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Schweizerisches Bundesblatt.

XXVII. Jahrgang. IV.

Nr. 50.

13. November 1875.

J a h r e s a b o n n e m e n t (portofrei in der ganzen Schweiz): 4 Franken.

Einrükungsgebühr per Zeile 15 Bp. -- Inserate sind franko an die Expedition einzusenden Druk und Expedition der Stämpflisehen Buchdrukerei in Bern.

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Bundesrathsbeschluss m

Sachen des Rekurses der Herren Chavannes, Brochon & Cie- in Ascona, betreffend Erstellung einer DynamitFabrik auf den Inseln Brissago im Lago Maggiore.

(Vom 11. August 1875.)

Der s c h w e i z e r i s c h e B u n d e s r a t h hat

in Sachen der Herren Chavannes, Brochon & Comp. in Ascona, betreffend Erstellung einer Dynamit-Fabrik auf den Inseln Brissago im Lago Maggiore; nach angehörtem Berichte des Eisenbahn- und Handelsdepartements und nach Einsicht der Akten, woraus sich ergeben : 1. Im Jahre 1873 schlössen die Herren Chavannes, Brochon & Comp. mit dem Unternehmer der Tunnel-Baute durch den St. Gotthard einen Vertrag, womit sie sich zur regelmäßigen Lieferung eines größeren Quantums Dynamit verpflichteten.

Zu diesem Zweke erstellten sie in der Nähe von Ascona eine Dynamit-Fabrik. Das Etablissement war in voller Thätigkeit, als am 14. Mai 1874 eine Explosion stattfand und das Etablissement vollständig zerstört wurde. Der 14. Mai war ein Feiertag, und es wurde demnach nicht gearbeitet.

Bundesblatt. Jahrg. XXVII. Bd. IV.

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Der Gemeinderath von Ascona verlangte hierauf beim Staatsrathe von Tessin, es möchte der Wiederaufbau der Fabrik, weil zu nahe von Ascona (700m) nicht mehr gestattet werden. Nachdem der Staatsrath dieses Verlangen als unbegründet, abgewiesen, beschwerten sich hierüber der Gemeinderath und die Firma Delande, welche in einer Entfernung von circa 300 Metern von der DynamitFabrik eine englisch-amerikanische Mühle hat, beim ßundesrath.

Unterm 24. August v. J. hat der Bundesrath die Beschwerde abgewiesen, und zwar gestüzt auf folgende Motive: ,,In der Bundesverfassung ist dem Bundesrathe keinerlei Anhalt dafür gegeben, gegen den vom Staatsrath von Tessin gestatteten ' Wiederaufbau des fraglichen Etablissements Einsprache zu erheben. In Folge des Verfassungsparagraphen, welcher die '""Freiheit von Handel und Gewerbe im Gebiete der Eidgenossenschaft garantirt, liegt vielmehr seine Aufgabe darin, zu weit gehende Beschränkungen dieses Grundsuzes Seitens der Kantone zu verhindern, als ihnen Beschränkungen desselben aufzuerlegen.a Die Fabrik wurde wieder aufgebaut uud explodirte abermals Sonntags den 13. Dezember 1874.

"to' 2. Die Herren Chavannes, Brochon & Comp. verließen hierauf das Projekt des Wiederaufbaues an gleicher Stelle, und pachteten die Inseln Brissago auf dem Lago Maggiore, um dort ein neues Etablissement zu erstellen. Die in Aussicht genommene Baustelle auf der kleinern dieser beiden Inseln ist vom westlichen Seeufer 1000, vom nächstgelegenen Dorfe Ronco 1200 Meter, die Baustelle auf der größern Insel 1100 Meter vom Ufer und 1400 Meter vom genannten Dorfe entfernt.

Gegen dieses Bauprojekt erhoben Ronco und mehrere entferntere Gemeinden als: Brissago, Ascona, Solduno, Losone, Locamo, Magadino, Gerra, Vira, San Abbondio und Caviauo beim Staatsrathe von Tessin Einsprache. Die Herren Chavannes, Brochon & Comp.

hatten bereits die Arbeiten begonnen. Unterm 20. April beschloß der Staatsrath von Tessin, es seien die Arbeiten einzustellen, bis sich derselbe über die Zuläßigkeit der Erstellung einer DynamitFabrik auf diesen Inseln überhaupt ausgesprochen habe.

Diese Verfügung wurde von Herrn Fürsprecher Rambert in Lausanne, Namens der Herren Chavannes, Brochon & Comp. mit Zuschrift vom 26. gl. Mts. an den Bundesrath rekurrirt und das Gesuch gestellt, jener Beschluß sei aufzuheben, indem derselbe die Rekurrenten wesentlich schädige und dem Artikel 31 der Bundesverfassung widerspreche.

595 Nachdem diese Rekursschrift dem Staatsrathe von Tessin zur VernehmlassungO mitsetheilt worden war.i erwiderte derselbe mit O Schreiben vom 4. und 5. Mai abhin, daß der Rekurs dem dortseitigen Großen Rathe Übermacht worden sei, bei welchem sich die Aufstellung gesezlicher Vorschriften betreffend die Fabrikation von Nitro-Glycerin und Dynamit bereits anhängig befinde.

