. 2 der Uebergangsbestimmungen zu der-

606

selben, die Kantone befugt seien, die Naturalisation von Ausländern nach Maßgabe ihrer Geseze und bisherigen Praxis zu vollziehen,, so lange nicht das in Lemma 2 von Art. 44 vorgesehene Bundesgesez erlassen sein werde.

Der Umstand, daß die Bedingung des Art. 43 der Bundesverfassung von 1848, wonach an .Ausländer das Bürgerrecht nur dann ertheilt werden darf, wenn sie aus dem frühern Staatsverband entlassen worden, in Art. 44- der neuen Bundesverfassung nicht mehr Aufnahme gefunden habe, ändere nichts, vielmehr daure der frühere Zustand fort, da sonst bis zu Erlaß des Bundesgesezes die Naturalisation Fremder ganz willkürlich vollzogen werden könnte,, was jedenfalls nicht im Willen der Bundesversammlung gelegen habe. (Pahnke und Rengelrod.)

III. Anwendung von Bumlesgesezen.

Bundesgesez betreffend die eidgenössischen Wahlen und Abstimmungen.

' 38. Behufs Ausführung der auf den 19. April 1874 angeordneten A b s t i m m u n g über die neue B u n d e s v e r f a s s u n g erließ der Staatsrath des Kantons F r e i b u r g am 16. März 1874 eine Verordnung, welche in Art. 7 folgende Bestimmungen enthielt : b. Die Stimmkarten dürfen in der Wohnung ausgefüllt werden;, c. Es sind auch gedrukte Stimmkarten zuläßig.

In Folge einer hierauf bezüglichen Beschwerde erklärte der Bundesrath am 11. April 1874, Litt. b. als zuläßig, Litt. c. dagegen sei unstatthaft.

Der Staatsrath des Kantons Freiburg rechtfertigte Litt, c durch Art. 37 des freiburgischen Wahlgesezes vom 22. Mai 1861, dahin lautend : ,,Jeder Wähler übergibt seine Wahlfähigkeitskarte einem Stimmenzähler und den Wahlzeddel, den er besizt, einem andern Stimmenzähler. Dieser Wahlzeddel kann durch eine gedrukte oder auf jede andere Weise kundgemachte, nach Belieben abzuändernde Liste ersezt werden, insofern deren Herausgabe auf einem gleichförmigen, von der Direktion des Innern als zwekdienlich anerkannten Papier gemacht worden ist.a Dieses Gesez stehe nicht im Widerspruch mit Art. 8 des Bundesgesezes vom 19. Heumonat 1872, welcher (im französischen Text) dahin laute: ,,les élections au Conseil national et les vota-

607 tions sur des changements à la Constitution se font au scrutin secret.^ Der deutsche Text laute allerdings anders : ,-finden mittelst schriftlicher und geheimer Stimmgabe statt." Allein diese Abweichung habe auf das Dekret des Staatsrathes keinen Einflußüben können, da lezteres mit dem kantonalen Gesez und mit dem französischen Texte des Bundesgesezes in Uebereinstimmung stehe..

Der Bundesrath konnte sich jedoch nicht auf diesen Standpunkt stellen. Die erwähnte Abweichung zwischen dem deutschen und französischen Text von Art. 8 des Bundesgesezes vom 19. Juli 1872 hat allerdings bestanden; allein da der ursprüngliche Text dieses Gesezes deutsch redigirt war, so mußte offenbar im Zweifel die deutsche Redaktion zu Rathe gezogen werden, welche für die Anwendung als .Regel dienen muß. Der Bundesrath beschloß daher am 11. April 1874, daß für die Volksabstimmung vom 19. April 1874 nur solche Stimmzeddel zuläßig seien, auf welchen das Wort a oder ,,Nein" von Hand geschrieben sei.

flJa Zugleich wurde die Berichtigung des Textes von Art. 8 des Bundesgesezes vorn 19. Juli 1872 in der französischen Ausgabe der offiziellen Sammlung der Bundesgeseze angeordnet.

IV. Anwendung von Konkordaten.

a. K o n k o r d a t über Bestimmung und Gewähr von Viehhauptmängeln.

39. Im April 1870 kaufte Daniel Reusser, Pachter in Thun, von dem Pferdehändler Elias Weil, damals wohnhaft in Burgdorf, auf dem Markte zu Burgdorf zwei Pferde um den Preis von Fr. 1300. Für diesen Betrag stellte er dem Verkäufer einen Schuldtitel aus, den dieser am Tage darauf an die W y 1er' s ehe Fam i l i e n k a s s e zu Obercndingen zedirte.

Reusser ließ jedoch das eine dieser Pferde, als mit einem Gewährsmangel behaftet, dem Weil zurükbieten und leitete im Juli 1870 gegen denselben die Währschaftsklage ein, die aber nach einem erfolglosen Sühneversuch wieder liegen blieb, indeß Reusser das Pferd nach wie vor in seinem Besize behielt.

Im Mai 1872 belangte nun die Wyler'sche Familienkasse den Reusser vor dem Richteramte Thun für den vollen Betrag des Schuldtitels von Fr. 1300. Der Beklagte machte jedoch eine Widerklage geltend für den Minderwerth jenes Pferdes, das an einem Gewährsmangel leide, sowie für die Kosten der thierärztlichen Untersuchung etc.

-608 Der Appellations- und Kassationshof des Kantons Bern erklärte mit Urtheil vom 22. November 1873 die Widerklage begründet, weil Reusser aus Gründen, die dem Verkäufer Weil zur Last fallen, gehindert gewesen sei, dem Prozesse gegen diesen Folge - zu geben, weßhalb seine Ansprüche aus dem Gewährsmangel gemäß Sazung 1041 des bernischen Civilgesezbuches noch nicht verjährt seien und weil er gemäß Sazung 981 des zitirten Gesezbuches berechtigt sei, diese Ansprüche aiich gegen den Cessionär auf dem Wege der Widerklage geltend zu machen.

Die Wyler'sche Familienkasse rekurrirte an den Bundesrath und machte 'geltend : im Kanton Bern seien bezüglich der Gewähr für Viehhauptmängel nicht mehr die Sazungen des bernischen Civilgesezbuches, sondern in Folge Beschlusses des Großen Rathes vom 22. Dezember 1853 ausschließlich die Vorschriften des Konkordates betreffend die Bestimmung und Gewähr der Viehhauptmängel vom 5. August 1852, also eidgenössisches Recht, maßgebend. Dieses Konkordat ertheile aber déni Erwerber eines Stükes Vieh im Falle eines Gewährsmangels nur die Wandelungsklage, nicht aber auch die Minderungsklage. Das Konkordat sei also durch das Urtheil des bernischen Gerichtes verlezt worden.

Der Bundesrath erklärte jedoch mit Beschluß vom 23. November 1874 diesen Rekurs als unbegründet, gestilzt auf folgende rechtliche Gesichtspunkte : ·' ' 1) Es handelt sich im vorliegenden Falle nicht um ein interkantonales Verhältniß, indem die Parteien, zwischen welchen der fragliche Pferdekauf abgeschlossen wurde, damals beide Einwohner eines und desselben Kantones, nämlich des Kantons Bern, waren und sowohl dieser Kauf selbst, als auch die Uebergabe der gekauften Objekte im gleichen Kanton Bern stattfand. Durch die Cession des von Reusser ausgestellten Schuldtitels an die spätere Klägerin und heutige Rekurrentin konnte bezüglich dieses Charakv ters des Rechtsverhältnisses nichts ngeändert werden.

