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Bundesblatt

97. Jahrgang.

Bern, den 21. Juni 1945.

Band I.

Erscheint in der Segel alle 14 Tage. Preis SO franken im Jahr, 10 Franken im Salbjahr, zuzüglich Nachnahme- und Postbestellungsgebühr Einrückungsgebühr; 60 Rappen die Petitzeile oder deren Baum. -- Inserate franko an Stämpfli & Cie, in Bern,

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Botschaft des

Bundesrates an die Bundesversammlung über die Gewährleistung der abgeänderten Artikel 25, lit. c, 33, lit. d, 70, Abs. 2, 73 und 74 der Staatsverfassung des Kantons Aargau.

(Vom 13. Juni 1945.)

Herr Präsident!

Hochgeehrte Herren!

In der Volksabstimmung vom 27. Mai 1945 haben die Stimmberechtigten des Kantons Aargau fünf vom Grossen Eat am 5. Februar 1945 beschlossene Änderungen der Staatsverfassung angenommen. Es handelt sich durchwegs um Bestimmungen über die Erhebung von Steuern. Diese Verfassungsrevision steht mit dem in der nämlichen Volksabstimmung angenommenen Gesetz über die ordentlichen Staats- und Gemeindesteuern, ebenfalls vom 5. Februar 1945, in unmittelbarem Zusammenhang. Mit Schreiben vom 80. Mai sucht der Begierungsrat des Kantons Aargau für die neuen Verfassungsartikel die eidgenössische Gewährleistung im Sinne des Art. 6 der Bundesverfassung nach.

Die bisherigen und die neuen Bestimmungen lauten wie folgt: Bisheriger Text:

Neuer Text:

Art. 25.

Der Genehmigung des Volkes sind folgende Erlasse des Grossen Bates zu unterstellen:

Art. 25.

(unverändert)

c. Beschlüsse, die für ein Verwaltungsjahr den Bezug von mehr als einer halben direkten Staatssteuer anordnen, wobei jeweilen vom Grossen Bäte die Verwendung dieses Mehrbedarfes genau zu bezeichnen und zu begründen ist.

Bundesblatt.

97. Jahrg. Bd. I.

c. Wird aufgehoben,

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746 Bisheriger Text:

Neuer Text:

Art. 88.

Dem Grosaen Eate werden nachstehende Pflichten und Befugnisse übertragen:

Art. 33.

Dem Grossen Rat werden nachstehende Pflichten und Befugnisse übertragen:

d. Die Bewilligung einer direkten halben Staatssteuer, sowie die Bestimmung der Verwendung derselben und aller andern Staatseinkünfte.

Drei Vierteile des Ertrages der halben Staatssteuer sind jedoch vorab als Beiträge an das Schul- und Arménwesòn der Gemeinden und ein Vierteil ist für volkswirtschaftliche Zwecke zu verwenden.

d. Die Pestsetzung der direkten Staatssteuern im Eahmen des Gesetzes sowie die Bestimmung über die Verwendung ihrer Erträgnisse.

Art. 70, Abs. 2.

Den Synoden steht das Eecht zu, von ihren Kirchgemeinden und den sich zu ihrer Landeskirche bekennenden freien Genossenschaften gleichmassig Beiträge für die allgemeinen Bedürfnisse ihrer Landeskirche zu beziehen. Diese Beiträge dürfen den Betrag eines Zwanzigstels einer ganzen einfachen Kirchgemeindesteuer im Jahr nicht übersteigen.

Art. 70, Abs. 2, Den Synoden steht das Eecht zu, von ihren Kirchgemeinden und den sich zu ihrer Landeskirche bekennenden freien Genossenschaften gleichmassige Beiträge für die allgemeinen Bedürfnisse ihrer Landeskirche zu beziehen. Diese Beiträge dürfen den fünfundzwanzigsten Teil der KirchenSteuereinheit pro Jahr nicht übersteigen.

Art. 78.

Der direkten Besteuerung ist alles Vermögen, sowie jedes Einkommen und jeder Erwerb unterworfen.

Das Kapitalvermögen, die Liegenschaften, die Fahrhabe und das gewerbliche oder berufliche Einkommen sollen in der Steueranlage in billigem Masse unterschieden werden.

