349 # S T #

zu 4875

II. Bericht des

Bundesrates an die Bundesversammlung über Begnadigungs-gesuche.

(Dezembersession 1945.)

(Vom 12. November 1945.)

Herr Präsident!

Hochgeehrte Herren!

Wir beehren uns, unter Vorlage der Akten über nachstehende 48 Begnadigungsgesuche Bericht zu erstatten und über deren Erledigung Antrag zu stellen.

53. Fritz Sieber, 1878, Metzgermeister, Bern, 54. Anna Hug, 1908, Hausfrau, Gfenn-Dübendorf (Zürich), 55. Jakob Augustin Hangartner, 1904, Landwirt, Roosen-Lüchingen bei Altstätten (St. Gallen),' 56. Theophil Weber, 1906, Landwirt und Kaufmann, Zürich, 57. Francesco Bernasconi, 1900, Vertreter, Lugano (Tessin), 58. Georges Louviot, 1889, ehem. Vertreter, Biel (Bern), 59. Hans Brüschweiler, 1897, Tierarzt, Erlen (Thurgau), 60. Hans Senn, 1916, Hotelangestellter, Locamo (Tessin), 61. Giacomo Cannine, 1878, Metzger, Airolo (Tessin), 63. Eugen Siegfried, 1884, Kunstmaler, Luzern, 63. Carlo Pezzani, 1918, Vertreter, Massagno (Tessin), 64. Karl Zurfluh, 1918, Händler, Bern, 65. August Ostermann, 1900, Altstoffhändler, Bern, 66. Gottfried Buhlmann, 1900, Metzger, Buochs (Unterwaiden nid dem Wald), 67. Alex Pulver, 1912, Vertreter, Bern, 68. Mate Guillermet, 1893, Vertreter, Bellevue (Genf), 69. Adolphe Brengarth, 1901, Kaufmann, Genf, 70. Robert Favre, 1902, Vertreter, Yverdon (Waadt), 71. Willy Gerber, 1905, Eeisender, Genf, 72. Louis Blanchard, 1911, Camionneur, Genf, 73. Max Haefeli, 1896, Kaufmann, Genf, Bundesblatt. 97. Jahrg. Bd. II.

25

350 74.

75.

76.

77.

78.

79.

80.

81.

82.

83.

84.

85.

86.

87.

88.

89.

90.

Jean Boulin, 1914, kaufm. Angestellter, Carouge (Genf), Roger Mordasini, 1913, Vertreter, Genf, Georges Rheinwald, 1911, Mechaniker, Genf, Paul Michaud, 1897, Vertreter, Lausanne, Paul Vatre, 1885, Apotheker-Assistent, Genf, Henri Collé, 1893, Vertreter, Genf, Jean Hulliger, 1912, Metzger, Genf, José Castillo, 1905, Gemüsehändler, Genf, Maurice Christinet, 1911, Kellner, Lausanne, Albert Golay, 1900, Kaufmann, Lausanne, Romain Baeriswyl, 1917, Kaufmann, Lausanne, Charles Regamey, 1898, Angestellter, Lausanne, Francis Banchet, 1904, Wirt, Genf, Alexandre Soutter, 1897, Molkereibesitzer, Genf, Jules Burli, 1910, Molkereiangestellter, Genf, Robert Mühlheim, 1906, Konditor, Sitten (Wallis), Henri Nicolas, 1895, Vertreter, Sitten.

(Sicherstellung der Landesversorgung mit Lebens- und Futtermitteln.)

Gemäss Bundesratsbeschluss vom 17. Oktober 1939 über die Sicherstellung der Landesversorgung mit Lebens- und Futtermitteln und den auf Grund desselben erlassenen Ausführungsvorschriften, teilweise in Verbindung mit andern kriegswirtschaftlichen Vorschriften, sind verurteilt worden: 53. Fritz Sieber, verurteilt am 29. Mai 1945 durch Strafmandat des Einzelrichters des 1. kriegswirtschaftlichen Strafgerichtes zu Fr. 150 Busse, weil er im September/Oktober 1948 und im März 1944 die ihm zugewiesenen Schweinekontingente ohne Bewilligung überschritt.

Sieber ersucht um Begnadigung, wozu er geltend macht, seine Verdienstmöglichkeiten seien beschränkt und er sei kaum imstande, sich und seine Frau durchzubringen. Die Mehrschlachtung sei nicht aus Gewinnsucht vorgenommen worden, sondern einzig zur Sicherung seiner bescheidenen Existenz. Das kantonale Kriegswirtschaftsamt habe seiner Lage seither Eechnung getragen, so dass keine Kontingentsüberschreitungen mehr vorgekommen seien.

Die eingeholten Informationen haben ergeben, dass der Gesuchsteller infolge vorgerückten Alters schon etwas gebrechlich ist und wegen eines Unfalles gesundheitlich gelitten hat. Er lebt in ärmlichen Verhältnissen. Sieber hat bis heute Fr. 83.40 an die Busse bezahlt. In Anbetracht des ganzen Sachverhaltes erachten wir ein Entgegenkommen als gerechtfertigt und beantragen mit dem Generalsekretariat des eidgenössischen Volkswirtschaft^ départements den Erlass der Eestbusse.

351 54. Anna Hug, verurteilt am 21, Mai 1942 durch Strafmandat des Einzelrichters der 2. strafrechtlichen Kommission des eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartements zu Fr. 200 Busse, weil sie während 18 Monaten unter falschen Angaben sämtliche Bationierungsausweise für ihre Tochter widerrechtlich bezogen hatte.

Unter Hinweis auf ihre bedrängte Lage ersucht die Verurteilte um eine teilweise Begnadigung.

Frau Hug kommt für den Unterhalt einer vierköpfigen Familie allein auf.

Ihr Ehemann ist arbeitsunfähig und fällt ihr zur Last. Mit Mühe konnte sie bis anhin Fr. 150 an die Busse aufbringen. Wir beantragen aus Kommiserationsgründen den Erlass der verbleibenden Fr. 50.

55. Jakob Hangartner, verurteilt am 7. Dezember 1943 vom Einzelrichter der 2. strafrechtlichen Kommission des eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartements zu Fr. 300 Busse, weil er sich iin November 1942 einer Stallbesichtigung widersetzte, die Auskunft verweigerte und eine Bestandeskarte nicht unterschreiben wollte.

Für Hangartner ersucht dessen Vormund um Erlass oder möglichst weitgehende Herabsetzung der Busse, wozu er geltend macht, sein Mündel sei nicht zurechnungsfähig. Der Verurteilte sei Vater von 5 kleinen Kindern und lebe in bedrängten Verhältnissen. Das Gesuch wird vom Gemeindeammann unterstützt.

Die eingeholten Erkundigungen bestätigen die Gesuchsanbringen. Einem Polizeibericht zufolge soll Hangartner seine ablehnende Einstellung der Mitwelt gegenüber wieder etwas gemässigt haben und mit Fleiss und Aufmerksamkeit seinen Betrieb bewirtschaften. Aus seinem ganzen Verhalten sei ersichtlich, dass er bestrebt sei, die begangenen Fehler wieder gutzumachen.

Im Hinblick auf diesen Gesinnungswandel und in Berücksichtigung der bescheidenen Verhältnisse und der zahlreichen Familie beantragen wir mit dem Polizeidepartement des Kantons St. Gallen Herabsetzung der Busse bis zu Fr. 100.

56. Theophil Weber, verurteilt am 7. März 1945 vom Einzehrichter des kriegswirtschaftlichen Strafappellationsgerichtes in Bestätigung eines erstinstanzlichen Urteils zu Fr. 400 Busse.

Weber hat im Jahr 1944 insgesamt 1000 Liter Milch der Ablieferungspflicht entzogen, seinen Viehbestand unerlaubterweise ausgedehnt, Kälber und Ferkel mit Milch gefüttert. Zudem hat er ein grösseres Quantum frisches und geräuchertes Schweinefleisch, zum Teil auch
bankwürdiges Fleisch zu übersetzten Preisen und ohne gleichzeitige Entgegennahme der Rationierungsausweise abgegeben.

Der Verurteilte ersucht um Begnadigung, wozu er auf den dem Urteil zugrunde liegenden Tatbestand zurückkommt und im wesentlichen die Schuldfrage erneut auf wirf t. Sein Einkommen reiche kaum zum Unterhalt der Familie.

352 Weber musate schon mehrmals wegen Widerhandlungen gegen die kriegswirtschaftlichen Vorschriften gebüsst werden. Gegenwärtig ist eine neue Untersuchung gegen ihn hängig. Ein Polizeibericht bezeichnet ihn als Querulant.