2) Es konnte also, abgesehen von der Frage, ob hier ein eigentlicher Währschaftsstreit bestehe, oder ob es sich nur um einen gewöhnlichen Entschädiguugsprozeß handle, das Konkordat über Bestimmung und Gewähr der Viehhauptmängel vom Jahr 1852 nicht als solches, d. h. als Staatsvertrag zur Normirung des interkantonalen Verkehres, sondern es konnten die darin enthaltenen Bestimmungen nur als Bestandteile des bernischen
Kantonalrechtes in Anwendung kommen.

3) Der Umstand aber, daß der Kanton Bern die Vorschriften dieses Konkordates auch für seinen innern Verkehr als Norm angenommen, hat nicht die Folge, daß den Bundesbebörden eine

609 spezielle Kompetenz zur Prüfung von gerichtlichen Urtheilen zukäme, die auf Grund dieser Bestimmungen gefällt worden sind oder zu fällen waren.

b. K o n k o r d a t betreffend die B e h a n d l u n g der Ehescheidungsfälle, 40. Mit Urtheil des zürcherischen Obergerichtes vom 24. September 1868 wurde Gottfried H o n e g g e r von Wald, Kts. Zürich, von seiner Ehefrau Meta geb. Gudell geschieden und verpflichtet, der leztern eine Entschädigung von Fr. 1000 zu bezahlen. Im Weitern wurde in Anwendung von § 219 des privatrechtlichen Gesezbuches des Kantons Zürich im gleichen Urtheil der geschiedenen Frau das Recht gewahrt, eine Erhöhung der Entschädigung zu verlangen, falls Honegger durch Erbschaft mehr Vermögen bekommen sollte.

.

. · Diese Bedingung trat im Jahr 1873 ein, worauf Frau Honegger bei dem Bezirksgerichte Hinweil, als demjenigen des Heimatortes des Beklagten, eine weitere Entschädigung von Fr. 4000 einklagte.

Honegger bestritt jedoch die Kompetenz jenes Gerichtes, weil es sich um eine persönliche Forderung handle, für welche er gemäß Art. 50 der Bundesverfassung von 1848 an seinem jezigen Wohnorte in Biel, Kts. Bern, belangt werden müsse. Die erste Instanz schüzte ihn bei dieser Einrede ; das Obergericht des Kantons Zürich erklärte jedoch das Bezirksgericht Hinweil als zuständig.

Honegger rekurrirte hierauf an den Bundesrath, welcher mit Beschluß vom 3. Juni 1874 den Rekurs abwies, gestüzt auf folgende Gründe : Das Konkordat vom 6. Juli 1821 bestimmt, daß in Fällen von Ehescheidung oder von zeitweiser Trennung zwischen schweizerischen Niedergelassenen, sowie auch über die daraus hervorgehenden Fragen wegen Sönderung der Güter oder andern ökonomischen Verhältnissen oder Pflichten, die kompetente richterliche Behörde des Heimatkantons des Ehemannes zu entscheiden habe.

Sowohl der Kanton Zürich, welchem der Rekurrent Houegger bürgerlich angehört, als auch der Kanton Bern, in welchem er niedergelassen ist, sind diesem Konkordat beigetreten.

Dieses Konkordat ist durch die Bundesverfassung vom 12. September 1848 keineswegs aufgehoben worden, vielmehr ist es gemäß Art. 6 der Uebergangsbestimmungen zu dieser Verfassung als in . Rechtskraft stehend zu betrachten, wie auch von den Bundesbehörden schon wiederholt anerkannt worden ist.

610 Das Obergericht des Kantons Zürich mußte daher in seinem Urtheil vom 25. November 1873 dieses Konkordat anwenden und indem es dieses that, hat es keinerlei Vorschriften dei- damals in Kraft gewesenen Bundesverfassung verlezt.

c. K o n k o r d a t

über T e s t i r f ä h i g k e i t und Erbverhältnisse.

41. Es kann der Rekurs der minderjährigen Kinder des Rudolf H e l l e r in Kirchlindach, Kts. Bern, hieher gezählt werden.

Da jedoch diese Angelegenheit bereits aus den Verhandlungen der Bundesversammlung bekannt ist, so genügt es, auf den Beschluß des Bundesrathes hinzuweisen, welcher in extenso gedrukt ist im Bundesblatt 1874, Bd. III, S. 1001. Die Bundesversammlung erklärte am 20. März 1875 die Weiterziehung als unbegründet und bestätigte den Entscheid des Bundesrathes.

V. Anwendung von Kantonsverfassungen.

42. Die unter diese Rubrik gehörigen Rekurse bieten kein allgemeineres Interesse. Folgende drei Fälle sind an die Bundesversammlung rekurrirt worden und aus den bezüglichen Verhandlungen bekannt. Es genügt daher die Verweisung auf die gedrukten Entscheide und Berichte: a. Der Rekurs des V e r v v a l t u n g s r a t h e s der B u r g e r g e meinde von Neuenburg gegen die Beschlüsse des Bundesrathes vom 14. März und 15. August 1873, dessen schon " im lezten Geschäftsberichte Erwähnung geschah, ist am 24. Juni 1874 von der Bundesversammlung mit rnotivirtem Entscheide abgewiesen worden. Dieser Entscheid ist vollständig abgedrukt im Bundesblatt 1874, Bd. H, S. 459. Die übrigen hierauf bezüglichen Aktenstüke sind ebenfalls gedrukt im Bundesblatt 1873, Bd. H, S. 699 -- Bd. IH, S. 299, 360, 530, 536, 853 -- 1874, Bd. II, S. 470.

b. Der Rekurs der B u r g e r g e m e i n d e von Z e r m a t t , Kts.

Wallis, gegen den Beschluß des Bundesrathes vom 25. November 1874, betreffend die Bürgerannahme des Hrn. Seiler, wurde am 18. März 1875 übereinstimmend mit dem Bundesrath abgewiesen. Bundesblatt 1875, Bd. I, S. 181.

c. Der Entscheid des Bundesrathes auf den Rekurs der Herren Dénériaz und Konsorten in Sitten, betreffend das neue Finanzgesez des Kantons Wallis, wurde von dem Staatsrathe des K a n t o n s W a l l i s an die Bundesversammlung

611 rekurrirt. Nachdem jedoch der Ständerath den Beschluß des Bundesrathes bestätigt hatte, zog der Staatsrath den Rekurs zurük. Bundesblatt 1874, Bd. III, S. 258, 852 und 1090.

C. Polizei.

I. Auslieferung TOU Verbrechern und Angeschuldigten.

a. E i n l e i t u n g .

Auch im Jahr 1874 ist wieder eine ziemliche Vermehrung der Verhandlungen in Auslieferungsangelegenheiten eingetreten. Die Zahl der Auslieferungen, welche die S c h w e i z bei auswärtigen Staaten nachgesucht hat, ist zwar fast die gleiche geblieben, nämlich 59 gegen 56 im Jahr 1873 [diese Zahl betrug 1872: 41; 1871: 32; 1870: 22). Dagegen sind die Fälle, in welchen von Seite a u s w ä r t i g e r S t a a t e n bei der Schweiz die Auslieferung begehrt wurde, im Jahr 1874 auf 180 gestiegen, während sie 1873 nur 154 (1872: 120, 1871: 87, 1870: 69) betrugen. Dieser Zuwachs ist namentlich die Folge der Vermehrung solcher Gesuche aus Deutschland. Während nämlich im Jahr 1873 von allen deutschen Staaten bloß in 12 Fällen die Auslieferung nachgesucht wurde, geschah dies 1874 in 39 Fällen, und zwar in 10 vor dem Datum des Inkrafttretens des Auslieferungsvertrages mit dem deutschen Reiche, 6. Juli 1874, und in 29 Fällen später.

