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Bundesgesez über

J a g d u n d Vogelschuz.

(Vom 17. Herbstmonat 1875.)

Die Bundesversammlung der schweizerischen Eidgenossenschaft, in Ausführung des Art. 25 der Bundesverfassung vom 29. Mai 1874 bezüglich Ausübung der Jagd, Erhaltung des Hochwilds und Schuz der nüzlichen Vögel; nach Einsicht einer Botschaft des Bundesrathes vom 26. Mai 1875, beschließt:

I. Allgemeine Bestimmungen.

Art. 1. Jeder Kanton ist verpflichtet, auf seinem Gebiete das Jagdwesen auf dem Gesezes- oder Verordnungswege in Uebereinstimmung mit diesem Geseze zu regeln und demselben durch die zuständigen Organe den erforderliehen Schuz angedeihen zu lassen.

Art. 2. Jeder Schweizer, welcher eine kantonale Jagdbewilligung gelöst hat, ist, vorbehalten die Bestimmungen

490 des Art. 24, zur Ausübung der Jagd auf dem betreffenden Kantonsgebiete befugt.

Die Kantone sind berechtigt, die Jagd auch niedergelassenen Ausländern zu gestatten.

Art. 3. · Es steht, immerhin unter Vorbehalt der nachstehenden Verfügungen des Bundesgesezes, bei der kantonalen Gesezgebung, zu bestimmen, nach welchem Systeme der Jagdbetrieb in jedem Kanton stattfinden soll.

Art. 4. Die kantonalen Behörden sind berechtigt, die Verfolgung schädlicher oder reißender Thiere, und bei allzu starker Vermehrung auch des Jagdgewildes, wenn dasselbe durch Ueberzahl Schaden stiftet, erforderlichenfalls auch während u der geschlossenen Zeit anzuordnen oder zu erlauben.

Es soll dies jedoch in einer den übrigen Wildstand nicht gefährdenden Weise, während einer bestimmten Zeit, durch eine beschränkte Anzahl zuverläßiger, in besondere Verpflichtung genommener Jagdberechtigten geschehen.

In Pachtrevieren hat der Beständer das Recht, auch während der geschlossenen Zeit ohne weitere Bewilligung solches Wild zu erlegen, jedoch ohne Benuzung von Hunden.

Art. 5.. Vom achten Tage nach Schluß der Jagdzeit an ist der Kauf und Verkauf von Wildpret jeder Art verboten, mit Ausnahme desjenigen, welches, amtlich nachgewiesen, aus dem Auslande eingeführt ist.

Der Verkauf von Gemskizen, Hirschkälbern, Rehkizen, sowie von Auer- und Birkhenneri, ist unbedingt und zu jeder Zeit untersagt.

Im Uebertretungsfalle unterliegt das betreffende Wildder Konfiskation," die im Art. 21 angedrohte Strafe vorbehalten.

Art. 6. Die Zerstörung von Nestern und Brüten, das Ausnehmen der Eier des Jagdgeflügels, das Ausgraben der Murmelthiere, das Tragen von Stok- oder zusammengeschraubten Flinten ist untersagt.

491 Ebenfalls untersagt ist die Anbringung von Fangvorrichtungen jeder Art (Fallen, Schlingen, Drathschnüre).

Eine Ausnahme' ist jedoch gestattet bezüglich der Füchse, Fischotter, Iltisse, Stein- und Edelmarder.

Die Anbringung von Selbstschüssen und der Gebrauch O o von explodirenden Geschpßen, sowie das Giftlegen, ist ausnahmslos verboten.

Art. 7. Die Jagd zerfällt in die niedere und die Hochwildjagd.

II. Die niedere Jagd.

Art. 8. Die Eröffnung der Flügjagd beginnt mit dem i. Herbstmonat, diejenige der allgemeinen Jagd mit dem 1. Weinmonat. Der Schluß für beide findet (vorbehalten Art. 9) am 15. Christmonat statt.

Es ist jedoch den Kantonen gestattet, unter Vorbehalt besonderer kantonaler Polizeivorschriften, die allgemeine Jagd gleichzeitig mit der Flugjagd zu eröffnen.

Für Pachtreviere schließt die Jagd am 31. Christmonat.

Die Frühlingsjagd jeder Art zu Lande ist im ganzen Umfange der Schweiz unbedingt verboten.

Auf der Flugjagd dürfen vor Beginn der allgemeinen Jagd keine anderen Hunde als Hühnerhunde verwendet werden.

Art. 9. Die Jagd auf Schwimmvögel auf Seen ist von den betreffenden Kantonen zu regeln, wobei bezüglich der internationalen Grenzgewässer die Abkommnisse mit den Grenzstaaten vorbehalten bleiben.

Art. 10. Dem Bundesrathe sowohl als den kantonalen Behörden steht das Recht zu, nach freiem Ermessen durch besondere Schlußnahme einzelne Gebietstheile oder Wildarten auf kürzere oder längere Zeit mit Jagdbann zu belegen.