Unter diesen Umständen beantragen wir mit dem Generalsekretariat des eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartementes Abweisung, immerhin unter Zubilligung von Teilzahlungen.

57. Francesco Bernasconi, verurteilt am 26. Oktober 1942 von der 7. strafrechtlichen Kommission des eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartements zu Fr. 1.600 Busse, weil er im Jahre 1941 Lieferanten-Bationierungsausweiskarten für Zucker, Beis, Teigwaren und Fettstoffe verkauft hatte.

Bernasconi, der bis anhin in verschiedenen Baten Fr. 680 bezahlte, ersucht um mögliehst weitgehenden Erlass des Bussenrestes, wozu er seine bescheidenen Mittel geltend macht.

Der Gesuchsteller hat nur ein dürftiges Einkommen. Er ist verheiratet und Vater von zwei Kindern. Wir möchten ihm zugute halten, dass er trotz neiner misslichen Verhältnisse den guten Willen zeigte und in Baten einen samhaften Teil der Busse aufbrachte. Da die Angelegenheit zudem schon vier Jahre zurückhegt, beantragen wir den Erlass des Bussenrestes.

58, Georges Louviot, verurteilt am 18. November 1944 vom kriegswirtschaftlichen Strafappellationsgericht in Bestätigung des erstinstanzlichen Urteils zu Fr. 2500 Busse, weil er grosse Mengen Margarine verkaufte, ohne gleichzeitig die entsprechenden Bationierungsausweise zu verlangen, und Bationierungsausweise entgegennahm, ohne die entsprechenden Waren zu liefern. Zudem hatte er grosse Mengen Bationierungsausweise für Fett vernichtet und anlässlich der Untersuchung unrichtige Angaben gemacht.

Louviot ersucht um teilweisen Bussenerlass, wozu er geltend macht, er befinde sich in einer Notlage und könne einen so hohen Betrag nicht bezahlen.

Zudem kommt er auf die Schuldfrage zu sprechen.

Es ist nicht Sache der Begnadigungsbehörde, den beurteilten Tatbestand auf die Schuldfrage hin nochmals zu prüfen. Der Verurteilte hatte im Bekursverfahren versucht, eine Strafmilderung zu erwirken, wurde jedoch mit der Begründung abgewiesen, alle mildernden Umstände seien bereits von der ersten Instanz berücksichtigt worden. Das Gericht stellte fest, dass die Widerhandlungen Louviots schwerwiegender Natur seien und daher
streng bestraft werden müssen, Louviot ist unseres Erachtens eines Entgegenkommens nicht würdig.

Er weist verschiedene Vorstrafen auf, and sein Leumund gilt nicht als einwandfrei. Seinen finanziellen Verpflichtungen, namentlich gegenüber dem Staat, kommt er in keiner Weise nach. Wir beantragen daher mit dem Generalsekretariat des eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartements Abweisung, 59. Hans Brüschweiler, verurteilt am 2. Juni 1944 von der strafrechtlichen Bekurskommission des eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartementes

353 in Abänderung des erstinstanzljchen Urteils zu drei Monaten Gefängnis und Fr. 8000 Busse. Zudem wurde er seines Amtes als Fleischschauer entsetzt und für die Dauer von zwei Jahren als nicht zu diesem Amte wählbar erklärt. Das Generalsekretariat des eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartementes wurde ferner angewiesen," das Urteil in die Strafregister eintragen und in sechs verschiedenen Zeitungen veröffentlichen zu lassen. Der Verurteilte hatte vom 1. März 1942 bis 28. Februar 1948 zu insgesamt 550 Schwarzschlachtungen Vorschub geleistet und die Schlachtgewichtsangaben mangelhaft kontrolliert.

Brüschweiler ersucht um Erlass der Busse und der Nebenstrafe, wozu er geltend macht, er habe nach der erfolgten Verurteilung seine Existenz verloren und sei nun mittellos. Da ohne Fleischschau keine tierärztliche Praxis ausreichen könne, sei er auf fremde Unterstützung angewiesen. -- Im Kanton Thurgau seien die Neuwahlen der Fleischschauer bevorstehend. Würde er in bezug auf die Nebenstrafe nicht begnadigt, so könnte er für die nächste Amtsperiode nicht gewählt werden. Dadurch würde es ihm verunmöghcht, aus seinen trostlosen Verhältnissen herauszukommen.

Bei der Strafzumessung wurde berücksichtigt, dass Brüschweiler nicht aus Gewinnsucht gehandelt hat, sondern sich vielmehr aus Leichtfertigkeit und Nachgiebigkeit zu den beurteilten Widerhandlungen verleiten liesa.

Als Zusatzstrafe zu der kriegswirtschaftlichen Verurteilung wurde Brüschweiler vom Strafgericht Baselland wegen fortgesetzter Urkundenfälschung und Amtsmissbrauch zu 8 Monaten Gefängnis verurteilt, bedingt erlassen auf die Dauer von 4 Jahren, Die vom kriegswirtschaftlichen Gericht verhängte Gefängnisstrafe von 3 Monaten hat er bereits verbüsst. Ein Versuch, eine tierärztliche Praxis ohne gleichzeitige Funktion als amtlicher Fleischschauer aufzubauen, hat bereits mit einem Misserfolg geendet. Die wirtschaftliche Lage Brüschweilers ist denkbar schlecht. Ohne Vermögen und fast ohne Einkommen fristet er ein kümmerliches Dasein, Da die Nichtwählbarkeit noch bis 2. Juni 1946 dauert, kann die Lage des Verurteilten nur durch einen Erlass der Nebenstrafe gebessert werden. Gleichzeitig scheint eine Herabsetzung der Busse gerechtfertigt zu sein, da sie zu den heutigen, mehr als bescheidenen Einkünften des Verurteilten in keinem Verhältnisse mehr steht. In
Anbetracht der Tatsache, dass Brüschweiler nicht aus Gewinnsucht handelte und nicht vorbestraft ist, beantragen wir mit dem Generalsekretariat des eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartementes den Erlass der Nebenstrafe mit Wirkung ab 20. Dezember 1945, und -- in dieser Hinsicht weitergehend als die erwähnte Amtsstelle -- die Ermässigung der Busse auf Fr. 500. In persönlicher Beziehung scheint Brüschweiler dieses Entgegenkommens würdig zu sein.

60. Hans Senn, verurteilt am 24. November 1944 vom kriegswirtschaftlichen Strafappellationsgericht in Bestätigung des erstinstanzlichen Urteils zu 4 Monaten Gefängnis und Fr. 5000 Busse. Zudem wurden die Publikation des Urteils und die Eintragung ins Strafregister angeordnet. Der Bestrafte hatte vom Sommer 1941 bis Februar 1943 mit Eationierungsäusweisen für Lebens-

354 mittel in grossem Ausmasse Handel getrieben und Lebensmittel ohne Rationierungsausweise verkauft.

Für Senn ersucht ein Eechtsanwalt um Erlass von Busse und Kosten sowie um Verzicht auf die Strafregistereintragung. Er macht geltend, die verbüsste Gefängnisstrafe habe den Verurteilten schwer getroffen, um so mehr, als er nach seiner Entlassung viele Schwierigkeiten überwinden müsse. Der Verurteilte lebt in denkbar bescheidenen Verhältnissen. Für eine frühere kriegswirtschaftliche Busse musste anlässlich der Betreibung ein Verlustschein ausgestellt werden.

Die Widerhandlungen Senns müssen als schwerwiegend bezeichnet werden.

Da sie fortgesetzt und mit Gewinnabsicht begangen wurden, beantragt das Generalsekretariat des eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartementes Abweisung.

Auf das Begehren um Erlass der Eintragung ins Strafregister kann nicht eingetreten werden, da es sich um eine Massnahme, nicht aber um eine Strafe handelt. Ebenso können die Verfahrenskosteii im Betrage von Fr. 1400 von der Bundesversammlung nicht erlassen werden. Mit Rücksicht darauf, dass Senn die ihm auferlegte Gefängnisstrafe von 4 Monaten bereits verbüsste und als einfacher Hotelangestellter offenbar über nur geringe Mittel verfügt, beantragen wir den Erlass der Busse.

61. Giacomo Carminé, verurteilt am 7. März 1944 von der 7. strafrechtlichen Kommission zu 30 Tagen Gefängnis, bedingt erlassen auf die Dauer von 2 Jahren, und zu Fr. 5000 Busse. Er hatte im Sommer 1942 zahlreiche Schlachtungen ohne Bewilligung vorgenommen, Fleisch ohne Rationierungsausweise verkauft und das ihm zugeteilte Schweinekontingent überschritten.