Die von Seite der S c h w e i z verlangten Auslieferungen betrafen : l Mord, 1 Böswilliges Verlassen von Kindern, 2 Nothzucht und andere Verbrechen gegen die Sittlichkeit, l Entführung von Minderjährigen, l Brandstiftung, 19 Diebstahl, 10 Unterschlagung, 12 Betrug und Fälschung, 11 betrüglicher Bankrott, l Werbung in fremden Kriegsdienst.

59

612 Die Auslieferungsbegehren von a u s w ä r t i g e n S t a a t e n betrafen : a. F r a n k r e i e h.

6 Mord, 8 Nothzuch und andere Verbrechen gegen die Sittlichkeit, l Entführung von Minderjährigen, l Körperverlezung, l Brandstiftung, 21 Diebstahl, 10 Vertrauensmißbrauch, l Falsches Zeugniß, 11 Betrug und Fälschung, 25 betrüglichen Bankerott.

85

b.

D e u t s c h e s R e i e h.

l Kindsmord, l Abtreibung der Leibesfrucht, l Raub, l Brandstiftung, 1 Widerstand gegen die öffentliche Gewalt, 14 Diebstahl, 5 Unterschlagung, 13 Betrug und Fälschung, 2 betrüglichen Bankerott.

' 39 " ' ' ' ' '' ' '

c. 11 a l i e n.

6 Mord, 5 Mord in Gesellschaft, 1 Tödtung im Duell, 2 Körperverlezung mit nachgefolgtem Tod, 2 Straßenraub, 1 Erpressungsversuch, 8 Diebstahl, 2 Unterschlagung, 1 Inverkehrsezen falscher Banknoten, 2 Betrug und Fälschung, 2 betruglichen Bankerott, 4 Verbrecherverbindung.

36

61»

d. O e s t e r r e i c h 1 Körperverlezung, 4 Diebstahl.

3 Unterschlagung, 2 Betrug, .

l bezüglichen Bankerott.

· .

..

. -, . -

11

e. B e l g i en.

.

1 Fälschung von Privatschriften, 2 Unterschlagung, l Betrug, l betruglichen Bankerott.

-

5

f. R u ß l a n d .

l Diebstahl, l Ausgabe falscher Banknoten, l bezüglichen Bankerott.

3

g. S e r b i e ri.

l Unterschlagung von Staatsgeldern (vom Jahr pendent).

1873

Das weitere Detail ist aus den folgenden Tabellen zu ersehen.

^ss-cr 614

b. S t a t i s t i k .

A. Statistik der von der S c h w e i z bei auswärtigen Staaten n a c h g e s u c h t e n Auslieferungen.

Anzahl

der Ausge- Unent- VerReIndi- liefert. dekt. weigert. vozirt.

viduen.

Kantone.

Zürich . .

Bern . . .

Luzern . .

Uri . . .

Freiburg Solothurn Basel-Stadt .

Schaffhausen St. Gallen .

Graubünden Thurgau .

Waadt . .

Wallis . .

Neuenburg .

Genf . . .

.

: .

.

.

.

.

.

, .

.

.

Staaten, bei denen diese Auslieferungen verlangt wurden : Argentinien . ' .

Belgien . . .

Deutsches Reich Frankreich . .

Italien . . .

Niederlande Oesterreich . .

3 10 1 1 6 1 10 1 2 1 4 5 3 4 7

3 6 1 -- 1

59

--7 1 2 4 2 1 2 4

Pen-

dent.

_ 1 -- 1 · -- 1 1 -- -- -- -- 2

2

1 . -- -- 1 -- -- -- -- -- -- _ --

-- -- --

-- --

-- -- --

--2

--1

-- -- --1

1 1

34

10

4

-- -- 5

1 7 16 29 3 2 1

-- -- 14 16 2 1 1

-- 5 1 4

-- -- 3

-- -- --5

1

--

59

34

-- 10

-- 4

2 --

4

--2

--

'

-- 5

-- --1

-- 6

1 2 1 1 1 -- 6

615 B. Statistik der d u r c h die S c h w e i z an auswärtige Staaten b e w i l l i g t e n Auslieferungen.

Anzahl Staaten.

Belgien . .

Deutsches Reich Frankreich . .

Italien . . .

Oesterreich .

Serbien . . .

Rußland . .

der Ausge- Unent- VerReIndi- liefert. dekt. weigert. vozirt.

viduen.

5 39

85 36 11 1 3 180

1 30 55 15 5 1 -- 107

4 1 18 13 5 -- 1

--3

1 -- -- -- 4

42

_

_

_.

Pendent.

5 2 5 1 1 14

3 7 2 __

1 13

Kja n t o n e , bei denen diese Auslieferungen verlangt wurden : Zürich . . .

Bern . . . .

Luzern . . .

Zug . . . .

Freiburg . .

Solothurn . .

Basel-Stadt . .

St. Gallen . .

Graubünden Thurgau .

Tessin . . .

Waadt . . .

Wallis . . .

Neuenburg . .

' Genf . . . .

1 Schweiz im Allgemeinen

17 8 2 1 2 1 9 7 4 2 23 14 9 4 70 7

10 5 1 1

2 --9 7

2 1 13 . 6 7 3 40 --

107 i Bundesblatt Jahrg. XXVII. Bd.11.

180

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616 c. F o r m e l l e s V e r f a h r e n .

Es ist bereits in dem lezten Geschäftsberichte auf den Umstand aufmerksam gemacht worden, daß die Geschäfte in Auslieferungsangelegenheiten von Jahr zu Jahr -sich vermehren und daß hieraus allmälig ein umfangreicher Geschäftszweig für das Justiz- und Polizeidepartement erwachsen sei. Diese Thatsache hat sich auch im Laufe des Jahres 1874 bestätigt. Nicht bloß die Zahl der Auslieferungen und der Verhandlungen der einzelnen Fälle mehrt sich, sondern es wird die materielle Behandlung der Geschäfte dieser Art immer schwieriger und namentlich dadurch erschwert, daß die Lokalbehörden bei Ausstellung der Verhaftsbefehle und der andern nothwendigen Akten zu wenig Rüksicht nehmen auf die Vorschriften der Verträge und auf die mannigr fachen Abweichungen, die sie unter sich enthalten.

Der Bundesrath mußte in sieben Fällen die von französischen Behörden ausgestellten Verhaftsbefehle zurükweisen, weil sie entweder den Ort der That, oder die Nationalität des Thäters nicht angaben, oder über die Zeit der That nichts enthielten, oder die Natur und Schwere des Verbrechens nicht genügend darstellten etc.y um darnach die wichtigen Fragen der Kompetenz, der Verjährung, der Strafbarkeit in beiden Staaten u. dgl. prüfen und entscheiden zu köanen.

Umgekehrt sind auch verschiedene Auslieferungsgesuche des Bundesrathes aus ähnlichen Gründen zurükgewiesen worden. Das Departement war delihalb oft genöthigt, kantonalen Behörden nähere Instruktionen zu geben über die Form und den absolut nöthigen Inhalt der Verhaftsbefehle oder anderer von einzelnen Staaten ' noch weiter geforderten Papiere.

In der Absicht, solche Korrespondenzen zu verhüten, erinnern wir hier an das Kreisschreiben des Bundesrathes vom 14. Januar 1870 (Bundesblatt 1870, Bd. I, S. 61). Dieses Kreisschreiben enthält zwar zunächst nur die Instruktionen, welche in Folge des neuen Auslieferungsvertrages mit Frankreich vom 9. Juli 1869 über die Form und den Inhalt der nach Frankreich bestimmten Verliai'tsbei'ehle nothwendig wurden. Da aber so ziemlich alle Auslieferungsverträge der Schweiz hinsichtlich des Inhaltes der Verhaftsbefehle übereinstimmen, so sind die Vorschriften jenes Kreisschreibens auch für alle Fälle anwendbar.

