1112

# S T #

Bericht des

Schweiz. Generalkonsuls in London (Hrn. Albert Streckeisen von Basel) über das Jahr 1874.

(Vom 31. Oktober, eingegangen 29. November 1875.)

An den hohen Schweiz. Bundesrath.

Wie sehr auch das Jahr 1873 für den englischen Handel zu wünschen übrig ließ, so war doch das darauf folgende Geschäftsjahr 1874 in seinen Ergebnissen noch viel ungünstiger, eine Thatsache, die bereits vor Ablauf desselben allgemein zugestanden wurde, die aber seitdem in noch weit unwiderlegbarerer Weise ihre Bestätigung gefunden hat. Eine besondere Beweisleistung dafür dürfte kaum nothwendig sein, indem die zahlreichen Katastrophen der Neuzeit und die damit zusammenhängende Handelskrisis nur allzuschlagend die Wahrheit proklamiren; indeß mag es doch zur Erläuterung des Sachverhalts beitragen, wenn hier einige der Hauptpunkte berührt werden, wodurch so manche kommerzielle Berechnungen vereitelt und in den meisten Handelszweigen so unerquickliche Resultate zu Tage gefördert wurden. Es darf wohl als ein Grundprinzip angenommen werden, daß in der Regel blos dann Handelsoperationen eingeleitet werden, wenn sie einen, wenn auch nur sehr mäßigen Nutzen versprechen, indem es unsinnig wäre, seine Zeit, seine Arbeitskräfte und sein Geld aufs Spiel zu setzen, so lang die Chancen für Gewinn gegenüber denjenigen für Verlust

1113 nicht entschieden überwiegend sind. Diese sehr begreifliche und allein richtige Handelsmaxime scheint indeß in den letzten paar Jahren völlig unbeachtet geblieben zu sein und es stellt sich, wie sehr dies auch der gesunden Vernunft widerstrebt, vermöge der seither gemachten Erfahrungen heraus, daß eine neue Doktrin zur Geltung gekommen ist, nach welcher Geschäfte blindlings unternommen werden, bei denen ein Verlust sich sofort ausrechnen läßt, während ein allfälliger Gewinn blos dem reinsten Zufall überlassen bleibt. Es würde zu weit führen, hier all' den verschiedenen Beweggründen nachzuforschen, welche zu einem so unkaufmännischen Verfahren geführt haben, indeß läßt sich im Wesentlichen das Uebel meistens auf das so sehr veränderte Geschäftssystem zurückleiten, welches dem nun über die ganze Erde verbreiteten Telegraphenwesen seinen Ursprung verdankt. Vermittelst des Telegraphen werden die Geschäfte in hohem Grade vereinfacht, der Produzent rückt dem Konsumenten unendlich viel näher, ein großer Theil des Zwischenhandels wird dadurch geradezu überflüssig, während sogar für die verbleibenden weniger entbehrlichen Handelsglieder die früheren Profite merklich geschmälert werden und das Resultat dieser Umwälzung ist, daß urplötzlich ganze Schichten der frühern Handelsorganisation ihre Raison d'être und mithin den ihnen zuvor gesicherten Broderwerb verloren haben. Für die zunächst hiebei Betheiligten ist dies geradezu eine Lebensfrage. Die Wenigsten "haben die nöthige Einsicht und den Muth, sich ins Unvermeidliche zu fügen und sofort vom Schauplatz abzutreten. Um nicht ganz leer auszugehen, reihen sie sich der Zahl derjenigen an, für welche das umgestaltete Handelssystem noch einigen Spielraum läßt und es entsteht dadurch eine ruinöse oder deutlicher gesprochen, eine sich gegenseitig aufreibende Konkurrenz. Dieses ist in möglichster Kürze zusammengefaßt der Prozeß, welchen die Handelswelt seit einigen Jahren durchzufechten hat, und wie es in solchen Fällen zu geschehen pflegt, wird das Uebel an vielen Orten entweder aus Unkenntniß der veränderten Geschäftslage oder aus leichtsinniger, vielleicht auch falsch angebrachter, Gewinnsucht noch bedeutend erhöht. Hiezu kommt nun noch, daß eben im Handel, wie im Mechanismus anderer Dinge ein Glied ins andere greift und wenn auf solche Art einmal eine
ernstliche Störung in mehreren Zweigen sich eingestellt hat, so bedarf es keiner sehr großen fernem Erschütterung mehr, um den allgemeinen Geschäftsgang aus dem Geleise zu bringen.

