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Bundesblatt

97. Jahrgang.

Bern, den 13, September 1945.

Band II.

Erscheint in der Kegel alle 14 Tage Preis 20 Franken, im Jahr, 10 Franken im HaltJahr, zuzüglich Nachnahme- und Postbestellungsgebühr Einrückungsgebühr: 60 Kappen die Petitzeile oder deren Raum. -- Inserate franko an Stämpfli & de, in Bern.

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Botschaft des

Bundesrates an die Bundesversammlung über die Errichtung neuer schweizerischer Gesandtschaften im Ausland.

(Vom 7. September 1945.)

Herr Präsident!

Hochgeehrte Herren!

Der zweite Weltkrieg und die ihm unmittelbar vorausgegangenen Jahre haben auf die diplomatischen Vertretungen der Schweiz im Ausland einschneidende Auswirkungen gehabt. Im Züge der politischen und besonders der militärischen Ereignisse sah sich, gleich wie die Mehrzahl der andern Staaten, auch unser Land sukzessive genötigt, die schweizerischen Gesandtschaften in einer Reihe europäischer Hauptstädte (Wien, Prag, Warschau, Paris, Brüssel, Den Haag, Belgrad, Athen) zu schliessen. Die Wahrnehmung örtlicher schweizerischer Interessen durfte in der Kegel nur provisorischen Organen konsularischen Charakters anvertraut werden. Seit der Besiegung Deutschlands gilt dasselbe für .unsere bisherige Gesandtschaft in Berlin. Die eidgenössischen Bäte erhielten von diesen Änderungen, denen der Bundesrat durchwegs nur provisorischen Charakter beimass, jeweils durch den Geschäftsbericht Kenntnis. Es verstand sich von selbst, dass mit der Stabilisierung der politischen Verhältnisse in Europa der Bundesrat sich anschicken werde, die unter dem Zwange der Ereignisse geschlossenen Vertretungen wieder zu eröffnen. Dies ist für Paris, Athen, Belgrad und Prag durch Ernennung neuer bevollmächtigter Gesandter bereits geschehen, während im Haag .und in Brüssel die früheren Gesandten, die bei den entsprechenden Exilregierungen beglaubigt geblieben waren, auf ihre Posten zurückgekehrt sind. Andere Wiedereröffnungen und Ernennungen werden vorbereitet. Mit Ausnahme von Deutschland, wo die Ernennung eines schweizerischen Gesandten.von der zeitlich unbestimmten Wiederzulassung einer zentralen deutschen Regierungsgewalt durch die Alliierten abhängen wird, dürften somit die Lücken in unserem Bundesblatt. 97. Jahrg. Bd. II.

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diplomatischen Außendienst, die zumeist eine direkte Kriegsfolge waren, demnächst wieder geschlossen sein.

Eine indirekte Auswirkung des Krieges war der weitgehende Stillstand im organischen Ausbau des Systems der Auslandsvertretungen. In den Jahren vor 1989 waren Vorarbeiten im Gange, die auf die Errichtung von Gesandtschaften, in verschiedenen, namentlich aussereuropäischen Staaten hinzielten, in denen die Schweiz diplomatisch nicht oder nicht genügend vertreten WELT.

Der Ausbruch der Feindseligkeiten und:die allgemeine Störung der zwischenstaatlichen Verhältnisse, die Erschwerung des Aussenhandels durch Blockade und Gegenblockade sowie schliesslich unsere zunehmende Abschnürung drängten diese Projekte in den Hintergrund. Die dringlichsten Aufgaben auf auswärtigem Gebiet waren der Schutz der schweizerischen Belange in den vom Kriege in Mitleidenschaft gezogenen Gebieten sowie der Aufbau "einer weitverzweigten zusätzlichen Organisation für die fremde Interessenwahrung. Um als neutrales Land zu keinen Missdeutungen Anlass zu geben, machte es sich der Bundesrat zum Grundsatz, in der Aus- oder Umgestaltung des schweizerischen diplomatischen Apparates vorübergehend grosse Zurückhaltung zu beobachten.

Heute ist es an der Zeit, aus dieser Reserve herauszutreten. Es gilt, den veränderten Verhältnissen in der Welt Bechnung zu tragen, abgerissene Fäden wieder anzuknüpfen und neue Aussenposten zu beziehen. Diese Erkenntnis hat sich auch in weiten Kreisen der Öffentlichkeit durchgesetzt. In Politik und Wirtschaft, in der Presse aller Eichtungen wird der Ausbau unserer Vertretungen im Ausland gefordert. Die Situation ist ähnlich wie zu Ausgang des letzten Krieges, als der Nationalrat einstimmig ein Postulat annahm, das den Bundesrat einlud, die Zahl der schweizerischen diplomatischen und wirtschaftlichen Posten im Ausland zu vermehren und «die Kredite für die Gesandtschaften und ihr Personal zu erhöhen». Der Bundesrat kam diesem Wunsche damals nach, indem er den Bäten mit Bericht vom 11. Dezember 1919 für die Errichtung sechs neuer Gesandtschaften (Athen, Belgrad, .Brüssel, Prag, Stockholm, Warschau) Antrag stellte und zugleich eine umfassende Beform des Konsularwesens einleitete.

In der vergangenen Junisession der eidgenössischen Kammern forderte im Namen der nationalrätlichen Geschäftsprüfungskommission
deren Präsident den Ausbau der diplomatischen Vertretung. Er bemerkte, dass sich die Tendenz früherer Jahre, aus Sparrücksichten vom Ausbau und der Vermehrung diplomatischer Posten abzustehen, eher zuungunsten des Landes ausgewirkt habe.

Die Geschäftsprüfungskommission sei überzeugt, dass das Parlament heute bereit wäre, die nötigen Kredite für die Verbesserung des diplomatischen Dienstes zu gewähren. Neben der Schaffung neuer Gesandtschaften befürwortete die Kommission die Einschränkung des Systems, einen Gesandten gleichzeitig bei mehreren Begierungen zu beglaubigen. Es wurde begrüsst, dass sich der Bundesrat jüngst entschlossen hatte, die bisher von Bukarest abhängige schweizerische Gesandtschaft in Athen zu verselbständigen. Ein gleicher

Schritt wurde für die Gesandtschaften in Ägypten, Norwegen und Dänemark angeregt. Schliesslich zog die Kommission, unter Hinweis auf die durch den Krieg veränderten Verhältnisse, die Errichtung diplomatischer Vertretungen in den britischen Dominions Kanada, Australien und der Südafrikanischen Union sowie in China, in Mexiko und in einzelnen südamerikanischen Staaten in Erwägung.

Der Vorsteher des Politischen Departements antwortete, dass sich die Auffassungen der Geschäftsprüfungskommission genau mit den Absichten des Bundesrates deckten. Dieser habe bereits gewisse Grundsätze aufgestellt, die in den nächsten Monaten zur Verwirklichung gelangen sollten. Es ist der Zweck dieser Botschaft, die eidgenössischen Räte über diese Absichten des Bundesrates zu unterrichten und ihre Ermächtigung zu den geplanten Massnahmen einzuholen.

Der Krieg hat in der ganzen Welt politische, soziale und wirtschaftliche Umwälzungen gebracht. Auf .politischem. Gebiete scheinen die Verhältnisse noch zu wenig abgeklärt, als dass daraus schon Schlüsse für die Schweiz gezogen werden könnten. Dagegen lassen sich auf wirtschaftlichem und handelspolitischem Gebiete bereits gewisse Entwicklungstendenzen erkennen. Sie sind es, die bei der Frage des Ausbaues unserer Aussenvertretungen massgebend ins Gewicht fallen.

Die Erkenntnis von der Lebensnotwendigkeit des Aussenhandels für die Schweiz ist heute Allgemeingut. «Hier sind die primären Eegenerationskräfte zu suchen, die den ganzen wirtschaftlichen Organismus des Landes zu beleben vermögen. Hier hegt die Schlüsselstellung aller schweizerischen Arbeitsbeschaffungspolitik.» Diese Sätze, die dem Zwischenbericht des Delegierten für Arbeitsbeschaffung entnommen sind, rücken das Problem ins richtige Licht.

