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Bundesblatt

93. Jahrgang.

Bern, den 16. Oktober 1941.

Band I.

Erscheint in der Segel alle 14 Tage. Preis SO Franken im Jahr, 10 Franken im Halbjahr, zuzüglich Nachnahme- und Poslbestellungsgebühr.

Einrückungsgebühr: 50 Rappen die Petitzeile oder deren Baum. -- Inserate franko an Stämpfli & Cie. in Bern.

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Botschaft des

Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend vorläufige Änderungen in der Bundesrechtspflege.

(Vom 10. Oktober 1941.)

Herr Präsident!

Hochgeehrte Herren!

Wir beehren uns hiermit, Ihnen einen Entwurf zu einem Bundesbeschluss betreffend vorläufige Änderungen in der Bundesrechtspflege mit nachstehender Botschaft vorzulegen.

I. Einleitung.

Infolge des Inkrafttretens des schweizerischen Strafgesetzbuches auf Neujahr 1942 wird eine Eevision des BG vom 22. März 1898 (OG) über die Organisation der Bundesrechtspflege notwendig. Dieses Gesetz, das schon öfters teilweise abgeändert und ergänzt wurde, ist ohnehin reformbedürftig; schon auf den Zeitpunkt des Inkrafttretens des schweizerischen Zivilgesetzbuches war ja eine Totalrevision geplant gewesen. Man hat sich immer wieder mit blossen Teilrevisionen beholfen. Nunmehr muss eine Gesamtrevision vorgenommen werden. Ein im Auftrage unseres Justiz- und Polizeidepartements von Herrn Bundesrichter Ziegler ausgearbeiteter Revisionsentwurf vom Mai 1940 ist zunächst dem Bundesgericht unterbreitet worden, das im Januar 1941 dazu Stellung genommen hat. Zur weiteren Abklärung hat das Justiz- und Polizeidepartement eine Expertenkommission begrüsst, die im Juli 1941 die Hauptfragen der Eevision behandelt hat. Auch der schweizerische Juristenverein, der sich im Jahre 1935 mit Problemen der Eevision des OG befasst hatte, hat in seiner Tagung vom September 1941 die Weiterziehung von Strafsachen an das Bundesgericht nach Inkrafttreten des schweizerischen Strafgesetzbuches besprochen (Verhandlungen des schweizerischen Juristenvereins 1935, S. 217 a/ 482 a und 532 a/569 o; 1941, S. l a/220 a).

Bundesblatt. 93. Jahrg. Bd. I.

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Eine Eeihe von grundlegenden Eevisionsfragen hat bereits eine Abklärung erfahren. Dagegen ist es nicht möglich, dass die Gesetzesrevision schon auf den Zeitpunkt des Inkrafttretens des Strafgesetzbuches zum Abschluss gelange.

Es drängt sich daher die Notwendigkeit auf, zunächst für die Zwischenzeit eine vorläufige Eegelung zu treffen, damit das Bundesgericht in der Lage sei, die ihm aus dem Strafgesetzbuch erwachsende Aufgabe zu übernehmen. Infolge der Zeitknappheit muss eine solche provisorische Kegelung durch dringlichen Bundesbeschluss getroffen werden. Wir unterbreiten Ihnen anmit einen Entwurf hiezu. Er ist von der erwähnten Expertenkommission im September 1941 durchberaten worden.

Ihrem Charakter als Ubergangslösung entspricht es, dass die vorläufige Ordnung sich auf solche Änderungen beschränkt, die im Hinblick auf das Inkrafttreten des Strafgesetzbuchs als unumgänglich erscheinen. Die übrigen Eeformpunkte sollen erst bei der Gesamtrevision des OG behandelt werden.

Durch das Strafgesetzbuch wird das Gebiet des gemeinen Strafrechts dem in Art. 268 f. des Bundesstrafprozesses geordneten Eechtsmittel der Nichtigkeitsbeschwerde an den Kassationshof des Bundesgerichts unterworfen. Wie gross die sich daraus für den Gerichtshof ergebende Mehrbelastung sein wird, lässt sich nicht näher abschätzen. Wohl aber ist sicher, dass ein «ständiger» Kassationshof nötig wird, dessen Mitglieder ihre Arbeitskraft hauptsächlich ihm widmen, während bis jetzt der Kassationshof aus Eichtern besteht, die der Staats- und verwaltungsrechtlichen Abteilung oder einer Zivilabteilung angehören und nur nebenbei im Kassationshof tätig sind. Zur Bildung eines ständigen Kassationshofes bedarf es aber -- wenigstens für die Dauer des Provisoriums -- keiner Vermehrung der Zahl der Bundesrichter. Das Bundesgericht besteht jetzt aus 26 Mitgliedern; eine Erhöhung der Eichterzahl würde es zu einem schwerfälligen Körper machen und müsste unter dem Gesichtspunkt des Ansehens des Gerichtshofes sowie der Qualität der Eichter und der Eechtsprechung schwere Bedenken erwecken. Eine Erhöhung der Eichterzahl wäre nur dann ins Auge zu fassen, wenn andere Mittel, die ohne Beeinträchtigung des Eechtsschutzes und der Güte der Eechtsprechung eine Entlastung herbeiführen können, nicht ausreichen sollten. Zur Frage, ob man bei der ,Gesamtrevision
des OG ohne Erhöhung der Eichterzahl auskommen wird, 'nehmen wir jetzt nicht Stellung. Für das nun vorgeschlagene Provisorium erscheint es jedenfalls nicht als nötig, die Zahl der Bundesrichter zu vermehren; denn es ist möglich, durch organisatorische Massnahmen und durch Vereinfachungen des Verfahrens eine gewisse Entlastung herbeizuführen, die einstweilen ausreichen dürfte. Auf diese Weise ist es möglich, die für die Bildung eines ständigen Kassationshofes nötigen Eichter dadurch frei zu machen, dass die Mitgliederzahl der Staats- und verwaltungsrechtlichen Abteilung und der Zivilabteilungen herabgesetzt wird.

