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Botschaft des

Bundesrathes an die hohe Bundesversammlung, betreffend Verpflegung und Beerdigung armer Kantonsangehöriger.

(Vom 2. Juni 1875.)

Tit.! ' Der Art. 48 der Bundesverfassung lautet: ,,Ein Bundesgesez wird über die Kosten der Verpflegung und Beerdigung armer Angehöriger eines Kantons, welche in einem andern krank werden oder sterben, die nöthigen Bestimmungen treffen."

Bekanntlich existirt seit dem Jahr 1865 ein Konkordat über die gegenseitige Vergütung von Verpflegungs- und Begräbniskosten für arme Angehörige, dem 16 Kantone beigetreten sind (A. S. VIII, 820). Die neue Bundesverfassung will diese Materie auf dem Wege der eidg. Gesezgebung geregelt wissen, ohne sich darüber auszusprechen, ob das Gesez auf der Basis der Rükvergütung oder auf dem entgegengesehen Prinzip beruhen soll. Wir mußten daher wünschen, da diese Angelegenheit zunächst die Kantone betrifft, die Ansichten derselben hierüber kennen zu lernen, bevor wir der Sache weitere Folge gaben.

In ihrer diesfälligen Ansichtäußerung theilen sich die Kantone in zwei Gruppen, von denen die größere (15 Kantone) den Grundsaz der gegenseitigen Vergütungspflicht in das Gesez aufgenommen wissen will, während die Minderheit (7 Kantone) sich für denjenigen der Unentgeltlichkeit ausspricht.

Bundesblatt. Jahrg. XXVII. Bd. III.

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252 Indem wir im Einzelnen die von den Kantonsregierungen für Begründung ihrer Ansicht vorgebrachten Motive der Reihenfolge nach im Auszuge folgen lassen, werden wir nach Darlegung unserer Ansicht die sachgemäßen Anträge damit verbinden.

Zürich stellt sich auf den Standpunkt der gegenseitigen V e r g ü t u n g s pflicht.

Soweit bisher das Prinzip der gegenseitigen Kostenentlastung beim Abschluß von Konkordaten befolgt wurde, hatte die Regierung keine Ursache, an demselben Anstoß zu nehmen; auch sei kaum zu bezweifeln, daß die territoriale Armenpflege immer mehr Boden gewinne und deren allgemeine Geltung nur noch eine Frage der Zeit sei. Gegenwärtig aber werden bei Regelung der fragliehen Verhältnisse auf dem Wege der Gesezgebung die bestellenden kantonalen Institutionen zu beachten sein, und könnte im Kanton Zürich das System der gegenseitigen entgeltlosen Kraukenverpflegung etc. im Allgemeinen noch keine günstige Aufnahme finden.

Es müßten insbesondere Gemeinden mit großer Industrie und starkem Anzug von Arbeitskräften in bedeutendem Maße durch dasselbe zu leiden haben, so lange nicht Vorsorge getroffen wäre, daß die bezüglichen Lasten wenigstens theilweise den Gemeinden abgenommen und auf Rechnung von Zentralarmenkassen kommen würden.

Im Uebrigen habe bei dem Konkordat für gegenseitige Vergütung der Verpflegungskosten die Bestimmung am meisten Schwierigkeiten verursacht, nach welcher die Gemeinden nur dann auf Vergütung Anspruch haben sollen, wenn sie bei Erkrankungen sofort der heimatlichen Armenpflege der betreffenden Person davon Bericht geben. Da sollte jedenfalls dafür gesorgt werden, daß, wenn aus irgend welchem Grunde eine Erkrankungsauzeige unterbleiben würde, daraus nicht chikanöse und unwürdige Einreden gegen die Kostenvergütung abgeleitet werden könnten.

Bern erklärt, daß das System der gegenseitigen Rükvergütung demjenigen der neuen bernischen Armengesezgebung nicht entspreche und daß es demjenigen der gegenseitigen U n e n t g e l t l i c h k e i t unbedingt den Vorzug geben müsse.

Als Ende 1868 der Kanton Luzern den eidg. Mitständen die Erklärung abgab, von nun an den leztern Grundsaz zur Anwendung zu bringen, habe die Regierung nicht gezögert, durch Kreisschreiben an sämmtliche Kautone vom 31. Dezember Ì868 diese Erklärung

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ebenfalls zu erlassen und durch Kreissehreibeu die sämmtlichen Gemeinden des Kautons zu verpflichten, in allen bezüglichen Fällen diesen Grundsaz anzuwenden, was denn auch seither in aller Treue und mit großen Opfern seitens des Staates durch Entschädigungen an den Inselspital und das äußere Krankenhaus, wie seitens der vielen Bezirksspitäler und der Gemeinden geschehen sei, und zwar auch gegenüber den Angehörigen der wenigen Kantone, welche Bern gegenüber kein Gegenrecht hielten.

Die Regierung müsse entschieden dafür halten, es sei das System der Unentgeltlichkeit demjenigen der Riikerstattung vorzuziehen, indem es der Natur der Sache besser entspreche und mit viel weniger Umständlichkeit verbunden sei.

Wie natürlich sei es doch, daß erkrankte Arme an dem Aufenthaltsorte die nöthige Verpflegung erhalten und im Falle Absterbens daselbst beerdigt werden, ohne daß die entfernte Heimatgeineiude derselben zu Kostenersaz angehalten werde.

Entspreche dieser Grundsaz schon überhaupt dem Prinzipe der Humanität besser als der gegentheilige, so sei er insbesondere denn auch weit geeigneter, dem Bewußtsein eidgenössischer Zusammengehörigkeit entsprechenden Ausdruk zu geben. Es klinge fast wie Hohn, wenn ßadensern, Bayern, Belgiern, Italienern, Preußen und Oesterreichern die erwähnten Wohlthaten ohne Kostenersaz zugewendet werden müssen, während dieselben für Schweizer anderer Kantone nur gegen Rükvergiltung erfolgen.

Das Prinzip der Rükvergütung sei zudem in der Vollziehung mit mehr Umständlichkeit verbunden und biete bezüglich der im Geseze zu normirenden Bedingungen und Formen, unter welchen die fragliche Hülfe einzutreten habe, seitens der ersazpflichtigen Gemeinden nur zu leicht Anhaltspunkte für Verweigerungen, welche für beförderliche Erledigung solcher Geschäfte sehr unangenehm und hindernd seien. Sie verweise z. B. auf die leidigen Erfahrungen, welche dieses System gegenüber Württemberg oft genug zu machen im Falle sei.