3. Am 5. Mai If. J. erließ der tessinische Große Rath ein Gesez, wonach (Art. 8) die Fabrikation von Nitro-Glycerin und Dynamit nur in einer Entfernung von wenigstens 5 Kilometern von menschlichen Wohnungen, selbst isolirten, stattfinden darf (La fabricazione della nitro-gjicerina e della dinamite non potrà aver luogo ad una distanza minore di cinque chilometri dalle abitazione, anche isolate).

Namens der Herren Chavannes, Brochon & Comp. führt Hr.

Fürsprecher Rambert mit Zuschrift vom 17. gl. Mts. Beschwerde über diese Vorschrift, die einem gänzlichen Verbot der DynamitFabrikation im Kanton Tessin gleichkomme, da es kaum irgend eine Stelle gebe, die von einer selbst isolirten menschlichen Wohnung 5 Kilometer entfernt sei. Angesichts des Art. 31 der Bundesverfassung sei jene Vorschrift unstatthaft.

Es wird damit das Gesuch verbunden: a. Der Bundesrath möchte durch Experten die Baustelle und die Baute selbst, wie sie gemäß vorliegenden Plänen ausgeführt zu werden beabsichtigt sei, untersuchen lassen.

b. Nach erhaltenem Expertenbericht möchte der Bundesrath ^ beschließen, daß die Beschwerdeführer unter Beobachtung der Bedingungen, welche von den Experten aufgestellt werden, das Recht zur Erstellung einer Dynamit-Fabrik auf den bezeichneten Inseln haben.

c. Alle gegent.heiligen Beschlüsse der kantonalen Behörden von Tessin seien als im Widerspruch mit der Bundesverfassung zu erklären und zu annulliren.

Der Staatsrath von Tessin erwidert mit Schreiben vom 4./7.

Juni mit Bezugnahme auf seine vorläufige, oben erwähnte Mittheilung vom 4./5. Mai auf die ihm zur Vernehmlassung zugesandte Beschwerde vom 26. Mai: Der Große Rath habe unterm 12. Mai entschieden, daß der Staatsrath bei Erlaß seines Beschlußes vom 20. April innerhalb der Sphäre seiner Kompetenzen gehandelt und daß mit Hinsicht auf das Gesez vom 5. Mai der Rekurs seine Bedeutung verloren habe und als dahingefallen zu betrachten sei.

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4. Am, 9. Juli abhin hat der Staatsrath nach Einsicht folgender Einsprachen gegen Erstellung einer Dynamit-Fabrik auf den bezeichneten Inseln : a. der Gemeinden Brissago, Ronco, Ascona, Losoue, Solduno, Locamo, Magadino, Vira, Gerra, San Abbondio und Caviano, de dato 6. April If. J.; b. von- Giovanni Jelmoni, Eigenthümer von Fischerei-Rechten auf den Inseln San Apollinare und Pancrazio, d. d. 8. Mai ; c. von Giuseppe Jelmoni, ebenfalls Besizer von Fischerei Rechten; d. von Pietro Jelmoni, Giuseppe Piazzoni und 46 Mitunterzeichneten von Brissago, d. d. 10. Mai, welche ihre Einsprache darauf stüxen, daß sie seit unvordenklicher Zeit das Fischereiracht, das Recht des freien Durchganges und der Zuflucht im Falle von stürmischer Witterung auf dem See etc. haben ; e. der Gemeindeversammlung von Brissago, d. d. 16. Mai, welche speziell auf die Gefahr für die dortige Tabakfabrik mit 400 Arbeitern hinweist, im Falle die projektirte DynamitFabrik erstellt würde; f. des Gemeinderathes von Ronco, d. d. 17. Mai, welches Dorf gegenüber den benannten Inseln gelegen und besondern Geiahren bei einer Explosion ausgesezt wäre; den Beschluß gefaßt: Die Fabrikation von Dynamit und Nitro-Glycerin auf den genannten Inseln sei nicht gestattet, unter Androhung der gesezlichen Strafen.

3

O

Dieser Beschluß wird damit motivili: Die erhobenen Einsprachen seien in Hinsicht auf die bei der Dynamit-Fabrik von Ascona, die zwei Mal explodirte, gemachten Erfahrungen begründet; die Bürger haben ein Recht, vor solchen kontinuirlichen Gefahren besehüzt zu werden; die Gewerbefreiheit gehe nicht so weit, daß Eigenthum und Leben ihr nachstünden ; dieselbe dürfe in ihrer Anwendung auch nicht Rechte, wie die angeführten, zum Fischen, Gehen und Anlanden beeinträchtigen; das Gesez vom 5. Mai gestatte schließlich die Dynamit-Fabrikation nur in einer Entfernung von wenigstens 5 Kilometern von, selbst isolirten, menschlichen Wohnungen.

Fürsprecher Rambert, welcher unterm 23. Juli jenen Beschluß übermittelt, bestreitet die Schädigung von Privatrechten durch eine

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Dynamit-Fabrik, wie sie beabsichtigt sei, bemerkt, daß Ortschaften, wie Locamo und Magadino, welche Einsprache erhoben, selbst 6--9 Kilometer von den Brissago-Inseln entfernt seien, und beruft sich im Uebrigen auf seine bereits eingereichte Rekursschrift.