Im Gebiete der Zivil-, Staats- und Verwaltungsrechtspflege beschränkt sich der vorliegende Beschlussesentwurf auf zwei Massnahmen, die von den Bestimmungen des geltenden 0 G abweichen, nämlich einerseits auf die Herab-

775 Setzung des Quorums in der staatsrechtlichen Abteilung und in den Zivilabteilungen von 7 Eichtern auf 5, anderseits auf die Ausbildung des Vorprüfungsverfahrens. Weitere Neuerungen sollen der Gesamtrevision des OG vorbehalten bleiben. Den Anregungen, schon jetzt eine allgemeine Kostenvorschusspflicht einzuführen und für alle Fälle der Berufung in Zivilsachen eine schriftliche Berufungsbegründung vorzuschreiben, haben wir im Einverständnis mit der Expertenkommission keine Folge gegeben, um die gegenwärtige Vorlage nicht zu schwer zu belasten.

Im Gebiete der Strafrechtspflege werden in der Eegelung der Nichtigkeitsbeschwerde die Änderungen vorgeschlagen, die zur Anpassung an das schweizerische Strafgesetzbuch als geboten erscheinen.

II. Vorläufige Änderungen des OG.

(Art. l--3 des Entwurfs.)

1. Das Quorum in den Gerichtsabteilungen.

Nach dem geltenden Art. 25 0 G haben bei den Beratungen und Abstimmungen in der staatsrechtlichen Abteilung und in den Zivilabteilungen des Bundesgerichts 7 Richter mitzuwirken; Ausnahmen bestehen für verwaltungsrechtliche Sachen und für staatsrechtliche Beschwerden gegen kantonale Verfügungen wegen Verletzung von Art. 4 der Bundesverfassung, indem in diesen Fällen die Mitwirkung von 5 Eichtern genügt. Ein auf Grund der ausserordentlichen Vollmachten ergangener Bundesratsbeschluss vom 17. Oktober 1939 (A. S. 55, 1130) hat das Bundesgericht bis auf weiteres ermächtigt, in Abweichung von Art. 25 OG, soweit der Geschäftsbetrieb unter den gegenwärtigen Verhältnissen es erfordert, anzuordnen, dass bei den Beratungen und Abstimmungen in seinen Abteilungen nur 5 Eichter statt 7 mitwirken. Diese Ermächtigung wurde mit Bücksicht auf die Beanspruchung mehrerer Bundesrichter durch aktiven Militärdienst erteilt.

Art. l des Beschlussesentwurfes setzt das Quorum in den genannten Abteilungen generell von 7 auf 5 herab. Bei einer Besetzung mit 5 Eichtern ist gewiss nicht zu befürchten, dass die Qualität der Bechtsprechung leide. Es darf auch darauf hingewiesen werden, dass in den vielen Kantonen, wo die obergerichtlichen Spruchkollegien mit 5 Eichtern besetzt sind, durchaus gute Erfahrungen gemacht werden. Einzig für gewisse staatsrechtliche Geschäfte erscheint eine Beurteilung durch 7 Eichter als angemessener; deshalb sieht Art. l, Abs. 2, vor, dass ausnahmsweise bei staatsrechtlichen Geschäften von grosser allgemeiner Bedeutung auf Anordnen des Präsidenten oder auf Verlangen von zwei Mitgliedern 7 Eichter mitzuwirken haben.

2. Das Vorprüfungsverfahren.

Beider Berufung in Zivilsachen prüft gemäss Art. 71 0 G der Präsident die Zulässigkeit der Berufung; stellt sich diese sofort als unzulässig dar, so legt er die Akten dem Gericht mit dem Antrag auf Nichteintreten vor. Andern-

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falls wird ein Eeferent oder Instruktionsrichter bezeichnet. Art. 2 der Vorlage dehnt die Vorprüfung auf alle Fälle aus, wo es gar nicht oder doch nicht zu einer umfassenden einlässlichen Beurteilung der Sache kommen kann (Abs. 1).

Hieher gehören die Fälle des Nichteintretens wegen Unzulässigkeit der Berufung, wobei der Fall, dass Entscheidungsgründe des kantonalen oder ausländischen Eechts unter allen Umständen ausschlaggebend sind, ausdrücklich erwähnt wird. Ferner soll die Erledigung im Vorprüfungsverfahren Anwendung finden auf die Behebung von Mängeln der Akten oder des angefochtenen Urteils, die gemäss Art. 64 0 G zur Verbesserung in der kantonalen Instanz verfügt wird oder durch Aufhebung des Urteils und Eückweisung veranlasst wird. Dasselbe gilt auch für die Aufhebung des Urteils und Eückweisung an die kantonale Instanz zu neuer Beurteilung in den Fällen, wo die nach Bundesrecht entschiedene Sache ausschliesslich nach kantonalem oder ausländischem Eecht zu beurteilen ist. Überdies soll aber im Vorprüfungsverfahren die Abweisung einer Berufung erfolgen können (Abs. 2), wenn diese von der Spruchabteilung ohne irgendwelche Zweifel einstimmig als unbegründet befunden wird, d. h.

wenn kein Eichter der Spruchabteilung irgendeinen Zweifel daran hat, dass die Berufung ganz unbegründet ist.

