614

# S T #

Nachträglicher Bericht des

Bundesrathes an die hohe Bundesversammlung, betreffend die Gewährleistung der Verfassung des Kantons Basel-Stadt.

(Vom 25. Juni 1875.)

Tit.!

Mit Zuschrift vom 12. Juni abbin hat uns der Ständerath mit Rüksicht auf die Verwahrung der römisch-katholischen Gemeinde in Basel gegen die Genehmigung von Art. 12 der neuen Verfassung des Kantons Basel-Stadt zu einer bezüglichen Ergänzung unserer Botschaft vom 28. Mai 1875 eingeladen.

Nachdem wir auch die Regierung von Basel-Stadt angehört haben, beeilen wir uns, Ihnen hiemit den gewünschten ergänzenden Bericht zu erstatten.

Die Eingabe der Vorstellerschaft der römisch-katholischen Gemeinde in Basel, datirt vom 8. Juni, umfaßt bloß den ersten Theil des Imprimates, welches sie den Mitgliedern der eidg. Räthe hat austheilen lassen. Der in diesem Imprimate enthaltene ,,Nachtrag" ist dem Bundesrathe nicht schriftlich übergeben worden. Er ist daher der Regierung von Basel-Stadt auch nicht zur Beantwortung vorgelegen. Wir glauben indeß, über diese formelle Unregelmäßigkeit hinweggehen zu dürfen, da die rechtliche Begründung, zu welcher der ,,Nachtrag" vorzugsweise bestimmt zu sein scheint,

615 hauptsächlich an den Artikel 50 der Bundesverfassung sich anlehnt und die Anwendung der Bundesverfassung auf spezielle Verhältnisse immerhin der Bundesversammlung zusteht.

Der angegriffene § 12 der neuen Verfassung von Basel-Stadt lautet wie folgt: ,,§ 12. Die reformirte und die katholische Kirche erhalten ,,durch Gesez ihre äußere Organisation, nach welcher sie unter ,,Oberaufsicht des Staates ihre innern konfessionellen Angelegenheiten ,,selbstständig ordnen. Ihre Geistlichen und ihre kirchlichen Ver,,treter wählen die zu jeder Kirchgemeinde gehörigen, in GemeindeAngelegenheiten stimmfähigen Schweizerbürger.

,,Der Eintritt in diese Kirchen, sowie der Austritt aus denselben ,,steht jedem Staatsangehörigen bedingungslos offen. Das Gesez ,,wird bestimmen, wann Neueintretende die Stimmberechtigung er,,halten.

,,Der Staat bestreitet die Kultusbedürfnisse dieser Kirchen, und ,,zwar mit Rüksicht auf die zu jeder Kirche, resp. jeder durch die ,,Organisation anerkannten kirchlichen Gemeinschaft gehörigen Mitglieder.a Die Vorsteherschaft der römisch-katholischen Gemeinde von Basel behauptet nun, daß dieser § 12 im direkten Widerspruch stehe mit Art. 50 der Bundesverfassung, weil dadurch der Staat das Recht sich beilege, nicht nur die protestantische, sondern auch die katholische K i r c h e zu organisiren. Es sei aber, nachdem die Bundesverfassung in so ausgiebiger Weise die Unverlezlichkcit der Glaubens- und Gewissensfreiheit, die Gewährleistung der freien Ausübung gottesdienstlicher Handlungen und den Ausschluß jeden Zwanges in religiösen Angelegenheiten proklamirt habe, durchaus unstatthaft, daß ein Kanton die katholische Kirche, welche nach dem katholischen Glauben ihre Verfassung und Gestalt von ihrem Stifter Jesus Christus selbst habe, organisiren wolle, zumal wenn dieser Staat bekenntnißlos und wesentlich protestantisch sei. Man möge sich vergegenwärtigen, wie sehr man sich dagegen wehren würde, wenn ein katholischer Kanton einem andern Bekenntnisse seine äußere Erscheinung geben wollte, und zwar noch gar auf katholischer Grundlage. Der erwähnte § 12 wolle lediglich unter katholischem Namen eine neue Sekte gründen, außer allem Zusammenhange mit der katholischen Weltkirche -- mit Papst und Bischof -- auf widerkatholischem oder bekenntnißlosem Boden.