5. Das Eisenbahn- und Handelsdepartement hat die Frage der Zuläßigkeit der Erstellung einer Dynamit-Fabrik auf den genannten Inseln durch einen Experten, Herrn Oberst Hermann Siegfried, Chef des eidgenössischen Stabsbüreau, untersuchen lassen.

Derselbe erstattete genanntem Departement unterm 24. Juli abhin folgendes Gutachten: 9

,,Sie haben uns beauftragt, aus Anlaß der Beschwerdeschriften, welche in Betreff der Maßregeln der tessinischeu Behörden gegen die Wiedererrichtung einer Dynamitfabrik bei Ihrem Dopartemente eingegangen sind, folgende Fragen zu begutachten : 1. Natur und Gefahren des Nitro-Glycerins und Dynamits.

2. Ist die Vorschrift des Großen Rathes des Kantons Tessin, wonach eine Dynamitfabrik mit Hinsicht auf die damit zusammenhängenden Gefahren nur in einer Entfernung von mindestens 5 Kilometern von irgend einer menschlichen Wohnung erstellt werden darf, begründet, eventuell welche Entfernung erscheint bei einem gewissen Vorrath des explosionsfähigen Stoffes als angezeigt -- mit Angabe des Maximums des bei gewissen Entfernungen zu gestattenden Vorrathes.

3. Ist die Erstellung einer Dynamitfabrik auf der Insel Brissago mit Hinsicht auf Ziffer l und 2 zuläßig oder nicht, bejahenden Falles unter welchen speziellen Bedingungen.

Wir versuchen, im Folgenden Ihrem Auftrage zu entsprechen :

I.

Darstellung des Nitroglycerins.

Das N i t r o g l y c e r i n wird aus Glycerin und einem Gemisch von Schwefel und Salpetersäure dargestellt. Das Glycerin, ein Bestandtheil des thierischen Fettes, wird bei der Stearinfabrikation gewonnen. Bei der Mischung von 2 Theilen Schwefelsäure und l Theil Salpetersäure mit 1/î Vol. Glycerin scheidet sich unter Umrühren das Nitroglycerin aus, das in kaltes Wasser geschüttet, sich am Boden sammelt. Die Schwefelsäure hat bei der Darstellung keine weitere Bedeutung, als daß sie das durch die Einwirkung der Salpetersäure auf Glycerin entstandene Wasser aufnimmt und so der Verdünnung der Salpetersäure vorbeugt. Das Nitroglycerin

598 ist eine hellgelbe ölige Flüssigkeit, welche auf welcher Eigenschaft die Darstellung beruht. Das spezifische Gewicht ist 1,6.

erstarrt das Nitroglycerin zu einer festen bei ca. 11° thaut es wieder auf.

im Wasser unlöslich ist, eines reinen Produktes Auf -|- 8° abgekühlt, krystallinischen Masse;

Zersetzung des Nitroglycerins.

Bei dem Nitroglycerin kann wie bei der Schießbaumwolle eine freiwillige Zersetzung durch Zerfallen unter Ausgabe von Gasen und Entstehung anderer Produkte stattlinden. Solche Zersetzungen könnea Explosionen herbeiführen. Die ° Ursache liegt in dem unreinen Produkt, wenn geringe Mengen von Salpetersäure zurückbleiben.

Die sorgfaltige Reinigung ist daher eine der wesentlichsten Bedingungen bei der Fabrikation. Das Sprengöl nimmt beim Beginn dieses Prozesses eine grünliche Farbe an. Ein reines Produkt erhält sich Jahre lang ohne Veränderung. Beim Erwärmen auf 180° explodirt das Nitroglycerin; es ist jedoch dabei erforderlich, . daß die ganze Masse gleichmäßig erwärmt werde. Wird das Sprengöl bei gewöhnlicher Temperatur angezündet, so brennt es ab ohne zu explodiren, indem es ganz verbrannt ist, bevor es die zur Explosion erforderliche Temperatur erreicht hat. Es ist daher bei Feuersbrünsten geringe Explosionsgefahr vorhanden, wenn nicht allzu große Vorräthe in Brand gerathen.

Gegen die Wirkung der Elektricität ist das Nitroglycerin unempfindlich.

Das sicherste Mittel bei der Verwendung des Nitroglycerins zu Sprengungen, die Explosion herbeizuführen, ist die Entzündung einer Kapsel mit Knallqueksilber, die mit der Substanz in Berührung gebracht worden ist. Die zerstörende Wirkung der Explosionsstoffe beruht auf der Eigenschaft, daß die explosive Zersetzung den Körper in Gase verwandelt, welche bei dem gewöhnlichen Druck einer Atmosphäre ein mehrere hundert Mal größeres Volumen einnehmen würden und nun in dem eben so viel Mal kleineren Räume zusammengepreßt, gegen die umgebenden Hüllen den Druck ausüben, welcher die gewaltigen Wirkungen hervorbringt. Ueberdies erzeugt die Zersetzung große Quantitäten Wärme, welche das Ausdehnungsvermögen der Gase noch in hohem Maße vermehren.