Für Cannine ersucht ein Eechtsanwalt um Erlass des restlichen Bussenbetrages von Fr. 2000, wozu er geltend macht, die Busse hindere die geschäftliche Tätigkeit des Verurteilten. Carminé sei einer der ersten Metzger, die von der 7. strafrechtlichen Kommission verurteilt worden seien, weshalb das Urteil übermässig streng ausgefallen sei. Ferner kommt er auf den beurteilten Tatbestand zurück.

Die eingeholten Erkundigungen haben ergeben, dass Carminé in geordneten Verhältnissen lebt. Von seinen 4 Kindern ist nur noch eines minderjährig. Im übrigen ist es nicht Sache der Begnadigungsbehörde, die Schuldfrage zu überprüfen. Wir beantragen unter diesen Umständen mit dem Generalsekretariat des eidgenössischen
Volkswirtschaftsdepartementes Abweisung.

62. Eugen Siegfried, verurteilt am 9. Dezember 1944 vom kriegswirtschaftlichen Sträfappellationsgericht in Bestätigung des erstinstanzlichen Urteils zu drei Wochen Gefängnis und Fr. 500 Busse. Der Verurteilte hatte im Juni 1941 im Kettenhandel grosse Mengen Teigwaren im Schwarzhandel verkauft, wobei auch die Hochstpreievorschriften missachtet wurden.

355

Ein Bechtsanwalt ersucht für den Verurteilten um Erlass der Gefängnisstrafe, wozu er geltend macht, die Widerhandlungen gingen in das Jahr 1941 zurück. Der Verurteilte habe sich damals wegen der Krankheit seiner Frau in einer Notlage befunden. Er sei heute alt und kränklich, weshalb ihn eine Gefängnisstrafe besonders hart treffe.

Bei der Strafzumessung wurde berücksichtigt, dass sich Siegfried als Schwarzhändler betätigt hat und in grober Weise gegen wichtige kriegswirtschaftliche Bestimmungen verstiess, wobei er einen Gewinn von mindestens Fr. 800 erzielte. Die .persönlichen Verhältnisse des Verurteilten konnten nur hl geringem Mass strafmildernd berücksichtigt werden.

Siegfried ist mehrmals vorbestraft und muss als begnadigungsunwürdig betrachtet werden. Mit dem Generalsekretariat des eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartementes beantragen wir daher Abweisung.

63. Carlo Pezzani, verurteilt am 23. November 1944 vom 7. kriegswirtschaftlichen Strafgericht zu l Monat Gefängnis, unter Anrechnung von 10 Tagen Untersuchungshaft, sowie zu Fr. 1SOO Busse. Die urteilende Behörde verfügte ferner die Eintragung in die Strafregister und die Veröffentlichung des Urteils.

Pezzani hat im Jahre 1948 Eationierungsausweise für grössere Mengen Lebensmittel aller Art zu hohen Preisen erworben und verkauft und sich ausserdem an einem ausgedehnten Schwarzhandel mit Lebensmitteln beteiligt.

Er ersucht um Erlass der Freiheitsstrafe, wozu er ausführt, dass er bei einer allfälligen Strafverbüssung verdienstlos wäre, wodurch seine ganze Familie in Mitleidenschaft gezogen würde. Sein Gesundheitszustand lasse zu wünschen übrig.

Unter Hinweis auf die Urteilserwägungen und angesichtö der Tatsache, dass die Verfehlungen des Pezzani gravierender Art waren, beantragen wir mit dem Generalsekretariat des eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartementes Abweisung. Dem angeblichen schlechten Gesundheitszustand des Verurteilten kann im Strafvollzuge vollauf Eechnung getragen werden.

64. Karl Z u r f l ü h , verurteilt am 12. Januar 1945 vom kriegswirtschaftlichen Strafappellationsgericht in Bestätigung eines erstinstanzhchen Urteils zu 6 Wochen Gefängnis und Fr. 1200 Busse, weil er im Jahre 1948 grössere Mengen rationierter Lebensmittel und einen Posten Gasolin zu übersetzten Preisen erworben und verkauft hatte. Die urteilende
Behörde verfügte ausserdem die Urteüspubhkation.

Zurflüh ersucht um Erlass von Busse und Gefängnisstrafe, wozu er in der Hauptsache mildernde Umstände geltend macht: er habe aus Not gehandelt, weil er nach monatelangem Militärdienst seinen finanziellen Verpflichtungen nicht mehr habe nachkommen können. Heute habe er noch Schulden bei den Banken, Sein Bruder und gleichzeitiger GeBohaftsteilbaber sei im

356 Militärdienst schwer erkrankt und im heutigen Zeitpunkt teilweise arbeitsunfähig.

Das Generalsekretariat des eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartements weist auf die Schwere der begangenen Widerhandlungen hin und spricht sich für die Gesuchsabweisung aus.

Gestützt auf das Ergebnis des Strafverfahrens halten wir fest, dass Zurflüh ca. 1500 kg Lebensrnittel im Schwarzhandel gekauft und davon 1100 kg ohne Entgegennahme von Rationierungsausweisen weiterverkauft hat. Wenn noch hinzukommt, dass sich seine Tätigkeit über einen längeren Zeitraum erstreckt und ihm einen widerrechtlichen Gewinn von Fr. 1200 eingebracht hat, erscheint sein Vorgehen als dasjenige eines Schwarzhändlers, der sich durch seme verboteneJTätigkeit eine dauernde Einnahmequelle zu verschaffen sucht.

Immerhin muss in diesem Zusammenhang berücksichtigt werden, dass die nachgewiesene Gewinnsucht aus wirtschaftlichen Schwierigkeiten heraus entstanden ist, mit denen der Verurteilte als Altstoffhändler zu kämpfen hatte, da ihm während der ersten Kriegsjahre keine Verdienstersatzleistungen und bis zum Herbst 1948 nur sehr beschränkte Leistungen zugingen. Bei allem Verständnis dafür, dass, nach wohlbegründeter Praxis, an die Gewährung des bedingten Strafvollzuges im Kriegswirtschaftsstrafrecht strengere Anforderungen gestellt werden müssen, als es im ordentlichen Strafrecht der Fall sein mag, halten wir gleichwohl dafür, dass hier seitens der Begnadigungsbehörde ein Entgegenkommen als angezeigt erscheint. Wir beantragen deshalb den bedingten Erlass der Gefängnisstrafe, unter Auferlegung einer Bewährungsfrist von 3 Jahren, mit der besonderen Bedingung, dass Zurflüh während der Probezeit kein vorsätzliches Vergehen verübe und sich nicht neuerdings Widerhandlungen gegen kriegswirtschaftliche Vorschriften zuschulden kommen lasse.

Hinsichtlich der Busse beantragen wir jedoch Abweisung, weil diese bloss den widerrechtlich erzielten Gewinn darstellt. Die Vollzugsbehörde mag dem Verurteilten die üblichen Zahlungserleichterungen gewähren.

65. August Ostermann, verurteilt am 12. Januar 1945 vom kriegswirtschaftlichen Strafappellationsgericht in Bestätigung eines erstinstanzlichen Urteils zu 2 Monaten Gefängnis und Fr. 650 Busse, weil er in der Zeitspanne zwischen Frühjahr 1942 bis Herbst 1948 ca. 2000 kg Lebensmittel ohne Rationierungsausweise
und zu übersetzten Preisen gekauft und verkauft hatte. Ferner hatte er insgesamt 48 Liter Gasolin zu übersetzten Preisen erworben und veräussert,. ohne dass er selbst über ein diesbezügliches Kontingent verfügte.

Ostermann ersucht um Erlass der Gefängnisstrafe, wozu er ausführt, dass er sich zur Zeit der Tatbegehung in einer finanziell schwierigen Lage .befunden habe. Zudem macht er einen Krankheitsfall in der Familie geltend.

Das Generalsekretariat des eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartementes kann sich aus grundsätzlichen Erwägungen mit einer Begnadigung nicht einverstanden erklären.

357 Die Verhältnisse liegen hier ähnlich wie im Falle Zurflüh (vgl. Antrag 64 hievor). Einen bedingten Erlass der Freiheitsstrafe können wir deshalb nicht befürworten, weil Ostermann vorbestraft ist, Eückfall vorliegt und gegen den Verurteilten zurzeit eine neue Strafuntersuchung wegen Schwarzhandels mit Zucker in erheblichen Mengen hängig ist. In Berücksichtigung der bei Zurflüh anerkannten Gründe beantragen wir jedoch die teilweise Begnadigung im Wege der Herabsetzung der Gefängnisstrafe bis zu 4 Wochen.