Da bezüglich des Kantons Bern die auswärtige Armenpflege für die Mehrzahl der Gemeinden des alten Kantonstheiles dem Staate obliege, während 35 derselben und diejenigen des Jura selbst dafür zu sorgen haben, so böte das System der Rükvergütung für diesen Kanton seine besondern Schwierigkeiten, und die Verwirklichung der Ersazleistung könnte in vielen Fällen um so sicherer nur auf
Umwegen erreicht werden, als bei der Verpflegungsgemeinde oft Ungewißheit walten müßte, wohin sie sich zu wenden habe.

Vom allgemeinen Standpunkte eidgenössischer Bundesbrüderlichkeit sowohl, als von demjenigen der besondern Armongesezgebuug

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und Armenpflege des Kantons Bern aus, empfehle daher die Regierung mit bester Ueberzeugung den Grundsaz der U n e n t g e l t lichkeit.

L u z e rn

spricht sich ebenfalls für den Grundsaz der gegenseitigen Unentgeltlichkeit aus.

Der Kanton Luzern gehöre zu denjenigen, welche dem Konkordate vom Jahre 1865 über die gegenseitige Vergütung von Verpflegungs- und Begräbnißkosten für arme Angehörige nicht beigetreteu sind. Die Regierung habe durch Kreisschreiben vom 21. Dezember 1868 den sämmtlichen eidg. Mitständen angezeigt, daß sie hinsichtlich der Verpflegung armer krankfallender Angehöriger und der Beerdigung armer Verstorbener gegenüber sämmtlichen Mitständen den Grundsaz gegenseitiger Unentgeltlichkeit zur Geltung bringen werde. Seither sei dieses System im Kanton Luzern aufrecht erhalten worden, ohne daß Uebelstände daraus hervorgegangen seien. Einzig die Frage, ob die Kosten der Verpflegung und Beerdigung aus der Staatskasse oder aus der Polizei- oder Armenkasse der Gemeinde, in welcher der Verpflegte oder Verstorbene seinen Wohnsiz hatte, zu bezahlen seien, habe Anlaß zu Erörterungen gegeben. Die Regierung spreche sich für Bezahlung derselben aus der Armenkasse der Gemeinde aus, in welcher der Betreffende wohnte, weil die unentgeltliche Verpflegung und Beerdigung der außer dem Kanton wohnenden Luzerner Bürger an ihrem Wohnorte auch wieder den Armenkassen der Heimatgemeinde zu Statten komme.

Ihre in dieser Angelegenheit gemachten Erfahrungen bestärken die Regierung in der Ansicht, daß auch das fragliche Bundesgesez auf dem Grundsaze der Unentgeltlichkeit beruhen sollte.

Die gegenseitigen Vergütungen hätten von jeher das Unangenehme gehabt, daß man sich über die Größe der Forderung, ja häufig auch über die Zahlungspflicht selbst stritt, oder doch auf ein widerwärtiges Markten sich verlegte. Die Regierung glaube nicht, daß durch ein Gesez auf der Basis der Rükvergütung der Widerkehr solcher Fälle vorgebeugt werden könnte. Wohl könne die Eutschädigungspflicht im Gruudsaze normirt und das Verfahren, welches, um zur Rükvergütung zu gelangen, eingeschlagen werden soll, geordnet werden ; allein darüber, ob dieses Verfahren gehörig beobachtet worden sei. ob die Forderung dem aufgestellten Taxentarif entspreche, ob nicht Gebühren für etwas gefordert werden, wofür keine stipulirt sind u. s. w., würden sich immer wieder Differenzen erheben.

255 Ein anderer wesentlicher Grund, der gegen das System der Rükvergiitung spreche, liege im öffentlichen Rechte der Schweiz.

Gemäß diesem verweigerten bisher die Bundesbehürden den Steuerdekreten der Heimatgemeinden gegen ihre in andern Kantonen wohnenden Angehörigen die Exekution und betrachteten diese auch im Armenwesen der Steuerhoheit des Wohnorts unterworfen. Luzern habe in Folge dieses staatsrechtlichen Grundsazes in seinem Steuergeseze vom 18. Herbstrnonat 1867 von der Besteurung auswärts wohnender Angehöriger grundsäzlich abstrahirt. Diesem Grundsaze gemäß sei der auswärts niedergelassene Bürger seiner Pflicht gegenüber seiner Heimatgemeinde faktisch entbunden, während er im Verarmungsfalle doch Anspruch auf ihre Unterstüzung mache. Die R e c h t e seien der Heimatgemeinde genommen ; die Lasten soll sie tragen. Diese Anomalie werde nur dadurch einigermaßen gemildert, wenn der Niederlassungsort eine allfällige Nothhilfe leiste, ohne Anspruch auf Vergütung zu machen.

Daß den Hilfsbedürftigen die nöthige Fürsorge nicht zu Theil werde, wenn kein Ersaz geleistet werde, sei eine grundlose Befürchtung; es sei bisher kein Fall zur Kenntniß gekommen, wo ein derartiger Uebelstand sich zeigte.

Die Regierung spricht demnach ihre Ansicht dahin aus, das Bundesgesez über die Kosten der Verpflegung und Beerdigung armer Angehöriger eines Kantons, welche in einem andern krank werden oder sterben, sei auf der Basis der gegenseitigen Unentgeltlichkeit zu erlassen.

Uri bekennt sich zur Ansicht, es sei vorzuziehen, wenn das zu erlassende Gesez auf der Basis der R ü k v e r g ü t u n g der K o s t e n nach einem allgemein verbindlichen billigen Tarif beruhe.

S e h w y z.

Die Beantwortung der Frage sei der Regierung durch § 2, Litt, d der Armenverordnung vom 12. Februar 1851 vorgezeichnet, welcher laute : Die Pflicht zur Armenunterstüzung erstrekt sich .^auf Erstattung von Arzt-, Wundarzt-, Verpflegungs- und Beerdigungskosten für arme Gemeindsan!*ehöri<*e, welche außer dem Kanton erkrankt und unterO O i stüzt worden sind."

Der Kanton huldige demnach dein gleichen Grundsaze, wie das eidg. Konkordat von 1865 über gleiche Materie, wenn er auch diesem nicht beigetreten sei.

256 U n t e r w a i d e n ob dem Wald spricht sich für das Prinzip der u n e n t g e l t l i c h e n Verpflegung und Beerdigung aus.