Infolge der außerordentlichen Katastrophen, welche beim Transport des Nitroglycerins in New-York 1865, in Aspinwall 1866 und in San Francisco 1866 stattfanden', wurde in den Vereinigten

599 Staaten der Transport dieser Substanz auf den Dampfschiffen, Fuhrwerken und Personenzügen bei einer Strafe von 5000 Dollars verboten. Wenn eine Explosion von Nitroglycerin einen Todesfall herbeiführt, so ist jede Person, welche an dem Transport theilgenommen hat, des Todschlages beschuldigt und wird zu wenigstens zwei Jahren Ge-fängniß verurtheilt.

In Belgien wurde der Transport und der Gebrauch von Nitroglycerin im Jahre 1868 in Folge einer Explosion in Quenast untersagt.

Im Juni und Juli 1868 fanden in Schweden zwei Explosionen in den Fabriken von Nobel statt, in Folge deren der Transport dieser Substanz bei Strafe verboten wurde.

Die englische Regierung untersagte den Gebrauch des Nitroglycerins in Folge der Unglücke in Cornavon. Heutigen Tages wird das Nitroglycerin-nirgends mehr zum Transporte zugelassen und auch in seiner flüssigen Form nicht mehr zur Sprengung verwendet.

Dynamit.

Herstellung.

Der Dynamit ist eine Erfindung des Ingenieurs Nobel, welcher die Gefährlichkeit des Nitroglycerins dadurch aufzuheben suchte, daß er demselben die flüssige Form entzog, bei welcher die Gefahr darauf beruht, daß sich ein Stoß sofort der ganzen Maße mittheilt.

Nobel ließ das Nitroglycerin durch eine poröse Substanz aufsaugen, wodurch die explosive Eigenschaft dieses Oels nicht verändert wird, während ein Schlag oder Stoß sich nicht mehr der ganzen Masse mittheilt.

Als zweckmäßigste absorbirende Substanz wird die Kieselguhr angewendet, eine kieselhaltende Erde, die in großen Lagern in Hannover vorkommt. Die durch Kaleiniren gereinigte Kieselguhr zeigt unter dem Microscup unzählige Zellen der Algen, aus welchen diese Erde entstanden ist.*) *) Die Stückelalgen (Diatomaceen) sind mikroskopische kleine einzellige Pflanzen, die mit einem starken Kieselpanzer bekleidet sind. Die Vermehrung geschieht durch Theilung, indem di · einzellige Pflanze durch Bildung einer Scheidewand in zwei sich spaltet. Der zierliche mit Leisten und Rippen besetzte Kieselpanzer leidet weder durch Hitze noch durch Fäulniß, er ist unzerstörbar und bleibt durch alle Jahrtausende der geologischen.

Perioden unverändert.

600 Beim Vermengen des Kieselguhr mit Nitroglycerin und Kneten der Mengung wird die Flüssigkeit von den Zollen aufgenommen; diese zeigen einen großen Widerstand gegen Stoß und Druck und halten die Flüssigkeit durch Kapilarität zurück. 75 Theile Nitroglycerin werden von 25 Theilen Kieselguhr aufgesogen. Die entstehende röthliche teigartige Masse wird für den gewöhnlichen Gebrauch in cylinderförmige Formen von 22 m m Durchmesser und 80-- 90 mm Länge gefahrlos gepreßt und mit Pergamentpapier umhüllt, womit die Dynamitpatrone fertig ist.

Seit der Erfindung des Dynamits ist der Gebrauch des Nitro" glycerins für Sprengungen aufgegeben worden.

Eigenschaften.

Der Dynamit besitzt eine Dichtigkeit von 1,6. Bei der Temperatur von + 8° wird er hart, indem das Nitroglycerin gefriert.

Das Aufthauen muß mit den gleichen Vorsichtsmaßregeln wie beim Nitroglycerin vorgenommen werden. Mau gebraucht dazu Wärmeflaschen mit doppelten Wandungen. In den innern Baum wird der Dynamit gesetzt, während der Baum zwischen den beiden Wandungen mit lauwarmem Wasser gefüllt wird.

Wird eine Dynamitpatrone durch eine gewöhnliche Flamme entzündet, so brennt sie ohne Explosion ruhig ab ; die Kieselerde bleibt zurück. Die Explosion muß durch einen Zünder mit Knallquecksilber bewerkstelligt werden. Eine hölzerne Kiste, die einige Kilogramm Dynamit enthält, kann aufs Feuer gesetzt werden, ohne daß eine Explosion entsteht. Die Hülle wird sich unter dem Druck der Gase öffnen, der Dynamit mit einer Flamme abbrennen. Ist jedoch das Gefäß fest verschlossen, so findet eine Explosion statt.

Wird eine gewöhnliche Zündschnur mit dem Dynamit in Verbindung gebracht, so verbrennt dieser ohne Explosion. Sind jedoch große Quantitäten Dynamit in einem Magazin beisammen, so wird bei einer Feuersbrunst eine Explosion stattfinden, indem die Temperatur des Innern der Masse auf 180° steigen kann, bevor das Aeußere verbrannt ist. Bei einem englischen Experimente mit 304 Kilogramm Dynamit erfolgte, nachdem der angehäufte Brennstoff angezündet worden war, die Explosion nach 10 Minuten.