66. Gottfried Bühlmann, verurteilt am 4. Juni 1945 vom 5. kriegswirtschaftlichen Strafgericht zu 45 Tagen Gefängnis, unter Anrechnung von 2 Tagen Untersuchungshaft, und zu Fr. 6000 Busse, weil er in der Zeit vom März 1942 bis Dezember 1948 regelmässig Schwarzschlachtungen vorgenommen, die Schlachtkontrolle absichtlich unrichtig geführt, seine Schlachtgewichtszuteilung für die Monate August, November und Dezember 1948 wesentlich überschritten und erhebliche Mengen Fleisch ohne Rationierungsausweise verkauft hatte. Die urteilende Behörde ordnete ausserdem die Urteilspublikation und die Strafregistereintragung an.

Bühlmann ersucht um bedingten Erlass der Freiheitsstrafe und der Busse, die beide für ihn untragbar seien. Der Strafvollzug würde seine zwölf köpf ige Familie vernichten. Sein Betrieb sei überschuldet und sein Einkommen knapp.

Da er für zehn Kinder im Alter von 6 Monaten bis 13 Jahren aufkommen müsse und seine Frau fallsüchtig sei, treffe ihn die Strafe doch zu hart.

Das Generalsekretariat des eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartements spricht sich hinsichtlich der Freiheitsstrafe für Abweisung aus, in bezug auf die Busse jedoch für deren Herabsetzung bis zu Fr. 1000.

Es kann in diesem Falle nicht von der Hand gewiesen werden, dass sich der Verurteilte in einer gewissen Notlage befunden hat. Als Vater von 10 Kindern steht er finanziell schlecht. Schon das urteilende Gericht stellte fest, dass er offenbar durch das Geschäftsgebaren seines Konkurrenten zu den Widerhandlungen aufgemuntert wurde. Bis zu einem gewissen Grade kann man dem Verurteilten ebenfalls zugute halten, dass er bei diesen widerrechtlichen Fleischverkäufen wenigstens kerne Überpreise verlangte. Anderseits darf nicht übersehen werden, dass sich Bühlmann mehrere Widerhandlungen zuschulden kommen liess und seine Verstösse
gegen die betreffenden Vorschriften mit grosser Eegelmässigkeit durchführte. Er handelte vorsätzlich. Im Hinblick auf seine bescheidenen Mittel und vor allem mit Bücksicht auf seine zahlreiche Familie möchten wir ihm entgegenkommen und beantragen daher: a. den bedingten Erlass der Gefängnisstrafe, unter Auflage einer Bewährungsfrist .von 8 Jahren und mit der besonderen Bedingung, dass Bühlmann während der Probezeit kern vorsätzliches Vergehen verübe und nicht neuerdings gegen kriegswirtschaftliche Vorschriften verstosse. b. Hinsichtlich der Busse Abweisung zurzeit, in der Meinung, Bühlmann solle zunächst seinen Sühnewillen bekunden und innert Jahresfrist wenigstens ein Bussenviertel aufbringen.

358

67. Alex Pulver, verurteilt am 8. Dezember 1944 vom kriegswirtschaftlichen Strafappellationsgericht in Bestätigung eines erstinstanzlichen Urteils zu 8 Monaten Gefängnis und Fr. 1500 Busse, weil er in den Jahren 1940 bis 1942 einen ausgedehnten Schwarzhandel getrieben hatte, der sich auf ca. 10 Tonnen rationierte Lebensmittel sowie auf Seife und Waschmittel erstreckte, wobei er bei den Schwarzkäufen Überpreise von insgesamt Fr. 6500 bezahlte und daraufhin Gewinnzuschläge von rund Fr. 8000 erzielte.

Für den Verurteilten ersucht sein Bechtsanwalt um Erlass der Gefängnisstrafe, wozu er in längeren Ausführungen den Sachverhalt schildert und versichert, Pulver habe nicht aus Gewinnsucht gehandelt, sondern lediglich im Bestreben, seinen Kunden Gefälligkeiten zu erweisen. Eine deliktische Absicht habe im Grunde nicht bestanden. Der Strafvollzug erweise sich heute als besondere Härte, nachdem die dem Verurteilten zur Last gelegten Handlungen sich in den Jahren 1940 bis 1942 abgespielt haben.

Bei der Strafzumessung fiel die lange Dauer der begangenen Verfehlungen erschwerend ins Gewicht. Das kriegswirtschaftliche Strafappellationsgericht stellt in seinen Erwägungen fest, dass es sich bei der Strafsache Pulver um eine der umfangreichsten und verwerflichsten Schwarzhandelsfälle handelte, die bisher zur Beurteilung kamen. Der bedingte Strafvollzug konnte schon deshalb nicht gewährt werden, weil Pulver vorbestraft ist. In bezug auf die Einrede dea Anwaltes, die Anordnung des Strafvollzuges bedeute nach so langer Zeit eine Härte, sei besonders erwähnt, dass der Verfasser der Eingabe die gerügte Verschleppung zu einem wesentlichen Teil selbst verschuldete, indem er kurze Zeit nach dem Urteilsspruch ein Strafaufschubsgesuch einreichte und ein Begnadigungsgesuch in Aussicht stellte, dieses jedoch erst nach 8 Monaten einreichte. Des weiteren ist es verständlich, dass bei einem derart umfangreichen Straffall das Untersuchungsverfahren eine längere Zeitspanne in Anspruch nimmt. Im Hinblick auf die insgesamten Verumständungen des Falles und die Vorstrafen des Verurteilten beantragen wir mit dem Generalsekretariat des eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartements Abweisung, 68. und 69. Marc Guillermet und Adolphe Brengarth, verurteilt am 4. November 1944 vom kriegswirtschaftlichen Strafappellationsgericht in teilweiser
Abänderung eines erstinstanzlichen Urteils, der erste zu 15 Tagen Gefängnis und Fr. 2000 Busse, der zweite zu 5 Tagen Gefängnis und Fr. 200 Busse.

Guillermet hat im Laufe des Jahres 1941 4000 kg Speiseöl ohne Eationierungsausweise erworben und den grösseren Teil hievon zu einem übersetzten Preise an Brengarth abgegeben, der seinerseits den Hauptteil der widerrechtlich gekauften Ware zu Überpreisen weiterverkaufte.

Guillermet ersucht um Erlass der Gefängnisstrafe, wozu er geltend macht, er habe sich seinerzeit als heimgekehrter Auslandschweizer in finanzieller Bedrängnis befunden und sich zu dem ihm zum Verhängnis gewordenen Handel mit Speiseöl verleiten lassen, Brengarth bittet um Begnadigung hinsichtlich

359 der Freiheitsstrafe und der Strafregistereintragung, Er hält die Strafe für übersetzt und vor allem entehrend und kann sich dem Urteilsspruch nicht fügen.

Die Gesuchsanbringen wurden schon von den urteilenden Behörden geprüft und gewürdigt. Die Gesuchsteller betrachten offenbar die Institution der Begnadigung als zusätzliches Rechtsmittel, Das "Verwerfliche an ihrem Tun scheinen sie übersehen zu wollen. Ausgesprochene Begnadigungsgründe vermögen sie jedenfalls nicht nachzuweisen. Unter Hinweis auf die oberinstanzlichen Urteilserwägungen beantragen wir mit dem Generalsekretariat des eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartements, beide Eingaben abzuweisen.

Es sei noch erwähnt, dass die angeordnete Strafregistereintragung als blosse Massnahme von der Begnadigungsbehörde nicht erlassen werden kann.

70., 71. und 72. Eobert Favre, Willy Gerber und Louis Blanchard, verurteilt am 9. Februar 1945 vom kriegswirtschaftlichen Strafappellationsgericht in Abänderung des erstinstanzlichen Urteils, Favre zu 45 Tagen Gefängnis und Fr. 1000 Busse, Gerber zu l Monat Gefängnis und Fr. 200 Busse, Blanchard zu l Monat Gefängnis und Fr. 400 Busse.

Die Verurteilten hatten im August 1948 mit grossen Mengen gefälschter Zuckercoupons Handel getrieben.

Die Verurteilten ersuchen um Erlass der Gefängnisstrafen, wozu sie geltend machen, dass ihnen das erstinstanzliche Gericht den bedingten Strafvollzug zugebilligt hatte, was aber vom Generalsekretariat des eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartements auf dem Rekurswege beanstandet worden sei. Favre und Gerber weisen auf die katastrophalen Folgen einer Gefängnisstrafe hin.

Gerber und Blanchard betonen, dass für sie als Familienväter die Gefängnisstrafe eine grosse Härte bedeute. Schliesslich erwähnen Blanchard und Favre den von ihnen geleisteten Aktivdienst.