Der Kredit ist einer der ersten Elemente des Handels, welcher unter dem Drucke solcher Störungen zu leiden hat und sobald hieran gerüttelt wird, bleiben bekanntlich auch die Fallimente nicht aus und es zieht sehr rasch das Eine ein Anderes nach sich. Es ist kaum nothwendig, diese nur allzubekannten Symptome, welche

1114 4

einer jeglichen Handelskrisis zu Grunde liegen, noch weiter zu zergliedern. Der Verlauf derselben stimmt jeweilen so ziemlich mit frühern auf gleichem Gebiete gemachten Erfahrungen überein. Indeß muß hier doch noch hervorgehoben werden, daß diese letzte noch nicht vollendete Krisis eine viel weitere Tragweite als die meisten <· ihr vorangegangenen zu haben scheint,i indem sie viel o o o empfindlicher in alle Schichten des Handels eingreift, noch viel allgemeiner als je zuvor über die ganze Erde sich verbreitet und zur Stunde noch nicht ihr Ende erreicht zu haben scheint, wiewohl deren Anfang sich bereits um drei Jahre zurückdatiren läßt. Es ist anzunehmen, daß nach einer so radikalen, alle Grundfesten des Handels erschütternden Umwälzung endlich eine Besserung, und zwar eine durchgreifende, sich Bahn brechen müsse, denn geschähe dies nicht, so wäre es um das Handelswesen im Allgemeinen und dem für die Handelsbeflissenen daraus erwachsenen Gewinne übel bestellt. Ohne Zweifel wird aber auch hier das Motto ,,post tenebras lux"1 seine Anwendung finden und nachdem die schädlichen Einflüsse beseitigt und die unsinnigen Doktrinen verschwunden sind, denen zufolge die Kunst schnell reich zu werden befördert werden soll, in Wirklichkeit aber Ruin herbeigeführt wird, so werden auch dem Handel wieder bessere Zeiten erblühen und dürfte der Geschäftsmann, wie früher, einen ordentlichen Erwerb finden, wo er zur Stunde blos Verluste und maßlosen Risiko als Lohn seiner Unternehmungen in Aussicht, hat.

Wie Sie aus folgenden Zusammenstellungen bezüglich die Finanzlage Englands ersehen werden, ergibt das Jahr 1874 einen größeren Ueberschuß der Einnahmen gegenüber dem Voranschlag als das vorhergehende Jahr 1873.

Es ist dies hauptsächlich dem Mehrertrage der Einkommensteuer und der Land- und Haussteuer zuzuschreiben.

Die Einnahme betrug: $ 20,339,000 Zölle .

,, 27,172,000 Accise .

,, 10,550,000 Stempel ,, 5,691,000 Einkommensteuer Land- u n d Haussteuer . . . . ,, 2,324,000 Posten ., 5,792,000 1,210,000 Telegraphen .

. . . . ,' Verschiedenes .

. . . . ,, 4,257,657 Total £ 77,335,657 ,, 73,762,000 Gegen Voranschlag Ueberschuß £ 3,573,657 Ueberschuß i n 1873 . . . . ,, 2,306,721

1115 was die Regierung in den Stand setzte, verschiedene mißbeliebige Steuern und Zölle zu ermäßigen und zum Theil ganz aufzuheben.

Trotz dieser anscheinenden Prosperität machte sich aber die oben erwähnte Reaktion des übertriebenen Geschäftsaufschwungs das ganze Jahr hindurch fühlbar. Als Folge davon sanken Waaren und Rohprodukte jeglicher Gattung von Woche zu Woche und zwar so , daß auf vielen Erzeugnissen zu Anfang des Jahres 1875 eine Reduktion von nicht weniger als 30 bis 35 °/o konstatirt wurde gegenüber derjenigen vom Anfange des Jahres 1874. Letztere waren bereits etwa 20 bis 25 °/o niedriger als diejenigen, welche am Ende 1872 maßgebend waren. Die Entwerthung der Kohle und des Eisens, sowie auch anderer Produkte, welche durch die hohem oder niedrigem Arbeitslöhne beeinflußt werden, übersteigt sogar in verschiedenen Distrikten diese Ziffern. Der Grund dafür liegt theilweise in den Streitigkeiten zwischen den Meistern und Arbeitern, wodurch die Preise rasch eine künstliche Höhe erreicht haben, um bald darauf eben so sehr über die Maßen gedrückt zu werden. Zur Beleuchtung dieser Thesis dient folgende Tabelle, welche den Unterschied in den Preisen der verschiedenen Produkte vom 31. Dezember 1873 bis 31. Dezember 1874 anschaulich macht: 1874.

1873.

