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Botschaft des

Bundesrates an die Bundesversammlung über die Gewährleistung der Abänderung des Art. 31, Ziffer 8, und des Art. 56 der Verfassung des Kantons Zürich.

(Vom 18. September 1941.)

Herr Präsident!

Hochgeehrte Herren!

In der Volksabstimmung vom 6. Juli 1941 haben die stimmberechtigten Bürger des Kantons Zürich, im Zusammenhang mit der Einführung des schweizerischen Strafgesetzbuches, auf den 1. Januar 1942 die Bestimmungen der Kantonsverfassung über die Begnadigung einer Revision unterzogen. Es handelt sich um eine Abänderung der Ziffer 8 des Art. 81 und des Art. 56. Mit Schreiben vom 17. Juli 1941 sucht der Begierungsrat des Kantons Zürich für diese Verfassungsänderung die eidgenössische Gewährleistung im Sinne des Art. 6 der Bundesverfassung nach.

Die bisherigen und die neuen Bestimmungen lauten wie folgt: Bisheriger Text:

Neuer Text:

Art. 81.

Dem Kantonsrate kommt zu: 8. die Ausübung des Begnadigungsrechtes.

Art. 81.

Dem Kantonsrate kommt zu: 8. die Begnadigung nach Massgabe des Art. 56 dieser Verfassung.

Art. 56.

Ein von kompetenter Stelle gefälltes gerichtliches Urteil kann weder von der gesetzgebenden noch von der administrativen Gewalt aufgehoben oder abgeändert werden. Vorbehalten bleibt das dem Kantonsrate zustehende Begnadigungsrecht.

Art. 56, Ein von kompetenter Stelle gefälltes gerichtliches Urteil kann weder von der gesetzgebenden noch von der administrativen Gewalt aufgehoben oder abgeändert werden. Vorbehalten bleibt das Begnadigungsrecht,

757 Die Begnadigung kann nur durch den Kantonsrat erfolgen. Begnadigungsgesuche sind an den Begierungsrat zu richten. Das Gesetz bezeichnet die Fälle, in welchen der Begierungsrat verpflichtet ist, ein Begnadigungsgesuch mit seinem Antrag dem Kantonsrate vorzulegen. In den übrigen Fällen entscheidet der Eegierungsrat über die Vorlegung der Gesuche an den Kantonsrat oder über deren Abweisung.

Das Gesetz bestimmt, ob und in welchen Fällen die Begnadigung auch auf dem Gebiete des dem Kanton vorbehaltenen Strafrechtes zulässig ist.

Die neue Fassung der beiden erwähnten Artikel schafft im Grunde genommen kein neues Becht im Kanton Zürich, da diese Ordnung bereits bisher auf Grund des Strafprozessgesetzes bestand. Sie bringt nur die verfassungsrechtlich einwandfreie Grundlage, dass dieses Verfahren auch in Zukunft im Gesetz beibehalten werden kann. Der Verfassungsartikel gibt dem Begierungsrat die Befugnis, die einlangenden Begnadigungsgesuche, die sich auf Grund des neuen Strafrechtes häufen werden, einer Vorprüfung zu unterziehen und von sich aus abzuweisen, wenn sie von vorneherein unbegründet erscheinen.

Nur in bestimmten, vom Gesetz bezeichneten Fällen müssen die Begnadigungsgesuche mit einem Antrag des Begierungsrates dem Kantonsrat vorgelegt werden, nämlich bei politischen Verbrechen und Vergehen, bei Verurteilung zu lebenslänglichem Zuchthaus und in den Fällen, in denen das Gericht an ein erhöhtes Mindestmass der Zuchthausstrafe gebunden ist (§ 491 der Strafprozessordnung in der abgeänderten Fassung gemäss Art. 30 des Einführungsgesetzes zum schweizerischen Strafgesetzbuch). Den Begnadigungsbeschluss selbst kann jedoch der Begierungsrat in keinem Fall fassen; die von ihm. als begründet angesehenen Begnadigungsgesuche hat er vielmehr dem Kantonsrat vorzulegen, der allein das Becht besitzt, eine Begnadigung auszusprechen.