Vom Export hängen für die Schweiz Arbeit, Brot und soziales Gedeihen ab.

In der hinter uns liegenden Ära waren es vorab die freie Initiative und die Anstrengungen unserer Wirtschaftskreise, die sich die Märkte in den verschiedenen Ländern erschlossen und schweizerische Arbeit und Qualität in der Welt zu Ansehen brachten. Der Bund konnte sich darauf beschränken, den Exporteuren fördernd und unterstützend zur Seite zu stehen. Alle Anzeichen sprechen dafür, dass sich dies in Zukunft ändern wird. Zwar wird der Privatinitiative auch in der kommenden Zeit noch ein Spielraum belassen sein.
Sie wird aber ohne zielbewusste staatliche Wirtschafts- und Handelspolitik kaum mehr zum Erfolg führen. Es hiesse sich den Tatsachen verschliessen, wenn man dies in Abrede stellen wollte.

Abgesehen von der UdSSE, die kraft ihrer Verfassung den Aussenhandel auf die Grundlage des Staatsmonopols gestellt hat, sind unter dem Drucke des Krieges sowohl in den Vereinigten Staaten als auch in England Vorkehren getroffen und Organisationen geschaffen worden, die dem Staate auf dem Gebiete des zwischenstaatlichen Güteraustausches das erste Wort einräumen.

Es sei an die zahlreichen offiziellen Vorschläge, Pläne und Vereinharungen für die Nachkriegswirtschaft erinnert, sowie an die unifassende Ausweitung des Leih- und Pachtsystems. Zusammengenommen bilden diese Massnahmen ein eigentliches Wert-Wirtschaftssystem, dessen hervorragende Kennzeichen sind: mächtige, über die politischen Grenzen der Staaten hinaus zuständige Lenkungsorgane; Koordination und Abstimmung der einzelnen National- und Kolonialwirtschaften auf eine einheitliche Produktions-, Verteilungs-, Preis-, Währangsund Devisenpolitik; weltweite Preisüberwachung; weltweite Organisation der Rohstoff- und Agrarwirtschaft einschliesslich der Vorratshaltung; Ausrichtung der Wirtschaft auf den Bedarf; Rangordnung der verschiedenen Wirtschaftszweige; Zurückstellung gegensätzlicher Privat- und Gruppeninteressen.

Wenn dieses «Weltwirtschaftssystem» auch weitgehend kriegs- und nachkriegsbedingt ist, so wird es doch bleibende Umstellungen für den gesamten Welthandel zur Folge haben.

Diesen Umstellungen in der Struktur der künftigen Welthandelsbeziehungen, deren ganze Tragweite noch nicht abzusehen ist, gilt es Rechnung zu tragen. Vom schweizerischen Unternehmer · und Exporteur verlangen sie, dass er seine Mentalität auf die neue Situation einstelle. Darüber hinaus hat der Staat ·-- und namentlich ein vom Exporte lebender Kleinstaat -- die Pflicht, seine organisatorischen Massnahmen rechtzeitig darnach einzurichten.

Unter den zu treffenden äussern Vorkehren 'steht die Errichtung neuer diplomatischer Vertretungen im Vordergrund. Dass daneben eine bewegliche Anpassung des bestehenden diplomatischen Apparates einhergehen muss, bedarf keiner weitern Erläuterung.

Neben den dargelegten Strukturwandlungen im internationalen Handelsverkehr bestehen zwingende konjunkturmässige Gründe für die Weitorführung des Ausbaues unserer Auslandsvertretungen. Insbesondere ist eine wesentliche Verschiebung .der Absatzverhältnisse eingetreten. Bestimmte Länder fallen, für den schweizerischen Export auf längere Zeit aus. Mindestens wird die Ausfuhr dorthin sehr stark eingeschränkt sein. Zum Teil handelt es sich dabei um Länder, mit denen wir Handelsbeziehungen unterhielten, die weit zurückreichen und unsere Wirtschaft entscheidend beeinflussten. Dies gilt vor allem für Deutschland. Für das auf diese Weise frei gewordene
Exportvolumen müssen neue Absatzgebiete erschlossen werden. Eine solche Umlagerung be.gegnet heute Schwierigkeiten, denen nur gestützt auf zwischenstaatliche Abmachungen wirksam zu begegnen ist. Insbesondere macht sich gegenwärtig die Neigung der Grossmächte geltend, im Handel mit bestimmten Gebieten ein massgebendes Wort zu sprechen. Man denke.an die wirtschaftlichen Anstrengungen der Vereinigten Staaten in Südamerika und China, an die verschärfte Ottawa-Politik im Eahmen des britischen Weltreiches, an die Einbeziehung des europäischen Ostens in den Wirtschaftsbereich der UdSSR.

Wenn man anderseits auch gerne geneigt ist, den in Amerika und anderswo laut gewordenen Stimmen zugunsten einer wirtschaftlichen Zusammenarbeit der Völker Glauben zu schenken, so ist jedenfalls zu erkennen, dass sich gerade

diese Zusammenarbeit vermehrt auf die offiziellen Vertretungen der Länder ·wird stützen müssen.

· Im übrigen zeigt die schweizerische Aussenhandelsstatistik gewisse erfreuliche Anzeichen, dass sich eine Umstellung bereits angebahnt hat. Es gibt eine Eeihe von Ländern, mit denen die Schweiz ihre Aussenhandelsheziehungen selbst während des Krieges ausbauen konnte. In Übersee sind es Argentinien, Brasilien und Kuba, in Europa gewisse Balkanstaaton (Ungarn, Eumänien, Türkei) sowie Spanien, Portugal und Schweden. Was in diesen Ländern möglich war, sollte unter Mithilfe zweckmässig besetzter und ausgebauter Auslandsvertretungen auch in andern Staaten erreicht werden können.

Dabei rnuss man sich allerdings die verschärfte Konkurrenz vor Augen halten, der unsere Anstrengungen in allen Ländern begegnen werden. Es gilt um so mehr, rasch und entschlossen zu handeln.

Wenn heute bei der Errichtimg neuer. Gesandtschaften den wirtschaftspolitischen Erwägungen grosses Gewicht zukommt, so dürfen anderseits Überlegungen völkerrechtlicher Natur und des zwischenstaatlichen Einvernehmens nicht ausser acht gelassen werden. Zu allen Staaten, in denen die Errichtung einer diplomatischen Vertretung beabsichtigt ist, bestehen alte, freundschaftliche Bande. Mehrere dieser Länder unterhalten in der Schweiz seit längerer Zeit selbständige Gesandtschaften-- abgesehen von den Dominions, die durch die britische Gesandtschaft vertreten sind. Es ist ihnen gegenüber ein Akt der Höflichkeit, wenn die Schweiz ihrerseits Gegenrecht hält. Darüber hinaus gehört es immer mehr zur Aufgabe unserer diplomatischen Vertretungen, auch die Beziehungen geistiger Art /u pflegen und zur gegenseitigen kulturellen Bereicherung beizutragen. Auch hier erwarten weite Kreise des Schweizervolkes, dass die Behörden des Bundes das Nötige vorkehren, um unser Land im gleichen Schritte mit der übrigen Welt zu halten.

L Dänemark und Norwegen.

Mit Bundesbeschluss vom 26. Juni 1920 ermächtigten die eidgenössischen Bäte den Bundesrat, in Stockhohn eine diplomatische Vertretung zu errichten und ihre Leitung einem Gesandten zu übertragen. Wie dem Parlament angekündigt worden war, beglaubigte der Bundesrat den Gesandten in Schweden gleichzeitig in Dänemark und in Norwegen, wobei er aber in den Hauptstädten Kopenhagen und Oslo die bestehenden konsularischen Vertretungen beibehielt *). Dieser vereinfachten Lösung lagen in erster Linie budgetäre Motive zugrunde. Daneben ging man, wie es im bundesrätlichen Bericht an die Bundesversammlung · vom 11. Dezember 1919 hiess, von der Betrachtungsweise aus, *) Es handelte sich um reine Honorarkonsulate, die 1921 in Honorar-Generalkonsulate umgewandelt wurden; in Oslo wurde die Leitung des Generalkonsulats seit dem Jahre 1984 einem Berufsverweser mit Vizekonsulrang anvertraut; Kopenhagen ist heute noch ehrenamtlich geleitet, wobei die Handelsangelegenheiten seit mehreren Jahren vorab in den Händen eines Berufsvizekonsuls liegen.