Die Scheidung zwischen der äußern Organisation
und dem selbstetändigen innern Leben der Kirche scheine den Petenten nicht mehr Sinn zu haben, als jene zwischen dem sichtbaren Menschen und seinem selbstständigen innern Leben. Wenn die Gleichstellung mit

616 den reformirten Mitbürgern vorgeschüzt werden wolle, so werde darauf im Ernste keine Entgegnung nöthig sein ; denn hoffentlich werde die Parität noch immer in dem Sinne verstanden, daß beide, der Katholik als Katholik, der Protestant als Protestant, derselben gleichberechtigten Stellung sich erfreuen sollen, nicht aller, daß der Katholik sich als Protestant behandeln lassen müsse, und um gekehrt.

Die römisch-katholische Gemeinde von Basel habe Ins anhin ihre Bedürfnisse selbst bestritten und werde es auch in Zukunft thun.

In dem Nachtrage wird dann noch hervorgehoben, daß es sich in § 12 der Basler Verfassung nicht bloß um eine Ordnung der weltlichen Angelegenheiten der katholischen Kirchgemeinden, nicht bloß um eine Ordnung der Verhältnisse zwischen Staat und Kirche, nicht um die äußere Stellung der wesentlich selbstständigen Religionstheile handle, sondern es soll die katholische K i r c h e organisirt werden wie die reformirte Der Große Rath, welcher schon bis jez Laudesbischof oder vielmehr der Pap.st der reformirten Kirche gewesen soll nun jezt auch für die Katholiken au die Stelle i h r e r kirchlichen Obergewalten treten.

Alles dieses stehe im Widerspruch mit Art. 50 der Bundesverfassung, weßhalb die römisch-katholische Gemeinde von Basel den einstimmigen Beschluß gefaßt habe, daß sie dem S 12, als ihrem Glauben und Gewissen zuwider, sieh nicht unterziehen könne und werde. Der Vorstand jener Gemeinde stellte daher das Gesuch, dass die Bundesversammlung dem §12, soweit er die katholische Kirche betrifft, ihre Genehmigung verweigern möchte.

Die Regierung von Basel-Stadt antwortete mit Schreiben vom 19. Juni, daß sie zwar nicht in der Lage sei, die, Verfassung authentisch zu interpretiren. Dagegen stehe sie nicht a n , z u u erklären, daß sie den angefochtenen Artikel als nicht im Widerspruch mit der Bundesverfassung stehend betrachte. Basel-Stadthabeo bisher verfassungsgemäß nur eine protestantische Landeskirche, gehabt. Die neue Verfassung stelle dagegen das Prinzip der Parität auf in dem Sinne, daß auch eine katholische Kirche vom Staatesubventionirtt und äußerlich organisirt werden soll, falls das Begehren darnach sich kundgeben werde. Daneben bleiben diebuudesverfassungs-gemäßen Rechte freierReligionsgenossenschaftenu vollständig gewahrt, so daß die römisch-Katholiken in Basel,
sobald sie es vorziehen, auch davon Gebrauch machen können. Der Hauptinhalt der bezüglichen Vorschriften der Bundesverfassung sei übrigens auch in § 11 dar neuen Verfassung von Baselreproduzirt.