Den Urteilserwägungen ist zu entnehmen, dass die Widerhandlungen Vorsätzlich begangen wurden und die Beteiligten von der Fälschung der Bationierungsausweise Kenntnis hatten. Zudem lag Gewinnsucht vor. Alle drei wurden vom ordentlichen Gericht zusätzlich zur kriegswirtschaftlichen Strafe zu 6 Monaten Gefängnis verurteilt, bedingt erlassen auf die Dauer von 5 Jahren.

Wir beantragen mit dem Generalsekretariat des eidgenössischen VolksWirtschaftsdepartements Abweisung. Es handelt sich bei allen Verurteilten tei
ausgesprochene Schwarzhändler, die aus Gewinnsucht handelten und sich einzig um ihren eigenen Vorteil kümmerten, ohne sich je über die Schwierigkeiten der Landesversorgung und der gerechten Verteilung der notwendigsten Güter Rechenschaft abzugeben. Auch in persönlicher Beziehung erscheinen die Gesuchsteller als eines Entgegenkommens nicht besonders würdig. Favre igt vorbestraft. Gegen Gerber mussten seither zwei neue Strafuntersuchungen wegen Widerhandlungen gegen die kriegswirtschaftlichen Vorschriften eingeleitet werden. Bei Blanchard liegt Rückfall vor. Vorleben und Charakter der Verurteilten lassen somit nicht erwarten, dass sie durch eine Begnadigung von weiteren kriegswirtschaftlichen Vergehen abgehalten würden.

360 73. Max Haefeli, verurteilt am SO. September 1944 vom kriegswirtschaftlichen Strafappellationsgericht in Abänderung eines erstinstanzlichen Urteils zu 80 Tagen Gefängnis und Fr. 1000 Busse, weil er im Laufe des Sommers 1948 Eationierungsausweise für insgesamt 1450 kg Zucker käuflich erworben und zum Ankauf der entsprechenden Menge Zucker für sein Geschäft benützt hatte.

Haefeli ersucht um bedingten Erlass der Gefängnisstrafe, wozu er ausführt, er könne nicht verstehen, dass ihm die Bechtewohltat des bedingten Strafvollzuges verweigert worden sei. Er habe sich nur deshalb vergangen, um zu verhindern, dass sein Geschäft während der Kriegszeit gefährdet werde und sein Umsatz nicht zu tief sinke. Ferner macht er seinen schwächlichen Gesundheitszustand geltend.

Unter Hinweis auf die zweitinstanzlichen Urteilserwägungen beantragen wir mit dem Generalsekretariat des eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartements Abweisung, weil Haefeli aus reiner Gewinnsucht handelte, ohne sich darum zu kümmern, dass er durch seine Handlungsweise seine Berufskollegen .in eine benachteiligte Stellung brachte und der Landesversorgung schweren Schaden zufügte, und vor allem, weil ausgesprochene Begnadigungsgründe fehlen. Dem anscheinend nicht besonders schwer angegriffenen Gesundheitszustand des Gesuchstellers kann im Strafvollzüge vollauf Eechnung getragen werden.

74. Jean Eoulin, wie folgt verurteilt: am 80. September 1944 vom kriegswirtschaftlichen Strafappellationsgericht zu 8 Tagen Gefängnis, in Abänderung eines erstinstan/lichen Urteils, weil er im Sommer 1943 einen Handel mit Bationierungsausweisen für Zucker vermittelt hatte; am 23. Dezember 1944 von demselben Gericht zu einer Zusatzstrafe von 112 Tagen Gefängnis, unter Anrechnung von 15 Tagen Untersuchungshaft, sowie zu Fr. 1500 Busse, in teilweiser Abänderung eines erstinstanzlichen Urteils, wegen Kaufs und Verkaufs von Bationierungsausweisen für Lebensmittel und von Mahlzeitenkarten, wobei die Widerhandlungen eine Unmenge von Ausweisen betrafen.

Eoulin ersucht um teilweisen Erlass der Gefängnisstrafe, wozu er geltend macht, er sei seinerzeit im Militärdienst schwer erkrankt, wofür er während längerer Zeit in einer Militärsanitätsanstalt gepflegt worden sei, und habe seither keine feste Anstellung mehr gefunden. Er sei mittellos.

Demgegenüber stellen wir fest,
dass der ledige Gesuchsteller im väter j liehen Geschäft tätig ist. Von einer Mittellosigkeit kann somit nicht die Rede sein. Boulin hat äusserst schwere Widerhandlungen begangen und hemmungölos Schwarzhandel getrieben. Da stichhaltige Begnadigungsgründe nicht nachgewiesen-werden und der Gesuchsteller zudem vorbestraft ist, beantragter!

wir mit dem Generalsekretariat des eidgenössischen VolkswirtschaftsdepariW : ments Abweisung. r 75. Roger Mordasini, verurteilt am 28, Dezember 1944 vom kriegswif^ schaftlichen Strafappellationsgericht zu 45 Tagen Gefängnis und Fr. 800

361 Busse (Gesamtstrafe), weil er in den Jahren 1942 und 1948 mit Rationierungsausweisen für Lebensmittel einen umfangreichen Handel getrieben hatte.

Der Verurteilte ersucht um Erlass der Gefängnisstrafe, wozu er geltend macht, er habe beim Appellationsgericht vergeblich um die Gewährung des bedingten Strafvollzuges nachgesucht. Der Vollzug der Gefängnisstrafe könnte seine heutige Arbeitsstelle gefährden.

Mordasini hat den Schwarzhandel sozusagen gewerbsmässig betrieben.

Er war zur Zeit der Verurteilung rückfällig. Heute sind wieder drei verschiedene Strafverfahren wegen Widerhandlungen gegen kriegswirtschaftliche Vorschriften gegen ihn hängig. Da der Verurteilte zudem nicht den besten Ruf zu gemessen scheint und stichhaltige Begnadigungsgründe fehlen, beantragen wir mit dem Generalsekretariat des eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartements Abweisung.

76. Georges Bheinwald, verurteilt am 28. Dezember 1944 vom kriegswirtschaftlichen Strafappellationsgericht zu 3 Monaten Gefängnis und Fr. 1000 Busse, in Bestätigung eines erstinstanzlichen Urteils, weil er Rationierungsausweise für 4000 kg Zucker erworben und veräussert hatte.

Der Verurteilte ersucht um Erlass der Freiheitsstrafe und wesentliche Ermässigung der Busse, wozu er in der Hauptsache seinen geschwächten Gesundheitszustand geltend macht,] herrührend aus einem im Jahre 1986 erlittenen Unfall, demzufolge er ganz arbeitsunfähig geworden sei, was er mittels eines Arztzeugnisses belegt. In seinen Erwägungen bezeichnet das Strafappellationsgericht Rheinwald als «gewohnheitsmässigen Schwarzhändler», der sich in keiner Weise um die kriegswirtschaftlichen Vorschriften kümmert und lediglich um seinen eigenen Vorteil besorgt ist. Tatsächlich hat der Verurteilte durch seine Machenschaften der Schiebung einer grossen Menge Zucker Vorschub geleistet und damit zu einem volkswirtschaftlich erheblichen Schaden beigetragen. Ein derart rücksichtsloses und asoziales Benehmen darf nicht ungestraft bleiben. Wir stellen mit dem kriegswirtschaftlichen Strafappellationsgericht und dem Generalsekretariat des eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartements fest, dass die geltend gemachten Unfallfolgen für die verwerfliche Tätigkeit des Verurteilten jedenfalls kein Hindernis darstellten, und beantragen aus grundsätzlichen Erwägungen Abweisung. Ein Entgegenkommen
würde in diesem Falle als ausgesprochene Schwäche aufgefasst.

Im übrigen sind wir überzeugt, dass die mit dem Strafvollzug beauftragten Amtsstellen, und namentlich die zuständigen Kantonsbehörden, den Gesundheitszustand entsprechend berücksichtigen werden. Sollte der Verurteilte nachgewiesenermassen schuldlos ausserstande sein, die Busse aufzubringen, so kann der Richter durch nachträglichen Beschluss deren Umwandlung ausschliessen, wobei der Nachweis dieser Unmöglichkeit Sache des Verurteilten selbst ist (Art. 49, Ziff. 3, des Strafgesetzbuches).