Zivilrechtliche, staatsrechtliche und verwaltungsrechtliche Beschwerden, die sich sofort als unzulässig oder unbegründet darstellen, werden schon jetzt gemäss Art. 91 und 184 OG und Art. 18 VDG erledigt, ohne dass Vernehmlassungen der Gegenpartei und der Vorinstanz eingeholt werden.

Eine ähnliche Bestimmung stellt Art. 96 OG für Eevisionsgesuche auf.

Art. 3 der Vorlage erweitert diese Bestimmungen dahin, dass solche Beschwerden und Eevisionsgesuche, die als unzulässig oder sofort einstimmig als unbegründet befunden werden, ohne öffentliche Beratung erledigt werden können. Wie in Art. 2, Abs. 2, wird auch hier für die Abweisung wegen Unbegründetheit in diesem Verfahren Einstimmigkeit in der Spruchabteilung gefordert.

Art. 2 und 3 führen eine nützliche und arbeitsökonomische Vereinfachung des Verfahrens ein, die es ermöglicht, ganz aussichtslose Eechtsmittel ohne ö f f e n t l i c h e Beratung des Gerichts zu erledigen. So wird das Gericht nicht gehindert, derartige Fälle, die zu keiner Diskussion Anlass geben,
auf dem rationellen Zirkulationswege zu erledigen, anstatt sie immer für eine öffentliche Sitzung aufsparen zu müssen. Dass diese Art der Erledigung auch bei Abschreibungsbeschlüssen möglich ist, braucht im Gesetz nicht ausdrücklich erwähnt zu werden; da nämlich das Verfahren ohne öffentliche Beratung für die in Art. 2 und 3 genannten aussichtslosen Fälle zulässig ist, erscheint es a fortiori auch in den Fällen eines Abschreibungsbeschlusses als möglich.

III. Torläufige Änderungen des Bundesgesetzes vom 15. Juni 1934 über die Bnndesstrafrechtspflege.

(Art. 4--13 des Entwurfs.)

Art. 365 des schweizerischen Strafgesetzbuches behält für das Verfahren vor den kantonalen Behörden u. a. die Bestimmungen des Bundesgesetzes über

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die Bundesstrafrechtspflege betreffend die Nichtigkeitsbeschwerde an den Kassationshof des Bundesgerichtes (Art. 268--278) vor. Diese Bestimmungen haben sich im ganzen bewährt. Die Nichtigkeitsbeschwerde als revisio in jure erweist sich auch unter dem schweizerischen Strafrecht als das geeignete Rechtsmittel zur Herbeiführung einer einheitlichen Eechtsanwendung. Mit der Erweiterung des Gebietes des eidgenössischen Strafrechtes wird sich aber die Zahl der Nichtigkeitsbeschwerden stark erhöhen. Durch die in den Art. 4 bis 13 vorgesehenen Änderungen soll bewirkt werden, dass der Kassationshof seine erweiterte Aufgabe bewältigen kann. Seine Entscheidungen sind für die Entwicklung des neuen Eechtes und für die Verselbständigung der schweizerischen Bechtsprechung von grosser Bedeutung.

Art. 4 bringt eine wesentliche Erweiterung der V o r p r ü f u n g . Nach Art. 278 BStP erstreckt sich diese Vorprüfung einzig auf die rechtzeitige Einreichung der Eechtsmittelerklärung und der Beschwerdeschrift. Nach dem Entwurf soll ein Ausschuss des Kassationshofes über solche Nichtigkeitsbeschwerden entscheiden, die sich nach einstimmiger Auffassung als unzulässig oder unbegründet erweisen. Auf unzulässige Eechtsmittel wird er nicht eintreten, unbegründete abweisen. Durch diese erweiterte Vorprüfung werden den Parteien Kosten und dem Kassationshof unnütze Arbeit erspart. Durch das Erfordernis der Einstimmigkeit und der summarischen Begründung werden die Parteiinteressen gebührend berücksichtigt. Ähnliche Institutionen bestehen auch in andern Staaten, z. B. die chambre des requêtes des französischen ' Kassationshofes.

Mit Art. 5 wird die bisherige ö f f e n t l i c h e B e r a t u n g und A b s t i m m u n g des Kassationshofes aufgehoben. Solange sich der Kassationshof fast ausschliesslich mit Polizeistraffällen des Bundesverwaltungsrechtes zu befassen hatte, konnte diese Sonderbestimmung aufrechterhalten bleiben. Sobald ihm aber die Eechtsprechung im ganzen Gebiete des kriminellen Strafrechtes übertragen wird, sind die Gründe, die bei den andern Strafabteilungen des Bundesgerichtes und bei den Strafgerichten der Kantone für die geheime Beratung und Abstimmung sprechen, auch hier massgebend. Zu beachten ist, dass auch die Urteilsberatung des Militärkassationsgerichtes geheim ist.

In A b s a t z 2 sind die Gründe
für den Ausschluss der Öffentlichkeit der Verhandlungen durch die Aufnahme des schutzwürdigen Interesses der Parteien erweitert worden. Ein solcher Ausschluss rechtfertigt sich namentlich bei Verhandlungen gegen Jugendliche oder bei der Gefährdung eines Fabrikations- oder Geschäftsgeheimnisses.

