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Bundesratsbeschluss über

die Allgemeinverbindlicherklärung von Mindestlöhnen in der Wäsche- und Damenkonfektions-Heimarbeit.

(Vom 26. Juni 1945.)

Dor schweizerische Bundesrat, nach Prüfung des Antrages des Schweizerischen Verbandes der Konfektions- und Wäsche-Industrie, des Heimarbeiterverbandes der Konfektions- und Wäsche-Industrie (Organisation des Verbandes der Bekleidungs-, Leder- und Ausrüstungsarbeiter der Schweiz), des Schweizerischen Verbandes christlicher Textil- und Bekleidungsarbeiter, des Schweizerischen Verbandes evangelischer Arbeiter und Angestellter sowie des Landesverbandes freier Schweizer Arbeiter, wonach die zwischen ihnen am 25. Oktober 1944 abgeschlossene Vereinbarung über die Mindestlöhne in der Wäsche- und Damenkonfektions-Heimarbeit als allgemeinverbindliche Regelung zu erklären sei, gestützt auf Art. 12 bis 14 des Bundesgesetzes vom 12. Dezember 1940 über die Heimarbeit, beschliesst:

Art. 1.

Von der Vereinbarung vom 25. Oktober 1944 über die Mindestlöhne in der Wäsche- und Damenkonfektions-Heimarbeit werden folgende Bestimmungen zur allgemeinverbindlichen Eegelung erklärt: 1 Der Arbeitgeber verpflichtet sich, dem Heimarbeiter einen Lohn zu entrichten, der bei mittlerer Leistung, auf die Stunde berechnet, folgenden Mindestansätzen entspricht:

Rappen pro Stunde

a. Damen- und Herrenwäsche, Schürzen und Berufskleider 75 b. Damen- und Kinderkleider, Blousen, Jupes, Morgenröcke und Regenmäntel 90 c. Damenmäntel 100 2 Als mittlere Leistung gilt diejenige, die von einem gut eingearbeiteten Heimarbeiter von durchschnittlicher Leistungsfähigkeit und Ge-

Ziffer 1.

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Ziffer 2.

Ziffer 3.

Ziffer 4.

Ziffer 5.

Ziffer 6.

Ziffer 7 Ziffer 8 Ziffer 9

schicklichkeit erzielt werden kann. Bei Näharbeiten, die normalerweismit der Maschine ausgeführt werden, gilt als Grundlage der Lohnbee messung die Verwendung einer üblichen Nähmaschine mit Motorantrieb.

3 Im Mindestlohnansatz ist eine Ferggerprovision nicht Inbegriffen.

1 Die Auslagen für Nähfaden und elektrische Kraft gehen zu Lasten des Heimarbeiters. Sofern der Nähfaden vom Arbeitgeber geliefert wird, ist er dem Heimarbeiter zum Selbstkostenpreis abzugeben.

2 Portospesen gehen für den Fall, dass der Heimarbeiter nicht am Orte des Arbeitgebers wohnt, zu Lasten des jeweiligen Absenders.

Mehrkosten für Express- und Eilgutsendungen gehen in allen Fällen zu Lasten des Arbeitgebers, ·1 Der Arbeitgeber hat eine Aufstellung über die Stücklöhne anzulegen, aus der auch hervorgeht, welche Arbeitszeit innen zugrunde gelegt wurde.

2 Die Unterlagen für Stücklohnberechnungen sind vom Arbeitgeber auf Verlangen dem Heimarbeiter zur Einsicht vorzulegen.

3 Ergeben sich über die Angemessenheit der Stücklohnansätze Zweifel, so hat eine von den vertragschliessenden Verbänden eingesetzte paritätische Kommission auf Ansuchen hin die Berechnungen des Arbeitgebers über den normalen Arbeitszeitaufwand für einzelne Artikel .oder Teüverrichtungen zu überprüfen und gegebenenfalls die Stücklöhne entsprechend festzusetzen. Die Kommission besteht aus einem neutralen Vorsitzenden sowie aus mindestens zwei Vertretern der Arbeitgeber einerseits und der Arbeitnehmer anderseits.

1 ' Die Ferggerprovision beträgt mindestens 10 % der Lohnsumme und 2ist vom Arbeitgeber zu tragen.

Heimarbeiter, die Hilfskräfte bei sich beschäftigen, haben keinen Anspruch auf diese Provision.

Auf die in Ziffer l vorgeschriebenen Mindestlohnansätze haben auch die Hilfskräfte Anspruch, die der Heimarbeiter bei sich beschäftigt.

Heimarbeiter, die nicht mehr als fünf Hilfskräfte beschäftigen, können indessen an diesen Mindestlohnansätzen einen Abzug von höchstens 20 % vornehmen, wobei aber jeder weitere Abzug für Nähfaden usw.

unzulässig ist.

Der Arbeitgeber, der bis jetzt höhere Löhne als die durch die Ziffern l und 5 angesetzten Mindestlöhne bezahlt hat, darf, solange die in Ziffer l festgesetzten Mindestlöhne unverändert bleiben, keine Lohnreduktion ohne Einwilligung der paritätischen Kommission vornehmen.

Die in dieser Vereinbarung festgesetzten
Mindestlöhne gelten sinngemäss auch für Betriebe, die unter wirtschaftlich ähnlichen Bedingungen wie Heimarbeiter tätig sind und mit solchen in Konkurrenz treten.

Kombinierte Arbeitsvergebungen (sogenannte Umlagen), welche im einzelnen Löhne ergeben würden, die unter den hier bezeichneten Ansätzen liegen, dürfen nicht vorgenommen werden.

Die von den vertragschliessenden Verbänden eingesetzte paritätische Kommission kann Kontrollen über die Einhaltung der allgemeinverbindlich erklärten Regelung durchführen.

Art. 2.

1

Der Bundesratsbeschluss gilt für das ganze Gebiet der schweizerischen Eidgenossenschaft.

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Er erstreckt sich auf sämtliche Verrichtungen der Wäsche- und Damenkonfektions-Heimarbeit. Stickereiarbeiten werden davon nicht erfasst.

Art. 3.

Kommt ein Arbeitgeber bzw. Heimarbeiter den Vorschriften dieses Beschlusses nicht nach, so haben die zuständigen kantonalen Vollzugsorgane ihm eine Frist zur Zahlung der Lohndifferenzen anzusetzen (Art, 17 und 20, Abs. l, lit. a und l, des Heiniarbeitsgesetzes). Erfolgt die Zahlung nicht rechtzeitig, so ist Strafanzeige zu erstatten.

Art. 4.

Nichtmitglieder der vertragschliessenden Verbände haben gegen die Massnahmen der paritätischen Kommission ein Beschwerderecht an das Bundesamt für Industrie, Gewerbe und Arbeit.

Art. 5.

Das eidgenössische Volkswirtschaftsdepartement ist befugt, gestützt auf Art. 25 der Vollzugsverordnung zum Bundesgesetz über die Heimarbeit ausnahmsweise geringfügige Abweichungen von den obigen Bestimmungen zuzulassen. ' Art. 6.

Der Beschluss tritt mit dessen amtlicher Veröffentlichung in Kraft und gilt unter dem Vorbehalt vorheriger Abänderung bis zum 31. Dezember 1946.

Bern, den 26, Juni 1945.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident:

Ed. T. Steiger.

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Der Vizekanzler: Ch. Oser.

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05.06.1945

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