77._88. Paul Michaud, Paul Vatré, Henri Collé, Jean Hulliger, José Castillo, Maurice Christinet, Albert Golay, Romain Baeriswyl,

362 Charles Begamey, Francis Banchet, Alexandre Soutter und Jules Burli wurden am 27. Januar 1945 vom kriegswirtschaftlichen Strafappellationsgericht, in teilweiser Abänderung eines erstinstanzlichen Urteils, wie folgt verurteilt : Paul Michaud zu 15 Monaten Gefängnis und Fr. 2500 Busse; Paul Vatré zu 45 Tagen Gefängnis und Fr. 800 Busse; Henri Collé zu 4 Monaten Gefängnis und Fr. 400 Busse; Jean Hulliger zu 2 Monaten Gefängnis und Fr. 400 Busse; José Castillo zu 15 Tagen Gefängnis und Fr. 500 Busse; Maurice Christinet zu 6 Monaten Gefängnis und Fr. 500 Busse; Albert Golay zu 4 Monaten Gefängnis und Fr. 1000 Busse; Eomain Baeriswyl zu l Monat Gefängnis und Fr. 800 Busse; Charles Begamey zu 2 Monaten Gefängnis und Fr. 600 Busse; Francis Banchet zu 2 Monaten Gefängnis und Fr. 1000 Busse; Alexandre Soutter zu 3 Monaten Gefängnis und Fr. 1000 Busse; Jules Biirli zu l Monat Gefängnis und Fr. 1000 Busse.

Bei allen Verurteilten wurde Strafregistereintragung und Urteilsveröffentlichung angeordnet. Ein bei Michaud beschlagnahmter Geldbetrag von Fr. 6000 wurde eingezogen, ebenso bei Hulliger ein Posten von 43 kg Beis.

Ausserdem wurde Michaud zur Bezahlung eines Betrages von Fr, 20 000 an die Eidgenossenschaft verpflichtet, welche Summe dem vom Verurteilten unrechtmässig erzielten Vermögensvorteil entspricht (Art. 10 des Bundesrätsbeschlusses vom 15. Oktober. 1944 über das kriegswirtschaftliche Strafrecht und die kriegswirtschaftliche Straf rechtspf lege).

Vom November 1941 bis April 1943 kaufte Michaud fortwährend Bationierungsausweise für insgesamt 180 000 kg Lebensrnittel, die er zum grössten Teil an Mitverurteilte veräusserte, wobei diese verbotene Tätigkeit ihm einen Gewinn von Fr. 40 000 einbrachte. Alle andern Mitverurteiiten beteiligten sich ebenfalls an diesem außerordentlich ausgedehnten Kettenhandel mit Bationierungsausweisen, so Vatré mit rund 6500 kg; Collé mit rund 4000 kg, wobei er auch rund 400 kg Käse widerrechtlich verkaufte ; Hulliger mit, 1000 kg Speiseöl, 1000 kg Speisefett, 500 kg Teigwaren, 300 kg Zucker, 200 kg Butter usw.; Castillo mit 500 kg Teigwaren und 450 kg Sptdseöl; Christinet mit 42000 kg der erwähnten Waren; Golay mit über 8000 kg Lebensmittel und 2000 l Milch, wobei er einen Gewinn von Fr. 2000 erzielte ; Baeriswyl mit 3700 kg (Gewinn rund Fr. 1000); Begamey mit 6000 bis
8000 kg; Banchet mit rund 9000 kg Lebensmittel und 3000 l Milch, wozu er noch andere Geschäfte ähnlicher Art vermittelte ; Soutter mit rund 16 000 kg, die er zum einen Teil selber einlöste, zum andern weiterverkaufte, und Burli mit 3000 kg Lebensrnittel und 3000 l Müch.

Für die Verurteilten -- ausgenommen Castillo, der seine Eingabe selbst einreichte -- ersuchen deren Verteidiger um gänzlichen oder doch teilweisen Erlass der Freiheitsstrafen. Alle machen geltend, dass die Vorinstanzen den bedingten Strafvollzug gewährt hatten. Auf Bekurs des Generalsekretariates

363

des eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartements hin sei diese Eechtswohltat von der Appellationsinstanz verweigert worden. Die Gesuchsteller kritisieren ausnahmslos die Stellungnahme des kriegswirtschaftlichen Strafappellationsgerichtes, die sie als juristisch unhaltbar und mit der Eechtsprechung des Kassationshofes des Bundesgerichtes unvereinbar erklären. Die Verteidiger von Hulliger, Eegamey und Christinet, Baeriswyl, Soutter und Burli führen ferner aus, dass der Strafvollzug für die Verurteilten und ihre Familien schwere Folgen nach sich ziehen könnte. Für Va tré und Collé wird um Verzicht auf die Urteilspublikation nachgesucht, für Vatré ausserdem um Erlass der Massnahme der Eintragung in die Strafregister.

Wir verweisen der Kürze halber auf die ausführlichen Erwägungen im oberinstanzlichen Urteil und betonen, dass das kriegswirtschaftliche Strafappellationsgericht die Frage des bedingten Strafvollzuges für jeden einzelnen Angeklagten sorgfältig geprüft hat. Die Weigerung, diese Eechtswohltat zu gewähren, erfolgte bei weitem nicht einzig aus generalpräventiven Gründen.

Das Gericht gelangte vielmehr überall zur Überzeugung, dass der Charakter und Bum Teil das Vorleben der Angeklagten, sowie auch die Umstände der Tat die Möglichkeit eines Bückfalles nicht mit genügender Sicherheit ausschlössen. Es darf hier nicht übersehen werden, dass die Strafsache Michaud und Mitverurteilte eine der schwerwiegendsten Angelegenheiten darstellte, die das kriegswirtschaftliche Strafappellationsgericht je zu beurteilen hatte.

Die Grosse des volkswirtschaftlichen Schadens fällt bei diesen besonderen Delikten ebenfalls in Betracht. Obgleich das Strafgesetz nicht ziffermässig abstuft, ist es doch nicht gleichgültig, ob der Schwarzhandel einen grösseren oder kleineren Umfang angenommen hat, der Wert der derart gehandelten Ware in die Zehntausende geht oder lediglich einige hundert Franken beträgt. Auch dieser Umstand, ist bei der Strafzumessung massgebend. Der Eichter kann dabei übrigens auch den Gesichtspunkt der Generalprävention nicht ausser acht lassen, ebensowenig wie das allgemeine Eechtsschutzinteresse, das in diesem besonderen Gebiet der straf rechtlichen Verfolgung der kriegswirtschaftlichen Übertretungen zweifellos in hohem Masse vorhanden ist. Die Erfahrung hat übrigens mit Deutlichkeit gelehrt, dass
in solchen Fällen zu milde Strafen leicht zum Eückfall verleiten können.

Im übrigen sei in bezug auf die einzelnen Gesuchsteller folgendes festgestellt : Michaud war das Haupt einer ausgesprochenen Schieberbande, die keine Eücksicht kannte, sich nur um die eigenen Vorteile umsah, das allgemeine Interesse in den Hintergrund stellte und systematisch darauf hinzielte, auf Kosten der Landesversorgung möglichst grosse Gewinne zu erzielen. Michaud hatte sich den Schwarzhandel zur Haupttätigkeit gemacht. Seine Machenschaften wiederholte er regelmässig während mehr als anderthalb Jahren. -- Bei Vatré handelt es sich ebenfalls um einen typischen Schwarzhändler, der kaltblütig und planmässig auf Gewinn ausging. --· Collé weist mehrere Vorstrafen auf; sem Leumund ist getrübt. -- Hulhger war zur Zeit der Verurteilung

364

kriegswirtschaftlich schon vorbestraft und somit rückfällig. -- Auch Castillo, der dem Mitverurteilten Hulliger den Betrag von Fr. 2300 zum Ankauf von Kationierungsausweisen zur Verfügung stellte, handelte in der Absicht, einen ansehnlichen Gewinn zu erreichen. Auch bei ïhm lagen die Interessen der Allgemeinheit und die Sorge um die Ernährungslage seiner Mitbürger weit im Hintergrund. --· Christinet ist nach Michaud der Meistbelastete. Gegenüber diesem Verurteilten wurden alle etwa vorhandenen mildernden Umstände vom Gericht schon weitgehend berücksichtigt, das in der Einstellung des Gesuchstellers ein Hindernis zur Gewährung des bedingten Strafvollzuges erblickte. -- Auch Golay war einer von denen, die den Schwarzhandel als eine momentane Haupteinnahmequelle betrachteten. -- Die Baeris-wyl zur Last gelegten Verfehlungen betrafen ebenfalls erhebliche Mengen Lebensmittel, BaeriBwyl hat sich irn Laufe des Untersuclnings- und des Strafverfahrens als äusserst renitent gezeigt. -- Eegamey und Banchet haben sich schwer vergangen; jener ist zudem vorbestraft. ·-- Soutter hat nicht nur mit.Bationierungsausweisen in grossem Maßstab Handel getrieben. Er hat in seiner Molkerei auch 1500 kg Käse widerrechtlich an seine Kundschaft abgegeben. -- Burli hat die in grosser Zahl rechtswidrig erworbenen Kationierungsausweise gegen die entsprechenden Waren umgetauscht und diese vorschriftswidrig abgegeben. Auch seine Tätigkeit kann als ausgesprochener Schwarzhandel qualifiziert werden.