Nach Art. 6 ist die Nichtigkeitsbeschwerde in bestimmten Bagatellstrafsachen ausgeschlossen. Schon die Botschaft des Bundesrates zum Bundesstrafprozess (Bundesbl. 1929, II, 636) führte aus, es werde sich fragen, ob nach Inkrafttreten des schweizerischen Strafgesetzbuches noch ein derart unbeschränktes Eechtsmittel am Platze sei oder ob nicht eine Einschränkung erfolgen solle. Die unbeschränkte Zulassung der Nichtigkeitsbeschwerde

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müsste zu einer Geschäftslast des Kassationshofes führen, die kaum im richtigen Verhältnis zum Nutzen dieses Übermasses von Eechtskontrollarbeit stehen dürfte. Zur einheitlichen Bechtsamvendung ist nicht notwendig, dass die Eechtskontrolle des Kassationshofes in jeder Bagatellstrafsache ausgeübt werden könne. Der Kassationshof sollte von der Beurteilung kleinster Strafsachen befreit werden, damit er sich den grossen Fragen widmen kann, die die Wahrung der einheitlichen ^Rechtsprechung bringen wird. Der Rechtsschutz darf nicht in einem Missverhältnis zum Wert des Eechtsanspruches stehen. Deshalb schliessen die kantonalen Strafprozessordnungen die kleinen Strafsachen von der Weiterziehbarkeit an eine obere kantonale Instanz aus oder bestimmen, dass nicht der Eichter sondern eine Administrativbehörde über geringfügige Übertretungen urteilen. Aus den gleichen Gründen darf auch die Weiterziehung geringfügiger Strafsachen an den Kassationshof des Bundesgerichtes ausgeschlossen werden. Zum mindesten sollte eine solche Einschränkung bis zum Erlass eines neuen Bundesgesetzes über die Organisation der Bundesrechtspflege gelten.

Die in der Expertenkommission und in den Eeferaten zum diesjährigen schweizerischen Juristentag gegen die Einschränkung des Eechtsmittels geltend gemachten Bedenken sind im Entwurf insoweit berücksichtigt worden, als die Nichtigkeitsbeschwerde nicht in allen Strafsachen ausgeschlossen werden soll, wo eine Busse unter einer bestimmten Grenze (z. B. Fr. 200) ausgesprochen wurde. Der Entwurf sieht die Einschränkung nur bei Übertretungen, Beschimpfungen und einfachen Körperverletzungen vor und zieht die Grenze erst bei fünfzig Franken. Es werden demnach nur kleinste Strafsachen ausgeschlossen, nicht auch objektiv schwerwiegende Vergehen, die wegen besonderer Umstände in der Person des Täters mit einer blossen Busse geahndet wurden.

Entsprechend der Ordnung der Bundesrechtspflege in andern Eechtsgebieten wird die Nichtigkeitsbeschwerde nach wie vor ohne jede Einschränkung gewährt wegen Verletzung eidgenössischer Vorschriften über die sachliche oder örtliche Zuständigkeit und wegen Anwendung kantonalen statt eidgenössischen Eechtes. Die Einschränkung gilt im weitern nur für den Angeklagten und den Privatstrafkläger -- für den letztern auch im Falle der Freisprechung --, nicht aber für
den kantonalen Staatsanwalt, in der Annahme, dass dieser das Eechtsmittel im Interesse der einheitlichen Anwendung des schweizerischen Strafrechts einlegt. Dem Bundesanwalt steht das Eechtsmittel wie bisher nur in den einsendungspflichtigen Fällen, aber ohne jede Einschränkung zu. Vgl.

Art. 8, Abs. 4.

Art. 7 regelt die Streitfrage, ob die V e r l e t z u n g verfassungsmässiger E echt e mit der Nichtigkeitsbeschwerde oder in einer besondern staatsrechtlichen Beschwerde geltend zu machen sei, für die Übergangszeit im Sinne der letztern Alternative.

Art. 8 enthält folgende Neuerungen für die Legitimation im S t r a f punkt :

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Gemäss der ständigen Praxis des Kassationshofes (BGE 62, I, 55) ist der Privatstrafkläger nur dann zur Nichtigkeitsbeschwerde legitimiert, wenn er an Stelle des öffentlichen Anklägers die Strafverfolgung durchführt, nicht aber, wenn er bloss neben dem Staatsanwalt auftritt. Damit ist gegeben, dass dem Antragsteller, der in Antragsdelikten einen Antrag stellt, sich aber am Verfahren nicht weiter beteiligt, die Legitimation nicht zuerkannt wird.

Es ist damit zu rechnen, dass unter dem neuen Eechte die Nichtigkeitsbeschwerde häufig von Verhafteten wie auch von Jugendlichen und andern nicht handlungsfähigen Personen eingereicht werden wird. Es empfiehlt sich deshalb der Hinweis auf Art. 215 BStP, der auch bei der Nichtigkeitsbeschwerde gegen Urteile der Bundesassisen, der Kriminalkammer und des Bundesstrafgerichts aufgenommen ist (Art. 221 BStP). In Übereinstimmung mit ähnlichen Eegelungen in den kantonalen Strafprozessordnungen wird für den Privatstrafkläger eine Kostensicherstellungspflicht vorgesehen, unter Vorbehalt der Erteilung des Armenrechts.