Verlust in °/o.

Weizen 44/4 61/8 27 Mehl 38/6 52/-- 30 Kohlen 8/-- 12/-- 35 Zinn 94 £ 115 £ 20 Baumwoü 7 l ,a d.

8 d.

6 Wolle 181/* £ 193/* £ 7 Zucker 17 £ 19 £ 9 Kaffe 84/-- 107/-- 22 Pfeffer 7 d.

l1/t d.

7 Die Reduktion der Preise und als Folge davon die theilweise Reduktion des Verdienstes der Arbeiterklasse, die sich ebensowohl über Amerika als über Europa ausdehnte, weist auf eine ernstliche Umgestaltung der Industrieverhältnisse hin. Die ziemlich allgemeine Aufregung der Jahre 1871 und 1872 hat sowohl die Arbeit wie den Handel erschüttert und viele Arbeiterklassen lernen jetzt durch bittere Erfahrungen, daß alle ihre Kombinationen zwecklos sind, um die Märkte der Welt zu beherrschen. Denn es ist begreiflicher Weise unmöglich, die Arbeitslöhne auf einer Höhe zu erhalten, welche mit den zu lösenden Marktpreisen der Waaren sich nicht verträgt.

1116 In finanzieller Beziehung ist das Jahr 1874 im Allgemeinen ein ruhiges gewesen und die Erschütterung in Folge der deutschen und amerikanischen Panik von 1873 schien sich gelegt zu haben.

Es zeigt sich durch die Statistiken des Banker's Clearing House und durch den Güterverkehr auf Eisenbahnen, daß der Handel im Allgemeinen sich einigermaßen eingeschränkt hat, und wiewohl hieraus sich kaum ein Schluß ziehen läßt, verdient doch erwähnt zu werden, daß die Diskontorate der Bank von England blos 17 Mal und dann blos zwischen dem Minimum von 21/2 % und dem Maximum von 6 % geändert hat, während letztes Jahr 24 Variationen zwischen den Extremen von 3 % und 9 °/o stattfanden.

Der mittlere Discontofuß für 1874 war fast 33/4 °/o gegen demjenigen von nahezu 5 °/o für 1873, wodurch sich erklärt, warum die Preise der Staatspapiere durchs ganze Jahr weniger Schwankungen erlitten als im vorhergehenden Jahre, wie Sie aus folgender Zusammenstellung ersehen werden: A. Staatspapiere.

1873 Dez. 1874 Dez.

Cansols jeduced ; . . . .

91 '/z 9l11/» Cansols new · Q1*/9 9l /» Egyptian 1868 . . . .

84l/2 84ll/J French Nat. Def. 6 °/o . . . 10l1/* 102 /2 f,

V,

n

5

°/0 ·

. . 921/»

Russian 5 °/o 1862 . . . . 96 Italian 5 °/o 1861 . . . . 6l1/*

981/» 99' /2 68

B. Eisenbahnen.

Es hatte dieser beschränktere Diskontowechsel jedoch auf Eisenbahnen und Bankpapiere nicht denselben Einfluß, denn diese zeigen weit größere Variationen1873 Dez. 1874 De/.

Great Eastern 491/* 391/!

Great Northern . . . . . 141 138 199 Great \Vestern lll'/a Lancashire und Yorkshire . . 148 142 London und Brighton . . . 883/i 92 London und North Western . 155l/2 1473/4 G. Banken.

1873 Dez. 1874 Dez.

Alliance . .

. - 123/d 13 London und County Bk.

. 58Vj 64Va London und Joint Stock Bk. . 47 V2 52 '/2

1117

London und Westminster . .

Union National und Provincial . . .

Bank of Ireland Oriental Standard of British South Africa Anglo Egyptian Anglo Austrian Hongkong und Shanghai .

69T/s 46l/2 152 297 l/s 45 25 30 ll1^ 38

77 481/» 164 297 Va 45'/2 38'/ï 33 '/i 12l/4 27

Wenn irgend etwas im Stande gewesen wäre, dem allgemeinen Geschäftsgange aufzuhelfen, so hätte die Getreideernte des Jahres 1874 dieses Resultat herbeiführen sollen, denn selten zuvor hat man sich in England eines so vorzüglichen Ergebnisses sowohl in Bezug auf Qualität als Quantität zu erfreuen gehabt. Während alle andern Lebensmittel fortfuhren theuer zu sein, war somit Brod verhältnißinäßig wohlfeil und England ist dadurch vor vieler Noth und vor vielem Unglück, wenn auch nicht vor der schleichenden.

Handelsstockung, bewahrt worden.