Stichhaltige Begnadigungsgründe werden nirgends nachgewiesen. Sämtliche Eingaben laufen inhaltlich auf eine materielle Urteilskritik hinaus, die im Begnadigungsweg nicht gehört werden kann. Gestützt auf diese Ausführungen beantragen wir mit dem Generalsekretariat des eidgenössischen Volkswirtschaftsdeparternents auf der ganzen Linie Abweisung. -- Veröffentlichung des Urteils (Art. 61 StGB) und Strafregistereintragung (Art. 62) sind Massnahmen und können als solche von der Bundesversammlung nicht erlassen werden.

89. Eobert Mühlheim, verurteilt am 27. Januar 1945 vom kriegswirtschaftlichen Strafappellationsgericht in Abänderung eines erstinstanzlichen Urteils zu 3 Monaten. Gefängnis und Fr. 8000 Busse.

Mühlheim hat in der Zeitspanne zwischen August 1942 und Mai 1943 von Henri Nicolas (vgl. hiernach Antrag 90) Bationierungsausweise
für je 10 Tonnen Zucker, Butter und Speisefett sowie mehrere hundert Kilogramm Käse, Beis und Teigwaren gegen Entgelt bezogen. Er löste die betreffenden Ausweise gegen die entsprechende Ware ein, die er dann in seinem eigenen Betrieb verbrauchte, Für den Verurteilten ersucht dessen Anwalt um Begnadigung hinsichtlich der Freiheitsstrafe. Er führt aus, dass er gestützt auf medizinische Gutachten beim Generalsekretariat des eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartements ein Gesuch um Strafaufschub eingereicht habe, welches jedoch abgewiesen worden sei. Mühlheim, der an geistigen Störungen leide, sei nicht straferstehungsfähig, weshalb sich ein Straferlass aufdränge.

365 Wir verweisen auf die Urteilserwägungen, woraus hervorgeht, dass Mühlheini die Landesversorgung, mit Lebensrnitteln in besonders krasser und schamloser Weise gefährdet hat. Ob er nun straferstehungsfähig ist oder nicht, ist unseres Erachtens eine Frage des Strafvollzuges, die in den Zuständigkeitsbereich der in Betracht kommenden eidgenössischen und kantonalen Aratsstellen fällt. Der Gesuchsteller ist nicht unzurechnungsfähig. Er geht seinen Geschäften nach. Medizinisch betrachtet scheint sein Fall mehr psychischer Art zu sein (vgl, Gutachten). Wir vertreten die Ansicht, dass der Entscheid darüber, ob er wirklich straferstehungsunfähig ist, den zuständigen Vollzugsorganen überlassen werden soll. Mit dem Generalsekretariat des eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartements, auf dessen Ausführungen wir besonders verweisen, (vgl. auch act. 22), beantragen wir in diesem Sinne Abweisung.

90. Henri Nicolas, verurteilt am 15. Dezember 1944 vom kriegswirtschaftlichen Strafappellationsgericht in Abänderung eines erstinstanzlichen Urteils zu 2 Jahren Gefängnis und Fr. 2000 Busse. Ferner wurden UrteilsPublikation und Strafregistereintragung verfügt. Nicolas wurde ebenfalls zur Bezahlung eines Betrages von Fr. 26 000 an den Staat verpflichtet (Art. 10 des Bundesratsbeschlusses vom 17. Oktober 1944 über das kriegswirtschaftliche Straf recht und die kriegswirtschaftliche Strafrechtspf lege).

In der Zeit vom November 1940 bis Mai 1943 hatte sich der Schwager des Verurteilten in seiner Eigenschaft als Leiter einer kantonalen Eationierungsstelle eine bedeutende Menge Bationierungsausweise widerrechtlich angeeignet, die er in der Folge zum grösseren Teil Nicolas verkaufte. Dieser kaufte auf diese Weise Bationierungsausweise für insgesamt 862 000 kg Lebensmittel, die er zu einem guten Teil weiter veräusserte, wobei er einen Beingewinn von Fr, 118 100 erzielte. Hievon konnte ein Betrag von Fr. 92 000 beschlagnahmt und später gerichtlich eingezogen werden.

Nicolas hatte seinen Schwager zu diesen Veruntreuungen angestiftet.

Er wurde deshalb vom Kriminalgericht des Kantons Aargau am 28. November 1943 wegen fortgesetzter Hehlerei und Anstiftung zur fortgesetzten Veruntreuung zu anderthalb Jahren Zuchthaus und Fr. 10 000 Busse verurteilt.

Nicolas wurde am 14. November 1944 nach vollständiger Verbüssung der
Zuchthausstrafe aus der Strafanstalt Lenzburg entlassen. Um eine bedingte Entlassung nach zwei Dritteln der Strafe bemühte er sich seinerzeit nicht, in der Meinung, die kriegswirtschaftlichen Strafgerichte würden ihn zu einer Zusatzstrafe verurteilen und die bedingte Entlassung würde später auf Grund der Gesamtstrafe berechnet. Dem war aber nicht so, denn das kriegswirtschaftliche Strafappellationsgericht verurteilte ihn zu einer selbständigen Gefängnisstrafe, deren Vollzug am 17. August 1945 begann.

Der Verurteilte ersucht um Begnadigung hinsichtlich der Gefängnisstrafe und der Busse, wozu er geltend macht, er sei infolge dieser doppelten Verurteilung zu hart getroffen worden.

Bundesblau.

97. Jahrg. Bd. II.

26

366 Das Generalsekretariat des eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartements macht in seinem Mitbericht vom 7, November 1945 darauf aufmerksam, dass der Straffall Nicolas zu den schwerwiegendsten Schwarzhandelsaffären gehört.

Angesichts der Skrupellosigkeit und der ausgesprochenen Gewinnsucht, mit denen der Verurteilte zu Werke ging, lasse sich eine Milderung des Urteils nicht befürworten. Auch die Kontinuität der Deliktsverübung spreche nicht zugunsten des Gesuchstellers. Als äusserstes Entgegenkommen könnte diese Amtsstelle daher den Erlass von höchstens 6 Monaten zulassen, was sie im Sinne eines Eventualantrages ausdrückt.

In Würdigung aller mit dieser Angelegenheit zusammenhängenden Umstände möchten wir vor allem die Tatsache berücksichtigen, dass Nicolas die ihm vom Kriminalgericht des Kantons Aargau auferlegte Zuchthausstrafe ganz verbüsste und zu einem Zeitpunkt entlassen wurde, als das kriegswirtschaftliche Strafverfahren noch nicht beendet war. Der Umstand, dass er wegen desselben Tatbestandes nach einer Unterbrechung von mehreren Monaten nochmals den Weg in die Strafanstalt antreten musste, war für ihn gewiss nicht leicht. Mit Eücksicht darauf, dass der Verurteilte wegen des nämlichen Tatbestandes bereits eine anderthalbjährige, entehrende Strafe und auch schon einen namhaften Teil der kriegswirtschaftlich ausgesprochenen Gefängnisstrafe verbüsste, beantragen wir, ihn am 81. Dezember 1945 aus der Strafhaft zu entlassen und den Best der Strafe bedingt zu erlassen, unter Auferlegung einer Bewährungsfrist von drei Jahren und mit der besonderen Bedingung, dass er während der Probezeit kein vorsätzliches Vergehen verübe und sich nicht neuerdings Widerhandlungen gegen kriegswirtschaftliche Vorschrifteil zuschulden kommen lasse. -- In bezug auf die Busse beantragen wir hingegen Abweisung. Der Verurteilte wird in der Freiheit Gelegenheit haben, seinen Sühnewillen weiter zu bekunden und die Busse in regelrnässigen Baten aufzubringen. Sollte er dies wider Erwarten nicht tun können, so kann der Bichter die Umwandlung der Busse in Haft immer noch ausschliessen, falls der Verurteilte schuldlos ausserstande wäre, seiner Pflicht nachzukommen.

91. Heinrich Dubach, 1903, Kaufmann, Windisch (Aargau), 92. Alfred Eigenheer, 1901, Kaufmann, Zürich.

(Landesversorgung mit flüssigen Kraft- und Brennstoffen und Mineralölen; Schutz der regulären Marktversorgung.)