U u t e r w a l d e n n i d d e in W a l d wünscht ebenfalls Aufnahme des Prinzips der gegenseitigen U n e n t geltlichkeit.

Nach Ansicht der Regierung könne beim Grundsaze der gegenseitigen Unentgeltlichkeit eine gehörige Kontrole eingehalten werden, und es sei den Behörden eines jeden Kantons die Aufsicht ermöglicht, daß nur solche andern Kantonen angehörende Armen unterstüzt werden, die einer Unterstüzung wirklich bedürftig seien.

Ferner könnten jährliche Rechnungsabschlüsse mit mehr Sicherheit gemacht werden, als wenn der Grundsaz der Rükvergütung angenommen würde, in welchem Falle die Armenbehörden immer zu gewärtigen hätten, bedeutende Unterstüzungsgelder an Behörden anderer Kantone versenden zu müssen, was für die Armenkassen lästig erscheinen würde.

Es bestehen bereits viele Niederlassungsverträge mit andern Staaten, und es stehe der Abschluß von solchen noch in Aussicht.

Sollte nun nicht bloß auf diese Staaten, sondern auch auf die Schweiz betreffs der Kosten der Verpflegung und Beerdigung armer fremder Angehöriger das Prinzip der Rükvergütung ausgedehnt werden, so dürften fatale Folgen für die Armenbehörden kaum ausbleiben.

G l a r us

spricht sich für das Prinzip der R ü k v e r g ü t u n g aus, obschon das gegenteilige Verfuhren einfacher wäre. Es seien vorzugsweise Gründe der Humanität, welche für gegenseitige KostenvergütungSprechen und bei Glarus am meisten in's Gewicht fallen. Es werde der armeni Bevölkerung viel leichter möglich seiu, in einein andern Kanton ihr Brod zu finden, wenn man dort wisse, da.ß sie nöthigenfalls von der Heimat aus uuterstüzt werden müssen. Bei Erkrankung werde aber auch dem Aermsten schnellere und wirksamere Hilfe zu Theil werden, wenn die Behörden des Wohnorts wissen, daß sie Ersaz für die Kosten finden, und die Versuchung, auf den Tod Erkrankte noch schnell auf dem Schub in die Heimat zu befördern, um sie sich vom Halse zu schaffen, werde bei dem hier empfohlenen Grundsaz nicht mehr groß sein.

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Die Erfahrungen, welche mit Bezug auf das fragliche Konkordat vom Jahr 1865 gemacht werden konnten, seien auch nicht der Art, daß sie gegen die Zwekmäßigkeit des demselben zu Grunde gelegten Systems sprechen; der Regierung wenigstens seien diesfalls keine nennenswerthen Uebelstände bekannt geworden.

Fasse man die Sache vom Standpunkte der Gerechtigkeit und Billigkeit aus in's Auge, so dürften sich eben so viele Gründe für das eine Verfahren anführen lassen, wie für das andere; aber gerade deßhalb glaube die Standeskommission, daß diese Seite bei der Lösung der Frage weit weniger in Betracht kommen könne, ·sondern daß die Sache weit mehr vom Gesichtspunkte der Menschlichkeit aus behandelt und entschieden werden solle.

Zug

wünscht, es möchte das Gesez auf der Basis der R ü k v e r g ü t u n g oder dem Grundsaz, wie er im Konkordat von 1865 niedergelegt sei, erstellt werden. Eine solche Grundlage, wo jeder Kanton für seine Angehörigen einzustehen habe, sei gerecht und den Verhältnissen angemessen.

Freiburg erklärt, daß, obwohl es dem im Konkordat von 1865 aufgestellten Grundsaz der Rükvergütung seine Zustimmung im Prinzip ertheilt habe, es dem Konkordat aus dem Grunde nicht beigetreten sei, weil die Kantone Bern und Luzern, deren Angehörige im Kanton Freiburg die große Zahl der dort niedergelassenen kantousfremden Schweizer ausmachen, sieh von demselben ferngehalten haben.

Die genannten Kautone hätten im Jahr 1868 dem Kanton Freiburg neue Vorschläge für Errichtung eines Konkordates auf der Basis der gegenseitigen Unentgeltlichkeit gemacht, jedoch wieder ohne Erfolg, weil mit Rüksicht auf den Umstand, daß die in den Kantonen Bern und Luzern sich aufhaltenden freiburgischen Angehörigen an Zahl bedeutend geringer seien, als die im Kanton Freiburg Niedergelassenen aus jenen Kantonen, ein solches Konkordat für Freiburg nur von Nachtheil wäre.

Aus diesen Gründen könne die Regierung sich noch immer nicht dem System der gegenseitigen UnentgclUichkeit anschließen, welches übrigens, abgesehen davon, daß der Kaiiton Freiburg dadurch gegenüber den Nachbarkantoneu in Nachtheil käme, vom Rechtsstaudpuukte aus keineswegs stichhaltig sei.

Sie erkläre sich demnach für den Grundsaz der Ogegenseitigen O O

Rük Vergütung.

O

O

258 Solothurn ist der Ansicht, daß das Gesez auf dem Grundsaz der gegenseitigen u n e n t g e l t l i c h e n V e r p f l e g u n g beruhen sollte.

Basel-Stadt erinnert daran, daß der Kanton dem im Jahr 1865 zu Stande gekommenen Konkordat über die gegenseitige V e r g ü t u n g von Verpflegungs- und Begräbnißkosten für arme Angehörige beigetreten sei und daß er demgemäß bis dahin den Grundsaz der Rükvergütung befolgt habe. Die dabei gemachten Erfahrungen seien der Art, daß die Regierung lebhaft wünschen müsse, es möge auch das im Wurfe liegende Bundesgesez über diese Materie denselben Grundsaz adoptiren.