Auch der Landbau hat sich entwickelt und der Vergleich von 1874 mit 1873 ist in jeder Hinsicht für ersteres Jahr vortheilhafter ; viel mehr Land wurde angepflanzt und man hat guten Grund, zu vermuthen, daß die Bebauung brachliegender Grundstücke auch ferner stark zunehmen wird.

Was die Pferde-, H o r n v i e h - und S c h a f z u c h t anbelangt, so ist in dieser Hinsicht eine langsame Zunahme wahrzunehmen und es scheint, daß die hohen Preise, welche namentlich für Pferde bezahlt werden, die Kultur von Zuchtpferden gehoben hat. Dies Land erholt sich auch in zunehmendem Grade von den traurigen Wirkungen der Viehseuche und in so weit ist dies eine der erfreulichsten Erscheinungen, welche in den Agrikulturdistrikten im vorigen Jahre vorgekommen ist.

Von diesen die inländischen Erzeugnisse berührenden Interessen auf den Markt für Kolonialprodukte übergehend, war das vergangene Jahr kein sehr ersprießliches.

Für das T h e e g e s c h ä f t war es keineswegs besser als sein Vorgänger und die Importeure dieses Artikels kamen zu starken Verlust durch die unbilligen und oppressiven Verkaufsusanzen, die durch die Mäkler beibehalten werden und welche die Käufer zu Gegenmaßregeln aufstachelten. Die Importe zeigen eine Abnahme in diesem Jahre von einer Million Pfund, was indeß keine erhebliche Sache ist.

1118 Verschiedene Umstände trugen dazu bei, dem Jahre 1874 eine hervorragende, etwas größere Wichtigkeit in Hinsicht auf den Artikel Z u c k e r beizulegen, und als der wichtigste Punkt mag die gänzliche Abschaffung des daraufliegenden Zolles hervorgehoben werden. Die daraus folgende niedrige Preisstufe hätte natürlich eine größere Ausdehnung fast aller Zweige der Zuckerindustrie zur Folge haben und dem Londoner Markt eine einflußreiche Stellung sichern sollen, und ohne Zweifel wäre dies auch der Fall, wenn nicht das künstliche System der Vergütung einer Exportprämie in Frankreich, während es die Interessen dos französischen Fiskus beeinträchtigt, den Anstrengungen des englischen Rafüueurs sich so störend entgegen stellen würde. Die Folge der Zollabschaffung in England scheint somit bisher blos den französischen Zuckerproduzenten zu gut gekommen zu sein, während für den englischen Produzenten das ganze verflossene Jahr sich als hoch ruinös herausgestellt hat. Um den Sachverhalt in wenigen Worten zusammenzufassen, so läuft er dahin hinaus, daß die englischen Raffiueurs langsam ruinirt werden, während das englische Publikum auf Unkosten des französischen Publikums fabelhaft billigen Zucker zu essen bekommt, unendlich billiger, als der französische Konsument selbst ihn bekömmt und dies alles, um einige französische Raffineurs zu bereichern.

Die Tendenz zu höheren Kaffeepreisen, welche in 1871 anfing, war von bedeutenden Fluktuationen begleitet, endigte aber mit einem sehr bedeutenden Abschlag in Folge der in Aussicht stehenden größeren Zufuhren, wie Ihnen folgende Zusammenstellung dies am basten anschaulich machen wird.

Höchster Preis im Januar 1874. im Sommer, im Dezember.

Middling Ceylon Plantation . 138/-- 10l/-- 100/-- Native Ceylon good . . . 119/-- S2/-- 82/-- Native East India Ordinary . 120/ 8l/-- 82/-- Middling East India Plantation 136/-- 100/-- 99/-- Good Ordinary Jamaica . . 117/-- 79/-- 77/-- Die Importation war lange nicht so bedeutend wie auno 1873, in welchem Jahre 84,184 Tonnen eingeführt wurden, gegen 72,500 Tonnen für 1874, es ergibt sich somit ein Minderimport von 11,684 Tonnen.

Im I n d i g o m a r k t kam allmälig ein Aufschlag der Preise fast aller Sorten von 6 d. per Pfd. engl. Gewicht zur Geltung, welcher in Folge des größeren Konsums und der geringeren Zufuhr stattfand. Gegen Ende des Jahres verlor sich jedoch der größte Theil dieses Aufschlags wieder.