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dass die nordischen Staaten «vom geographischen, ethnischen und bis zu einem gewissen Grade auch vom .historischen Standpunkte ein einheitliches Ganzes bilden». In der Begierungsform und in sozialer Beziehung hätten sie zahlreiche Ähnlichkeiten, und ihre politischen wie wirtschaftlichen Interessen seien, was die Schweiz betreffe, kaum verschieden. Unter diesen Umständen liesse es sich rechtfertigen, «die Vertretung der Schweiz im Norden in Stockholm zu zentralisieren als der Hauptstadt des bedeutendsten und auch von allen dreien am längsten in Bern vertretenen Landes».

Für die beiden Jahrzehnte nach dem ersten Weltkrieg mochte eine solche Beurteilung den tatsächlichen Verhältnissen mehr oder weniger entsprechen.

Die Entwicklung in den skandinavischen Ländern zeigte einen gewissen Parallelismus. Innenpolitisch standen sie alle im Zeichen einer fortschrittlichen Sozialpolitik. Nach aussen befolgten sie die traditionelle Linie : Betonung des Kleinstaatlichen, Festigung des Oslo-Blocks, Bekundung des Willens zu einer gemeinsamen Neutralität. Am wenigsten gleichförmig war ihre handelspolitische Grundlage. Für die Schweiz zeigten sie auf dem Gebiete des Exportes und namentlich auf dem des Importes waren- und mengenmässig ungleiche Aspekte, Doch oblag die Bearbeitung praktischer Wirtschaftsfragen, soweit eine amtliche Beihilfe nötig war, in Dänemark und Norwegen eher unsern Konsulaten. Was den schweizerischen Gesandten in Stockholm anbelangt, kam er, wie in solchen Fällen üblich, seiner dreifachen Aufgabe nach, indem, er sich alljährlich für einige Zeit nach Kopenhagen und nach Oslo begab, um den dortigen Begierungen seine Aufwartung zu machen und wichtigere Angelegenheiten persönlich zu behandeln.

Der deutsche Angriff auf Norwegen und der Einmarsch in Dänemark haben die. Verhältnisse von Grund auf geändert, Schweden konnte seine Neutralität wahren. Norwegen wurde zu einem kriegsmässig besetzten Land, dessen Regierung im Exil weilte, während in Kopenhagen eine dänische Eegierung trotz der fremden Okkupation im Amte blieb. Unser Gesandter in Stockholm sah sich in der Unmöglichkeit, mit der norwegischen Begierung in London ode7^mT"a"êm"norwegïsc]ièn. "Territorium die Verbindungen aufrecht zu erhalten. In Dänemark beschränkte sich seine Tätigkeit auf einige kurze Besuche, wobei er aber kaum in der Lage war,
in Fragen des schweizerischen oder des fremden Interessenschutzes selber wirksam einzugreifen. In empfindlicher Weise erwiesen sich im Falle von Skandinavien die Unzukömmlichkeiten, die das System einer mehrfachen Gesandtschaft in politisch bewegten Zeiten haben kann.

Am Ausgang des Krieges zeigt der skandinavische Norden ein stark verändertes Gesicht. Nach den jüngsten Erklärungen nordischer, namentlich norwegischer Staatsmänner, ist die alte Politik des Oslo-Blockes überholt und mit ihr der Gedanke einer gemeinsamen Neutralität. Als kämpfendes Mitglied der Vereinten Nationen dürfte Norwegen heute im Westen mit England und Amerika, im Osten mit der Sowjetunion enger verbunden sein als mit einem Block kleiner oder mittlerer Staaten. Für Dänemark zeichnen

sich, ähnliche Tendenzen ab, während nicht gesagt werden kann, ob sich Schweden ebenso eindeutig auf diese Linie begeben wird. In Norwegen und Dänemark scheint die Politik weitgehend durch die Kreise der Widerstandsbewegungen bestimmt zu werden, in Schweden von einem Block der sozia/üstischen Mitte.

/ Besonders verschieden ist die Entwicklung auf wirtschaftlichem Gebiet.

/ Während Schweden -- neben der Schweiz noch ein Land mit weitgehend freiem Zahlungsverkehr -- kraft seiner intakt gebliebenen Wirtschaft für uns als Lieferant industrieller Bohprodukte und Halbfabrikate sowie als Abnehmer unserer Exportgüter von unveränderter Bedeutung bleibt, zeigen Dänemark und Norwegen warenmässig und geldmässig andere Aspekte.

Mit Dänemark konnten auch während der Zeit seiner Besetzung regelmassige Handelsabkommen getroffen werden, Es ist heute in der Lage, uns Lebensmittel, Sämereien und Fischprodukte zu liefern, die wir dringend benötigen. Trotz eines gebundenen Zahlungsverkehrs und der zur Zeit erheblichen Transportschwierigkeiten hat der Güteraustausch mit diesem Lande zugenommen und verspricht, da Dänemark wirtschaftlich im Aufschwung begriffen ist, gesteigerte Umsätze für die Zukunft. Kopenhagen spielt zudem als wirtschaftliches Verteilungszentrum für den Norden eine grosse Eolle.

Eine selbständige schweizerische Gesandtschaft wird uns dort wertvolle Dienste leisten. Erst kürzlich hat der dänische Aussenminister in einer Erklärung zu verstehen gegeben, dass man einen solchen Entschluss der Schweiz sehr begrüssen würde, zumal Dänemark in Bern seit Jahrzehnten diplomatisch vertreten ist.

Norwegen war für die Schweiz ein wichtiger Lieferant von Fischen und Fischprodukten, von Nickel sowie von Aluminium (im Umarbeitungsverkehr).

In den fünf Jahren deutscher Besetzung hat es wirtschaftlich stark gelitten.

Es ist heute arm an Waren und Devisen, die es als Gegenleistung für schweizerische Exportprodukte aufbringen könnte. Dennoch besteht auf schweizerischer wie auf norwegischer Seite der rege Wunsch, die gegenseitigen Handelsbeziehungen wieder aufzunehmen und auszubauen. Einer Gesandtschaft der Schweiz in Oslo werden sich hier Aufgaben stellen, die von denen in Schweden und Dänemark abweichen. Doch wird Norwegen neben seinen wirtschaftlich unversehrteren Nachbarn auf die Länge nicht zurückbleiben. An
diesem Aufbau mitzuwirken, ist eine vornehme Aufgabe für unser Land, hat sich doch, neben andern Staaten, gerade Norwegen durch seinen jahrelangen heroischen Freiheitskampf bei uns lebhafte Sympathien erworben. Diese Tatsache fand einen Niederschlag in der zu Beginn dieses Jahres in Bern erfolgten Gründüng einer schweizerisch-norwegischen Gesellschaft, der namhafte Persönlichkeiten aus unserem kulturellen, politischen und Wirtschaftsleben angehören. Die Schaffung einer selbständigen Gesandtschaft in Oslo wird dieses Freundschaftsverhältnis weiter fördern. Norwegen selber ist in der Schweiz schon seit dem Jahre 1919 diplomatisch vertreten, seit 1940 durch einen in Bern residierenden Gesandten.

8 Da die eidgenössischen Bäte der Beglaubigung eines schweizerischen Gesandten in Dänemark und in Norwegen schon im Jahre 1920 ihre grundsätzliche Zustimmung erteilt hatten, bedarf der Ausbau unserer dortigen Vertretungen keines formellen Bundesbeschlusses mehr. Der Bundesrat wollte den Anlass dieser Botschaft aber benützen, um das Parlament auch von seiner \ Absicht in bczug auf diese beiden Länder in Kenntnis zu setzen.

II.

Süd- nnd Mittelamerika.

Eines der wichtigsten Postulate, das namentlich, von den schweizerischen Wirtschaftskreisen mit Nachdruck erhoben wird, verlangt den Ausbau der offiziellen Vertretungen in Mittel- und Südamerika.