Eine in einer offenen Blechbüchse eingeschlossene Dynamitpatrone wurde ins Feuer geworfen. Der Dynamit verbrannte ohne Explosion.

Wurde die Hülse mit einem angeschraubten Metallpfropfen verschlossen , so fand eine heftige Explosion statt. Mit einem gewöhnlichen Pfropfen
verschlossen, war die Explosion weniger heftig.

Der gefrorene Dynamit ist weniger leicht anzuzünden und schwierig zur Explosion zu bringen. Mau sucht daher nach Beimischungen, welche das Gefrieren verhindern.

601

Gegen Stoß und Schlag ist der Dynamit in hohem Grade unempfindlich. Für die Handhabung und den Transport ist er daher ziemlich ungefährlich. Die Erschütterung beim Transport auf Wägen, das Herunterfallen von Dynamitkisten, das Zusammenstossen der Eisenbahn wägen beim Kuppeln scheinen keine Wirkung auf den Dynamit zu haben. Strenge Vorschriften für den Trausport sind nichtsdestoweniger nothwendig, weil bei schlechtem Fabrikate Nitroglycerin ausschwitzen kann. Man ließ Gefässe von Blech, Glas, Holz etc., die mit Dynamit gefüllt waren, aus einer Höhe von 25 m auf Stein fallen, ohne eine Explosion zu erzeugen. Man ließ einen Stein von 100 Eil. aus einer Höhe von 30m auf Dynamit fallen: es ergab sich keine andere Wirkung als die Zerstreuung der Masse.

Ein starker Schlag von Eisen auf Eisen verursacht die Explosion des Dynamits; Eisen auf Stein nur in seltenen Fällen, und es ist fast unmöglich, dieselbe durch einen Schlag von Eisen auf Holz zu erhalten. Ein in Dynamit geschossenes Projectil bringt denselben zur Explosion.

Eine preußische Militär-Kommission hat sich dahin ausgesprochen, daß dei- Dynamit als der sicherste aller explosiven Präparate gelten könne und daß sein Transport geringere Vorsicht erheische als der von Schießpulver.

Stabilität, Der reine Dynamit bleibt während Jahren unverändert. Enthält er aber Spuren von Säuren, so zersetzt er sich langsam und ohne Explosion. Um dies zu verhindern wird '/2°/o basischer Körper zugesetzt, welche die geringen Mengen freier Säure neutralisiren sollen. Es sind keine Fälle von spontaner Zersetzung durch Explosion bei der Magazinirung bekannt. .

Allerdings dürfte eine Gefahr in der Exsudation, des Nitroglycerius liegen, wenn die absorbirende Substanz über ihr Rückhaltungsvermögen mit Nitroglycerin getränkt würde. Es wird dieser Eventualität durch sorgfältige Fabrikation und amtliche Kontrole vorgebeugt. Auch bildet die Verpackung in k l e i n e Patronen mit Papierhülle eine Vorsichtsmaßregel dagegen. Wird der Dynamit unter Wasser gebracht, so tritt nach einiger Zeit eine Veränderung ein, indem das Wasser in die Zellen der Kieselguhr eintritt und das Nitroglycerin ausscheidet. Für Sprengungen im Wasser sind deßhalb wasserdichte Patronen zu gebrauchen.

Beim Transport ist der Dynamit sorgfältig vor Regen zu bewahren, indem das ausgeschiedene Nitroglycerin Explosionen verursachen könnte.

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B e r e c h n u n g der Wirkung.

Um einen Anhaltspunkt für die explosive Wirkung des Dynamits zu erhalten, vergleicht man sie mit der Wirkung des Pulvers. Die Theorie wendet zur Vergleichung die Produkte des Volumens der entstehenden Gase mit der entwickelten Wärmemenge an. Demnach würde bei gleichem Gewicht der Dynamit eine 6mal größere Wirkung als Sprengpulver hervorbringen oder bei gleichem Volumen eine lOmal größere.

Die theoretischen Zahlen werden aber in Wirklichkeit nicht erreicht. Wir nehmen für den militärischen Gebrauch des Dynamits an, daß die Wirkung 2 l /2 bis 3 mal die des Sprengpnlvers betrage, und berechnen die Ladung nach diesem Verhältniß, ohne jedoch die unter verschiedenen Umständen eigenthümliche Art der Wirkung des Dynamits unberücksichtigt zu lassen.

Man erhält somit als Anhaltspunkt für die Berechnung der Dynamitladung die Formel : C =r

2

/3 (f h3

,,

wenn e die Ladung in Kilogramm, h die kürzeste Widerstandslinie in Metern und x die Pulverladung ist, um einen Kubikmeter des zu sprengenden Materials auszuwerfen. (Für Felsen z. B. y -- 1,78.)

n.