Schon die Stellung Basels als Grenzkanton, der von vielen Schweizern als Eingangs- oder Ausgangspunkt bei ihren Reisen passirt werde, bringe es mit sich, daß hier eine große Zahl Nichtkantonsangehöriger zirkulire, und unter diesen befinden sich auch solche, welche in den Fall kommen, die Wohlthat des beabsichtigten Gesezes zu beanspruchen. Sodann kommen in diese Stadt als Handelsund Industriestadt eine Menge fremder Elemente, die hier ihr Brod suchen wollen und unter welchen auch wieder ein nicht unbeträchtlicher Theil im Falle von Krankheit die hiesigen öffentlichen Anstalten in Anspruch nehme, ohne schon die nöthigen Mittel zur Verfügung zu haben. Ferner sei in Betracht zu ziehen, daß die Basler Bevölkerung in Folge der eben erwähnten Verhältnisse weit O mehr flottante Elemente als Bürger zähle und daß die in der Schweiz vertheilten Basler sich gegenüber den im Kanton Basel-Stadt aufhaltenden Angehörigen anderer Kantone in verschwindend kleiner Minorität befinden. Rechne man endlich noch hinzu, daß die hiesigen ohne jegliche Staatsunterstüzung bestehenden Krankenanstalten für die anerkanntermaßen sorgfältige und reichliche Verpflegung der ihr Anvertrauten eine verhältnißmäßig sehr geringe Entschädigung verlangen, so werde man es billig finden müssen, wenn hierorts an dem Grundsaze der Rükvergütung festgehalten werde.

Indem die Regierung auch jezt wieder, wie dies seit 1865 auch dem Auslande gegenüber beim Abschlüsse bezüglicher Verträge geschehen sei, sich für das Prinzip der gegenseitigen V e r g ü t u n g ausspricht, äußert sie noch den Wunsch, daß in dem neuen Bundesgesez nicht ein auf Jahre hinaus geltender Tarif festgesezt werde;, sondern daß bei Aufstellung der Verpflegungsrechnungen der Betrag in Anwendung komme, den ein Kranker wirklich koste.

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Basel-Landschaft wünscht, es möchte an dem Gruudsaz der R ü k v e r g ü t u n g festgehalten werden.

Sch ä f f h a u s e n erklärt sich für den Fortbestand des Grundsazes der gegenseitigen V e r g ü t u n g von Verpflegungs- und Begräbnißkosten, wie er im Konkordat von 1865 bisher existirte. Die Regierung sei sich zwar hiebei wohl bewußt, daß als Konsequenz der Bestimmungen der neuen Bundesverfassung, welche die Armenpflege der Wohngemeinde überläßt, allerdings das Prinzip der Nichtvergütung der Verpflegungsund Beerdigungskosten aufgestellt werden sollte; dagegen müsse sie sich vom praktischen Standpunkte aus entschieden für das Prinzip der Rükvergütung erklären. Sie halte nämlich dafür und sei dessen auch vollständig tiberzeugt, daß die Verpflegung armer Nichtkantonsangehöriger eine viel bessere und humanere sei, wenn man wisse, daß man für diese Verpflegung bezahlt werde, als wenn man zum Voraus annehmen müsse, daß die daherigen Kosten nicht rükvergütet werden.

Im Interesse der humaneren Verpflegung müsse die Regierung also wünschen, daß das zu erlassende Bundesgesez auf die Basis der Rükvergütung der Verpflegungs- und Beerdigungskosten gestellt werde.

A p p e n z e 11 A. R h.

Wenn auch der Gruudsaz der Unentgeltlichkeit der einfachere zu sein scheine, so sei die Regierung doch gerade durch die Rüksicht auf die Humanität veranlaßt, den Wunsch auszusprechen, es möchte das aufzustellende bezügliche Bundesgesez auf das Prinzip der K o s t e n v e r g ü t u n g basirt werden, indem sich annehmen lasse, daß erkrankte arme Angehörige aus andern Kantonen eher der nöthigen Verpflegung in jeder Hinsicht genießen werden, wenn die Rükvergütung der Kosten festgesezt sei.

A p p e n z e 11 I. R h.

spricht sich für gegenseitige R ü k v e r g ü t u n g der auferlaufenen Kosten aus.

St. G a l l e n .

G e g e n das Prinzip, daß Verpflegungs-und Beerdigungskosten für Arme von der Heimatgemeinde an die Wohngemeinde rükver-

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gütet worden sollen, sprechen die lästigen Korrespondenzen und Rechnungsstellung, die häufigen Anstände und Rekurse wegen Zahlungsverweigerungen und endlich wenigstens auch theilweise der Art. 45 der Bundesverfassung, soweit fragliche Kosten Niedergelassene betreffen.

Für besagtes Prinzip fallen folgende Thatsachen schwer in's Gewicht : Vorerst sei das Heimatsprinzip, das so tief in Geschichte und Recht des Schweizervolkes wurzle, nicht aufgegeben. Nicht das Heimatrechts-, sondern das Territorialprinzip führe zu dem Uebelstande, daß die Bürger in der Heimatgemeinde ihre Gemeinds'güter um so ungenirter und fröhlicher genießen, als sie ihre weggezogenen Armen den Wohngemeinden überlassen können.

Dann sei die Kostentragung für Verpflegung und Beerdigung von Armen, zumal in hohem Betrag, eine Last, welche von Gemeindsbehörden für Nichtgemeindsbürger nur unwillig und im Gefühle einer ungerechten Leistung übernommen werde. Die Reziprozität gleiche hier die Mißverhältnisse nicht aus. Dieses Gefühl habe Anspruch auf Entschuldigung in solchen Gemeinden, wo bei geringer Anzahl Abwesender dann und wann der Fall eintrete, daß Nichtkantonsbürger der Wohngemeinde Kosten verursachen.

Die Regierung würde es für sachgemäß halten, daß die Angelegenheit auf der Basis der Rükvergütung gesezlich geregelt werde.

G r a u b ü n d e n.

Grundsäzlich und wegen der damit verbundenen Vermeidung weiterer Korrespondenz würde sich nach dem Erachten der Regierung die Maxime der Unentgeltlichkeit empfehlen. Hingegen spreche für den Grundsaz der Rükvergütung, welcher in dem bestehenden Konkordate angenommen sei, das in der Bundesverfassung festgehaltene Heimatsprinzip, und insbesondere scheine auch das Moment der Berüksichtigung werth, daß hiebei manchenorts und in manchen Fällen dem Kranken eher eine bessere Verpflegung zu Theil werden dürfte.

A a r g a u.

Das Konkordat von 1865, auf der Basis der Rükvergütuug beruhend, habe sich zwar, so lange demselben von deu beigetretenen Kantonen in allen Theilen nachgelebt wurde, als gut und praktisch bewährt. In neuerer Zeit hätten aber verschiedene, früher zum Konkordat gehörende Kantone von dem darin niedergelegten

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Grundsaze der Kostenvergütung sich losgesagt, und man neige sich überhaupt immer mehr dem Prinzipe der Unentgeltlichkeit zu, wie denn auch dieses Prinzip z. B. bezüglich der Transportkosten bereits adoptirt wurde und in der praktischen Durchführung allerdings die wenigsten Schwierigkeiten biete.