Eine weitere Unregelmäßigkeit ist zu Tage getreten hinsichtlich des Verfahrens kantonaler Behörden, um per Telegramm die p r o v i t . u r i b c h e V e r h a f t u n g eines flüchtigen Verbrechers durch aus-

617 wärtige Lokalbehörden zu erhalten. Das Departement sah sich deßhalb genöthigt, den Kantonen mit Kreisschreiben vom 12. Dezember 1874 (Bundesblatt 1874, Bd. III, S. 885}, die zur Abhilfe geeigneten Instruktionen zu geben. Es ist übrigens die Beobachtung gemacht worden, daß die auswärtigen Lokalbehörden in dieser Beziehung verschieden verfahren. Während die französischen Polizeibehörden an der Schweizergrenze einem solchen direkten Gesuche oft mit anerkennenswerther Bereitwilligkeit ohne Weiteres Folge geben, wird in Marseille und Havre, in Belgien, Holland, England, eine per Telegramm nachgesuchte provisorische Verhaftung nur dann vollzogen, wenn dieses telegraphische Gesuch gleichzeitig auch auf diplomatischem Wege an die, Staatsbehörden gerichft't wird. Es muß daher die kantonale Behörde unverzüglich auch an die schweizerische Gesandtschaft in Paris, oder an das schweizerische Generalkonsulat in London, oder an das schweizerische Konsulat in Brüssel oder für Holland an dasjenige in Amsterdam telegl'aphiren, durch welche die weiter nöthige Vermittlung besorgt wird.

Bezüglich des Verfahrens zum Zweite einer schnellen Ver folgung der Verbrecher, welche aus I t a l i e n nach der S c h w e i z , oder aus der Schweiz nach Italien sich geflüchtet haben, wird auf das Kreisschreiben vom 3. Juli 1874 verwiesen und auf die Instruktionen des italienischen Ministeriums der Gnade und Justiz, welche auch für die schweizerischen Behörden passen. (Bundesblatt 1874, Bd. n, S. 535 u. 536.)

Was die B e h a n d l u n g der A u s l i e f e r u n g s g e s c h ä f t e durch die schweizerischen Behörden betrifft, so ist hieri» durch Art. 58 des Bundesgesezes über die Organisation der Buudesréchtspflege vom 27. Juni 1874 eine Aenderung eingetreten, indem der Entscheid ,,wenn die Anwendbarkeit des betreffenden Staatsvertrages bestritten wirda, dem Bundesgerichte zugewiesen worden ist. In Folge dessen wurde nothwendig, unverzüglich das Verfahren zu ordnen und namentlich festzustellen, was der politischen Behörde, und was der gerichtlichen Behörde zustehe. Es geschah dieses mittelst einer zwischen Bundesgericht und Bundesrath vereinbarten Verordnung, welche mit Kreisschreiben des eidg. Justizund Polizeidepartementes vom 26. Januar 1875 (Bundesblatt 1875, Bd. I, S. 122), den Regierungen sämmtlicher Kantone zur Beobachtung, soweit es sie betrifft, mitgetheilt wurde.

O

d. M a t e r i e l l e E n t s c h e i d e .

1. Die Auslieferung eines Berners, welcher nach HolländisehIndien sich hat anwerben lassen und eingeschifft worden war, bevor

618 das Auslieferungsgesuch im Haag ankam, wurde von der Niederländischen Regierung darum abgelehnt, weil nach Art. 118 der "Verfassung der Niederlande das dortige Fremdengesez nur auf das europäische Gebiet der Niederlande sich beziehe, und die Auslieferungsverträge dieses Staates auf das gleiche Gebiet beschränkt bleiben, wenn- sie nicht ausdrüklich auch für Ostindien verbindlich erklärt seien, was aber in dem Vertrage mit der Schweiz nicht der Fall sei.

2. Job. Ulrich W i dm e r entfernte sich heimlich von Neuenburg, um sich in Marseille nach Amerika einzuschiffen. Seine verlassene Frau klagte ihn des Diebstahls und der Unterschlagung an, indem er das gemeinschaftliche Vermögen von ansehnlichem Werthe mitgenommen habe. Er wurde in Marseille verhaftet; allein die französische Regierung verweigerte seine Auslieferung, weil nach Art. 380 des französischen Strafgesezbuches wegen Unterschlagung, welcher ein Ehegatte zum Nachtheile des andern sich schuldig mache, nur eine Zivilklage statthaft sei, und somit die Voraussezung des Schlußsazes von Art. l des Auslieferungsvertrages nicht vorliege.

^o^3. Ebenso verweigerte die französische Regierung die Auslieferung des Freiburgers D o ut a z, welcher im Jahr 1871 wegen Unterschlagung gepfändeter Gegenstände, die in seinem Besize gelassen worden waren, zu 6 Jahren Zuchthaus verurtheilt worden ist.

Diese Ablehnung stüzte sich auf Art. 400 des Code pénal, wonach die Unterschlagung gepfändeter Gegenstände in Frankreich bloß korrektionell bestraft werde, sowie darauf, daß dieses spezielle Delikt im Auslieferungsvertrage vom 9. Juli 1869 nicht vorgesehen sei. Auch der Antrag, daß die Auslieferung unter Zusicherung gegenseitiger Reziprozität für die Zukunft bewilligt werden möchte, wurde abgelehnt, weil auf dieses Verhältniß auch die Zivilgesezgebung von Einfluß sei, und die 25 Zivilgeseze der Schweiz nicht genügende Garantie dafür gewähren, daß im einzelnen Falle die Saisie gerechtfertigt gewesen sei, und daß eine Analogie bestehe zwischen der in der Schweiz unter dem Namen détournement d'objets saisis strafbaren Handlung mit der unter gleichem Namen in Frankreich strafbaren Thatsache.

4. Bei Anlaß des Auslieferungsgesuches der französischen Regierung gegen den Italiener B u s s i , welcher in Genf zur Haft gebracht werden konnte, wurde in seinem Interesse
die Einrede erhoben, daß der objektive Thatbestand des eingeklagten Vertrauensmißbrauches weder im Verhaftsbefehl nach Vorschrift von Art. 6 des Auslieferungsvertrages · genügend klar gestellt, noch bewiesen

619 sei, und das Gesuch damit verbunden, daß bis zur Ergänzung dieser Mängel Bussi gegen Kaution in Freiheit gesezt werden möchte.

Da der Verhaftsbefehl allerdings mangelhaft erschien, so wurde bei der französischen Botschaft die Ergänzung desselben nach Vorschrift des Vertrages verlangt. Auf die zwei andern Einreden dagegen wurde nicht eingetreten. Einerseits wurde die Freilassung gegen Kaution darum abgelehnt, weil der Bundesrath hiezu keine Vollmacht und keine Kompetenz habe. Die Verhaftung des Bussi habe auf Grundlage und in Vollziehung eines gerichtlichen Verhaftsbefehles stattgefunden; sie könnte daher, ob provisorisch oder definitiv, auch nur mit Einwilligung des Richters, welcher den Verhaftsbefehl ausgestellt habe, erfolgen, da dieser allein in der Lage wäre, die Statthaftigkeit der Freilassung mit Rüksicht auf mögliche Kollisionen zu bemessen und eventuell auch die Größe einer Kaution zu bestimmen. Andererseits gewähre der Auslieferungsvertrag mit Frankreich kein Recht, den Beweis für die eingeklagte That zu verlangen. Es genüge, wenn die nöthigen Urkunden nach Vorschrift von Art. 6 desselben ausgestellt seien.