91. und 92. Heinrich Dubach und Alfred Eigenheer wurden am 25. Mai 1945 vom kriegswirtschaftlichen Strafappellationsgericht in Anwendung des Bundesratsbeschlusses vom 21. Februar 1941 über die Landesversorgung mit flüssigen Kraft- und Brennstoffen und Mineralölen, sowie des Bundesratsbeschlusses vom 1. September 1939 betreffend die Kosten der Lebenshaltung und den Schutz der regulären Marktversorgung, Dubach zu 8 Monaten Ge-

367 fängnis und Fr. 500 Busse, Eigenheer zu 2 Monaten Gefängnis und Fr. 250 Busse verurteilt, in Abänderung von erstinstanzlichen Urteilen.

Eigenheer bezog unter mehreren Malen von Dubach erhebliche Mengen Spindel- und Leinöl, die er dann im Kettenhandel weiter veräusserte. Dubaeh hatte dieses Öl seinem Arbeitgeber entwendet. Er wurde deshalb vom aargauischen Kriminalgericht wegen Diebstahls mit einem Jahr Gefängnis unter Gewährung des bedingten Strafvollzuges verurteilt.

Für die Verurteilten ersuchen deren Anwälte um Begnadigung. Zugunsten von Dubach wird ausgeführt, dieser habe infolge dieses Vorfalles seine Arbeits^.

stelle verloren und müsse sich nun eine neue Existenz schaffen, wodurch er doch hart genug bestraft sei. Eine Begnadigung dränge sich um so mehr auf, als der Strafvollzug die kürzlich erhaltene Anstellung wieder aufs Spiel setze. -- Für Eigenheer wird berichtet, dass dieser sich aus Not vergangen und auf keinen Fall aus Gewinnsucht gehandelt habe.

Wir verweisen auf die oberinstanzlichen Urteilserwägungen und stellen fest, dass das Gericht alle etwa vorhandenen Milderungsgründe schon berücksichtigte. Ein weiteres Entgegenkommen scheint um so weniger am Platze, als die Gesuchsteller nicht gerade den besten Euf zu gemessen scheinen. Wir beantragen daher mit dem Generalsekretariat des eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartements Abweisung.

93. Emile Sottas, 1905, Buchhalter, Zürich, 94. Henri Freymond, 1914, Kaufmann, Yverdon (Waadt), 95. Oskar Bühler, 1907, Fabrikarbeiter, Azenwilen (Thurgau).

(Versorgung von Volk und Heer mit technischen Bohstoffen usw.)

Gemäss Bundesratsbeschluss vom 25. Juni 1940 über die Sicherstellung der Versorgung von Volk und Heer mit technischen Bohstoffen., Halb- und Fertigfabrikaten sowie zudienlichen Ausfuhrungsvorschriften sind verurteilt worden : 93. Emile Sottas, verurteilt am 2. November 1943 von der 8. strafrechtlichen Kommission des eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartements zu Fr. 500 Busse, weil er im Januar 1942 zweimal versucht hatte, als Zwischen. händler Diamantenverkäufe zu tätigen.

Sottas ersucht um Begnadigung, wozu er geltend macht, er habe trotz Zahlungserleichterungen seine Busse nicht begleichen können, ohne dadurch seine Familie schwerstens zu schädigen. Mit einem bescheidenen Monatslohn müsse er eine fünfköpfige Familie erhalten. Zudem sei er lange Zeit ohne Verdienst gewesen. Ausserdem kommt der Gesuchsteller auf den beurteilten Tatbestand zurück und erwähnt, die Diamantenaffäre sei nie eindeutig abgeklärt worden.

368

Einem Polizeibericht entnehmen wir, dass der Gesuchsteller in geordneten, wenn auch bescheidenen Verhältnissen lebt.

Sottas hat bis heute Fr, 100 an Busse und Kosten bezahlt. Angesichts der Tatsache, dass er nicht vorbestraft und nicht in der Lage ist, den ganzen Bussenbetrag aufzubringen, beantragen wir mit dem Generalsekretariat des eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartements Herabsetzung der Busse bis zu Fr. 250.

94. Henri Freymond, verurteilt wie folgt: am S.Juli 1943 von der 10. strafrechtlichen Kommission des eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartements zu Fr. 800 Busse, weil er ca. 50 000 kg Gasholz geliefert hatte, ohne im Besitz der Fabrikations- und Verkaufsbewilligung zu sein; am 5. Juli 1944 von der 10. strafrechtlichen Kommission des eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartements zu Fr. 250 Busse, weil er grössere Mengen Benzin und 4 gebrauchte Gummireifen ohne Berechtigung erworben hatte.

Freymond ersucht um Begnadigung, wozu er geltend macht, er befinde sich in einer Notlage und könne die Busse auf keinen Fall bezahlen. Im übrigen kommt er auf den beurteilten Tatbestand zurück und beteuert seine Unschuld ; er habe in Unkenntnis der bestehenden Vorschriften gehandelt.

Das Generalsekretariat des eidgenössischen Volkawirtschaftsdepartements kann sich mit einer Begnadigung nicht einverstanden erklären. Es ist nicht Sache der Begnadigungsbehörde, die rechtlichen Grundlagen einer bereits beurteilten Strafsache zu überprüfen. Im vorliegenden Falle kann eine Herabsetzung der Busse empfohlen werden, da sich die wirtschaftliche Lage des Gesuchstellers seit der Verurteilung wesentlich verschlechtert hat. Erst in diesem Jahre konnte er sich finanziell wieder etwas emporarbeiten. Mit einem bescheidenen Einkommen muss er eine vierköpfige Familie erhalten.

; Unter Hinweis auf den zuhanden der Begnadigungsbehörde verfassten Polizeibericht beantragen wir die teilweise Begnadigung im Wege der Herabsetzung der Gesamtbusse von Fr. 1050 bis zu Fr. 500.

95. Oskar Bühler, verurteilt am 12. Juli 1944 von der 5. strafrechtlichen Kommission des eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartements zu 2 Monaten Gefängnis, abzüglich 17 Tage Untersuchungshaft, und zu Fr. 1000 Busse, weil er im Jahre 1942 eine grosse Menge Textilrationierungsausweise, die er bei seinem Arbeitgeber entwendet hatte, in den Handel
brachte und dabei einen widerrechtlichen Gewinn von rund Fr. 1000 erzielte.

Bühler ersucht um bedingten Erlass der Freiheitsstrafe, wozu er seine heutige Notlage schildert und ausführt, er müsse mit einem bescheidenen Lohn für eine siebenköpfige Familie aufkommen. Er selbst habe in den letzten Jahren durch Arbeitslosigkeit und Krankheit schon genug gelitten. Er wolle sich bemühen, die Busse aufzubringen.

Das Generalsekretariat des eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartements spricht sich hinsichtlich der Freiheitsstrafe für Abweisung aus, empfiehlt aber die Ermässigung der Busse um die Hälfte.

369 Unter Hinweis auf den Polizeibericht vom 16. April 1945, der von den in der Familie Bühler herrschenden Verhältnissen ein genügendes Bild verschafft, beantragen wir aus Kommiserationsgründen den bedingten Erlass der Freiheitsstrafe, unter Auferlegung einer Probezeit von- 8 Jahren und mit der besonderen Bedingung, dass Bühler während der Probezeit kein vorsätzliches Vergehen verübe und sich nicht neuerdings Widerhandlungen gegen kriegswirtschaftliche Vorschriften zuschulden kommen lasse. Da ferner anzunehmen ist, dass Bühler sich mit der Bezahlung der ganzen Busse offenbar zu viel zumutet und die Entrichtung dieses Betrages höchstens zum Nachteil der übrigen Familienglieder, namentlich der Kinder, erfolgen müsste, beantragen wir des weitern Herabsetzung der Busse bis zu Fr. 100.

Genehmigen Sie, Herr Präsident, hochgeehrte Herren, die Versicherung unserer vollkommenen Hochachtung.

Bern, den 12. November 1945.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der V i z e p r ä s i d e n t :

Hobelt.

ai??

Der Bundeskanzler:

Leimgruber.

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

II. Bericht des Bundesrates an die Bundesversammlung über Begnadigungsgesuche.

(Dezembersession 1945.) (Vom 12. November 1945.)

In

Bundesblatt

Dans

Feuille fédérale

In

Foglio federale

Jahr

1945

Année Anno Band

2

Volume Volume Heft

24

Cahier Numero Geschäftsnummer

4875

Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

22.11.1945

Date Data Seite

349-369

Page Pagina Ref. No

10 035 413

Das Dokument wurde durch das Schweizerische Bundesarchiv digitalisiert.

Le document a été digitalisé par les. Archives Fédérales Suisses.

Il documento è stato digitalizzato dell'Archivio federale svizzero.