· Um die Frage des Handelsdepartementes über die zu fordernden Entfernungen der Dynamifcfabriken von bewohnten Orten und über das Maximum der Vorräthe von explosiven Stoffen, das bei gewissen Entfernungen zu gestatten ist, zu beantworten, sollten auch die Vorschriften, die in andern Ländern aufgestellt worden sind, benützt werden. Es ist aber dieser Gegenstand überhaupt neu, und die verschiedenen Staaten beginnen erst jetzt, Gesetze und Vorschriften darüber aufzustellen. Wir sind daher angewiesen, selbst die nöthigen Regeln aus den Erfahrungen abzuleiten, die bei der Explosion vom 13. Dezember in Ascona gemacht worden sind.

Zu diesem Zwecke haben wir die Wirkung der Explosion an Ort und Stelle in Augenschein genommen und ein Register des offiziell erhobenen Schadens benützt.

Bei der früheren Explosion im Mai 1874 sind in zwei aufeinanderfolgenden Detonationen zwei Depots, das eine von 150 Litres und das andere von 250 -Litres Nitroglycerin explodirt. Ein Dépôt von 1000 Kilog. Dynamit, welcher sich in einem Pavillon befand, der 12 m und 15 m von den explodirten Gebäuden entfernt war, blieb unversehrt, obschon der Pavillon selbst auf die Dynamitkisten stürzte und dieselben zerbrach.

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Die Wirkung in dem ca. 700TM entfernten Ascona war gering und bestand ausschließlich in einer Anzahl -zerbrochener Fensterscheiben.

Die Wirkung der Explosion vom 13. Dezember 1874 hingegen eine Katastrophe für Ascona.

war

Die Häuser wurden wie von einem Erdbeben geschüttelt und erhielten Risse in den Wänden und Decken. Nachdem au diesem Tage eine erste Explosion eine große Menschenmenge herbeigeführt hatte, fand eine zweite statt, bei welcher 4000 Kilog. Nitroglycerin sich entzündeten. Ein Arbeiter, der mit der Verhinderung einer Entzündung beschäftigt war, wurde getödtet; die Menge der Zuschauer, die in größter Nähe standen, blieb verschont. Die zerstörende Wirkung an Gebäuden machte sich aber bis in die Entfernung von 5 und 6 Kilometern geltend, während ein auf 40 bis 50 m hinter Bäumen stehendes Fabrikgebäude unversehrt blieb.*) 1

Die Folge dieses Ereignisses war eine grenzenlose Erbitterung der Bewohner dieser Gegend gegen das Unternehmen der Dynamitfabrikation. Die Gemeinde Ascona untersagte die Wiederherstellung der Fabrik auf ihrem Gebiete und der Große Rath des Kantons erließ ein Gesetz, nach welchem eine Dynamitfabrik wenigstens 5 Kilometer von bewohnten Orten entfernt sein soll.

Die Unternehmer beabsichtigten darauf, die neue Fabrik auf den Inseln von Brissago zu erstellen, woran sie aber bis heute durch das genannte Gesetz verhindert wurden.

Die von der Dynamit-Unternehmung für den Schaden /u entrichtenden Entschädigungen betragen für sämmtliche Ortschaften Fr. 16,000, welche sich wie folgt vertheilen :

*) Es blieben ohne zu explodiren 375 Kilog. Dynamit in 15 Kisten nnd ein Haufe gefrorenen Dynamits von 600 Kilog.

604

Ortschaft.

Entschädigung Entschädigung Entschädigung für andern per Kopf der für zerbrochene fernung. Fensterscheiben.

Schaden an Einwohner.

Gebäuden.

Ent-

700m Fr. 2700. -- Fr. 4319. -- Fr. 9. 30 ,, 405.1800 ,, _ 2938. ,, 1- 21 ,, 0. 72 2300 ,, . ,, · 267.·n · ,, 2. 60 ,, 110.1400 ., . ., 549. ,, 397.,, 348.1300 ,, , 1- 22 ,, 0.02 5000 ,, ,, 17.il · 4 ,, 0. 10 ,, 66. 6200., ,, -,, 0. 11 4000 ,, » 76.*j"3 ,, 0. 80 ,, 82. ,, 90. 5200 ,, 4100 ,, ,, -38.T) ,, 27. 5200 ,, fl ' ' 35<;0,, lì ~' »' 9-~ 4000 ,, , 31.fi ~ ' u. s. w.

Ueber diese Schätzungen erlauben wir uns die Bemerkung, daß der Betrag wohl ausreichen kann, um die entstandenen Schäden auszubessern, daß aber damit die Inconvenienzen nicht voll, entschädigt sind, daß z. B. ein neues Haus, das in allen Wänden und Decken Risse erhalten hat, nicht bloß einen Minder werth von einigen hundert Franken erlitten haben kann.

Nach Einsicht der in Ascona stattgefundenen Wirkung gewinnen wir zunächst die Ueberzeugung, daß eine Fabrik, in welcher solche Explosionen möglich sind, nicht unter l Kilometer von bewohnten Orten entfernt sein soll.

Um. irgend einen Anhaltspunkt für die Abnahme der Wirkung der Explosion mit der Entfernung zu erhalten, setzen wir die Entfernung von Ascona. = l, die von Losone und Sold uno = 2 und die von Locamo = 2,5 und vergleichen damit die Entschädigung per Kopf der Bevölkerung.