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III. Die Hochwildjagd.

Art. l'I. Die Hochwildjagd bezieht sich auf die jagdbaren Thiere des Hochgebirges, zunächst auf Gemsen, Murmelthiere, v e r ä n d e r l i c h e H a s e n (Alpen-, Schneehasen), G e b i r g s h ü h n e r (Auer-, Birk- oder Schildhühner. Hasel- oder Waldhühner, Schnee- oder Weißhühner und Steinhühner oder Pernisen), sowie auf die R a u b t h i e r e des Hochgebirges.

Art. 12. Die Jagd auf Gemsen und Murmelthiere ist im ganzen Gebiete der Schweiz auf die Zeit vom 1. Herbstmonat bis 1. Weinnlonat, diejenige auf das übrige Hochwild auf die Zeit vom 1. Herbstmonat bis 15. Christmonat beschränkt.

Junge Gemsen vom gleichen Jahr (Gemskizen) und die sie begleitenden Mutterthiere (säugende Gemsgeißen) dürfen weder gefangen noch geschossen werden.

Ebenso .sind Auer- und Birkhennen zu schonen.

Art. 13. Bei der Jagd auf Hochwild ist die. Verwendung von Laufhunden und von Repetirwaffen untersagt.

Art. 14. Die Jagd auf- die im Hochgebirge vorkommenden Hirsche und Rehe ist vom 1. Herbstmonat bis 1. Weinmonat gestattet, sofern die kantonalen Geseze und Verordnungen dieselbe nicht weiter beschränken.

· Weibliche Thiere (Hirschkühe und Rehgeißen) und Junge vom gleichen Jahre (Hirschkälber und Rehkizen) dürfen weder gefangen noch geschossen werden, ebensowenig Steinböke, wo und wann immer sich solche zeigen mögen.

Art. 15. In den Kantonen Appenzell, St. Gallen, Glarus, Uri, Schwyz, Unterwaiden, Luzern, Freiburg und Waadt sind je ein, in den Kantonen Bern und Tessin je zwei und in den Kantonen Wallis und Graubünden je drei

493 Bannbezirke (Freiberge) von angemessener Ausdehnung für das Hochwild auszuscheiden und unter die Oberaufsicht des Bundes zu stellen.

Eine besondere bundesräthliche Verordnung stellt die genaue Abgrenzung derselben (ohne Rüksichtnahme auf die Kantonsgrenzen) fest und ordnet eine strenge Wildhut an, wobei je nach örtlicher Lage und Verhältnissen die nähern Bestimmungen zu treffen sind, welche zu Schuz und Pflege der Hochwildgattungen angemessen erscheinen.

Soweit als möglich sollen die Grenzen der Freiberge nach 5 Jahren einer Abänderung unterworfen werden.

Der Bund wird die Besiedlung der Freiberge mit Steinböken anstreben.

Art. 16. Die Verfolgung schädlicher und reißender Thiere in den Bannbezirken darf nur unter den im Art. 4 bezeichneten Bestimmungen und unter ausdrüklicher Bewilligung des Bundesrathes stattfinden.

IV. Bestimmungen über den Yogelschuz.

·Art. 17. Nachfolgend bezeichnete Vogelarten sind unter den Schuz des Bundes gestellt: Sämmtliche I n s e k t e n f r e s s e r , also alle Grasmüken(Sylvien)-Arten, alle Schmäzer-, Meisen-, Braunellen-, Pieper-, Schwalben-, Fliegenfänger- und BachstelzenArten ; von S p e r l i n g s v ö g e l n : die Lerchen, Staare, die Amsel- und Drosselarten,.mit Ausnahme der Krammetsvögel (Rekholdervögel), die Buch- und Distelfinken; von S p ä h e r n und K l e t t e r v ö g e l n : die Kukuke, Baumläufer, Spechtmeisen, Wendehälse, Wiedehopfe und särnmtliche Spechtarten; von K r ä h e n : die Dohlen und Saatkrähen; von R a u b v ö g e l n : die Mäusebussarde und Thurmfalken, sowie sämmtliche Eulenarten, mit Ausnahme des großen Uhu's ; von S u m p f - und S c h w i m m v ö g e l n : der Storch und der Schwan.

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Es dürfen dieselben weder gefangen noch getödtet, noch der Eier oder Jungen beraubt oder auf Märkten feilgeboten werden.

Sperlinge, Staare und Drosseln, welche in Weinberge einfallen, dürfen vom Eigenthümer im Herbste bis nach beendigter Weinlese geschossen werden.

Art. 18. Die Erziehungsbehörden haben vorzusorgen, daß die Jugend in der Volksschule mit den genahnten Vögeln und deren Nuzen bekannt gemacht und zu ihrer Schonung ermuntert werde.

Art. 19. Aller Vogelfang mittelst Nezen, Vogelherden Lokvögeln, Käuzchen, Leimruthen, Schlingen, Bogen und andern Fangvorrichtungen ist im ganzen Gebiete der Schweiz unbedingt verboten.