Die älteste Gesandtschaft der Schweiz auf dem südamerikanischen Kontinent ist die in, Buenos Aires, errichtet im Jahre 1891; ihr Minister wurde gleichzeitig in den andern La Plata-Staaten (Uruguay und Paraguay) akkreditiert. Als zweiter diplomatischer Stützpunkt kam im Jahre 1907 Bio de Janeiro hinzu, wo das seit vielen Jahren bestehende Generalkonsulat in eine Gesandtschaft umgewandelt wurde. Bei diesem Zustand blieb es -- wenn man von der Akkreditierung des Gesandten in Buenos Aires bei der chilenischen Bepublik im Jahre 1918 und des Gesandten in Washington bei der Begierung von Kuba im Jahre 1919 absieht --· bis in die dreissiger Jahre.

Auf Betreiben der schweizerischen Exportkreise wurde kurz vor Ausbruch des zweiten Weltkrieges eine weitere Etappe eingeleitet : die Umwandlung des schweizerischen Generalkonsulats in Caracas (Venezuela) in eine Gesandtschaft unter Leitung eines Geschäftsträgers durch Bundesbeschluss vom 22. Juni 1939 und, in sinngemasser Anwendung desselben Beschlusses, eine analoge Massnahme in Bogota (Kolumbien) im Juni 1940. Mitte 1941 wurde der Geschäftsträger in Caracas, vorab aus kriegswirtschaftlichen Gründen, auch bei der Begierung von Panama beglaubigt. Schliesslich ist .Ende 1944 die von einem Geschäftsträger geführte Gesandtschaft in Santiago de Chile von Buenos Aires abgetrennt worden.

Ein Blick auf den Stand unserer Vertretungen auf diesem Kontinent zeigt, dass noch einige grosse Lücken bestehen. Dies gilt besonders für Zentralamerika, wo unser Land, abgesehen von der Beglaubigung des Gesandten in Washington bei der kubanischen und des Geschäftsträgers in Caracas bei der panamaischen Begierung, diplomatisch überhaupt nicht vertreten ist.

Die Tatsache, dass die Schweiz in einem Staate von der Bedeutung Mexikos keine Gesandtschaft besitzt, wirkt heute geradezu erstaunlich. Eine andere Lücke besteht im Westen des südamerikanischen Kontinents bei Peru, Bolivien und Ecuador. Schliesslich drängt sich eine Neuordnung unserer Vertretung in Uruguay auf.

Die süd- und mittelamerikanischen Staaten bieten für den schweizerischen Aussenhandel vielversprechende Möglichkeiten. Der natürliche Beichtum

dieser Länder an Eohstoffen und Agrarprodukten prädestiniert sie gleichsam zum Handel mit der Schweiz, die ihnen im Austausch ihre arbeitsintensiven Erzeugnisse (Maschinen,- Werkzeuge, Uhren, Textilien, Papier, Schokolade u&stf.) liefern kann. Zwar werden die schweizerischen Exporteure auch auf den süd- und mittelamerikanischen Märkten einer starken Konkurrenz be/gegnen. Diese verfügt über Mittel, denen die Schweiz kaum etwas Ebenbürtiges entgegenzusetzen hat. Um so notwendiger ist es, unserer Wirtschaft hier die zielbewusste Unterstützung durch diplomatische Vertretungen zu leihen, die sich aktiv und erfolgreich des Verhältnisses von Staat zu Staat annehmen können. Auch mannigfache kulturelle Beziehungen gilt es mit den lateinamerikanischen Ländern zu pflegen. Sie haben in der Schweiz durch die ini Jahre 1928 gegründete « Schweizerische Gesellschaft der Freunde Spaniens, Portugals und Lateinamerikas» eine Bereicherung und Vertiefung erfahren.

Ausser diesen sachlichen Erwägungen spielen für den lateinamerikanischen Baum die Fragen der Form eine prädominierende Bolle. Die süd- und mittelamerikanischen Staaten halten sich im allgemeinen streng an den völkerrechtlichen Grundsatz, wonach die Konsuln nicht befähigt sind, den Absendestaat offiziell zu vertreten. Dies hat zur Folge, dass sich unsere Konsuln, ungeachtet ihrer Anstrengungen und des Vertrauens, das sie im Empfangsstaate gemessen, den diplomatischen Vertretern anderer Staaten gegenüber in einem Zustande der Unterlegenheit befinden. Die Zurücksetzung äussert sich nicht nur in Dingen des Zeremoniells, sondern namentlich auch im materiellen AVixkungsbereich. Es ist für den Konsul oder Generalkonsul schwierig, mit den Mitgliedern des diplomatischen Korps ständige Fühlung aufrecht zu erhaltenund es entgeht ihm daher manche Gelegenheit, sich fortlaufend über Angelegen, heiten zu unterrichten, die für die Erfüllung seiner Aufgaben wichtig sind, îsiuausnahmsweise hat er zu den Ministerien der Begierung Zutritt. Dies zeigt, wie notwendig es ist, in diesen Ländern nicht nur konsularisch, sondern diplomatisch vertreten zu sein.

1. Vereinigte Staaten von Mexiko.

In diesem grössten mittelamerikanischen Staate, mit einer Einwohnerzahl von 21 Millionen, besitzt die Schweiz noch keine Gesandtschaft. Dies ist um so auffallender, als die Beziehungen, die
namentlich durch schweizerische Auswanderer angeknüpft wurden, teils weit zurückreichen. Schon seit dem Jahre 1827 besteht in der Stadt Mexiko ein schweizerisches Honorarkonsulat, das 1849 in den Eang eines Generalkonsulats erhoben wurde*). Mexiko *) Seit 1942 liegt die Leitung des früher ehrenamtlich geleiteten Postens in den Händen eines Berufskonsuls.

Im Jahre 1920 wurde auch in Guadalajara ein schweizerisches Honorarkonsulat geschaffen. Ein 1922 eröffnetes Honorarkonsulat in Tampico wurde 1939 geschlossen, nachdem schon zwei Jahre zuvor das Generalkonsulat in Mexiko die Führung der Geschäfte übernommen hatte.

10 unterhält in der Schweiz gegenwärtig Konsulate in Bern, Basel und Genf.

Das Fehlen gegenseitiger diplomatischer Vertretungen wird seit vielen Jahren als Mangel empfunden. Die Bedeutung der Wirtschaftsbeziehungen hätte die Errichtung schon lange gerechtfertigt. Dies erhellt aus der Tatsache^ dass Mexiko unter den süd- und mittelamerikanischen Staaten in unserer \ Exportstatistik den dritten Platz, nach Argentinien und Brasilien, Hinnimmt,, Die Zahl der dortigen Schweizerbürger beträgt nach den letzten Angaben 650 Seelen.

Die Ausfuhr nach Mexiko hat sich, namentlich in jüngster Zeit, sehr günstig entwickelt. Betrug sie im Jahre 1919 nur 0,6 Millionen Franken, so s'tieg sie bis 1929 auf 7,8 Millionen. Die Vorkriegsjahre brachten einen geringen Eückschlag (1936: 6,4 Millionen; 1938: 7,3 Millionen), die letzten Jahre eine erneute Steigerung, 1948 belief sich die Ausfuhr auf 9,8 und 1944 auf 10,8 Millionen. Das laufende Jahr verspricht alles Bisherige weit zu übertreffen, indem bereits in den ersten sieben Monaten ein Export in der Höhe von 15,7 Millionen erreicht werden konnte, was gegenüber dem Vorjahre einer Verdreifachung entspricht. Wenn die Einfuhr aus Mexiko mit dieser Entwicklung nicht Schritt gehalten hat -- 1943 und 1945 konnten keine und im laufenden Jahr erst für 0,1 Millionen Importe getätigt werden -- so ist dies einzig auf kriegsbedingte Faktoren zurückzuführen.