5. Dem Grundsaze entsprechend, daß kein Staat seine eigenen Angehörigen der Strafgerichtsbarkeit eines fremden Staates überliefert, fanden in Folge der bezüglichen Verhandlungen 8 Fälle in der Weise ihre Erledigung, daß 6 Individuen von fünf auswärtigen Regierungen wegen Verbrechen, die sie in der Schweiz, und daß 2 Individuen von zwei schweizerischen Regierungen wegen Verbrechen, die sie im Auslande verübt hatten, zur Bestrafung in der Heimat übernommen wurden.

6. Dagegen mußte die Regierung des Kantens Neueuburg gemäß Art. 2öi und 265 des Btrafgesezbuches dieses Kantons die Verfolgung eines Mitbürgers, der sich in Frankreich der Körperverlezuug schuldig gemacht hatte, ablehnen, weil nach jenem Geseze diese im Ausland verübte Handlung im Inlande nicht bestraft werden konnte. Bei diesem Anlaße empfahl der Bundesrath dem Staatsrathe von Neuenburg die beförderliche Revision der Art. 264 und 265 des Strafgesezbuch.es in dem Sinne, daß ein Neuenburger auch für die im Auslande begangenen Verbrechen in seiner Heimat strafrechtlich verfolgt werden könne, wenn er am Orte der That nicht habe bestraft werden können. Dieses allein gerechte Prinzip sei gegenwärtig überall anerkannt und habe
irn Interesse der öffentlichan Moral Anspruch auf allgemeine Anerkennung. -- Die Regierung von Neuenburg erklärte ihre Bereitwilligkeit, diesem "Wunsche gerecht zu werden.

620 7. Als Ausnahmen von dem oben erwähnten Prinzipe erscheinen zwei andere Fälle, in welchen von Frankreich ein Schweizer an Bern und von der Schweiz ein Deutscher an Deutschland zur Beurtheilung in noch pendenten Untersuchungen provisorisch ausgeliefert wurden, unter der Bedingung, daß der erstere an Frankreich und der zweite an Genf zurükgeliefert werde behufs Erstehung von Strafen, zu denen sie vor dem Auslieferungsverfahren verurtheilt worden waren.

8. Ein Italiener, dessen Auslieferung von Italien gestüzt auf ein Contumazurtheil wegen eines gemeinen Verbrechens verlangt ·wurde, erhob Einsprache gegen die Auslieferung, indem er behauptete, daß seine Verurtheilung aus politischer Verfolgung gegen ihn hervorgegangen sei. Da es sich ergab, daß nach dem Strafgesezbuche desjenigen Kantons, in welchem der Verfolgte sich befand, das Verbrechen, auf welches das Urtheil sich bezog, verjährt sei, so lehnte der Bundesrath die Auslieferuno; aus diesem Grunde ab.

II. Bundes- und kantonales Strafrecht.

a. B u n d e s s t r a f r e c h t .

1) Das neue Strafgesezbuch des Kantons Genf vom 21. Oktober 1874 enthält in Art. 175 und 176 Strafbestimmungen gegen Verlezung des Briefgeheimnisses und Mißbrauch von t e l e g r a p h i s c h e u D e p e s c h e n . Der Slaatsrath des Kantons Genf wurde darauf aufmerksam Ogemacht,) daß Vergehen dieser Art o

in Art. 54 und 55 des B u n d e s s t r a f r e c h tes vom 4. Februar 1853 vorgesehen und gemäß Art. 74 j e d e n f a l l s nach den Vorschriften dieses Gesezes bestraft werden müssen, sowie daß auch das Begnadigungsrecht der Bundesversammlung zustehe. Wenn die Art. 54 und 55 weder ein Minimum, noch ein Maximum des Gefängnisses oder der Buße, welche sie-als Strafe vorschreiben, aufgestellt haben, so liege der Grund darin, daß der Gesezgeber in diesem, wie in vielen andern Fällen, dem Richter habe die Möglichkeit geben wollen, sich innert den in Art. 2, litt, f und Art. 4, Lemma 3 des gleichen Strafgesezes aufgestellten Gränzen frei zu bewegen. Es können daher die in Art. 175 und 176 des Genfer Strafgesezes aufgestellten Maxima und Minima der Strafen nicht anerkannt und es dürfe überhaupt diesen beiden Artikeln keine andere Bedeutung beigelegt werden, als diejenige einer einfachen Wiederholung der Art. 54 und 55 des Bundesstrafgesezbuches.

2) Auf den Antrag der Regierung von Bern, daß gegen Adolph B r e m , welcher der Fälschung von Telegraphenmarken angeklagt

621 war, gemäß Art. 74 des Gesezes über das Bundesstrafrecht der Gerichtsstand bestimmt werden möchte, wurde geantwortet, daß das Bundcsstrafgesez hier nicht Anwendung finde, sondern Art. 10 des Bundesgesezes betreffend den telegraphischen Verkehr im Innern der Schweiz vom 18. Dezember 1867, alte off. Samml. IX, S. 220, und daß die Strafe nach Art. 6 des Bundesgesezes betreffend das Postregal, alte off. Samml. I, 98, bemessen werden müsse.

Da das Vergehen, dessen Brem angeklagt war, in verschiedenen Kantonen verübt wurde, so entstand die Frage, welcher derselben zur Beurtheilung kompetent sei. Hierüber sprach sich der Bundesrat dahin aus. daß ein Konflikt nicht bestehen könne, weil nicht verschiedene Gerichtsbarkeiten und auch nicht verschiedene Geseze in Frage liegen. Es könne nur ein Gesez Anwendung finden und zwar das erwähnte Bundesgesez. Die in Frage stehende Handlung sei jedenfalls innerhalb des Kreises der Gültigkeit dieses Bundesgesezes verübt worden. Also seien auch die Gerichte des Kantons Bern kompetent, für -welche überdies die Prävention und der Wohnort des Beklagten sprechen.

3) Die Direktion der Bernischen Staatsbahn stellte die Ansicht auf, daß die wegen G e f ä h r d u n g von E i s e n b a h n z ü g e n durch die Gerichte des «Kantons Bern ausgesprochenen Bußen nach der bernischen Gesezgebung zu behandeln, d. h. zu l Drittel an den Anzeiger und zu 2 Dritteln an die Hülfskasse der Beamten und Augestellten der Bahnverwaltung abzugeben seien.

Das eidg. Justiz- und Polizeidepartement lehnte diesen Antrag ab, -weil es sich in allen Fällen dieser Art, die durch gerichtliches Urtheil erledigt werden, nicht um Widerhandlung gegen die Bahnpolizei , sondern um wirkliche Vergehen oder auch oft um Verbrechen handle, die keineswegs nach polizeilichen Vorschriften der Kantone zu ahnden seien, sondern nach ausdrüklicher Vorschrift von Art. 74 des Bundesstrafgesezbuches nach den Bestimmungen dieses Gesezbuches bestraft worden müssen. Hieraus folge,, daß überall, wo es sich um eine absichtliche oder fahrläßige Gefährdung des Eisenbahnbetriebes handle , und zwar ohne Rüksicht darauf, ob der Angeklagte ein Bahnangestellter sei oder ein Privatmann (Art. 67 und 68 des zitirten Bundesstrafgesezes), dieStrafgerichts-barkeit d e s B u n d e s z u r Anwendung komme. D i e behörden, d. h. dem
eidg. JustizPolizeidepartementeut, zu, und wenn der Angeklagte freigesprochen worden oder wenn Verurrurtheilte nicht bezahlen könne, so sei es Bundeskasseassa, welche die Kosten des ganzen Verfahrens bezahlen müsse. Es v o r s t s i c h s i d i daher von selbst und sei lediglich nothwendigeiFolgeotec der Ge-

622 richtsbarkeit des Bundes, daß ihm 'auch die Bußen zufallen müssen.