Ascona Locamo .

Orgelina .

Solduno Losone Vira . .

Magadino .

Géra St. Abbondio Tegna . .

Caviglauo .

Miousio Brioné . .

Ortschaft.

-

Ascona Losone und Solduno Locamo . . . .

EntEntfernung. schädigung?

1 2 2,5

9 1,9 1,2

Produkte.

1X9 =9 2X2X1,9 =7,6 2,5x2,5x1,2=7,5

605

es ergibt sich daraus, daß die Wirkung noch stärker als im Verhältniß des Quadrats der Entfernung abnimmt, daß es also nicht nöthig ist, die zu fordernde Entfernung einer Fabrik übermäßig auszudehnen.

Auf größere Distanzen bestand der Schaden fast ausschließlich in zerbrochenen Scheiben; in Ascona betragen die Entschädigungen für andern Schaden als Fensterscheiben 61 °/o der ganzen Summe, in Solduno noch 17 °/o, in Locamo 12°/o; auf den größeren Entfernungen beschränken sich die Entschädigungen fast ausschließlich auf Fensterscheiben, und der Betrag der Entschädigung per'Kopf reduzirt sich auf Centimes.

Nach Anführung dieser Zahlen und mit Rücksicht auf den Umstand, daß die Gesetzgebimg eine solche Anhäufung von Nitroglycerin für die Zukunft verhindern wird, beantworten wir die Frage, ob die Vorschrift des Großen Rathes des Kantons Tessin, wonach eine Dynamitfabrik mit Hinsicht auf die damit zusammenhängenden Gefahren nur in einer Entfernung von mindestens 5 Kilometern von irgend einer menschlichen Wohnung erstellt werden darf, begründet sei, mit N e i n .

Einige Anhaltspunkte für die Bestimmung der zuläßigen Entfernungen der Dynamitfabriken erhält man auch aus der Vergleichung der Vorschriften und der Praxis, die bei Pulverfabriken in Anwendung kommen.

In Frankreich und Italien scheinen bis jetzt noch keine Verordnungen aufgestellt zu sein, welche das Minimum der Entfernung festsetzen; die Dynamitfabriken werden in dieser Beziehung mit den Pulverfabriken assiimlirt, für welche Entfernungen von einigen 100 Metern angenommen werden, wobei jedoch das Maß in jedem vorliegenden Fall speziell von den betreffenden Behörden festgesetzt wird.

Die eidgenössische Pulververwaltung hat seinerzeit die Entfernung der Pulvermühlen von Wohngebäuden zu 15()m angenommen.

Die größte Pulverexplosion, die in neuerer Zeit in der Schweiz stattgefunden hat, betraf die Pulverfabrik bei Thun im Jahre 1861.

Es explodirten 1700 Kilog. Pulver. Die nächsten Wohngebäude (in einem Rayon von weniger als 100 m) wurden stark beschädigt.

In der Stadt -- auf 1800TM -- verspürten wir bloß eine starke Erschütterung, ohne daß hier irgend welche Beschädigung vorgekommen wäre.

Es scheint uns nicht nothwendig, für das Minimum der Entfernung einer Dynamitfabrik eine absolute Zahl aufzustellen; hingegen ist es geboten, in jedem speziellen Fall die Frage zu unter-

606 suchen und nach den gegebenen Verhältnissen die Bedingung für die Errichtung des Etablissements und für die Quantitäten des explosiven Stoffs, die angehäuft werden dürfen, zu bestimmen. Bei einer speziellen Untersuchung wird man leicht zur Ueberzeugung kommen, daß es auch gestattet werden kann, die Entfernung auf weniger als einen Kilometer zu setzen und die Anhäufung des explosiven Stoffes zu beschränken.

Verlangt jedoch die Gesetzgebung eine absolute Zahl, so würden wir mit Berücksichtigung der Quantitäten Dynamit, die eine Fabrik per Tag gewöhnlich erzeugt und mit Hinsicht auf den Schute, der den Anwohnern zu gewähren ist, diese Entfernung auf l Kilometer festsetzen.

" Wir glauben der Sicherheit der Anwohner genügend Rechnung zu tragen, wenn wir die vom Departemente verlangte Zahlenabgabe in folgender Weise festsetzen: Entfernung Maximum des Vorrathes, der Fabrik von bewohnten der an e i n e m Orte aufgehäuft Orten.

werden darf.

1000m 3000 Kilog. Dynamit.

600,, 1000 ,, Li allen Fällen dürfen gar keine Vorräthe von Nitroglycerin geduldet werden. Dieses ist sofort in Dynamit zu verwandeln, sobald eine Quantität von höchstens 50 Litres hergestellt worden ist.

in.

Es ergibt sich nun die Beantwortung der dritten Frage, ,,ob die Erstellung einer Dj'namitfabrik auf den Inseln von Brissago zuläßig sei oder nicht.tt Diese Inseln sind einen Kilometer vom Ufer entfernt. Wir halten daher nach den obigen Erläuterungen die Verlegung der Dj'namitfabrik an diese Stelle für zuläßig und betrachten diese Lage sogar als eine vorzüglich gut geeignete. Abgesehen von der günstigen Lage in Bezug auf die noch zu bauenden Linien der Gotthardbalm bestehen die Vortheile besonders in der Möglichkeit einer Ueberwachung gegen böswilligen Schaden.