Art. 9 enthält einschneidende Neuerungen für die Nichtigkeitsbeschwerde im Zivilpunkt. Während unter dem bisherigen Bundesstrafrechte nur selten ein Zivilanspruch im Strafverfahren geltend gemacht worden ist, wird unter dem neuen Eechte, insbesondere bei Körperverletzungen und Ehrverletzungen die Zahl der Adhäsionsklagen und damit auch der Nichtigkeitsbeschwerden im Zivilpunkt stark zunehmen. Art. 271 BStP muss dieser neuen Sachlage angepasst werden. Nach dieser Bestimmung können der Angeklagte, der Geschädigte und der haftbar erklärte Dritte die Nichtigkeitsbeschwerde im Zivilpunkt ohne Eücksicht auf den Streitwert ergreifen; in diesem Falle ist die Berufung für den Beschwerdeführer ausgeschlossen. Es muss nun vor allem zur Entlastung des Kassationshofes die selbständige Weiterziehung im Zivilpunkt bei kleinen Streitwerten ausgeschlossen werden. Nach dem Entwurfe ist die Nichtigkeitsbeschwerde im Zivilpunkt bei einem Streitwert der Zivilforderung unter Fr. 4000 nur zulässig, wenn der Kassationshof auch mit dem Strafpunkt befasst ist. Eine Ausnahme wird gemacht für Ansprüche, die im zivilprozessualen Verfahren ohne Eücksicht auf den Streitwert der Berufung unterliegen würden, sowie für Nichtigkeitsbeschwerden wegen Anwendung kantonalen statt eidgenössischen
Eechtes. Sodann ist aus prozessökonomischen Gründen die Möglichkeit der Berufung an Stelle der Nichtigkeitsbeschwerde ausgeschlossen worden. Das Nebeneinanderbestehen zweier gleichgearteter Bechtsmittel ·-- die beide eine Verletzung eidgenössischen Eechtes geltend machen -- muss namentlich dann zu Unzukömmlichkeiten führen, wenn die eine Partei die Nichtigkeitsbeschwerde und die andere die Berufung erklärt. Es liegt im Interesse einer allseitigen Überprüfung des Falles, wenn das nämliche Gericht über die von mehreren Parteien eingelegten Eechtsmittel entscheiden kann. Wenn einmal der Zivilanspruch im Strafverfahren geltend gemacht worden ist, erscheint es als gegeben, dass den Parteien zur Anfechtung des Urteils im Zivilpunkt auch das E'echtsmittel des Strafverfahrens und nicht daneben noch die zivilprozessrechtliche Berufung gegeben wird.

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Dies hat den Vorteil, dass auch ein Urteil angefochten werden kann, das den Schadenersatzanspruch nur teilweise beurteilt, z. B. bloss dem Grundsatze nach. Den Parteien erwächst aus dieser neuen Ordnung kein Nachteil: die Bestimmungen über die Anschlussberufung und die Eevision von Berufungsurteilen sind sinngemäss anwendbar; der Kassationshof oder sein Präsident können aufschiebende Wirkung verfügen (Art. 10) ; ausnahmsweise kann eine mündliche Verhandlung zugelassen werden (Art. 11) ; die Fristen zur Erklärung und Begründung des Eechtsmittels sind reichlich bemessen (Art. 10).

Für die besondere Fristberechnung wird auf Art. 10 Ziff. l und für den Entscheid im Zivilpunkt auf die nachstehenden Ausführungen zu Art. 13 verwiesen.

Art. 10 bringt in einem revidierten Art. 272 und in einem neuen Art. 272bls entsprechend den Bedürfnissen der Praxis eingehende Vorschriften für die Frist der Beschwerdeerklärung und -begründung, sowie für den Inhalt der Beschwerdeschrift. Hervorzuheben ist, dass die Frist für die Einreichung der Beschwerdeschrift mit der Zustellung der schriftlichen Urteilsausfertigung -- die von Amtes wegen zu erfolgen hat -- beginnt. In bezug auf den Inhalt der Beschwerdeschrift vgl. die Bemerkungen zu Art. 12.

Mit Art. 11 wird Art. 278 BStP dem Art. 4 dieses Entwurfes angepasst.

Art. 12 beseitigt eine Vorschrift des Art. 275, wonach der Kassationshof «an die tatsächlichen Feststellungen der kantonalen Behörde gebunden ist, ausser wenn eine Feststellung mit den Akten im Widerspruch steht». Diese Bestimmung hat zur irrtümlichen Auffassung geführt, dass damit ein neuer Kassationsgrund geschaffen worden sei und dass mit einer so gearteten A k t e n widrigkeitsrüge die Beweiswürdigung des kantonalen Gerichtes angefochten werden könne. Die Absicht des Gesetzgebers ging aber lediglich dahin, dass die auf einem Versehen beruhenden unrichtigen Feststellungen auf Grund der Akten den Kassationshof nicht binden (vgl. BGE 62, I, 61). Trotz Veröffentlichung der Urteile und des Kreisschreibens des Kassationshofes (BGE 63, II, 89) werden immer wieder Nichtigkeitsbeschwerden mit solchen Aktenwidrigkeitsrügen eingereicht. Es ist vorauszusehen, dass nach der Einführung des schweizerischen Strafgesetzbuches der Kassationshof mit solchen einer Appellation gleichkommenden Nichtigkeitsbeschwerden überschwemmt
werden wird, auf die er nicht eintreten kann. Um den Parteien Kosten und dem Gerichte unnütze Arbeit zu ersparen, ist die angeführte Bestimmung des Art. 275 gestrichen und bei der Vorschrift über den Inhalt der Beschwerdeschrift (Art. 10, Ziff. 2, ht. fe) ausdrücklich gesagt worden, dass Ausführungen, die sich gegen die tatsächlichen Feststellungen des Entscheides richten, unzulässig sind. Neu ist vorgesehen, dass der Kassationshof offenbar irrtümliche Feststellungen von Amtes wegen berücksichtigt.