Der Umstand, daß in der Regel die kantonalen Gerichte urtheilen, ändere hieran nichts, zumal sie nur delegirt seien und das Begnadigungsrecht der Bundesversammlung zustehe. Auch sei es gleichgültig, daß neben der dem Bundesgesez verfallenen Handlung noch eine nach kantonalem Gesez auch strafbare Verlezung der Bahnpolizei vorliegen könne, denn dieses Polizeivergehen werde absorbirt durch die Strafe für das schwerere Verbrechen. Daß die Ertheilung von Prämien günstig einwirken könne auf die Entdekung von Polizeivergehen, möge richtig sein. Das Departement zweifle aber, daß eine Bahnverwaltung einen Angestellten länger im Dienste behalten würde, wenn er eine Gefährdung des Eisenbahnbetriebes verheimlichen wollte.

4) In einzelnen Kantonen versäumten es die Staatsbehörden, in leichtern Fällen von G e f ä h r d u n g des E i s e n b a h n b e t r i e bes eine polizeiliche Untersuchung des Thatbestandes vorzunehmen, sondern überließen es den Eisenbahnadministrationen, die betreffende Handlung oder Unterlassung nach ihren Reglementen über die Bahnpolizei zu ahnden, und zwar nicht blos in dem Falle, wo es sich um Angestellte dieser Verwaltung, sondern auch dann, wenn es sich um Private handelte. In solchen Fällen wurde das Kreisschreiben des Bundesrathes vom 8. August'1873, B.-B1. 1873, HI, 377, in Erinnerung gerufen, wonach bei jeder Art von Eisenbahnunfällen die s t a a t l i c h e n B e h ö r d e n einschreiten sollen, indem nicht die kantonalen Geseze oder Réglemente, und noch weniger die Réglemente von Eisenbahngesellschaften zur Anwendung kommen dürfen, sondern ausschließlich das Bundesstrafgesez vom 4. Hornung 1853 (Art. 74). Die von einer Eisenbahnverwaltunggegen einen Angestellten verfügte Disziplinarstrafe dürfe daher nicht in Betracht kommen, weil die Eisenbahnverwaltungen nur befugt seien, die Dienstfehler gegenüber der Verwaltung zu ahnden, ^ sobald aber durch die Handlung oder Unterlassung eines Angestellten dritte Personen geschädigt oder in Gefahr gebracht worden seien, so unterliege die Beurtheilung dieser Handlung oder Unterlassung der Strafgerichtsbarkeit de's Staates.

5) In verschiedenen Fällen mußten die Behörden der betreffenden Kantone darauf aufmerksam gemacht werden, daß nach Art. 67, litt. b. dès Bundesstrafgesezes
die Beschädigung oder Gefährdung von Eisenbahnzügen nicht mit Gefängniß oder mit Buße allein bestraft werden dürfe, sondern daß immer b e i d e S t r a f e n , m i t e i n a n d e r v e r b u n d e n werden müssen.

623 6} Im Jahr 1874 sind 34 neue Fälle von Gefährdung des Eisenbahnbetriebes den kantonalen Gerichten zur Untersuchung und Beurtheilung überwiesen worden. 2 Fälle waren aus dem Vorjahre pendent, so daß im Ganzen 36 Untersuchungen gegen 44 Personen in gerichtlicher Behandlung waren (im Jahr 1873: 15 Untersuchungen gegen 21 Personen).

Jene 36 Untersuchungen vertheilen sich auf die Kantone wie folgt : St. Gallen war betheiligt in 8 , Zürich und Bern in je 6.

Luzern, Thurgau und Waadt in je 3, Freiburg in 2 Fällen, und Zug, Basel-Land, Graubünden, Aargau und Neuen bürg je in l Falle.

Von denselben wurden 4 durch Verfügung von Gerichtsbehörden aufgehoben, 6 blieben pendent und die übrigen 2(5 gegen 34 Personen wurden durch gerichtliches Urtheil erledigt. 12 Personen wurden freigesprochen und gegen 22 Personen wurden in 19 Urtheilen Strafen ausgesprochen. Gegen 2 Urtheile sah sich das eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement veranlaßt, die Appellation zu ergreifen.

Die geringste der ausgesprochenen Strafen betrug 3 Tage Gefangniß nebst 10 Frkn. Geldbuße, die höchste Bl/2 Monate Gefängniß nebst 70 Frkn. Geldbuße.

11 dieser Strafurtheile haben bereits ihre Vollziehung gefunden : die Vollziehung der übrigen 8 Urtheile ist eingeleitet. Diejenigen aus dem Jahr 1873 sind mit Ausnahme eines einzigen vollzogen.

Dem Gesuche eines Verurtheilten aus dem Jahr 1873 um Erlaß der Gefängnißstrafe im Wege der Begnadigung wurde von der Bundesversammlung im Juni 1874 entsprochen. Die Buße dagegen bezahlte derselbe (B.-Blatt 1874, Bd. H, S. 411 und 413).

b. Bundesgeseze über polizeiliche Maßregeln gegen Viehseuchen.

1) Die Frage, ob die Bundes- oder die Kantonsbehörden kompetent seien, über ein Gesuch um Nachlaß der in Anwendung des oben erwähnten Bundesgesezes ausgesprochenen Bußen zu entscheiden, wurde am 27. Juni 1874 von der Bundesversammlung dahin entschieden, daß das B e g n a d i g u n g s r e c h t auch in diesen Fällen, wie überall da, wo es sich um die Vollziehung eines Bundesgesezes handle, den Bundesbehörden zukomme. (Bundesblatt 1874. I. 1105 und Bd. II, 413.)

2) Die P o l i z e i u r t h e i l e der kantonalen Gerichte in Anwendung des oben erwähnten Bundesgesezes müssen in allen andern

824 Kantonen v o l l z o g e n werden, immerhin unter Beobachtung der in dem betreffenden Kanton bestehenden Formen. Siehe Kreisschreiben des Bundesrathes vom 31. Juli 1874, Bundesblatt 1874, II. 606.

III. Fremdenpolizei.

1) Das eidg. Justiz- und Polizeidepartement sah sich veranlaßt, mit Kreisschreiben vom 24. Oktober 1874, Bundesblatt 1874, III. 250, die Kantone darauf aufmerksam zu machen, daß zwischen B e l g i e n und der Schweiz seit 1862 ein Freundschafts-, Niederlassungs' und Handelsvertrag bestehe (Alte Off. Samml. VII. 484), wodurch beide Staaten gegenseitig Niederlassungsfreiheit sich zugesichert haben, weshalb zur Legitimation des Aufenthaltes eines Belgiers jedes Papier genüge, wodurch die Identität und die Nationalität des Inhabers konstatirt werde.

Auf die von einer Kantonsregierunoaufgeworfene Frage beo O o o tfeffend die Nationalität von Inhabern ausgelaufener Pässe, welche Frage der belgischen Gesandtschaft vorgelegt wurde, antwortete diese mit Depesche vom 12. November 1874 : es verstehe sich von selbst, daß der Mangel der Erneuerung oder der Ablauf der Gültigkeitsfvist eines Passes dem Inhaber desselben nicht entgegengehalten werden könne, um dessen Nationalität zu bestreiten. Wenn die kantonalen Behörden Zweifel hegen über die Gültigkeit der Papiere, welche ein belgischer Bürger besize, so stehe nichts entgegen, daß sie bei der belgischen Gesandtschaft einen Immatrikulationsakt nachsuchen.