Die Regierung könne sich deßhalb einverstanden erklären, wenn in das zu erlassende bezügliche Gesez der T e r r i t o r i a l grundsaz aufgenommen werde.

T h u r g a u.

Nach Erwägung aller hiebei in Betracht fallenden Verhältnisse gelange die Regierung zu der Anschauung, daß das System der gegenseitigen U n e n t g e l t l i c h k eit vom Standpunkte der Bundesgesezgebung den Vorzug verdienen dürfte. Dabei werde sie von folgenden Gesichtspunkten geleitet: 1) Allerdings bestehe zwischen 16 Kantonen zur Zeit noch das Konkordat vom 16. Wintermonat 1865, welches in den fraglichen Nothfällen die gegenseitige Kostenvergütung durch die Heimatgemeinden zusichere, und es scheine dieser modus vivendi der Mehrzahl der Kantone zu entsprechen, weil das Armenwesen durchwegs auf dem Heimatsprinzipe organisirt sei. Nachdem nun aber seither gegenüber einer Reihe von auswärtigen Staaten das System der gegenseitigen Kostenvergütung aufgegeben und sämmtliche Verträge auf dem Boden der gegenseitigen Unentgeltlichkeit abgeschlossen worden seien, dieses Verfahren sich auch als zwekmäßig und human bewährt habe, scheine es angezeigt, das gleiche System auch bei den Kantonen unter sich zur Geltung zu bringen; es sei wenigstens nicht einzusehen, warum sich die Kantone nicht gegenseitig auch gewähren sollten, was die Schweiz den auswärtigen Staaten einzuräumen im Falle sei.

2) Bekanntlich huldigen einzelne Kantone schon seit längerer Zeit auch im Armenwesen dein Territorialprinzip, und sie hätten demgemäß auch in der Praxis gegenüber andern Kantonen in den fraglichen Nothfällen den Grundsaz der Unentgeltlichkeit festgehalten, ein Vorgehen, welches den Konkordatskantonen verunmöglichte, in Spezialfällen die Kostenvergütung durchzuführen. Es sei einleuchtend, daß der weitere Fortbestand eines solchen Dualismus nicht erwünscht wäre, und andererseits dürfte es nicht in der Aufgabe der Bundesgesezgebung liegen, der weitem Entwiklung des Territorialprinzips, welches allmälig alle staatlichen Verhältnisse zu beherrschen berufen scheine, entgegenzuarbeiten.

262 3) Nach den Erfahrungen sei das System der Unentgeltlichkeit vom Standpunkt der Humanität und der Zwekmäßigkeit entschieden vorzuziehen. Unter der Herrschaft des Konkordats von 1865 hätten die festgesezten Fristen und Formalitäten, die Anzeigepflicht zu Händen der Heimatgemeinde und die Anwendung des (nur vorübergehend anwendbaren) Kostentarifs fortwährend zu Kollisionen und unliebsamen Korrespondenzen Anlaß gegeben, und es habe vielleicht bisweilen selbst die Verpflegung darunter gelitten. Mit der unentgeltlichen Verpflegung fallen alle diese Uebelstände dahin, und es handle sich nur noch darum, allfällige unterstüzungspflichtige Verwandte in Mitleidenschaft zu ziehen.

4) Endlich werde durch Anwendung der gegenseitigen Unentgeltlichkeit in Nothfällen der Regulirung des Armenwesens im Kanton und für die Kantonsangehörigen nicht vorgegriffen, resp.

könne dieselbe auch neben einer kantonalen Armengesezgebung O O O bestehen, die auf dem Heimatsprinzipe beruhe. Das Bundesgesez befasse sich doch nur mit den Krankheitsfällen, in welchen aus Rüksichten der Humanität ein Transport in die Heimat unthunlich erscheine, oder mit außerordentlichen Todesfällen, welche die Beerdigung am Aufenthaltsorte zur Folge haben; es beschlage also immerhin Ausnahmsfälle, deren Behandlung mit der Frage, wem inner den Grenzen eines Kantons die Armenunterstüzungspflicht obliege, und wie gegenüber niedergelassenen Nichtkantonsbürgern zu verfahren sei, welche dauernd der öffentlichen Wohlthätigkeit zur Last lallen, nichts zu schaffen habe, weßhalb die Regierung dafür halte, daß Jedermann mit dem von ihr befürworteten System der Unentgeltlichkeit sich sollte befreunden können.

Wenn noch die Frage aufgeworfen werden wollte, welches System für den einzelnen Kanton das vorteilhaftere sein möchte, so halte man diese Erwägung gegenüber den angedeuteten Gründen für unstichhaltig, abgesehen davon, daß es sich um unvorhergesehene Zufälle handle, welche für statistische Untersuchungen keine sichere Grundlage bilden können.

T e s sin spricht sich für den Grundsaz der U n e n t g e l t l i c h k e i t aus, dasjenige System, welches die Gemeinden anhalte, die armen Kranken zu unterstüzen, welcher Ortschaft der Schweiz sie angehören mögen, und für Verpflegung, beziehungsweise Beerdigung zu sorgen, ohne von der Heimatgemeinde
Kostenvergütung zu verlangen.

Wenige, aber dringende Gründe veranlaßen die Regierung, den .lebhaften Wunsch auszusprechen, daß bei der neuen sachbezüglichen Bundesgesezgebung dieses System obsiege.

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Vor Allem sei zu berüksichtigen die große und stets noch wachsende Leichtigkeit des Verkehrs von Kanton zu Kanton, von Gemeinde zu Gemeinde, und der Niederlassung in allen Theilen des gemeinsamen Vaterlandes, so daß auch die Bundesbehörden gefunden hätten, daß zur Zeit mehr als 300,000 Bürger außer ihrem Heimatkantone, in andern Kantonen, wohnen, wohin die Umstände sie zur Verwerthung ihrer Fähigkeiten fuhren, und daß diese'zahlreiche Klasse mehr Aufmerksamkeit verdiene, als ihr bisher zu Theil wurde.