1119 Die Ungewißheit, welche über die Bedürfnisse der indischen Regierung bezüglich Herbeischaffung von Lebensmitteln aus Anlaß der dortigen Hungersnoth entstand, verursachte begreiflicherweise sehr starke Fluktuationen in den Preisen des Reises. In Wirklichkeit stellte sich aber der große Aufschlag vom Anfang des Jahres als ungerechtfertigt heraus und somit führten die Operationen des ganzen Jahres zu sehr empfindlichen Verlusten, was leicht begreiflich ist, wenn Ladungen, die zu 14/-- gekauft, schließlich zu IO/-- untergebracht werden mußten.

Es kennzeichnet sich deßhalb dieses Jahr durch Verluste von Anfang bis zu Ende im genannten Artikel.

Der Handel in a u s t r a l i s c h e m k o n s e r v i r t o m F l e i s c h , welcher seit einiger Zeit eine ziemliche Ausdehnung gewinnt, verdient hier Erwähnung.

Der Import für 1874 war von 13,270 Tonnen, ,, 1873 12,601 fl also ein Mehr von 669 Tonnen, welches in den Lieferungen der neuen Produktionsplätze in SüdAmerika, Kanada, Kalifornien und Texas seinen Ursprung findet.

Aus folgender Tabelle ist die Zu- und Abnahme der Produktion der verschiedenen Bezugsquellen ersichtlich: 1874.

1873.

Victoria . . . 88,586 Kisten 91,147 Kisten.

,, 50,273 ,, Neu-Südwales . 72,700 Neu-Seeland . . 56,656 ., 77,966 ., ,, 19,933 ',, Queensland . . 17,786 ,, 21,444 ,, Süd-Australien . 17,124 . 1,615 ,, keinen Import.

Canada Süd- Amerika . 21,191 ., V) ',, Vor. Staaten . 19,922 Für den W o l l e n h a n d e l begann das Jahr unter günstigen Aussichten, der Stand des Marktes war sehr fest und günstige auswärtige Verhältnisse haben dazu beigetragen, ihn in dieser Weise zu behaupten und zu befestigen; die Vorrätho von Rohmaterial waren aller Orten nied'ig, ein großer Konsum schien fortwährend die Zufuhren mehr als erschöpfen zu wollen, und da die Mode im Laufe des Jahres diesen Artikel wie selten zuvor bevorzugte, so war die Fabrik, wenn auch in verschiedenen Hinsichten mit Schwierigkeiten kämpfend, doch das ganze Jahr hindurch stark beschäftigt und insofern in einem blühenden Zustande, als sie überdem von politischen Befürchtungen verschont war. Sie fand auch

1120 während des zweiten Halbjahres unter dem Einfluß der fast in allen Welttheilen stattfindenden reichen Ernten eine vermehrte Unterstützung. Der Import aller Wollgattungen von Australien zeigt eine Zunahme von ca. 100,000 Baileu, d. h. 18 °/o und die Preise von 1874 verglichen mit denen des vorhergehenden Jahres stellen sich wie folgt : 1873.

1874.

Lincoln hog fleeds . . . . 26 d. 23'/2 d. p. engl. Pfd.

Peru Middling 14 ,, 14 ,, ,, Buenos Ayres fair uestizo grease 7 ,, 71/2 ,, ,-, Australien average fluii wasched 25 ,, 23l/2 ,, ,, Cape ,, ,, ,, 16 ,, 16'/2 ,, Die Einfuhr von 1874 im Vergleich mit 1873 ergibt folgendes Resultat : 1873.

1874.

von Australien Ballen 551,994 651,576 ,, Gap ,, 156,027 164,194 Was den Handel in Seide, betrifft, so war das Schlußresultat des Jahres 1S74 kein sehr befriedigendes, wenn auch lange nicht so ungünstig wie das des vorhergehenden. Die Entwerthung der meisten Sorten war aber nicht desto weniger von 20 bis 25 % und die Ungewißheit über die Zukunft war auch am Schlüsse desselben noch nicht gehoben.

Während das Jahr 1873 unter allgemeiner Mißstimmung zu Fnde ging, begann 1874 mit großer Hoffnung und sogar mit einem gewissen Sicherheitsgefühle.

Viele Seidenhäuser und Zwirner machten aber dennoch während dieses Jahres ziemlich trübe Erfahrungen, wozu die fortwährenden Auktionen ohne reservirte Preislimite das ihrige beitrugen. Fabrikanten mögen theilweise, wie schon im Jahre 1873, dem Verluste entgangen sein, jedoch besonders gute Geschäfte konnten nicht gemacht werden, auch ist bekannt, daß es an Zahlungseinstellungen in den verschiedenen Industriedistrikten nicht gefehlt hat.