2) Die Polizeidirektion des Kantons Basel-Stadt machte die nöthigen Vorschüsse zur Bestreitung der Kosten für die Heimreise einer armen belgischen Familie. Die Regierung von B e l g i e n lehnte jedoch die Rükerstattung ab, weil keine Forderung gegenüber der königlichen Regierung entstanden und auch die Domizilgemeindc jener Familie nicht zur Rükvergütung verpflichtet sei. Es werde Niemand wegen Armuth aus Belgien wegeewiesen, vielmehr O o oO i werden die Fremden wie die eigenen Staatsbürger unterstüzt und O O wenn solchen Fremden Reiseunterstüzungen zur Rükkehr in die Heimat gegeben werden, so trete keine Rükforderung der Auslagen bei dem Heimatlande der Unterstüzten ein. Es scheine daher billig zu sein, daß den dürftigen Belgiern gegenüber Reziprozität geübt werde, was auch von Seite der meisten europäischen Staaten geschehe.

625 3) Betreffend das Paßwesen in R u ß l a n d wird auf das Kreis schreiben des Bundesrathes vom 16. Januar 1874 und auf einen dazu gehörigen Nachtrag verwiesen, Bundesblatt 1874. I. 95 u. 358.

4) Im lezten Berichte wurde erwähnt, daß das Justiz- und Polizeidepartement vom Bundesrathe eingeladen worden sei, in Erwägung zu ziehen, ob nicht die Kantone, aus denen junge Gr espielinnen, Kindermädchen und Erzieherinnen nach dem Auslande sich verdingen und oft in Noth und Unglük geratheu, zu gesezgeberischen Maßnahmen zur Unterdrükung dieser fatalen Erscheinung zu veranlaßen seien. Nachdem das Departement über diese Verhältnisse nähere Erkundigung eingezogen und die betheiligten Kantone auf Veranlaßung des Bundesrathes über die Aufstellung gemeinsamer Maßregeln in Berathung getreten sind, glaubten wir jener Anregung bis auf Weiteres keine Folge geben zu sollen.

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IV. Politische Polizei, Flüchtlinge.

Schon in den ersten Tagen des Jahres 1874 war das Justizund Polizeidepartement im Falle, zwei Angelegenheiten an die Hund zu nehmen, bei denen die äußere Sicherheit und Ruhe der Eidgenossenschaft im Sinne von Art. 37 und 39 dis Bundesstrafrechtes in Frage kamen.

1) Einerseits wurde dieses Vorgehen veranlaßt durch den im "Confédéré'1 von Freiburg vom 23. Januar 1874 publizirten ,,Apercu de la s i t u a t i o n en Suisse", verfaßt im Jahr 1852 durch den jezigen Herrn Nationalrath W u i l l e r e t in Freiburg zu dem Zweke, die Intervention der französischen Regierung in die innern Angelegenheiten der Schweiz zu veranlassen Da jedoch nach Art. 24 des zitirten Bundesstrafgesezes die Strafklage verjährt war, so konnte dieser keine weitere Folge gegeben werden. Siehe Bericht des Justiz- und Polizeidepartementes vom 25. und 29. Januar 1874, Bundesblatt 1874, I. 239 und 241.

2) Die andere Angelegenheit veranlasste dieEröffnungg einer förmlichen Untersuchung gegen dieUrheber, Versender,Austheilerr und Verbreiter, sowie gegen d i e a l [fälligen Unterzeichner p u i s s a n c e s s i g n a t a i r e s d u t r a i t é d e Vi e a n e c o n t r e la v i o l a t i o n d e c e t r a i t é p a r l e s A u t o r i t é s suisses."

reich, gedrukt und im Anfange des Monats Januar, wie esscheint, in mehreren Ballots unter der BezeichnungBuchhandlungsartikel'

626

nach Genf geschikt Jedenfalls ist sicher, dass ein solches Ballot an.

die Adresse des Franzosen Rev. Père C o l l e t , presbytère de Notre Dame, nach Genf gekommen ist, und daß dieser eine gewisse Anzahl Exemplare sowohl in der Schweiz als im Auslande verbreitet hat. Als Verfasser wurde ermittelt der Abbé D e f o u r n y , Pfarrer zu Beaumont en Argonne, Frankreich.

Die Funktionen der Bundesanwaltschaft für diesen Fall wurden dem Herrn Nationalrath Berdez in Lausanne übertragen, die Untersuchung führte der ordentliche eidgenössische Untersuchungsrichter, Herr Advokat Broye in Freiburg. Am Schlüsse der Untersuchung stellten diese beiden Beamten übereinstimmend den Antrag, dass gegen Abbé Collet der Anklagezustand nicht auszusprechen sei, indem die gegen ihn vorliegenden Thatsachen nicht unter die Bestimmung des Art. 37 des Bundesstrafrechtes fallen. Gemäß Art.29J des Gesezes über die Bundesstrafrechtspflege von 1851 wurde daher die Untersuchung niedergeschlagen. In Anwendung von Art. o i der Bundesverfassung von 1848 beschloß dagegen der Bundesrath am 7. Februar 1874, es sei der Abbé F i r m i n C o l l e t aus dem Gebiete der Eidgenossenschaft verwiesen. Bundesblatt1874, 1.

138, 205 und 242.

3) Im Weitern wurden einige Verhandlungen politisch-polizeilicher Natur veranlaßt durch die Anwesenheit f r a n z ö s i s c h e r F l ü c h t l i n g e in Genf, sowie dadurch, daß von Genf und Lausanne aus durch diese aufwieglerische Drukschriften nach Frankreich eingeführt und dort verbreitet worden sein sollen. Die diesfälligen Untersuchungen ergaben keinen Grund zu besondcrn Maßnahmen.

4) Betreffend die p o l n i s c h e n F l ü c h t l i n g e sind keine erheblichen Aenderungen eingetreten. Sieben derselben haben von dem eidg. Justiz- und Polizeidepartement Pässe zur Abreise in das Ausland erhalten. An üblichen Unterstüzungen für einige kranke und altersschwache Polen, sowie an Reiseunterstüzungen für solche sind 1171 Fr. 50 Rp. ausgelegt worden.

Die Regierung des Kantons St. Gallen stellte die Einfrage, ob der Beschluß des Bundesrathes vom 15. Februar 1865, Ziff. 6,.

Bundesblatt 1865. I. 151, betreffend die Duldung der Polen, noch in Kraft sei und ob nicht mit Bezug auf die in der Schweiz noch zurükgebliebenen Polen weitere Verfügungen getroffen werden sollten.

Der Bundesrath antwortete hierauf
unterm 20. März wie folgt: Jener Beschluß bestehe allerdings auch zur Zeit noch in Kraft..

Die Frage der definitiven Regulirung sei darum möglichst lange verzögert worden, weil der Bundesrath geglaubt habe, die Bei-

627 behaltung des status quo liege sowohl im Interesse der Kantone, als in demjenigen der Polen, da im Laufe der Zeit viele der leztern haben zurükkehreu oder eine Beschäftigung haben ergreifen können, welche ihnen die Einbürgerung, wenn sie einmal nöthig werden sollte, erleichtern würde. Auch sei noch immer einige Bewegung unter den Polen, indem einzelne nach auswärtigen Staaten abreisen und andere aus fremden Staaten nach der Schweiz kommen. Nun habe die Schweiz andern Staaten gegenüber den Grundsaz der freien Zirkulation der polnischen Flüchtlinge aufgestellt und zur Anerkennung gebracht; es dürfte deshalb ihr am wenigsten gut anstehen, wenn sie der erste Staat wäre, der wieder zu der strengern polizeilichen Kontrole zurükkehren würde. Daß aber dieses die faktische Folge der Aufhebung des jezt bestehenden modus vivendi wäre, verstehe sich von selbst, indem die Kantone kaum so rüksichtsvoll in Gestattung des Aufenthaltes wären, wenn sie wieder allein die Folgen davon zu tragen hätten.