Als logische Folge des zu gewährenden Schuzes ergebe sich unausweichlich der Schluß: daß die Gemeinden, wo die Nichtkautonsbürger ihre Jugend hingebracht, ihre Kräfte, ihren Verdienst aufgezehrt, wo sie dem Handel, den Gewerben, der Bevölkerung durch anhaltende Geschäftigkeit Impuls gegeben haben, nicht aus kleinlichen Gründen diese Bürger im Stiche lassen dürfen und können, wenn sie in Noth gerathen seien, und daß das Begehren an die Heimatgemeinde um Kostenvergütung ebenso unstatthaft erscheine, indem die Kosten gleichsam als eine Gegenleistung zu betrachten seien für die Vortheile, welche der Aufenthaltsgemeinde, statt der Heimatgemeinde, zuflössen, für welche leztere der Weggang der arbeitsamen Bevölkerung eher ein Schaden als ein Vortheil sei.

Sodann kommen auch in Betracht die Steuern, welche die Niederlassungsgemeinden auflegen und die ebenfalls eine öffentliche Bestimmung haben müssen, wie die Unterstüzung von Hilfsbedürftigen.

Zwar werde es hin und wieder Ausnahmsfälle geben, wo von einem Unterstüzten keine namhaften Vortheile oder Steuern hergeflossen seien, infolge kürzern Aufenthalts in einer Gemeinde; allein die wenigen Ausnahmen verschwinden gegenüber der allgemeinen Regel und weit größern Anzahl entgegengesezter Fälle und dürfen jene großen Grundsäze der Verbrüderung und der Gleichstellung nicht abschwächen, von denen man bei Anbahnung der neuen Bundesverfassung ausgegangen sei und welche überhaupt stets auf der Bahn jedes legislativen Fortschritts voranleuchten.

Diese Grundsäze seien in die neuen Gesezentwürfe über Armenunterstüzung im Kanton Tessin, für die Beziehungen zwischen Gemeinde und Gemeinde, niedergelegt, mit einiger Beschränkung in Bezug auf die Zeitdauer des Aufenthalts, und die Regierung müsse wünschen, daß sie, soweit sie nicht die einfache Unterhaltung, sondern die Krankenverpflegung und Beerdigung betreffen, angenommen werden.

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Die ärztliche Behandlung von Seite der durch die Gemeinden bezahlten Bezirksärzte erstreke sich im Tessiti ohne weitere Kosten auch auf die Niedergelassenen. Was die Beerdigung der Armen betreffe, so sollte dieselbe fast ganz unentgeltlich oder wenigstens von höchst geringer Belastung stattfinden, wo die Geistlichen das Herz mildthätigen Gefühlen nicht verschließen und für die Gemeinden, denen einige Last zufalle, kein Grund vorliege, sich deßhalb zu beschweren.

Aus diesen Gründen, sowie aus allen andern, namentlich humanitären und fortschrittlichen Rüksichten, wie solche im Schöße der eidg. Räthe hervorgehoben wurden, wiederhole die Regierung die ausdrükliche Erklärung, daß sie das System der gegenseitig unentgeltlichen Unterstüzung und Beerdigung demjenigen des Konkordats von 1865 vorziehe.

Waadt erachtet, daß das auszuarbeitende Bundesgesez auf den nämlichen Grundsäzen beruhen solle, wie solche im Konkordat von 1865 niedergelegt seien, nämlich gegenseitiger R ü k v e r g ü t u n g der Unterhaltungs-, Verpflegungs- und Begräbnißkosten durch die Heimatkantone.

W a 11 i s theilt mit, dasselbe sei dem Konkordat von 1865 beigetreten, welches den Grundsaz der gegenseitigen R ü k v e r g ü t u n g anerkenne.

Es liegen keine Gründe vor, welche die Regierung zur Befürwortung eines andern Systems veranlaßen könnten; sie wünsche daher, daß obiger Grundsaz auch in dem zu erlassenden. Bundcsgeseze beibehalten werde.

N eu en b ur g erklärt sich für das gleiche Prinzip, welches vom Konkordat von 1865 angenommen worden sei, nämlich demjenigen des Unterhalts durch die Heimatgemeinde. Das entgegengesezte Prinzip führe zu inhumanen Vorgängen, wie man es an zahlreichen Beispielen erfahren habe.

Die Heimatgemeinde habe die Pflicht, ihre armen Angehörigen zu unterstüzen, wo diese sich auch aufhalten mögen. Bei der Annahme obigen Grundsazes werde jeder erkrankte Angehörige die nöthige Pflege erhalten, in welchem Kanton er sich immer befinde, ob er ansäßig oder nur auf der Durchreise sei, da eine Anzeige an die Heimatgerneinde genüge, um sie zur Kostenvergütung zu verpflichten. Anders verhalte es sich bei dem System der Unentgeltlichkeit, welches die -- übrigens stets nur stiefmütterlich gesinnte --

265 Wohngeineinde bei ihrem Risiko, zu den Kosten einer vielleicht lange andauernden Krankheit hinzu auch noch Beerdigungskosten tragen zu müssen, leicht dazu verleite, ihr Möglichstes zu thun, um den armen Krankge word enea der Heimatgemeinde zuzuschieben, selbst auf die Gefahr hin, daß derselbe unterwegs dem Tode zur Beute falle.

Die Regierung glaube hinzufügen zu sollen, daß durch Art 45 der neuen Bundesverfassung der von ihr vertheidigte Grundsaz bereits proklamirt sei, indem das 3. Alinea desselben Artikels die Erklärung enthalte : ,,Weiterhin kann die Niederlassung denjenigen entzogen ,,werden, welche wegen schwerer Vergehen wiederholt gericht,,lich bestraft worden sind, sowie denjenigen, welche dauernd ,,der öffentlichen Wohlthätigkeit zur Last fallen und deren Heimat,,gemeinde, beziehungsweise Heimatkanton eine angemessene ,,Unterstüzung troz amtlicher Aufforderung nicht gewährt."

Die Regierung könnte daher nicht damit einverstanden sein, daß gegenüber einem armen erkrankten Bürger ein anderes Verhalten stattfinde.

Im Weitern sei Folgendes zu berüksichtigen : Angenommen, es gelte der Grundsaz der Unterstüzung durch die Wohngemeinde und es handle sich um einen erkrankten Familienvater, so entstehe die Frage, ob die Wohngemeinde die ganze Familie oder nur den Familienvater zu unterstüzen verpflichtet und ob sie berechtigt sei, von der Heimatgemeinde Hilfe für diese Familie zu verlangen, welche durch die Krankheit ihres Ernährers der nöthigen Existenzmittel entbehre.