Anfangs Februar dieses Jahres kam aus Amerika die Nachricht, dass der mexikanische Staatspräsident eine aus hervorragenden Finanz- und Wirtschaftsfachleuten zusammengestellte Delegation ernannt habe, die sich nach Europa begeben werde, um die Handelsbeziehungen Mexikos mit mehreren europäischen Ländern zu verbessern. Mit grosser Befriedigung vernahm man in der Schweiz, dass die Wirtschaftsmission auch unser Land zu besuchen gedenke. Sie traf Ende Mai in Bern ein und nahm mit dem Politischen Departement und dem Volkswirtschaftsdepartement Fühlung. Ferner trat sie mit unsern wichtigsten Industrieunternehmungen und mit Bankkreisen in Verbindung. Im Verlaufe der Besprechungen mit den Vertretern des Bundesrates kam beidseitig der Wunsch zum Ausdruck, die guten Beziehungen zwischen den beiden Ländern durch die Entsendung diplomatischer Vertreter zu bekräftigen und auszubauen. Seiner Gepflogenheit folgend, für die Gründung neuer
Gesandtschaften die Genehmigung der eidgenössischen Eäte einzuholen, hat der Bundesrat die endgültige Stellungnahme vorbehalten. Er glaubt aber die Erwartung aussprechen zu dürfen, dass sich das Parlament seinen Erwägungen anschliessen und der Errichtung einer schweizerischen Gesandtschaft in Mexiko zustimmen werde.

Gleichzeitig ersucht der Bundesrat die eidgenössischen Eäte um die Ermächtigung, den Gesandten in Mexiko für den Fall, dass die künftige Entwicklung es wünschenswert erscheinen lassen sollte, auch in dieser oder jener der kleineren Eepubliken Mittelamerikas zu beglaubigen.

11 2. Peru, Bolivien und Ecuador.

Auch in diesen drei Staaten besitzt die Schweiz nur konsularische Vertretungen. Seit 1884 besteht ein Konsulat in Lima (Peru) *), seit 1911 eines in La Paz (Bolivien) **) und seit 1918 ein solches in Guayaquil (Ecuador) ***). Nach allen drei Ländern konnte in den letzten Jahren die Ausfuhr erheblich gesteigert werden. Wie bei Mexiko, übertreffen auch hier die in den ersten sieben Monaten von 1945 erzielten Exporte die Ziffern aller früheren Jahre. Die Entwicklung wird durch die nachstehenden Jahresergebnisse veranschaulicht: Ausfuhr in Millionen Franken nach: Peru

Bolivien

Ecuador

1929 8,1 0,8 0,6 1936 1,9 0,6 0,3 1938 2,8 1,0 0,9 1943 5,5 1,3 0,6 1944 3,8 1,8 0,6 194S (Januar--Juli) . .

5,4 1,8 0,7 Die gewonnenen Ausfuhrpositionen lassen sich zweifellos weiter ausbauen.

Auch ist zu erwarten, dass die Einfuhr aus diesen Ländern, die infolge der Kriegsereignisse -- weit mehr als die Ausfuhr -- gehemmt war, in Zukunft wesentlich vermehrt werden könne. Bei Peru und Ecuador zeigt die Handelsstatistik bereits Ansätze nach dieser Eichtung. Die Importe haben, verglichen mit den Vorkriegsziffern, schon in den ersten sieben Monaten 1945 eine gewisse Hohe erreicht (Peru: 0,9 Millionen; Ecuador: 0,8 Millionen). Das Fehlen jeglicher Einfuhr aus Bolivien --· in den zurückliegenden Jahren konnte einzig 1938 eine bescheidene Importquote vermerkt werden -- ist der geographischen Lage des Landes zuzuschreiben, das in Ermangelung eines Zugangs zum Meere seine reichen Bodenschätze bisher nicht voll auszuwerten vermochte.

Angesichts der bedeutenden Stellung, die Peru in unserem Überseehandel einnimmt, mag es verwundern, dass sich die Frage der Errichtung einer Gesandtschaft nicht schon früher stellte, zumal Peru in der Schweiz schon etliche Zeit einen ausserordenthchen Gesandten und bevollmächtigten Minister beglaubigt hat. Dieser Zustand konnte sich deshalb so lange halten, weil in Lima seit 1942 ein schweizerischer Honorar-Generalkonsul amtet, der wegen seiner Verdienste um die peruanische Wirtschaft das uneingeschränkte Vertrauen der dortigen Behörden besitzt.

Der Bundesrat hält dafür, dass der Zeitpunkt gekommen sei, um durch die Errichtung einer diplomatischen Vertretung in Peru den geschaffenen Positionen einen dauernden Hückhalt zu geben. Dank der geographischen Lage Limas dürfte es möglich sein, dass unser Gesandter von dort aus auch die *) Seit 1931 Generalkonsulat, **) Seit 1935 Generalkonsulat.

***) 1988 wurde auch in der Hauptstadt Quito ein Vizeltonsul ernannt.

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schweizerischen Interessen in dem. nördlich angrenzenden Ecuador und dem benachbarten Bolivien wahrnimmt. Deshalb beantragt der Bundesrat den eidgenössischen Eäten, in Lima eine Gesandtschaft, zu errichten und den zu ernennenden Gesandten gleichzeitig bei den Eegierungen von Bolivien und Ecuador zu beglaubigen.

3. Chile und Uruguay.

Zu diesen beiden südamerikanischen Staaten bestehen konkrete diplomatische Beziehungen bereits seit Jahren. Wie oben angedeutet, wurde der schweizerische Gesandte in Buenos Aires 1891 auch in Uruguay und 1918 bei der Republik Chile akkreditiert. Doch traten in der letzten Zeit die Nachteile einer mehrfachen Gesandtschaft hier immer offenkundiger zutage. Der Bundesrat sah sich deshalb veranlagst, eine Änderung der Vertretungsverhältnisse ins Auge zu fassen. Für Chile, dessen Hauptstadt von Buenos Aires durch Tausende von Kilometern und das Gebirge der Anden getrennt ist, wurde sie bereits angebahnt, wogegen bei Uruguay eine Neuregelung erst geplant ist.

Die von Jahr zu Jahr zunehmende Beanspruchung unserer Gesandtschaft in Buenos Aires erschwerte es dem Postenchef immer mehr, den diplomatischen Beziehungen zu den andern Staaten, in denen er ebenfalls beglaubigt war, die Aufmerksamkeit zu schenken, die diese Länder zweifellos für sich in Anspruch nehmen durften. Jedenfalls konnte von den sporadischen Besuchen in Santiago und Montevideo eine fruchtbare Förderung des Verhältnisses auf die Dauer nicht erwartet werden. Sowohl Chile als auch Uruguay weisen in ihrem Handel mit der Schweiz ähnliche Entwicklungstendenzen auf wie Mexiko, Peru, Bolivien und Ecuador: A u s f u h r in Millionen Franken nach: Chile

Uruguay

1929 8,5 6,7 1936 2,0 1,1 1988 2,9 2,4 1943 6,1 6,7 1944 4,0 4,5 1945 (Januar--Juli) . .

6,2 7,1.

Während die Einfuhr aus Chile noch relativ gering ist (0,1 Millionen Franken) -- in den Vorkriegsjahren 1936 und 1938 überstieg sie unsern Export wesentlich -- hat der Import aus Uruguay bereits in den ersten sieben Monaten dieses Jahres die beträchtliche Höhe von 4,0 Millionen erreicht. Für den Handel mit diesen Ländern bieten sich die günstigsten Aussichten.

Aus all diesen Gründen hat der Bundesrat, wie im Geschäftsbericht des vergangenen Jahres dargelegt wurde, am 13. Oktober 1944 den Beschluss gefasst, die Vertretung in Santiago de Chile von Buenos Aires loszulösen und den dortigen interimistischen Geschäftsträger als ständigen bei

13 der chilenischen Begierung zu beglaubigen. Es ist möglich, dass sich später die Ernennung eines Gesandten für Chile aufdrängen wird. Eür Uruguay kommt eine analoge Massnahme in Frage. Die Eegierung dieser Eepublik, die in Bern schon seit mehreren Jahren eine Gesandtschaft unterhält, hat dem Bundesrat wiederholt bedeuten lassen, sie würde es begrüssen, wenn die Schweiz Gegenrecht hielte und anstatt eines Generalkonsuls einen residierenden diplomatischen Vertreter nach Montevideo entsendete. Der Bundesrat beabsichtigt, dies zu tun und damit auch diesen Posten zu verselbständigen. Da es sich dabei nicht um die Schaffung neuer diplomatischer Vertretungen handelt, sondern nur um den Ausbau im Prinzip bestehender, ist -- wie im Falle Dänemarks und Norwegens --· ein formeller Bundesbeschluss entbehrlich.