Art. 13 enthält folgende Änderungen in bezug auf den Entscheid des Kassationshofes : Beim Entscheid im Strafpunkt wird die mit Art. 276 aus Zweckmässigkeitsgründen eingeführte Befugnis des Kassationshofes, in der Sache selbst

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zu entscheiden, wenn er zu einer Freisprechung gelangt, aufgehoben. Die Sache muss also in allen Fällen an die kantonale Behörde zu neuer Entscheidung zurückgewiesen werden. Damit kehrt der Entwurf zur rein kassatorischen Funktion des Rechtsmittels zurück, wie sie bis zum Bundesstrafprozess von 1984 bestanden hat. Die direkte Freisprechung durch den Kassationshof schloss eine Wiederaufnahme des Verfahrens zuungunsten des Freigesprochenen aus, weil die kantonalen Vorschriften nicht Anwendung finden können und der Bundesstrafprozess die Eevision eines Sachurteils des Kassationshofes nicht vorsieht. Im weitern war es nicht möglich, die kantonalen Prozessvorschriften, wonach der Freigesprochene ganz oder teilweise zu den Verfahrenskosten verurteilt werden kann, anzuwenden. Wenn aber eine Eückweisung zur Beurteilung der Kostenfrage erfolgen muss, so lässt sich auch die direkte Freisprechung nicht mehr aufrechthalten.

Beim Entscheid im Zivilpunkt musste der Fall besonders geregelt werden, wo die Nichtigkeitbeschwerde im Zivilpunkt nur im Anschluss an eine Beschwerde im Strafpunkt zulässig ist (Art. 271, Abs. 2). Wird in einem solchen Falle die Nichtigkeitsbeschwerde im Strafpunkt abgewiesen, so wird auf die Beschwerde im Zivilpunkt nicht eingetreten. Die Adhäsion darf kein Mittel sein, einen an sich nicht berufungsfähigen Zivilanspruch der Beurteilung des Bundesgerichtes zu unterstellen. Wird die Nichtigkeitsbeschwerde im Strafpunkt gutgeheissen, so wird das Urteil auch im Zivilpunkt aufgehoben und die Zivilsache mit der Strafsache an die kantonale Behörde zurückgewiesen, sofern die Entscheidung im Strafpunkt auch für die Zivilsache von Bedeutung ist. Wird dagegen die Nichtigkeitsbeschwerde im Strafpunkt aus Gründen gutgeheissen, die die Entscheidung im Zivilpunkt nicht berühren (z. B. wegen Anwendung einer unrichtigen Strafart oder Überschreitung des Strafrahmens), so kann sich die Aufhebung nicht auf das Zivilurteil erstrecken.

1Y. Übergangs- und Schlussbestimmnngen.

(Art. 14--16 des Entwurfes.)

Zu den vorübergehenden Abänderungen des Bundesstrafprozesses wird im Art. 14 eine Übergangsbestimmung aufgestellt, wonach auf Nichtigkeitsbeschwerden, die vor dem 1. Januar 1942 eingereicht werden oder für welche die Beschwerdefrist vor diesem Zeitpunkt zu laufen beginnt, noch die bisherigen Vorschriften (also nicht Art. 4--13 des Entwurfs) Anwendung finden sollen.

Falls ein Gefangener vor 1. Januar 1942 von mehreren Gerichten zu Freiheitsstrafen verurteilt worden ist und beim Inkrafttreten des Strafgesetzbuches von den verhängten Freiheitsstrafen noch mehr als 5 Jahre zu verbüssen hätte, hat das Bundesgericht gemäss Art. 336 lit. c des Strafgesetzbuches eine Gesamtstrafe festzusetzen. Hiezu stellt Art. 15 des Entwurfs eine Ausführungsvorschrift auf, indem er die Festsetzung dieser Gesamtstrafe dem Bundesstrafgericht überträgt und eine Bestimmung über das Verfahren aufstellt, wonach

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den Beteiligten Gelegenheit zur Einreichung schriftlicher Bemerkungen zu geben ist; eine mündliche Verhandlung findet nicht statt.

Der Bundesbeschluss soll gleichzeitig mit dem Strafgesetzbuch in Kraft treten, damit das Bundesgericht die ihm aus diesem erwachsenden Aufgaben erfüllen könne. Aus dieser Notwendigkeit ergibt sich auch die Dringlichkeit der Vorlage. Deshalb enthält Art. 16 die Dringlichkeitsklausel. Die provisorische Ordnung ist für die Zeit bis zum Inkrafttreten eines neuen Bundesgesetzes über die Organisation der Bundesrechtspflege bestimmt, jedoch soll ihre Geltungsdauer höchstens 8 Jahre betragen. Diese Frist dürfte ausreichen, um die Gesamtrevision des Organisationsgesetzes durchzuführen.

Indem wir Ihnen den beiliegenden Beschlussesentwurf zur Annahme empfehlen, benützen wir den Anlass, Sie, Herr Präsident, hochgeehrte Herren, unserer vollkommenen Hochachtung zu versichern.

Bern, den 10. Oktober 1941.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident:

Wetter.

Der Bundeskanzler: G. Bovet.

783 (Entwurf.)

Bundesbeschluss betreffend

vorläufige Änderungen in der Bundesrechtspflege.

Die Bundesversammlung der schweizerischen Eidgenossenschaft, im Hinblick auf das Inkrafttreten des schweizerischen Strafgesetzbuches am 1. Januar 1942, gestützt auf die Art. 106--114bls der Bundesverfassung, nach Einsicht einer Botschaft des Bundesrates vom 10. Oktober 1941, beschliesst : I. Änderungen des Bundesgesetzes vom 22. März 1893 über die Organisation der Bundesrechtspflege.

Art. 1.

Art. 25 erhält folgende-Fassung: Bei Beratungen und Abstimmungen in den Abteilungen des Bundesgerichts haben je 5 Eichter mitzuwirken, soweit das Gesetz nicht eine andere Zahl vorsieht.