Die Metalle in Hinsicht derer der Konsum für Eisenbahnen, Ingenieure, Gießereien u. s. f. anfanglich in einer sehr guten Lage sich befand, schienen anfänglich eine der rentabelsten Branchen zu sein. Sehr bald gestaltete sich aber dieses günstige Verhältniß anders. Die kritische allgemeine Handelslage wirkte auch hierauf sehr nachtheilig, und allmälig ließ die Nachfrage bedeutend nach, was sehr bald eine empfindliche Preisreduktion wachrief.

1121 Die Importation sowie die Exportation von Metallen zeigt dessen ungeachtet eine ziemliche Zunahme. Die erstere betrug in 1873 1874 68,943 Tonnen.

71,722 Tonnen.

Die letztere umfaßte: 1873 1874 542,607 Tonnen.

580,547 Tonnen.

Die Preise waren folgende: 1873 1874 Australian Copper £ 93.10 p. T.

£ 93.-- p. T.

Jongh bake . . ,, 91.- ,, ,, 91.- ,, Chili Bars . . . ., 83.10 ,, ,, 84.-- ,, Für E i s e n i n d u s t r i e , insofern dieselbe von der Eisenschmelzerei sich unterscheidet, und für alles, was mit derselben in Verbindung steht, war das lezte Jahr ein ungünstiges. Die Eisenhändler litten unter der Abnahme der Nachfrage für die Ausfuhr und auf der Fabrik lastete der Fall der Preise in sehr bedeutender Weise und sie war überdies durch di» Strikes und Arbeitsstörungen in grosse Verlegenheit gesezt, während gleichzeitig der Arbeiter einen ansehnlichen Theil der Lohnerhöhungen, die von den guten Jahren 1871 und 1872 herrührten, verlor. Ein Umstand, welcher nebst verschiedenen andern, worunter die allgemeine Geschäftsstockung in erster Linie Erwähnung verdient, zum Abschlage der Preise beitrug, war das Billigerwerden der Kohlen und Coke, welches als Folge der aller Orten neu eröffneten Kohlenminen nicht ausbleiben konnte. In ' den vorhergehenden zwei Jahren waren die Preise dieses Materials dergestalt in die Höhe getrieben worden, daß eine bedeutende Ermäßigung nicht ausbleiben konnte und natürlich mußte die statthabende Entwerthung ihrerseits wieder andere Produkte beeinflussen und vorab den Werth des Schmied- und Gußeisens. Nachstehende Preistabelle mag hierüber Aufschluß geben: Anfang 1874. Ende.

Nr. l Galts Lime Pig Iron .

113/6 85/-- ,, 3 Middlesborough . . .

87/6 55/-- Eisenschienen £ 10.10 £ 7.-- North Staffordshire Crown Iron ,, 12.-- ,, 9. 5 Loop Iron ,, 13.10 ,, 11.-- Sheet Iron ,, 14.10 ,, 12.10 Die Zukunft dieses Industriezweiges ist auch zur Stunde noch unsicher, der Fall in den Preisen hat noch zu keiner größeren Nachfrage geführt, noch hat er das nöthige Vertrauen in den BeBundesblatt. Jahrg. XXVII. Bd. IV.

84

1122 stand der jezigen Preise eingeflößt und somit ist die Lage dieser Hauptindustrie Englands noch immer eine unbefriedigende, zumal die Konkurrenz anderer Produktionsgegenden und besonders Belgiens sehr stark gefühlt wird und zu ernstlichen Betrachtungen Anlaß gibt.

Auch für die K o h l e n m i n e n b e s i t z e r war dieses Jahr ein ungünstiges, wie schon aus dem Obigen hervorgeht, und in jeder Branche dieses Handels ergibt sich ein ernstliches Abnehmen. Um Ihnen diese Thatsache anschaulicher zu machen, gebe ich Ihnen die folgenden Zahlen in Hinsicht auf die Ein- und Ausfuhr dieses Jahres im Londoner Distrikt: Die Netto-Abnahme der Einfuhr aus den Provinzen ist: 400,801 Tonnen, die Netto-Zunahme der Ausfuhr 16,617 ,, welches eine Abnahme dieses Handels, respektive des Konsums in London für 1874 von . . . . 417,418 Tonnen ergibt.

Auch für den B a u m w o l l e n h a n d e l war 1874 durchweg flau und für den Importeur sowohl als für den Industriellen unergiebig.