111.

Britische Dominions.

Das britische «Commonwealth» wird auch in Zukunft eine bedeutende Weltmachtstellung einnehmen. Der gewaltige Beitrag der Dominions an die gemeinsamen Kriegsanstrengungeii des Empire haben der Welt gezeigt, welche Macht ihnen innewohnt und welche Eolle sie bei der Lösung der Friedensaufgaben zu spielen berufen sind.

Wenn unser diplomatischer Verkehr mit diesen Ländern bisher über London ging, so entsprach das der ursprünglichen Stellung der Dominions im britischen Weltreiche. Mit ihrer wachsenden Selbständigkeit auf dem Gebiete der internationalen Politik würde dieser Weg, auch wenn er sich bis dahin bewährte, den tatsächlichen Verhältnissen nicht mehr entsprechen.

·Im Anschluss an die britische Beichskoni'erenz des Jahres 1930 hiess das englische Parlament am 11. Dezember 1931 ein Gesetz gut (Westminsterstatut), durch das den Dominions auf gesetzgeberischem wie auf aussenpolitischem Gebiete weitgehende Autonomie eingeräumt wurde. Dieser Prozess der politischen Verselbständigung machte im Laufe des Krieges weitere Fortschritte, .Zunehmend gewann das Wort der Dominions in der britischen und in der internationalen Politik an Gewicht. Zuletzt noch wurde dies an der Konferenz von San Franzisco deutlich. Wird auch die innere Verbundenheit mit der britischen Krone weniger denn je in Frage stehen, so sprechen doch gewisse Anzeichen dafür, dass die Dominions -- wenigstens die mächtigsten xmtcr ihnen -- aussenpolitisch mehr hervortreten werden. Es wird gut sein, diese Entwicklung zu erkennen und heute die praktischen Konsequenzen daraus zu îsiehon.

Neben diesen politischen Erwägungen sprechen auch wirtschaftspolitische Gründe für die Errichtung selbständiger diplomatischer Vertretungen. In Betracht kommen vorläufig Australien, Kanada und die Südafrikanische Union. Diese Länder gehen nach aller Voraussicht einem grossen wirtschaftlichen Aufschwung entgegen. Ihre fortschreitende Industrialisierung, begleitet von einer entsprechenden Sozialpolitik, lassen eine rasche Hebung des Lebens-,

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Standards und damit einen erhöhten Bedarf an besseren Verbrauchsgütem erwarten. Kenner der Verhältnisse beurteilen die Möglichkeiten, die sich für den Absatz schweizerischer Industrieprodukte bieten, ausserordentlich günstig.

Ihrerseits werden der Schweiz die Rohstoffe und Bodenprodukte dieser Lander willkommen sein.

In diesem Zusammenhang verdient eine Unterscheidung hervorgehoben zu werden, die in den letzten Jahren immer mehr an Bedeutung gewonnen hat ; Warenverkehr und Zahlungsverkehr. Warenmässig sind die einzelnen Dominions autonom. Wenn die Schweiz mit ihnen in Verhandlungen über die Eegelung des gegenseitigen Warenverkehrs tritt, so kann sie sich hierzu nicht der britischen Vertretung in Bern bedienen. Sie ist auf direkte Verhandlungen mit der betreffenden Regierung angewiesen. Dies setzt auf die Dauer notwendigerweise das Bestehen diplomatischer Vertretungen in den einzelnen Ländern voraus.

Noch gebieterischer als beim Warenverkehr erheischen die Verhältnisse beim Zahlungsverkehr die Möglichkeit fortgesetzter zwischenstaatlicher Fühlungnahme. Hier sind die Verhältnisse deshalb besonders kompliziert, weil in monetärer Beziehung nicht alle Dominions dem gleichen Block angehören.

Während Australien und die Südafrikanische Union zum Sterlingblock halten, steht Kanada im Dollarblock. Die zahlreichen Probleme, die sich daraus ergeben, sind heute ohne direkten Verkehr mit den offiziellen Instanzen dieser Länder kaum mehr zu lösen.

Ein erster Schritt zur Aufnahme direkter offizieller Beziehungen zu den Dominions wurde im Jahre 1989 durch die Umwandlung des Generalkonsulates in Dublin in eine Gesandtschaft (Bundesbeschluss vom 22. Juni 1989) getan.

Mochte jene Massnahme ihre guten Gründe haben, so ist nicht zu verkennen, dass die Handelsbeziehungen mit Irland an Bedeutung weit hinter jenen zurückstehen, die uns mit den anderen Dominions verbinden, für die eine analoge Massnahme heute beantragt wird.

1. Australien.

Der Kampf der australischen Truppen auf den europäischen und pazifischen Kriegsschauplätzen galt nicht nur der Solidarität mit dem englischen Mutterland und der Sache der Vereinten Nationen. Er galt ebenso der Verteidigung des australischen Erdteils. Der ausgedehnte, aber nur schwach bevölkerte Kontinent war in seinen Grundfesten bedroht. Heute verlässt Australien den Krieg als
eine Macht, der inskünftig im südpazifischen Raum eine entscheidende Rolle zufallen dürfte.

Australien ist gewillt, alle Mittel für die wirtschaftliche Erschliessung des Landes einzusetzen. Die Erklärungen, die hierüber unlängst der neuernannte Minister für die Einwanderung, Arthur Calwell, abgegeben hat, verdienen auch unsere Beachtung. Er sagte, die Australier hätten aus dem Kriege gelernt, dass sie ihren Inselkontinent ohne bedeutende Vergrösserung der Einwohnerzahl nicht halten könnten. Es sei deshalb beabsichtigt, in England und in

15 den übrigen grossen Emigrationszentren Europas eine Kampagne zu organisieren, um die dringend benötigte Einwanderung zu beschleunigen. Bereits lägen Pläne vor, um Tausende von Kriegswaisen aus Europa und andern Landern aufzunehmen. Eine andere Möglichkeit der Einwanderung werde darin erblickt, industrielle Unternehmungen Englands und anderer überseeischer Länder zu veranlassen, ihre Produktionsstätten oder deren Teile mitsamt den Arbeitern und .ihren Familien nach Australien zu verlegen.

Zweifellos wird die Verwirklichung solch grosszügiger Pläne von einem ungeahnten technischen und wirtschaftlichen Aufschwung begleitet sein. Auch die Schweiz wird daran Teil haben können -- dafür sprechen die bisherigen guten Beziehungen mit diesem Land, Eine erste Bedingung wird aber sein, dass ein diplomatischer Vertreter der Eidgenossenschaft die Entwicklung an Ort und Stelle verfolgen und gegebenenfalls mit den zuständigen Begierungskreisen in Verbindung treten kann.

Gegenwärtig unterhält die Schweiz in Australien nur konsularische Vertretungen, nämlich in Sydney und in Melbourne. Ihre Tätigkeit reicht bereits auf 90 Jahre zurück *). In Canberra, dem australischen Regierungssitze, sind zur Zeit die USA., China, die UdSSB., Holland und Frankreich durch Gesandtschaften vertreten **). In zuständigen Kreisen ist bekannt, dass die Errichtung weiterer Gesandtschaften durch europäische und aussereuropäische Länder unmittelbar bevorsteht.

Zwischen der Schweiz und Australien wurde im Jahre 1988 ein Handelsvertrag abgeschlossen. Er schuf für den Ausbau unserer Handelsbeziehungen mit diesem Lande die günstigsten Auspizien, Bevor er indessen seine Wirkungen entfalten konnte, wurde die Entwicklung durch den Ausbruch des Krieges gestört. Hier gilt es nun, wieder anzuknüpfen. Dass auch hiebei eine Gesandtschaft in Canberra -- deren Chef allenfalls auch in Neuseeland zu beglaubigen wäre ·-- höchst nützliche Dienste leisten könnte, liegt auf der Hand.