Es seien dies Alles Punkte, welche zahlreiche Anstände voraussehen lassen, und die daher eine ernstliche Berüksichtigung verdienen.

Genf.

Die Verwaltungsergebnisse von 1873 zur Basis genommen, erscheine der Kanton Genf als einer derjenigen, welche am meisten Verpflegungskosten für Schweizerbürger aus andern Kantonen zu tragen haben.

Das Justiz- und Polizeidepartement habe im Jahr 1874 für Nichtkantonsbürger au den Spital bezahlt für 1718 Verpflegungstage à Fr. 1. 50 Fr. 2,577. -- a n Beerdigungskosten .

.

.

.

.

. n 254. -- beanstandete Fälle: 13 Kranke, 497 Tage .

. ,, 745. 50 Total "Fr. 3,576. 50

266

ungerechnet die Reisegelder an Bedürftige, die Heimbeförderungskosten etc.

Von Seite der Konkordatskantone sei zurükvergütet worden für 138 Kranke 4640, Verpflegungstage .

. " Fr. 7,1(55. -- ,, 40 Beerdigungen ,, 555. 50 Total Fr.7,720. 50 Nach den Mittheilungen des Kantonsspitals habe der Kanton im Jahr 1872 die Verpflegungskosten für zwei, im Jahre 1873 an die Kantone Waadt und Neuenburg die Verpflegungskosten für 4 Genferbürger, im Betrage von Fr. 450, zurükvergütet.

Es stehe daher diese Ausgabe in keinem Verhältnisse zu der Summe, welche der Kanton Genf für den Unterhalt der Kranken aus andern Kantonen aufzuwenden habe.

Falls der Grundsaz der Unentgeltlichkeit angenommen würde, wonach also jeder Kanton die Verpflegungs- und Beerdigungskosten armer niedergelassener Schweizerbürger selbst zu tragen hätte, so würde dem Kanton Genf von daher eine jährliche Ausgabe von Fr. 15,000, Zehrpfennige inbegriffen, erwachsen, und diese Ausgabe dürfte mit der Zeit noch zunehmen. Es sei zu befürchten, daß die Kantone durch das System der Selbsttragung der Kosten leichter dazu veranlaßt werden könnten, Bedürftige und mittellose Kranke fortzuweisen, oder absichtlich ihnen die nöthige Sorge vorzuenthalten.

Die Regierung habe daher alles Interesse, nicht nur daß das Konkordat fortbestehe, sondern daß der Grundsaz der gegenseitigen Rükvergütung von allen Kantonen angenommen werde.

Es sprechen sich somit aus für das Prinzip der g e g e n s e i t i g e n U,n e n t g e l t l i c h k ei t : die Kantone Bern, Luzern, Ob- und Nidwaiden, Solothurn, Aargau, Thurgau und Tessin, mit einer Bevölkerungszahl von 1,151,424, für dasjenige der g e g e n s e i t i g e n R ü k v e r g ü t u n g : die Kantone Zürich, Uri, Schwyz, Glarus, Zug, Freiburg, Basel-Stadt, Basel-Landschaft, Schaffhausen, beide Appenzell, St. Gallen, Graubünden, Waadt, Wallis, Neuenburg und Genf, welche bei der lezten Volkszählung eine faktische Bevölkerung von 1,722,723 aufwiesen.

Mit verschiedenen Staaten bestehen Uebereinkünfte, betreffend Verpflegung in Krankheits- und Unglüksfällen und Beerdigung von Verstorbenen, welche der Bundesrath jeweilen nach Anhörung der Kantone und Namens, der Beitretenden abgeschlossen hat. Diese Uebereinkünfte beruhen auf verschiedener Basis ; die einen gehen vom Prinzip der gegenseitigen Kostenvergütung aus, bei den andern

267 findet unenigeltliche Verpflegung statt. Die Uebereinkünfte wurden mit folgenden Staaten abgeschlossen ; 1) B e l g i e n vom Jahr 1855; es findet zwischen den Kantonen und Belgien eine unentgeltliche Kranken Verpflegung statt (v.

bundesräthl. Kreisschreiben vom 25. Januar 1856).

2) I t a l i e n vom Jahr 1856; zwischen den Kantonen und Italien findet eine unentgeltliche Verpflegung statt, sofern weder die Erkrankten selbst, noch ihre Familien im Stande sind, die betreffenden Kosten zu tragen (vergleiche bundesräthl. Kreisschreiben vom 6. Juui 1856).

3) O e s t e r r e i c h vom Jahr 1857 ; mit diesem Staate findet eine doppelte Uebereinkunft stitt; von den einen Kantonen werden die Verpflegungskosten vergütet, in andern findet unentgeltliche Verpflegung statt (Kreisschreiben des Bundesrathes vom 2. Wintermonat 1857).

4) W ü r t t e m b e r g vom Jahr 1860; die daherige Uebereinkunft verlangt gegenseitige Rükvergütung (Amtl. Sammlung, Band VI. 611 und 612).

5) P r e u ß e n vom Jahr 1862 ; beruht auf der Basis der Unentgeltlichkcit (Amtl. Sammlung, Band VII. 114).

6) B a y e r n vom Jahr 1862 ; auf gleicher Grundlage wie die Uebereinkunft mit Preußen (Amtl. Sammlung VII. 344).

7) B a d e n vom Jahr 1865 ; wie mit Preußen und Bayern (Gesezessammlung, Band VIII. 383).

Eine mit Rußland angebahnte Uebereinkunft, Rükvergütung festsezend, scheiterte an dem Umstände, daß nicht alle Kantone auf diesem Boden unterhandeln wollten, Rußland aber an dieser Bedingung festhielt.

Aus dieser Zusammenstellung ergibt es sich, daß die Kantone, wie zur Zeit des Abschlusses des Konkordats, sich in zwei Gruppen theilen ; die größere will an der dort aufgestellten Basis der Rükvergütung festhalten, während die andere sich ganz entschieden für die Unentgeltliehkeit ausspricht. Die größere Zahl der Verträge mit dem Auslande sezt Unentgeltliehkeit fest.

Die Bundesverfassung will diese Materie auf gesezlichem Wege regeln, spricht sich aber nicht aus, auf welcher Basis das Gesez ruhen soll. Wir haben gefunden, daß es angezeigt sein dürfte, die gegenseitige Unentgeltlichkeit zur Grundlage zu nehmen, in welchem Sinne wir Ihnen den beiliegenden Gesezentwurf vorlegen.