Die Bedingungen, unter denen die Erstellung gestattet werden darf, sind folgende: 1. Beschränkung der gleichzeitigen Erzeugung von Nitroglycerin und der Vorräthe desselben auf eine geringe Quantität.

25--50 Litres.

607

2. Beschränkung der Dynamitvorräthe in demselben Magazingebäude auf 1000--1500 Kilog.

3. Entfernung der Magazingebäude von einander auf 20--25 m .

Absonderung der Magazingebäude durch Erdwälle, 1m vom" Gebäude abstehend, 0,5m Breite auf der Krone, welche den First des Gebäudes um. 0,3 m überragen soll. Böschungen von 45°. Entfernung der Magazine 200m von den Arbeiterwohnungen und 100m von den Fabrikgebäuden.

4. Absonderung der Fabrikgebäude durch gleiche Erdwälle. Beschränkung der Quantitäten explosiver Stoffe in demselben Arbeitsraume auf ein Minimum.

5. Besondere Sicherheitsvorschriften für die Arbeiter.

6. Ueberwachung der Fabrikation und Untersuchung des Fabrikats durch amtliche Kontrole."

I n E r w ä g u n g: 1) Der Staatsrath verweigert den Herren Chavannes, Brochon & Comp. die Bewilligung zur Erstellung einer Dynamit-Fabrik auf den Inseln Brissago, weil diese zu nahe von Ronco und andern Ortschaften liege, deren Bewohner in Bezug auf Sicherheit für Leben und Eigenthum gefährdet und weil Privatrechte von Fischern beeinträchtigt würden; -- und das vom Großen Rathe unterm 5. Mai abhin erlassene Gesez betreffend explodirende Stoffe schreibt vor, daß eine Dynamit-Fabrik wenigstens 5 Kilometer von menschlichen Wohnungen, selbst isolirten, entfernt sein müßte.

2) Es ist richtig, daß die im Artikel 31 der Bundesverfassung garantirte Handels- und Gewerbefreiheit nicht in dem Umfange verstanden werden darf, als wäre dabei auf Sicherheit von Personen und Eigenthum nicht gebührende Rüksicht zu nehmen. "Wenn in dieser Hinsicht von Kantonen sichernde Bestimmungen aufgestellt werden, so liegt hierin keine Verlezung jenes Grundsazes.

3) Hinwieder sollen solche sichernde Bestimmungen nicht über das nöthige Maß hinausgehen. Im Schlußsaze des alleg. Art. 31 ist ausdrüklich gesagt, daß solche Verfügungen den Grundsaz der Handels- und Gewerbefreiheit selbst nicht beeinträchtigen dürfen, um nicht der irrigen Meinung Kaum zu geben, daß es in's Belieben der Kantone gesezt sei, in dieser Materie ganz willkürlich zu verfügen.

4) Laut vorliegendem Expertengutachten gehen das alleg.

Gescz vom 5. Mai abhin und die vom Staatsrathe zur Sicherung der Bürger gegen die Gefahren der projektirten Fabrik gefaßten Beschlüsse über das nöthige Maß hinaus und verstoßen sich deß-

608 halb gegen den Artikel 31 der Bundesverfassung, resp. den Schlußsaz desselben. Unter den nähern, im Gutachten Ziffer III enthaltenen Bedingungen wird die Verlegung der Dynamit-Fabrik auf die Inseln Brissago als zuläßig erachtet und die Lage sogar als eine vorzüglich gut geeignete bezeichnet.

5) Was die Einsprüche privatrechtlicher Natur gegen die projektirte Baute betrifft, so fallen dieselben nicht in die Cognition des Bundesrathes, beschlossen: 1. Der Rekurs ist als begründet erklärt und der Staatsrath von Tessin angewiesen, den Rekurrenten den Bau der DynamitFabrik auf den Inseln Brissago zu gestatten.

2. Dem Staatsrathe wird überlassen, innerhalb der Grenzen der in Ziffer III des Expertengutachtens aufgestellten Bedingungen und unvorgreiflich allfälligen spätem Vorschriften des Bundes, nähere Sicherheitsbestimmungen aufzustellen.

3. Dieser Beschluß ist dem Staatsrathe von Tessin und den Rekurrenten mitzutheilen.

B e r n , den 11. August 1875.

Im Namen des Schweiz. Bundesrathes, Der B u n d e s p r ä s i d e n t :

Scherer.

Der Kauzler der Eidgenossenschaft : Schiess.

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Bundesrathsbeschluss in Sachen des Rekurses der Herren Chavannes, Brochon & Cie. in Ascona, betreffend Erstellung einer Dynamit-Fabrik auf den Inseln Brissago im Lago Maggiore. (Vom 11. August 1875.)

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Bundesblatt

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Jahr

1875

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50

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13.11.1875

Date Data Seite

593-608

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