2. Kanada.

In der Klassifizierung von Bretton Woods, die das nationale Einkommen, den Aussenhandel, das Gold und die Barguthaben aller Länder zur Grundlage hat, steht Kanada an siebenter Stelle. Wer den Aufschwung der kanadischen Industrie im Kriege verfolgte, war nicht überrascht, das Resultat dieser Erhebungen zu vernehmen. Die kanadischen Kriegsmateriallieferungen (z. B.
an die UdSSR..) waren ein höchst bedeutsamer Faktor für die Alliierten. Aber nicht nur die Industrie, auch die Landwirtschaft, die Waldausbeute und der Bergbau haben wesentlich am allgemeinen wirtschaftlichen Aufstieg teilgehabt.

*) Das Konsulat in Sydney wurde im Jahre 1865 gegründet (Generalkonsulat 1931), jenes in Melbourne wurde im Jahre 1856 als Vizekonsulat geschaffen (Konsulat 1857, Generalkonsulat 1921).

**) Vor dem Kriege unterhielten auch Deutschland und Japan Gesandtschaften in Canberra.

16 Dieser Entwicklung entspricht eine erhebliche Stärkung der politischen Stellung Kanadas im Kreise der übrigen Mächte. Sie findet ihren äussern Niederschlag in der Tatsache, dass in jüngster Zeit die Zahl der diplomatischen Missionen in Ottawa stark vermehrt worden ist. Ein Grossteil der alliierten Mächte lassen sich durch Botschafter vertreten. Gerade dieser Umstand hat jedoch zur Folge, dass die Demarchen unserer konsularischen Vertretungen *) an Durchschlagskraft einbüssen und sich die Errichtung einer schweizerischen Gesandtschaft immer mehr aufdrängt.

Kanada gehört zweifellos zu unseren bedeutendsten Handelspartnern.

Sobald einmal die zahlreichen kriogsbedingten Einschränkungen dahinfallen werden, dürften unsere Handelsbeziehungen mit dieser reichen und mächtigen Demokratie einer neuen Blüte entgegengehen. Es mag da erwähnt werden, dass die Schweizerische Zentrale für Handelsförderung in Toronto eine aktive und erfolgreiche Handelsagentur besitzt, die in engster Zusammenarbeit mit unseren konsularischen Vertretungen steht. Hier wie anderwärts kann es sich bei der Schaffung eines 'diplomatischen Postens nicht darum, handeln, die Bestrebungen dieser für unseren Aussenhandel bedeutsamen Einrichtung zu konkurrenzieren oder gar auszuschalton. Vielmehr gilt es, durch Zusammenarbeit und gegenseitige Ergänzung ein Höchstmass an Nutzen für die Wirtschaft unseres Landes zu erzielen.

Diese Betrachtungen sollen nicht abgeschlossen werden, ohne der Kontakte zu gedenken, die seit alters'zwischen der schweizerischen und der kanadischen Landwirtschaft bestehen. Es sei nur daran erinnert, dass der Schöpfer unseres Anbauplanes, Herr Stäiiderat Wahlen, und andere Vertreter unserer Landwirtschaft lange Zeit in massgebender Stellung in Kanada tätig waren. Möglicherweise wird sieh dort auch inskünftig ein dankbares Tätigkeitsfeld für junge schweizerische Agronomen eröffnen.

3. Südafrikanische Union.

Auch die Stellung der Südafrikanischen Union hat sich im L^ufe des ·Krieges gefestigt. Ihre Stimme gewann in der internationalen Politik an Gewicht. Man erinnere sich der Voten von Marschall Sinuts an der Konferenz von San Franzisco. Nach aller Voraussicht geht die Union einer Zeit der wirtschaftlichen Blüte entgegen.

Wenn auch unsere Handelsbeziehungen mit Südafrika bisher an Bedeutung hinter jenen mit Australien
oder Kanada zurückstanden, so sind sie doch nicht weniger entwicklungsfähig. Der südafrikanische Markt hat in den schweizerischen Exportkreisen stets lebhaftes Interesse gefunden. Die starke Dezentralisierung der Handelsplätze und die gewaltigen, teils unerschlossenen Gebiete, die die einzelnen Märkte trennen, hatten eine intensive Bearbeitung des weiten Territoriums erschwert. Bereits im März 1988 ist daher die Schwei*) Die Schweiz unterhält in Kanada mit Einachluss Neufundlands folgende konsularische Vertretungen: seit 1875 in Montreal (1912 Generalkonsulat), seit 1906 in Toronto und seit 1913 in Vancouver und Winnipeg.

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zerieche Zentrale für Handelsförderung mit einem Gesuch an das Politische Departement gelangt, durch geeigneten Ausbau unserer konsularischen Vertretung *) in Südafrika beizutragen, die Schwierigkeiten zu meistern. Das Departement entsprach dem Wunsche, indem die bestehenden Posten in Johannesburg und Kapstadt mit erweiterten Funktionen betraut und mit Spezialpersonal ausgestattet wurden. Dieser versuchsweise eingeführte «Erweiterte Handelsdienst» verzeichnete verheissungsvolle Erfolge, als der Krieg die Entwicklung hemmte. Das begonnene Werk soll nun weitergeführt werden.

Darüber hinaus ist es nach Auffass\uig des Bundesrates gegeben, in Pretoria eine Gesandtschaft zu errichten, um auf diese "Weise im Süden des Schwarzen Erdteils einen diplomatischen Stützpunkt zu gewinnen.

IV.

China.

Es hat in letzter Zeit nicht an Stimmen gefehlt, die sich dahin äusserten, der Ausbau der schweizerischen Vertretung in China habe zu lange auf sich warten lassen. Ohne im einzelnen auf diese Kritiken einzugehen, sei festgehalten, dass der Bundesrat der Frage schon seit langem seine besondere Aufmerksamkeit geschenkt und sich nur nach sorgfältiger Abwägung der in Betracht fallenden Interessen zum Zuwarten entschlossen hatte. Das ganze Problem ist im übrigen sehr komplex. Es könnte nicht im Eahmen dieser Botschaft behandelt -werden. In grossen Zügen haben sich die Dinge wie folgt entwickelt : Im Voranschlag für 1912 bewilligten die Bäte erstmals einen Kredit von 35 000 Franken für die Errichtung einer schweizerischen Handelsagentur in China. Der Bundesrat beschloss hierauf, diese Agentur in Shanghai zu eröffnen, Im August 1914 musste sie wegen Ausbruchs des ersten Weltkrieges wieder geschlossen werden. Nach dem Kriege (1921) wurde in Shanghai ein Berufsgeneralkonsulat errichtet. Daneben besteht seit 1922 ein Konsulat in Canton.

Um dem Titular des Generalkonsulats in Shanghai die Erfüllung seiner wichtigen und vielseitigen Aufgaben zu erleichtern, verlieh ihm der Bundesrat am 17. Oktober 1932 -- in Anlehnung an das Vorgehen anderer europäischer Kleinstaaten -- den diplomatischen Charakter eines Geschäftsträgers in China.

Diese Massnahme betraf vorab den Postenchef persönlich. Sie sollte ihm gestatten, seinen Interventionen bei den chinesischen Behörden mehr Gewicht zu geben, sich nötigenfalls direkt an die Zentralregierung zu wenden und mit den diplomatischen Vertretern der fremden Mächte auf gleichem FUSS zu verkehren. Dagegen verlegte er den Sitz nicht nach der damaligen Begierungsresidenz Nanking, und auch der konsularische Charakter der von ihm geleiteten Vertretung in Shanghai erfuhr keine Veränderung.

Im August 1987 erfolgte der japanische Überfall auf den Militärflugplatz von Shanghai. Am 11. November waren die Chinesen gezwungen, die Stadt ·~~~*)~jöhäimesburg: Konsulat 1895, Generalkonsulat 1925. Kapstadt: Konsulat 1916.

2 Bundesblatt. 97. Jahrg. Bd. II

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zu räumen. Anschliessend begab sich die chinesische Zentralregierung nach Tschungking.