Zwischen dem Verkehrs- und Eeinertragswerte der Grundstücke soll ein ausgleichendes und billiges Schatzungsverhältnis hergestellt werden.

Das Gesetz bestimmt, inwieweit die Steuer von kleinern Beträgen des

Art. 73.

Der direkten Besteuerung unterliegt alles Einkommen und Vermögen nach Massgabe des Gesetzes.

Bei der Bemessung der Steueransätze soll der Leistungsfähigkeit der Steuerpflichtigen in angemessener Weise Eechnung getragen werden. Dabei sind Einkommen und Vermögen nach dem Grundsatz der Progression zu belasten.

Dem Kloster Fahr kann der Grosse Eat einen angemessenen Beitrag an die Ausgaben des Staates für

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Bisheriger Text:

Neuer Text:

Erwerbes und Einkommens zu ermässigen ist.

Erwerbsunfähige Personen, sowie Witwen und Waisen sind bei der Steueranlage entsprechend zu berücksichtigen.

Vermögen und Erwerb sind nach dem Grundsatze der Progression zu versteuern.

Es sind billige Bestimmungen aufzustellen, inwieweit Handwerksund Berufsgeräte sowie die notwendige Fahrhabe von Steuern zu befreien sind.

Dem Kloster Fahr kann der Grosse Bat einen angemessenen Beitrag an die Ausgaben des Staates für Schul- und Armenzwecke auferlegen.

Das Gesetz wird die geeigneten Vorkehren und verschärfte StrafbeStimmungen gegen Steuerverschlagnisse festsetzen.

das Schul- und Armenwesen auferlegen.

Art. 74.

Die Steuererleichterungen und die Steuerzuschläge (Progression) werden durch ein Gesetz geregelt.

Art. 74.

Wird aufgehoben.

Die Staatsverfassung des Kantons Aargau regelt die Erhebung von Steuern in den Art, 25, lit. c, 88, lit. d, und 72 bis 77. Von den im Jahre 1885 aufgenommenen Steuerbestimmungen sind bereits durch eine Bevision vom Jahre 1925 einzelne entfernt worden, indem man der Ansicht war, dass sie nicht in ein Grundgesetz gehörten, so die Vorschriften über die steuerfreien Abzüge, die Bemessung der Progression und andere Einzelheiten; ihre Ordnung ist seitdem Sache des Gesetzes. In der jetzt mit der Annahme des Steuergesetzes vom 5. Februar 1945 durchgeführten Totalrevision der kantonalen Steuergesetzgebung wurden auch die übrigen steuerrechtlichen Verfassungsgrundsätze überprüft; dabei ist die Regelung verschiedener weiterer Fragen in die Gesetzgebung verwiesen worden. Diese Verfassungsänderung umfasst folgende Neuerungen: Die Staatsverfassung räumte bisher dem Grossen Bat lediglich die Befugnis zur Erhebung einer halben Staatssteuer ein. Der Art. 25, lit. c, bestimmte, dass Beschlüsse, die für ein Verwaltungsjahr den Bezug von mehr als

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einer halben direkten Staatssteuer anordnen, der Genehmigung des Volkes zu unterstellen sind. Dementsprechend statuierte der bisherige Art. 38, lit. d, ausdrücklich die Kompetenz des Grossen Eates zur Bewilligung einer direkten halben Staatssteuer sowie zur Bestimmung der Verwendung derselben. Aber hinsichtlich dieser Verwendung des Steuerertrages waren dem Grossen Bat Beschränkungen auferlegt (Art. 83, ht. d, Abs. 2). Letztere dienten dem Zweck, den Bürger vor einer zu starken fiskalischen Beanspruchung durch Beschlüsse des Grossen Eates zu schützen. Aber sie aollen sich nach der Auffassung des Begierungsrates von Anfang an als unzureichend erwiesen haben. Denn sie stellten auf die Erträgnisse einer «halben Staatssteuer» ab, umschrieben aber die für die Berechnung der Staatssteuer massgebhchen Steueransätze nirgends.