Art. 20. Den Kantonsregierungen bleibt das Recht vorbehalten, einzelnen zuverläßigen Sachverständigen Bewilligung zu ertheilen, auch außerhalb der Jagdzeit für wissenschaftliche Zweke Vögel jeder Art (mit Ausnahme des Jagdgeflügels) zu erlegen und deren Nester und Eier zu sammeln, vorausgesezt, daß dies nicht auf gewerbsmäßige Weise geschieht.

T. Strafbestimmnngen.

Art. 21 Als Jagdfrevel werden bestraft: das Jagen oder Einfangenjvon Gewild in der geschlossenen Zeit oder ohne Bewilligung (Art. 2) in der offenen Zeit ; ferner alles Jagen in Banngebieten und .von Unberechtigten in Pachtrevieren ; das Jagen an Sonntagen, soweit es in den Kantonen untersagt ist ; das Erlegen oder Einfangen geschüzter Wildgattungen ;j verbotene Fangarten, das Giftlegen ; die Anwendung von Selbstschüssen und explodirenden Geschoßen und Repetirwaffen; das Tragen von Stok- und zusammengeschraubten VFlinten; der Gebrauch von andern als Hühnerhunden auf [der Flugjagd vor Eröffnung der allgemeinen Jagd ; Eigenthumsbeschädigung ; Kauf und Verkauf von gefreveltem^Wildpret ; Zerstörung von Nestern und Brüten

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des Jagdgeflügels, sowie die Uebertretung der Bestimmungen über Hochwildjagd und Vogelschuz.

Die Käufer von gefreveltem Wild in der geschlossenen Zeit oder von geschüzten Wildarten sind gleich den Frevlern zu bestrafen.

Art. 22. Die Kantone werden die bezüglichen Strafbestimmungen aufstellen, immerhin in der Art, daß bei Uebertretung der Bestimmungen über Vogelschuz die Strafe nicht unter Fr. 10, bei denjenigen der niedern Jagd nicht unter Fr. 20 und bei der Hochwildjagd nicht unter Fr. 40 angesezt werden darf.

Unerhältliche Bußen sind in Gefängniß umzuwandeln,, wobei ein Tag zu Fr. 3 zu berechnen ist.

Beim Rükfalle soll die Jagdberechtigung für je zwei bis sechs Jahre entzogen oder verweigert werden.

Jagdfrevel bei geschlossener Jagd und solche begangen zur Nachtzeit sind mit der doppelten Buße zu belegen.

Das Jagenlassen von Hunden zur geschlossenen Jagdzeit ist zwar gleichfalls mit Polizeistrafen von wenigstens Fr. 5 für jeden Hund zu belegen, zählt aber nicht als Jagdfrevel.

Im Rükfalle sind alle Bußen angemessen zu verschärfen.

Tl.

Schlussbestimmungen.

Art. 23. Die Kantone sind befugt, gesezliche Bestimmungen aufzustellen, nach welchen für die Erlegung von der Landwirtschaft, Fischerei und dem Wildstand besonders schädlichen Thieren (als große Raubthiere, Wildschweine, Fischotter, Adler, Habichte, Sperber, Elstern, Häher, Fischreiher) angemessene Prämien zu verabfolgen -sind.

Art. 24. Die kantonalen Jagdgeseze und Verordnungen sind dem Bundesrathe zur Einsichtnahme und Genehmigung vorzulegen.

Art. 25. Sobald gegenwärtiges Gesez in Kraft erwachsen ist, wird der Bundesrath die nöthigen Vollzugs-

496 Verordnungen erlassen und gleichzeitig die Kantone anhalten, ihre betreffenden Vorschriften ohne Verzug mit denselben in Einklang zu bringen.

Art. 26. Der Bundesralh ist beauftragt, auf Grundlage der Bestimmungen des Bundesgesezes vom 17. Brachmonat 1874 (A. S., neue Folge I, S. 116), betreffend die Volksabstimmung über Bundesgeseze und Bundesbeschlüsse, die Bekanntmachung dieses Gesezes zu veranstalten und den Beginn der Wirksamkeit desselben festzusezen.

Also beschlossen vom Ständerathe, B e r n , den 16. Herjbstmonat 1875.

Der Präsident : Blngier.

Der Protokollführer: J. L. Lutscher.

Also beschlossen vom 'Nationalrathe, B e r n , den 17. Höfbstmonat 1875.

Der Präsident: Stämpfli.

· .

Der Protokollführer: Schiess.

D e r s c h w e i z e r i s c h e B u n d e s r a t h beschließt: Aufnahme des vorstehenden Bundesgesezes in- das Bundesblatt.

.Bern, den 22. Herbstmonat 1875.

Der Bundespräsident: Scherer.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Schiess.

N o t e . Datum der Publikation: 23. "Weinmonat 1875.

Ablauf der Einspruchsfrist: 21. Jänner 1876.

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Bundesgesez über Jagd und Vogelschuz. (Vom 17. Herbstmonat 1875.)

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23.10.1875

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