Ausnahmsweise haben bei staatsrechtlichen Geschäften von grosser allgemeiner Bedeutung auf Anordnung des Präsidenten oder auf Verlangen von zwei Mitgliedern der Abteilung 7 Eichter mitzuwirken.

Art. 2.

1. Bei Berufungen in Zivilrechtsstreitigkeiten kann das Bundesgericht sofort oder nach Einholung der Antwort ohne öffentliche Beratung a. auf die Berufung nicht eintreten, wenn sie sich als unzulässig erweist, wenn Entscheidungsgründe des kantonalen oder ausländischen Eechts unter allen Umständen ausschlaggebend sind, b. die in Art. 64 vorgesehenen Massnahmen treffen, c. den angefochtenen Entscheid aufheben und die Sache zu neuer Entscheidung an die kantonale Instanz zurückweisen, wenn die von ihr ganz oder teilweise nach eidgenössischen Gesetzen entschiedene Streitsache ausschliesslich nach kantonalem oder ausländischem Eecht zu beurteilen ist.

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2. Ebenso kann das Bundesgericht sofort oder nach Einholung der Antwort ohne öffentliche Beratung bei Einstimmigkeit die Berufung abweisen, wenn sie ohne irgendwelchen Zweifel als unbegründet erachtet wird.

3. Entsprechendes gilt für die Anschlussberufung.

Art. 8.

Zivilrechtliche Beschwerden, Staats- und verwaltungsrechtliche Beschwerden und Eevisionsgesuche, die als unzulässig oder sofort einstimmig als unbegründet befunden werden, können ohne öffentliche Beratung erledigt werden.

II. Änderungen des Bundesgesetzes vom 15. Juni 1934 über die Bundesstrafrechtspîlege.

Art. 4.

Art. 12 erhält folgenden Zusatz : Der Kassationshof bestellt einen Ausschuss von drei Mitgliedern.

Dieser Ausschuss kann mit Einstimmigkeit über offensichtlich unzulässige oder unbegründete Nichtigkeitsbeschwerden entscheiden.

Die Entscheidung ist summarisch zu begründen.

Art. 5.

Art. 24 erhält folgende Fassung: Die Verhandlungen vor den Strafgerichten des Bundes sind öffentlich.

Das Gericht kann die Öffentlichkeit der Verhandlungen ausschliessen, wenn und soweit eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung, der Sittlichkeit oder der Staatssicherheit zu befürchten ist, oder wo die Interessen der Parteien es rechtfertigen.

Beratung und Abstimmung sind nicht öffentlich.

Art. 6.

Art. 268 erhält folgenden Zusatz : Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten und des Privatstrafklägers ist ausgeschlossen bei Verurteilung wegen Übertretungen, Beschimpfungen und einfachen Körperverletzungen zu einer Busse von weniger als fünfzig Franken.

In diesen Strafsachen ist die Nichtigkeitsbeschwerde des Privatstrafklägers auch bei Freisprechungen ausgeschlossen, wenn eine Busse von weniger als fünfzig Franken angedroht ist oder bei Gutheissung der Nichtigkeitsbeschwerde in Frage kommt.

Wegen Anwendung kantonalen statt eidgenössischen Eechtes, sowie wegen Verletzung von Vorschriften des eidgenössischen Eechtes über die sachliche oder örtliche Zuständigkeit ist die Nichtigkeitsbeschwerde ohne diese Beschränkung zulässig.

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Art. 7.

Art. 269 erhält folgenden Zusatz : Wegen Verletzung verfassungsmässiger Eechte bleibt die staatsrechtliche Beschwerde vorbehalten.

Art. 8.

Art. 270 erhält folgende Passung: Die Nichtigkeitsbeschwerde steht dem Angeklagten und dem öffentlichen Ankläger des Kantons oder dem Privatstrafkläger zu.

Der Privatstrafkläger kann zur Leistung eines Vorschusses für die Gerichtskosten verpflichtet werden. Die Erteilung des Armenrechts bleibt vorbehalten.

Art. 215 findet entsprechende Anwendung.

Dem Bundesanwalt steht die Nichtigkeitsbeschwerde zu, wenn der Bundesrat den Straffall den kantonalen Behörden zur Beurteilung überwiesen hat oder wenn die Entscheidung nach einem Bundesgesetz oder nach einem Beschlüsse des Bundesrates gemäss Art. 265, Abs. l, dem Bundesrat mitzuteilen ist.

Art. 9.

Art. 271 erhält folgende Fassung: Ist der Zivilanspruch zusammen mit der Strafklage beurteilt worden, so kann die Nichtigkeitsbeschwerde wegen dieses Anspruches vom Geschädigten, vom Verurteilten und von dem mit ihm ersatzpflichtig erklärten Dritten ergriffen werden. Berufung ist ausgeschlossen.

Beträgt der Streitwert der Zivilforderung, berechnet, nach den für die zivilprozessuale Berufung geltenden Vorschriften, weniger als Fr. 4000 und handelt es sich auch nicht um einen Anspruch, der im zivilprozessualen Verfahren ohne Bücksicht auf den Streitwert der Berufung unterläge, so ist eine Nichtigkeitsbeschwerde im Zivilpunkt nur zulässig, wenn der Kassationshof auch mit dem Strafpunkt befasst ist.

Wegen Anwendung kantonalen statt eidgenössischen Beehtes ist die Nichtigkeitsbeschwerde ohne diese Beschränkung zulässig.

Die Bestimmungen über die Anschlussberufung und die Bevision von Berufungsurteilen (Art. 70 und 95 ff. des Bundesgesetzes über die Organisation der Bundesrechtspflege) sind sinngemäss anwendbar.

Art. 10.