Gì 7

Wir glauben uns auf wenige Bemerkungen beschränken za dürfen, zumal uns die wichtigste Einrede gegen den erwähnten §12 auf einem Irrthum zu beruhen scheint. Es ist nämlich offenbar ein Irrthum, wenn die Beschwerdeführer glauben, daß der Kanton Basel-Stadt die Absicht habe, sich in die wirklichen Glaubenssäze der katholischen Kirche einzumischen und deren Genossen einen Zwang anzuthun auf einem Gebiete, das ihnen durch den unmittelbar vorhergehenden § 11, wörtlich übereinstimmend mit Art. 49 und 50 der Bundesverfassung, gewährleistet ist. Allerdings ermöglicht die Redaktion des ersten Sazes von § 12 dieses MiSverständniß. Allein es hat der Ausdruk ,,Kirche''1 offenbar keine andere Bedeutung, als der im Art. 50 der Bundesverfassung enthaltene Ausdruk ,,Religionsgenossenschaft", und bezeichnet bloß die mögliche Zusammengehörigkeit derjenigen Individuen, welche der gleichen Konfession angehören wollen. In diesem Sinne bestimmt der Art. 50 der Bundesverfassung, es sei auch den Kantonen vorbehalten, die Verhältnisse unter den Angehörigen der verschiedenen Religionsgenossenschaften zu ordnen, sowie gegen Eingriffe kirchlicher Behörden in die Rechte der Bürger und des Staates die geeigneten Maßnahmen zu treffen. Wenn nun der Kanton Basel-Stadt im Sinne von § 12 der neuen Verfassung die reformirten und katholischen Religionsgenossenschaften durch Gesez äußerlich organisiren will und sie gleichmäßig beide unter Aufsicht des Staates die innern konfessionellen Angelegenheiten so ordnen läßt, wie es dem Wesen einer jeden derselben entspricht, so glauben wir, daß dadurch die Glaubens- und Gewissensfreiheit nicht beeinträchtigt sei. Ebenso kann von einer Verlezuug der Parität der Glaubensbekenntnisse keine Rede sein, da die Basler Verfassung ausdrüklich die s t a a t l i c h e G l e i c h b e r e c h t i g u n g als leitendes Prinzip aufstellt. Es ist durchaus unrichtig, wenn die Besehwerdeführer glauben, daß nach dem Wortlaut dieses § 12 der Katholik sich als Protestant behandeln lassen müsse. Wenn der Staat völlige Freiheit des innern religiösen Lebens des Einzelnen und die Bildung von Religionsgenossenehaften schüzt, welche in Kultus und Lehre sich frei bewegen können, sofern sie nicht in die Sphäre des Staatsgebieses hinübergreifen, so kann man nicht sagen, daß der Staat im selben Momente den Gewissen Zwang
anzuthun sich bestrebe. Der Umstand, daß die Wahl der Geistlichen künftig auch im Kanton Basel-Stadt dee Gemeinden zusteht, ändert an dem Gesagten nichts, da diese Wahl mit Glauben und Gewissen nichts zu thun hat. Es scheint uns daher, daß den oft erwähnten § 12 nicht der Vorwurf treffen kann, daß er mit der Bundesverfassung im Widerspruche stehe.

618 Wir schließen, gestüzt auf das Gesagte, mit dem Antrage, daß der Einsprache des Vorstandes der römisch-katholischen Gemeinde von Basel keine weitere Folge zu geben sei.

B e r n , den 25. Juni 1875.

Im Namen des Schweiz. Bundesrathes, Der Bundespräsident:

Scherer.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Schiess.

61»

# S T #

Botschaft des

Bundesrathes an die hohe Bundesversammlung, betreffend Konzession von Pferdeeisenbahne in Genf.

(Vom 28. Juni 1875.)

Tit.!

Indem auseinandergesezt wird, die in den Jahren 1862 und 1863 gebauten Pferdebahnen Genf-Chêne und Genf-Carouge seien dringend einer Erneuerung und Reparatur bedürftig, und für die leztere müssen nothwendig neue Wägen angeschafft werden, die beiden bestehenden Gesellschaften seien aber außer Stande, die Kosten aufzubringen, eine glükliche Hebung der Schwierigkeiten sei nur davon zu erwarten, daß die beiden genannten Bahnen mit einander in Verbindung gesezt und durch die besuchtesten Gassen neue Linien gelegt werden, kommen die Herren Antonin Févat inGenf, Mitglied der Verwaltung der Bahnen Genf-Chêne und GenfCarouge, und Simon Philippart in Paris, Präsident der Pferdebahngesellschaft du Nord (Lezterer vertritt wesentlich die finanzielle Seite des Unternehmens), um die Konzession eines Nezes von Pferdebahnen ein, welches vor Allem die bereits gebauten Pferdebahnen in sich begreift, dieselben durch die Rues de la Corratene, Centrale, des Allemands, de la Croix d'or und de Rive mit einander verbindet und vom Bahnhof Montbrillant her durch die Rue du Mont Blanc über die Brüke du Mont Blanc und die Pläze du Lac

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Nachträglicher Bericht des Bundesrathes an die hohe Bundesversammlung, betreffend die Gewährleistung der Verfassung des Kantons Basel-Stadt. (Vom 25. Juni 1875.)

In

Bundesblatt

Dans

Feuille fédérale

In

Foglio federale

Jahr

1875

Année Anno Band

3

Volume Volume Heft

28

Cahier Numero Geschäftsnummer

---

Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

03.07.1875

Date Data Seite

614-619

Page Pagina Ref. No

10 008 693

Das Dokument wurde durch das Schweizerische Bundesarchiv digitalisiert.

Le document a été digitalisé par les. Archives Fédérales Suisses.

Il documento è stato digitalizzato dell'Archivio federale svizzero.