Damals galt das Gesetz vom 11. März 1865 über den Bezug von Vermögensund Erwerbssteuern zu Staatszwecken, an das man bei der Aufstellung jener Verfassungsbestimmung offenbar gedacht hatte. Durch die Abänderung dieses Gesetzes konnte also der Ertrag der halben Staatssteuer ohne Verfassungsänderung beliebig gesteigert werden, womit auch für die in der Verfassung beschränkte Finanzkompetenz des Grossen Rates eine Erweiterung offenstand.

Dass die Kompetenz des Grossen Eates zum Beschluss von Staatssteuern nicht in der Verfassung verankert werden muss, sondern der einfachen Gesetzgebung überlassen werden kann, ist durch die inzwischen durchgeführte Neuordnung der Finanzierung von Bedürfnissen des Schul- und Armenwesens dargetan worden. Der Grosse Eat erhielt durch § 22 des Gesetzes vom 10. November 1919 über die Leistungen des Staates für das Volksschulwesen die Kompetenz zum Beschluss von eineinhalb Steuern und durch g 58 des Gesetzes vom 18. März 1936 über die Armenfürsorge die Befugnis zum Bezug einer weitern halben Staatssteuer, ohne dass eine entsprechende Bestimmung in die Verfassung aufgenommen worden wäre. Der Bezug höherer oder anderer Steuern muss wiederum, auch ohne dass dies in der Verfassung ausdrücklich gesagt ist, durch die Volksabstimmung beschlossen werden; denn solche Leistungen können den Bürgern nur auf dem Wege eines Gesetzes auferlegt werden, es wäre denn, die Verfassung ermächtige den Grossen Eat ausdrücklich -- wie dies mit dem bisherigen Art. 88, lit. d, der Fall
war ---, bestimmte Steuern zu erheben. Auch wenn in der Verfassung die Kompetenz des Grossen Eates zur Erhebung von Steuern nicht begrenzt wird, so kann er doch die Steuern nicht ohne Zustimmung des Volkes erhöhen. Die bisherige Bestimmung des Art. 25, lit. c, der Staatsverfassung war somit überflüssig und konnte gestrichen werden, um so mehr, als nun auch die bisher in Art. 33, lit. d, enthaltene Befugnis, in beschränktem Eahmen Steuern zu bewilligen, aufgehoben wird. Sie steht auch nicht mehr im Einklang mit dem im neuen Steuergesetz enthaltenen System, das von einer ordentlichen Staatssteuer ausgeht, die die bisherigen 2% Steuereinheiten zusammenfasst.

Die Eevision des Art. 33, lit. d, der Staatsverfassung drängte sich auf, nachdem die in Abs. 2 dieser Bestimmung vorgesehene Beschränkung in der

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Verwendung der Erträgnisse der Staatssteuer durch die Entwicklung der Gesetzgebung längst überholt war.

Die neue Fassung des Art. 70 hat die bisher ungenügende Finanzkompetenz der kirchlichen Synoden in zeitgemässer Weise erweitert. Während nach früherem Eecht die Synoden von ihren Kirchgemeinden und den sich zu ihrer Landeskirche bekennenden freien Genossenschaften gleichmässig Beiträge bis zu einem Zwanzigstel «einer ganzen einfachen Kirchensteuer im Jahr» beziehen durften, ist dieses Maximum jetzt festgesetzt auf «den fünfundzwanzigsten Teil der Kirchensteuereinheit pro Jahr».

Art. 73 ist wesentlich vereinfacht worden. Die Einzelheiten über die Bewertung der verschiedenen Vermögensfaktoren (bisher Abs. 2 und 8), über die Steuererleichterungen (bisher Abs. 4--7) und die Massnahmen gegen die Steuerhinterziehung (bisher Abs. 9) durften ohne Nachteil der Eegelung im Gesetz überlassen werden. Eine Ausnahme wurde für den programmatischen Grundsatz gemacht, dass bei der Festsetzung der Steuern die Leistungsfähigkeit der Steuerpflichtigen zu berücksichtigen und der Grundsatz der progressiven Besteuerung anzuwenden ist ; dies kommt im neuen Wortlaut umfassender zum Ausdruck. Damit wurde dargetan, welche Bichtlinien bei der Ausgestaltung der Steuergesetze massgeblich sein sollen ; ihre Ausführung ist dem Gesetz überlassen.