Art. 272 wird durch folgende Bestimmungen ersetzt: 1. Art. 272 neu: Der Beschwerdeführer hat innert 10 Tagen seit der nach dem kantonalen Eecht massgebenden Eröffnung des angefochtenen Entscheides bei der Behörde, welche ihn erlassen hat, die Beschwerde durch Einreichung

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einer schriftlichen Erklärung einzulegen. Sofern es noch nicht geschehen ist, ist dem Beschwerdeführer auf diese Erklärung hin ohne Verzug von Amtes wegen eine schriftliche Ausfertigung des Entscheides zuzustellen.

Innert 20 Tagen seit Zustellung des schriftlichen Entscheides hat der Beschwerdeführer seine Beschwerde bei der gleichen Behörde in der in Art. 272bls vorgeschriebenen Weise schriftlich zu begründen. Es steht ihm frei, sie schon vorher zu begründen.

Ist die Beschwerde im Zivilpunkt nur im Anschluss an eine Beschwerde im Strafpunkt zulässig (Art. 271, Abs. 2), so wird für die Partei, die nur Beschwerde im Zivilpunkt erhebt, die Frist zur Einlegung und Begründung derselben auf l0 Tage seit Mitteilung der von einem andern Beteiligten eingelegten Beschwerde im Strafpunkt verlängert.

Für den Bundesanwalt beginnen die Fristen am Tage, an dem der angefochtene Entscheid der zuständigen Bundesbehörde in vollständiger Ausfertigung zugekommen ist.

Die Akten sind den Parteien vor Einreichung der Beschwerdeschrift zur Einsicht offenzuhalten.

Die Beschwerde hemmt den Vollzug des Urteils nur, wenn der Kassationshof oder sein Präsident es verfügt.

2. Art. 272bls. Die Beschwerdeschrift muss in genügender Anzahl für das Gericht und jede Gegenpartei, mindestens jedoch im Doppel, eingereicht werden und ausser der Bezeichnung des angefochtenen Entscheides enthalten : a. die Angabe, welche Punkte des Entscheides angefochten werden, und die Anträge, b. die Begründung. Sie soll kurz darlegen, welche Bundesrechtssätze und inwiefern sie durch den Entscheid verletzt sind. Ausführungen, die sich gegen die tatsächlichen Feststellungen des Entscheides richten, neue Tatsachen, Einreden, Bestreitungen und Beweismittel, sowie Erörterungen über die Verletzung kantonalen Eechtes sind unzulässig.

Beschwerden, deren Begründung diesen Vorschriften nicht entspricht, können unter Ansetzung einer kurzen Frist zur Verbesserung zurückgewiesen werden mit der Androhung, dass andernfalls nicht darauf eingetreten werde.

Art. 11.

Art. 273 erhält folgende Fassung : Wird die Beschwerde nicht als offensichtlich unzulässig oder unbegründet befunden, so wird die Beschwerdeschrift den Beteiligten unter Ansetzung einer Frist zur Einreichung schriftlicher Gegenbemerkungen mitgeteilt.

Ausnahmsweise kann ein weiterer Schriften Wechsel oder eine mündliche Verhandlung zugelassen werden. Es steht den Parteien frei, zu erscheinen oder dem Gericht Eingaben zu machen.

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Art. 12.

Art. 275 erhält folgende Fassung : Der Kassationshof darf nicht über die Anträge des Beschwerdeführers hinausgehen. An deren Begründung ist er nicht gebunden.

Offenbar irrtümliche Feststellungen berichtigt der Kassationshof von Amtes wegen.

Art. 18.

Art. 276 erhält folgende Fassung: Hält der Kassationshof die Beschwerde im Strafpunkt für begründet, so hebt er den angefochtenen Entscheid auf und weist die Sache zu neuer Entscheidung an die kantonale Behörde zurück.

Diese hat ihrer Entscheidung die rechtliche Begründung der Kassation zugrunde zu legen.

Im Zivilpunkt entscheidet der Kassationshof in der Sache selbst oder weist sie zu neuer Entscheidung an die kantonale Behörde zurück.

Im Falle des Art. 271, Abs. 2, tritt der Kassationshof auf die Beschwerde im Zivilpunkt nur ein, wenn er die Beschwerde im Strafpunkt gutheisst und dessen abweichende Beurteilung auch für die Entscheidung im Zivilpunkt Bedeutung haben kann; er weist die Zivilsache mit der Strafsache zu neuer Entscheidung zurück.

m. Übergangs- und Schlussbestimmungen.

Art. 14.

Auf Nichtigkeitsbeschwerden, die vor dem 1. Januar 1942 eingereicht worden sind oder für welche die Frist vor dem 1. Januar 1942 zu laufen begonnen hat, finden noch die bisherigen Vorschriften Anwendung.

Art. 15.

In den Fällen des Art. 386, lit. c, des schweizerischen Strafgesetzbuches setzt das Bundesstrafgericht die Gesamtstrafe fest. Es gibt den Beteiligten Gelegenheit zur Einreichung schriftlicher Bemerkungen. Eine mündliche Verhandlung findet nicht statt.

Art. 16.

Dieser Bundesbeschluss wird dringlich erklärt und tritt am 1. Januar 1942 in Kraft.

Er gilt bis zum Inkrafttreten eines neuen Bundesgesetzes über die Organisation der Bundesrechtspflege, jedoch spätestens bis zum 81. Dezember 1944.

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Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend vorläufige Änderungen in der Bundesrechtspflege. (Vom 10. Oktober 1941.)

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1941

Année Anno Band

1

Volume Volume Heft

27

Cahier Numero Geschäftsnummer

4165

Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

16.10.1941

Date Data Seite

773-787

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