Mit Ausnahme einer gelegentlichen, schnell vorübergehenden Thätigkeit, durch flüchtige und zum Theil ungerechtfertigte Einflüsse hervorgerufen, war das Geschäft schleppend und die Tendenz der Preise fallend. Während der ganzen Dauer des Jahres und in nahezu allen Produktionsgegenden war die Erzeugung d,es Rohmaterials stets größer als die Nachfrage, während hie und da Gerüchte einer bevorstehenden Mißernte auftauchten, die hernach nur zu größerer Enttäuschung Anlaß gaben. Das Resultat war, daß die Eigner je mehr und mehr zum Verkauf drängten, während die Konsumenten eine chronische Gleichgültigkeit für den Einkauf an den Tag legten und sich nie für längere Zeit versahen als wozu sie sofort den Bedarf voraussahen. Es ist daher nicht zu verwundern, daß das fragliche Jahr für Importeure von Baumwolle ein höchst unbefriedigendes war, während die Verschiffer der Stapelartikel von Baumwolle nach dem fernen Osten in Folge Ueberführung der Märkte fortwährend Geld einbüßten.

Die Spekulation war durchweg ruhig und die, welche den Fall der Preise herbeiwünschten respektive die Baissiers, hatten wie im vorhergehenden Jahre ziemlich freies Spiel. Es ist indeß bemerkenswerth, daß die Fluktuationen der Preise kleiner als je seit dem Jahre 1860 waren. Die Durchschnittspreise, verglichen mit denen von 1873, waren wie folgt:

1123 1873.

Middling Upland 9 d.

Pair Dhollerah 63/16 ,,

1874.

8 d.

5 5 /, 6 ,,

Wenn gleich der Konsum für den Kontinent anno 1874 nicht sehr glänzend war, stellte er sich doch noch etwas besser als im Jahre 1873 oder 1872 und dieser Umstand zusammen mit der sichern Aussicht auf bedeutende Zufuhr von Baumwolle und auf eine niedrige Preisbasis für das Jahr, gestatteten den Spinnern und Fabrikanten, das ganze Jahr hindurch mit ziemlichem Erfolg zu operiren und sich jedenfalls besser zu stellen als die Importeurs und die Verschiffer von Baumwollfabrikaten nach Asien und den entfernten Kolonien, woselbst aus bereits erwähntem Grunde alle derartige Unternehmungen Verlust hatten. Nachfolgende Tabelle gibt eine Uebersicht der auf dem Kontinente während 1874 im Ganzen befindlichen Spindeln:

Zahl der Spindeln.

Rußland Schweden und Norwegen Oesterreich . . .

Deutschland .

2,100,000 . .

. .

. . .

Frankreich

·*


380 Pfd.

359,210

Ballen per Woche.

136,5 18 75,2 224,4 208 52,5 10,7

91,180 189,470

700,000

34,6 72 33,6

88,420

6,910 910 3,810 11,360 10,530 2,650 540 1,750 3,640 1,700

19,650,000

44

865,5

2,277,890

43,800

300,000 1,600,000 5,100,000 5,200,000

Holland

250,000

Spanien

800,000 1,500,000

Total

Ballen von

65 60 47 44 40 25 43 43 48 48

2,100,000

Italien

Pfd. per Total der Pfd.

Spindel. in Millionen.

47,370 197,890 590,530 547,370 138,160 28,290

1125 In Bezug auf die S c h i f f f a h r t ist hervorzuheben, daß die Segelschiffe je mehr und mehr durch Dampfschiffe ersetzt werden und daß bereits der Tonnengehalt der letzteren dem der ersteren gleichkommt. Wie bei so vielen Neuerungen wird indeß dieser Vortheil durch mancherlei Nachtheile aufgewogen und vorab fällt es auf, daß mit der Vermehrung der Dampfschiffe auf der See die Zahl der Unglücksfälle und Schiffbrüche sich gleichfalls sehr vermehrt hat. Diese bedauernswerthe Thatsache ist dem Umstände zuzuschreiben, daß die Kapitäne der Steamer größtenteils Leute sind, welche ihre jungen Jahre auf Segelschiffen verbracht haben und mit der Führung und dem Oberbefehle eines Dampfers nicht hinreichend vertraut sind. Sie sind die größere Schnelligkeit der letzteren nicht so recht gewöhnt und ziehn dieselbe nicht hinreichend in Rechnung, um vorkommenden Hindernissen rechtzeitig aus dem Wege zu gehen, während es dazu viel rascheren Handelns bedarf, als bei dem langsamem Segelschiffe. Zudem legt ein Dampfer denselben Weg dreimal zurück, während das Segelschiff nur einmal und ist folglich auch in derselben Zeit viel häufigem Gefahren ausgesetzt.