Bis jezt habe kein anderer Kanton eine Aenderung der jezigen Sachlage angeregt. Wenn aber die Regierung nach näherer Würdigung dieser Verhältnisse dies definitiv verlange, so werde der Bundesrath nicht ermangeln, darauf einzutreten und den Modus des Verfahrens in Berathung ziehen und nach Maßgabe der Verhältnisse feststellen.

Gegenwärtig sei über das weitere Vorgehen noch nichts festgestellt; es könne also hierüber der Regierung keine Auskunft gegeben werden. Ohne Zweifel müßte vor allem aus eine genaue Statistik der jezt in der Schweiz lebenden polnischen Flüchtlinge erhoben und jeder fernere Zuwachs ausgeschlossen werden. Darauf würde den eingeschriebenen Flüchtlingen eine Frist eingeräumt werden müssen, innerhalb welcher sie anzuhalten wären, ihre Position selbst zu ordnen. Säumigen gegenüber würden später angemessene polizeiliche Maßregeln erfolgen.

V. Werbung.

Es sind auch im Jahre 1874 verschiedene Anzeichen zu Tage getreten, daß die Anwerbung von Schweizern nach H o l l ä n d i s c h i n d i e n wieder schwunghafter botrieben werde. Das Departement ermangelte nicht, tiberall dagegen einzuschreiten. Der Repräsentant des schweizerischen Generalkonsulates in Batavia bestätigte ebenfalls jene Erscheinung und machte auf das traurige Loos aufmerksam, dem weitaus die meisten der Angeworbenen durch physische

628

und moralische Verkommenheit verfallen, um gleichzeitig vor dem Eintritte in jenen Militärdienst zu warnen (Bundesbl. 1874 II. 766).

Der Bundesrath nahm hieraus Anlaß, mittelst eines Kreisschreibens, vom 9. September 1874 sämmtliche eidgenössische Stände auf die Thatsache der vermehrten Werbung aufmerksam zu machen und sie zu strengem gerichtlichem Einschreiten einzuladen (Bundesblatt 1874 II. 850).

Im Laufe des Jahres 1874 sind gemäß § 3 des Bundesgesezes vom 30. Juli 1859 wegen W e r b u n g verurtheilt worden: 1) Johann B i c h s e l von Hasle bei Burgdorf zu 2 Monaten Gefängniß, 200 Fr. Buße und 3 Jahre Einstellung der bürgerlichen Ehrenfähigkeit ; 2) Maria Bichsel, geb. Gerber, des Obigen' Ehefrau, zu.

l Monat Gefängniß und 50 Fr. Buße ; dieses Urtheil ist vollzogen ; 3) Johann Peter W a g n e r von Basel zu 3 Monaten Gefängniß, 100 Fr. Buße und 5 jähriger Einstellung im Aktivbürgerrecht. Die Gefängnißstrafe ist vollzogen. Nachher begab sich Wagner in's Ausland.

4) Balthasar R u e f l i von Grenchen zu l Monat Gefängniß und 5 Fr. Buße. Die Gefängnißstrafe ist ebenfalls vollzogen.

Die im Jahr 1873 ebenfalls wegen Werbung verurtheilten Johann G l u t z und Franz B a n n w a r t von Solothurn haben bekanntlich bei der Bundesversammlung um Erlaß der Gefängnißstrafe im Wege der Begnadigung nachgesucht. Die Bundesversammlung hat zwar am 27. Juni 1874 beide Gesuche abgewiesen; allein Johann Glutz erneuerte sein Gesuch und erlangte mit Rüksicht auf seinen bedenklichen Gesundheitszustand am 18. März 1875 eine Reduktion der Gefängnißstrafe auf 6 Wochen.

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D. Heimatlosenwesen.

Der Große Rath des Kantons T essin hat über die schon seit Mai 1873 bïi ihm liegenden Protestationen einzelner Gemeinden immer noch nicht entschieden. Auch die an ihn zu Händen der betreffenden Kommission erlassenen Mahnungen blieben erfolglos. Wir werden uns bemühen, den Großen Rath zu einem beförderlichen Beschlüsse zu veranlaßen, damit dann die definitive Einbürgerung der betlieiligten Personen stattfinden kann. Was den Staatsrath des Kantons Tessin betrifft, so ergibt sich aus seinem Bericht vom 17. Februar 1875, daß er an der Erledigung einzelner Fälle, die entweder schon pendent waren oder neu enldekt wurden, thätig war, und daß er überhaupt die Erledigung der ganzen Angelegenheit möglichsit befördert. In dieser Weise sind im Laufe des Jahres 1874 bis 6. Februar 1875 wieder 139 Personen eingebürgert worden, so daß bis zu diesem Tage im Kanton Tessin 1329 Personen eingebürgert wurden. Mit Bezug auf eine ziemliche Anzahl von Individuen wurde ermittelt, daß sie Ausländer und zwar der größte Theil davon Italiener seien. Von der Einbürgerung dieser Klasse kann daher keine Rede sein, bis die im Gange befindlichen Verhandlungen mit den betheiligten Staaten erledigt sind, d. h. bis die Nationalität jedes einzelnen Individuums festgestellt ist.

Was den Kanton W a l l i s betrifft, so bestätigt der Slaalsrath in seinem lezten Bericht vom 5. Februar 1875, daß die Einbürgerung der Heimatlosen vollzogen sei. Im Laufe des lezten Jahres haben noch einige Uneheliche eingebürgert worden müssen, und wenn noch hie und da einzelne neue Fälle auftauchen, so werden sie sofort erledigt. Es bleiben jezt nur noch diejenigen Familien einzubürgern, welche mit andern Kantonen streitig sind und über die noch der Bundesrath, resp. das Bundesgericht, zu entscheiden hat.

Der voi- Bundesgericht aus dem Jahre 1873 pendent gebliebene Rekurs der Regierung des Kantons Schwyz gegen den Entscheid des Bundesrathes, betreffend die Einbürgerung der Familie V i ne t, wozu der Kanton Waltis in's Recht gerufen wurde, ist mit Urtheil vom 11. MLrz 1874 abgewiesen worden. -- Ueber die Einbürgerung der Familie Nidegg e r konnte das Bundesgericht erst im Januar 1875 urtheilen. Es wurde der Entscheid des Bundesrathes bestätigt und der Kanton Freiburg zur Einbürgerung verpflichtet. -- In

630 «inigen Fällen wurde die Anerkennung der betreffenden Personen durch ihre ursprünglichen Heimatstaaten erwirkt, sowie auch einige Kantone auf dem Korrespondenzwege veranlaßt wurden, einzelne Personen freiwillig anzuerkennen. -- Im übrigen wurden auch mehrere ältere Untersuchungen ergänzt, allein die Arbeiten des Departements machten es unmöglich, die noch pendenten Untersuchungen betreffend die Einbürgerung Heimatloser in der Weise zu fördern, wie es wünschbar gewesen wäre.

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Bericht des schweizerischen Bundesrathes an die h. Bundesversammlung über seine Geschäftsführung im Jahre 1874.

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1875

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08.05.1875

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