Der bisherige Art. 74 wurde gestrichen, weil er seinerzeit lediglich im Hinblick auf den Erlass des Gesetzes vom 18. Februar 1925 betreffend Steuererleichterungen und Steuerzuschläge in die Verfassung aufgenommen worden war, wo er den ursprünglichen Art. 74 ersetzte, der ausführlichere Grundsätze über die Höhe des steuerfreien Erwerbs und der Progression aufgestellt hatte.

Mit dem Erlass eines neuen Steuergesetzes, in dem Bestimmungen über Steuererleichterungen und Steuerzuschläge enthalten sind, wurde auch der revidierte Art. 74 überflüssig.

Bei all diesen Verfassungsbestimmungen handelt es sich um die Abänderung von Grundregeln für den Erlass von Steuervorschriften. Die ersten beiden betreffen die Frage der 'Zuständigkeit ; zwei weitere enthalten Vorschriften für die Veranlagung der Steuern und für die Bemessung ihrer Höhe; die Streichung von Art: 74 endlich ergibt sich aus dem neuen Art. 78.

Die Erhebung direkter Steuern ist nach einem bisher anerkannten (wenn auch ungeschriebenen)
Grundsatz im allgemeinen den Kantonen überlassen.

Aber auch soweit der Bund in Ausnahmezeiten zur Einführung direkter Steuern geschritten ist, sei es durch dringlichen Bundesbeschluss, sei es auf Grund der ausserordentlichen Vollmachten des Bundesrates, ist eine Besteuerung der gleichen Objekte durch die Kantone nicht ausgeschlossen. Steuervorschriften des Bundes schränken die kantonale Steuerhoheit nur insoweit ein, als den Kantonen durch die Bundesverfassung oder durch ein Bundesgesetz die gleichzeitige Belastung verwehrt wird, wie hinsichtlich der Stempelabgaben auf Urkunden, für die der Bund die Abgabepflicht oder die Abgabefreiheit festsetzt (Art. 41Ws BV und Art. 2 des BG über die Stempelabgaben), oder auf dem

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Gebiete des Zolles, den die B V (Art. 28) als Sache des Bundes bezeichnet (vgl.

Blumenstein, Schweizerisches Steuerrecht S. 130,125 Abs. l, 66/67 und Anm. 8, ferner System des Steuerrechts S. 28/24 und S. 48 Ziff. II). Ein solches dem Bund vorbehaltenes Gebiet der Besteuerung berühren aber die vorhegenden ·neuen Bestimmungen der Verfassung des Kantons Aargau nicht.

Wir beantragen Ihnen deshalb, den neuen Verfassungsartikeln durch Annahme des nachstehenden Beschlussesentwurfes in Anwendung von Art. 6 der Bundesverfassung die Gewährleistung des Bundes zu erteilen.

Genehmigen Sie, Herr Präsident, hochgeehrte Herren, die Versicherung unserer vollkommenen Hochachtung.

Bern, den 18. Juni 1945.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der V i z e p r ä s i d e n t :

Kobelt.

Der Bundeskanzler: Leimgruber.

751 (Entwurf.)

Bundesbeschluss über

die Gewährleistung der abgeänderten Artikel 25, lit. c, 33 lit. d, 70, Absatz 2, 73 und 74 der Staatsverfassung des Kantons Aargau.

Die Bundesversammlung der schweizerischen Eidgenossenschaft, in Anwendung von Art. 6 der Bundesverfassung, nach Einsicht einer Botschaft des Bundesrates vom 13. Juni 1945, in Erwägung, dass diese Verfassungsänderungen nichts den Vorschriften der Bundesverfassung Zuwiderlaufendes enthalten, beschliesst:

Art. 1.

Den in der Volksabstimmung vom 27. Mai 1945 angenommenen Abänderungen der Artikel 25, lit. c, 33, lit. d, 70, Absatz 2, 73 und 74 der Staatsverfassung des Kantons Aargau wird die Gewährleistung des Bundes erteilt.

Art. 2.

Der Bundesrat wird mit der Vollziehung dieses Beschlusses beauftragt 6831

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Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung über die Gewährleistung der abgeänderten Artikel 25, lit. c, 33, lit. d, 70, Abs. 2, 73 und 74 der Staatsverfassung des Kantons Aargau. (Vom 13. Juni 1945.)

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1945

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13

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4778

Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

21.06.1945

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745-751

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