Von vorstehenden Betrachtungen über die Finanz- und Handelslage des Landes und die damit zusammenhängenden Handelsartikel auf einen andern Gegenstand übergehend, freut es mich, mit Bezug auf die in London weilende Schweizerkolonie nur Günstiges melden zu können. Die Anzahl der sich hier aufhaltenden Landsleute wird so ziemlich auf dieselbe Ziffer wie in frühern Jahren sich belaufen und so viel wie ich zu beurtheilen vermag, scheint sieh der angesiedelte Theil derselben trotz der unerquicklichen Zeitverhältnisse eines guten Gedeihens zu erfreuen. Ausnahmen, welche beweisen, daß manche Anstrengung des gehofften Erfolges ermangelte, kommen selbstverständlich auch vor und waren vorab im verflossenen Jahre unvermeidlich.

Mit Hinsicht auf den flottanten Theil der Kolonie dürfte es in den jetzigen Zeiten namentlich gerathen sein, junge Aspiranten, welche Anstellungen, sei es im Handel oder andern Gewerben, suchen, abzuhalten, hierherzukommen, insofern deren Mittel ihnen nicht gestatten, einen längern Aufenthalt auf eigene Unkosten zu bestreiten. Aus Gründen, welche aus oben Gesagtem sattsam hervorgehen, sind vakante Stellen äußerst selten, indem es überall an
Beschäftigung fehlt und ein großer Theil der Arbeitsuchenden somit auf seine eigenen Existenzmittel angewiesen ist. Bei den unbemittelten Klassen kommt es häufig vor, daß solche Kandidaten, die hier ihr Unterkommen suchen, schließlich auf Unkosten der schweizerischen Hilfsgesellschaft wieder nach Hause befördert werden.

1126 Ein ferneres Wort der Warnung möchte ich hier beifügen.

Es bezieht sich auf das stets überhand nehmende Ausbeutungssystem der kontinentalen und mithin auch der schweizerischen Industrie durch organisirte hier weilende Gaunerbanden. Unter allen erdenklichen Vorspiegelungen verlocken dieselben die dortseitigen Fabrikanten und Handelsleute zur Zusendung von Waaren jeglicher Gattung und das Resultat solcher Sendungen ist stets dasselbe, nämlich, daß kein Heller dafür erhältlich ist, sobald sie in deren Besitz gelangen. Wenn diese Leute unter einem Namen als Schwindler bekannt sind, wechseln sie sofort die Firma und desgleichen die Adresse und beginnen dasselbe Spiel unter neuen Auspizien und von einem neuen Geschäftslokale aus. In jüngster Zeit kommt es sogar häufig vor, daß sie sogleich Chèques als Deckung der gemachten Bestellung einsenden, welche Chèques begreiflicher Weise nicht honorirt werden. Es kann daher der geschäftslustigen Handelswelt nicht genugsam anempfohlen werden, sich unter keinem Vorwand mit Bestellern von Waaren einzulassen, ohne sich genau über deren Mittel und Moralität erkundigt zu haben.

Die im Schooße der hiesigen Schweizerkolonie gebildeten verschiedenen Gesellschaften und Vereine haben auch im Laufe des Jahres 1874 wieder ihre Leistungsfähigkeit und ihren günstigen Einfluß an den Tag gelegt und bestehen wie früher: 1) aus der protestantischen Schweizerkirche, wo französischer Gottesdienst stattfindet; 2) aus der Société de fonds de secours pour les Suisses pauvres, zur Unterstützung hilfsbedürftiger Landsleute; 3) aus der Société suisse de secours mutuel, eine gegenseitige Hülfsgesellschaft, welche durch jährliche Beiträge zur Unterstützung unter gewissen Bedingungen berechtigt; 4) aus dem City Swiss Club oder Schweizerischen Vereine für gesellschaftliche Zwecke; 5) aus der Société de chant, für Gesang und musikalische Zwecke gebildet.

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Bericht des schweiz. Generalkonsuls in London (Hrn. Albert Streckeisen von Basel) über das Jahr 1874. (Vom 31. Oktober, eingegangen 29. November 1875.)

In

Bundesblatt

Dans

Feuille fédérale

In

Foglio federale

Jahr

1875

Année Anno Band

4

Volume Volume Heft

56

Cahier Numero Geschäftsnummer

---

Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

18.12.1875

Date Data Seite

1112-1126

Page Pagina Ref. No

10 008 901

Das Dokument wurde durch das Schweizerische Bundesarchiv digitalisiert.

Le document a été digitalisé par les. Archives Fédérales Suisses.

Il documento è stato digitalizzato dell'Archivio federale svizzero.