Die Gründe, welche für jedes der beiden Systeme sprechen, sind in den Antworten der Kantone einläßlich entwikelt, so daß> Bundesblatt, Jahrg. XXVII. Bd. III.

19

268 wir füglich auf diese Auseinandersezuugen verweisen können. Wenn wir für einige Kantone das Gewicht, welches sie auf die Beibehaltung des Systems der Rükvergütung legen, nicht verkennen, so müssen wir doch finden, daß das Prinzip der territorialen Armenpflege zu der ganzen Entwiklung unserer Zustände besser paßt, daß es immer mehr an Boden gewinnt und die allgemeine Geltung desselben nur >eine Frage der Zeit ist. Bei dieser Sachlage würden wir es unpassend finden, das Gesez auf einen Boden zu stellen, der doch in kurzer Zeit verlassen werden müßte. Auch die Einwendung, daß die Kranken1 bei dem System der Rükvergütung besser verpflegt werden, wird durch die Erfahrungen in den Kantonen, welche der Unentgeltlichkeit huldigen, widerlegt. Ferner fällt der Umstand sehr in's Gewicht, daß, wenn auch das von uns vorgeschlagene Gesez Ihre Zustimmung erhält, dadurch die Organisation des Armenwesens im Kanton nicht alterili wird ; es können die aufgestellten Grundsäze ganz gut neben einer kantonalen Armengesezgebung bestehen, die auf dem Heimatsrecht beruht. Das Gesez mischt sich nicht in die Regelung des Armenwesens ein ; es befaßt sich nur mit den ausnahmssveisen Fällen, wo die Humanität den Rüktransport verbietet oder mit außerordentlichen Todesfällen. Es bleibt, also den Kantonen ganz anheimgestellt, zu bestimmen, wem die Unterstüzungspflicht auf ihrem Gebiete obliege und wie gegen Niedergelassene und Aufenthalter zu verfahren sei, die dauernd der.

Unterstüzungspflicht anheimfallen.

Wir empfehlen Ihnen daher die Annahme des angefügten Gesezentwurfes.

Genehmigen Sie, Tit., die Versicherung unserer vollkommenen Hochachtung.

. .

B e r n , den 2. Juni 1875.

.

. Ina Namen des Schweiz. Bundesrathes, .···: Der Bundespräsident:

Scherer.

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Der Kanzler d e r Eidgenossenschaft:

Schiess.

269

(Entwurf) ''

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Bundesgesez ',

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die Kosten der Verpflegung von erkrankten ·'. und der Beerdigung von verstorbenen armen Angehörigen anderer Kantone.

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Die Bundesversammlung . , . . - .

der s c h w e i z e r i s c h e n , Eidgenossenschaft, in Ausführung des Art. 48 der Bundesverfassung vom 20. Mai . " .

· : ..:.

· · "V nach Einsicht einer Botschaft des Bundesrathes vom 2. Juni 1875, . . - , . . . . .

1874;

beschließt: Art. 1. Die Kantone sind verpflichtet, dafür zu sorgen, daß unbemittelten Angehörigen anderer Kantone, welche erkranken und deren Rükkehr in den Heimatkanton ohne Nachtheil für ihre oder Anderer Gesundheit nicht geschehen kann, die erforderliche Hilfeleistung in Beziehung auf Verpflegung und ärztliche Besorgung zu Theil werde.

Art. 2. Ein Ersaz der hierbei (Art. 1) oder durch die Beerdigung erwachsenden Kosten kann von den öffentlichen Kassen oder Anstalten des Heimatkantons nicht gefordert werden.

Eine Rükvergütung der gemachten Auslagen kann nur für den Fall beansprucht werden, daß der Hilfsbedürftige selbst oder daß andere privatrechtlich Verpflichtete den Ersaz der Kosten zu leisten im Stande sind.

270

Art. 3. In den im zweiten Absaze des Art. 2 genannten Fällen sollen die betreffenden Behörden sich wechselseitig Hand bieten, damit denjenigen, welche die Kosten bestritten haben, diese nach billigen ·o^ Ansäzen erstattet werden.

Art. 4. Der Bundesrath ist beauftragt, auf Grundlage der Bestimmungen des Bundesgesezes vom 17. Brachmonat 1874, betreffend die Volksabstimmung über Bundesgeseze und Bundesbeschlüsse, die Bekanntmachung dieses Gesezes zu veranstalten und den Beginn der Wirksamkeit desselben festzusezen, lezteres in der Meinung, daß obige Vorschriften nur auf solche Fälle Anwendung finden sollen, welche nach Inkrafttretung des Gesezes eintreten.

271

# S T #

Botschaft des

Bundesrathes an die hohe Bundesversammlung, betreffend eidg. Gewährleistung der neuen Verfassung des Kantons Luzern.

(Vom 24. Mai 1875.)

Tit.!

Mit Schreiben vom 7. März a. c. übermachte die Regierung des Kantons L u z e r n dem Bundesrathe die r e v i d i r t e ,,Staatsv e r f a s s u n g des Kantons Luzern vom Jahr 1875," damit dieselbe der Bundesversammlung zur Genehmigung vorgelegt werde. Dieses Gesuch begleitete sie mit folgenden Mittheilungen: Durch die neue Bundesverfassung seien mehrere Bestimmungen der luzernischen Kantons Verfassung von 1863, theilweise revidirt im Jahr 1869, der Abänderung bedürftig geworden. Der Große Rath habe indeß am 27. Mai 1874 beschlossen, daß die Verfassung nicht blos mit Rüksicht auf die mit der neuen Bundesverfassung unvereinbaren Artikel zu revidiren, sondern daß sie einer vollständigen Durchsicht zu unterwerfen sei. Nachdem diese Revision nach Vorschrift der Verfassung in zweimaliger Berathung durchgeführt und der Entwurf endgültig festgestellt worden, sei derselbe am 28. Febr.

1875 dem Volke in den Gemeinden zur Abstimmung unterstellt worden, wobei das Volk mit Mehrheit sich für die Annahme erklärt habe. In Folge dessen habe der Große Rath unterm 6. März 1875,

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Botschaft des Bundesrathes an die hohe Bundesversammlung, betreffend Verpflegung und Beerdigung armer Kantonsangehöriger. (Vom 2. Juni 1875.)

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Bundesblatt

Dans

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Foglio federale

Jahr

1875

Année Anno Band

3

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26

Cahier Numero Geschäftsnummer

---

Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

19.06.1875

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251-271

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10 008 657

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