Diese Begelung widerspricht nicht dem Art. 394 des schweizerischen Strafgesetzbuches, der verlangt, dass in den Fällen, in denen eine kantonale Behörde geurteilt hat, die Begnadigungsbehörde des Kantons das Begnadigungsrecht ausübe. Der Kanton könnte den Begierungsrat überhaupt als Begnadigungsbehörde bezeichnen, und es steht ihm frei, die Kompetenz in der hier vorgesehenen Weise zwischen Begierungsrat und Kantonsrat zu teilen.

Das bundesrechtliche Erfordernis, dass alle
Strafen der Begnadigung zugänglich sein müssen (Art. 396 StGB), ist damit auch erfüllt.

Das Bundesrecht schreibt im übrigen dem Kanton nicht vor, wer Begnadigungsbehörde sein müsse, und der Kanton könnte ohne weiteres auch den Be-

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gierungsrat dafür bezeichnen. Von Bundes wegen ist nur wichtig, dass eine Begnadigungsbehörde vorhanden ist und der Akt der Begnadigung ausgeübt werden kann.

Im dritten Absatz des Art. 56 der Verfassung behält sich der Kanton vor, auf dem Gebiete des kantonalen Strafrechtes zu bestimmen, in welchen Fällen die Begnadigung zulässig ist. Das Einführungsgesetz zum Strafgesetzbuch erklärt in Art. 14, dass die allgemeinen Begnadigungsbestimmungen des Art. 896 StGB auch für das kantonale Straf recht gelten, mit der Ausnahme, dass eine Begnadigung bei kantonalrechtlichen Bussen nicht zulässig ist. Die Begründung dieser Vorschrift liegt darin, dass einerseits die kantonalrechtlichen Bussen niedrig sind und die Milderungsbestimmungen im allgemeinen Bussenvollzug (Art. 49 StGB : Teilzahlungen, Abverdienen durch Arbeit usw.) genügen und dass anderseits die Zulassung der Begnadigung auch bei der kantonalrechtlichen Busse eine die Behörde ungebührend belastende Mut von Begnadigungsgesuchen heraufbeschwören würde. Auch diese Bestimmung ist nicht bundesrechtswidrig. Art. 394 schreibt den Kantonen die Begnadigung bloss für die auf Grund des schweizerischen Strafgesetzbuches oder eines andern Bundesgesetzes ergangenen Urteils zwingend vor. Die Ordnung der Begnadigung im Gebiete des den Kantonen verbliebenen Strafrechts entzieht sich dem Einfluss des Bundesrechts.

Die vorliegende Verfassungsänderung enthält somit nichts, was mit der Bundesverfassung in Widerspruch stehen würde. Wir beantragen Ihnen deshalb, den abgeänderten Artikeln 31, Ziffer 8, und 56 der Verfassung des Kantons Zürich durch Annahme des beiliegenden Besehlussentwurfes die Gewährleistung des Bundes zu erteilen.

Genehmigen Sie, Herr Präsident, hochgeehrte Herren, die Versicherung unserer vollkommenen Hochachtung.

Bern, den 18. September 1941.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident:

Wetter.

Der Vizekanzler:

Leimgrnber.

759 (Entwurf.)

Bundesbeschluss über

die Gewährleistung der abgeänderten Art. 3t, Ziffer 8, und Art. 56 der Verfassung des Kantons Zürich.

Die Bundesversammlung der schweizerischen Eidgenossenschaft, in Anwendung von Art. 6 der Bundesverfassung, nach Einsicht einer Botschaft des Bundesrates vom 18. September 1941, in Erwägung, dass die abgeänderten Verfassungsbestimmungen nichts den Vorschriften der Bundesverfassung zuwiderlaufendes enthält, beschliesst:

Art. 1.

Der in der Volksabstimmung vom 6. Juli 1941 gutgeheissenen Änderung des Art. 31, Ziffer 8, und des Art. 56 der Verfassung des Kantons Zürich wird die Gewährleistung des Bundes erteilt.

Art. 2.

Der Bundesrat wird mit dem Vollzug dieses Beschlusses beauftragt.

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Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung über die Gewährleistung der Abänderung des Art. 31, Ziffer 8, und des Art. 56 der Verfassung des Kantons Zürich.

(Vom 18. September 1941.)

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02.10.1941

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