Die Besetzung der südchinesischen Provinzen durch die Japaner hatte zur Folge, dass sowohl unser Generalkonsulat in Shanghai wie das Konsulat in Canton praktisch keine Verbindung mehr zu Behörden oder Amtsetellen hatten, die der Eegierung in Tschungking unterstellt waren. Dieser Zustand schien auf die Dauer nicht haltbar. Indessen gab es eine Eeihe praktischer Erwägungen, die eine abwartende Haltung rechtfertigten. Das China der sogenannten Tschungking-Begierung war vom normalen Güterverkehr so gut wie abgeschnitten. Die wenigen Zugänge, die noch offen standen, führten von Indien und der UdSSE. aus und waren, bis in die jüngste Zeit, in erster Linie für die Bedürfnisse der Kriegführung bestimmt. Nennenswerte Interessen hat die Schweiz in Tschungking-China nicht besessen. Insgesamt leben dort etwa 20 Schweizerbürger, von denen die meisten in den Missionen tätig sind *).

Anders verhielt es sich mit dem von den Japanern besetzten Teil. In diesem, insbesondere in Shanghai, sind ganz bedeutende schweizerische Interessen konzentriert. Die Schweiz hatte guten Grund, dafür Sorge zu tragen, dass das Generalkonsulat in Shanghai möglichst ungestört seinen Funktionen obliegen konnte. Es darf festgestellt werden, dass die japanischen Behörden die Tätigkeit des schweizerischen Geschäftsträgers und Generalkonsuls in Shanghai, der immer bei der rechtmässigen chinesischen Eegierung in Tschungking beglaubigt blieb, ohne wesentliche Einschränkungen geduldet haben, und dies obwohl die Schweiz die von den Japanern im März 1940 in Nanking eingesetzte Pseudo-Eegierung nie anerkannt hat.

Dieser Zustand gereichte in den langen und gefahrvollen Kriegsjahren unsern Landsleuten und Interessen in China zum Vorteil. Während ein Vertreter in Tschungking, für den Moment wenigstens, ohne konkrete Aufgabe gewesen wäre, hätte dessen Entsendung unliebsame Eückwirkungen auf die Haltung der Japaner gegenüber unserem Generalkonsulat in Shanghai zeitigen können. Die Härte ihres Vorgehens in bezug auf die Tätigkeit unserer Konsulate in Manila, Singapur, Batavia und Hongkong liess es befürchten. Diese und andere Überlegungen mussten den Bundesrat bewegen, mit der Reorganisation unserer Vertretung in China noch etwas zuzuwarten.

Mit der Beendigung
des Krieges im Fernen Osten ist .der Weg freigelegt, um die Lage zu bereinigen. Es soll eine schweizerische Gesandtschaft, die von einem bevollmächtigten Minister zu leiten wäre, am künftigen Sitze der chinesischen Eegierung geschaffen werden**). Zugleich ist der Moment gekominen, um auf die Exterritorialitätsrechte, die wir in China noch besitzen, *) Die Mehrzahl sind Frauen; soweit es die Interessen dieser Landsleute zu wahren galt, stellte sich die amerikanische Botschaft in Techungking in dankenswerter Weise zur Verfügung.

**) Voraussichtlich wird nach der Besiegung Japans dieser Kegierungssitz nicht mehr das weitabgelegene Tschungking sein, wo zudem die Wohnfrage kaum au lösende Schwierigkeiten geboten hätte; sondern eine an den grossen Verkehrsadern gelegene Stadt, wie Nanking oder Peking.

19 ausdrücklich zu verzichten. Der besondern Bedeutung wegen, die dieser Frage zukommt, seien ihr einige Bemerkungen gewidmet.

Die schweizerischen Exterritorialitätsrechte beruhen auf einer Erklärung, die dem Freundschaftsvertrag zwischen der Schweiz und China vom 13. Juni 1918 angeschlossen ist. Darin wird vereinbart, dass die schweizerischen Konsuln, was die Konsularjurisdiktion und die Exterritorialität betreffe, die gleichen Rechte gemessen sollen, die den konsularischen Agenten der meistbegünstigten Nationen gewährt werden oder gewährt werden können. Sobald China seine Gerichtsorganisation abgeändert hätte, würde die Schweiz bereit sein, im Verein mit den andern Mächten auf das Konsularjurisdiktionsrecht zu verzichten. Im übrigen enthält die Erklärung noch eine ausdrückliche Meistb egünstigungsklausel, Je mehr sich China zu einem Staat im modernen Sinne entwickelte, empfand es die exterritorialen Vorrechte als Beschneidung seiner Souveränität.

Diesen Gefühlen Rechnung tragend, schlössen Grossbritannien und die Vereinigten Staaten von Amerika, die in China besonders interessiert sind, am 11. Januar 1948 mit Tschungking Verträge ab, die den ausdrücklichen Verzicht auf exterritoriale Bechte enthielten. Später gingen andere Staaten, wie Norwegen, die Niederlande, Belgien und Schweden, ähnliche Übereinkünfte mit der chinesischen Eegierung ein. Ohne derartige Regelung blieben von den in China interessierten Machten lediglich Portugal und die Schweiz. In unserer Öffentlichkeit wurde diese Zurückhaltung kaum verstanden. In Beantwortung einer Kleinen Anfrage Perret vom 2. April 1943 erklärte aber der Bundesrat, dass der zwischen der Schweiz und China am 13. Juni 1918 abgeschlossene Freundschaftsvertrag den berechtigten Bestrebungen des chinesischen Volkes kein Hindernis in den Weg setze. Wenn der Vertrag infolge der Meistbegünstigungsklausel den Schweizern die gleiche Behandlung wie den andern Ausländern zusichere, so sei damit festgehalten, dass die Schweiz bereit sei, auf das Recht der Konsularjurisdiktion gleichzeitig wie die übrigen Mächte zu verzichten. Diese Erklärung behalte ihre volle Gültigkeit. Ohne Zweifel nahe der Zeitpunkt, wo sie ihre Anwendung finden werde.

Diese Haltung des Bundesfates beruhte damals auf den gleichen Erwägungen, die ihn mit der Errichtung einer Gesandtschaft bei der
TschungkingRegierung zuwarten liessen. Da die Schweiz fast ausschliesslich in den von japanischen Truppen besetzten Gebieten Chinas namhafte Interessen besass, wäre der Verzicht nicht dem chinesischen Volke zugute gekommen. Er hätte vielmehr dazu geführt, dass die japanische Regierung die Preisgabe dieser Rechte auch in dem von ihr besetzten Gebiete verlangt hätte, was für die betroffenen Schweizer von schwerwiegenden Folgen begleitet gewesen wäre.

Heute ist der Augenblick da, um dem alten Wunsche des chinesischen Volkes zu entsprechen. Dabei kann es sich allerdings nicht darum handeln, einen Verzicht auf die exterritorialen Rechte auszusprechen, ohne gleichzeitig die Gesamtheit der Fragen über die Stellung der Schweizer in China zu bereinigen. Der Bundesrat hat daher schon am 27. Juli dieses Jahres beschlossen,

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es sei «der chinesischen Eegierung mitzuteilen, dass die Schweiz, im Bestreben, ihre freundschaftlichen Beziehungen erneut zu bekräftigen, der Hoffnung Ausdruck gebe, demnächst bezüglich des sofortigen Verzichtes, auf Exterritorialitätsrechte in China und die damit zusammenhängenden Fragen Verhandlungen aufzunehmen».

Die Wünschbarkeit der Errichtung einer Gesandtschaft in China darf nach dem Gesagten als erwiesen gelten. Die politische Bedeutung Chinas in der Welt von morgen steht ausser Frage. Nicht weniger offenkundig ist seine handelspolitische Bedeutung. Das grosse Intéresse, das unsere Exportkreise an der Wiederbelebung und am Ausbau unserer Handelsbeziehungen mit China haben, geht schon aus der Tatsache-hervor, dass Mitte Juli dieses Jahres eine private Abordnung schweizerischer Industrieller sich trotz aller Unzukömmlichkeiten und Schwierigkeiten auf den Weg nach China begeben hat, um mit massgebenden dortigen Kreisen Fühlung zu nehmen. Von den chinesischen Behörden sind dieser Mission während ihres Aufenthaltes im Lande alle nur möglichen Erleichterungen zugesichert worden. Daraus erhellt, wie sehr auch von chinesischer Seite die Wiederaufnahme des Handels mit der Schweiz begrüsst wird. Es stimmen damit die kürzlich vom chinesischen Wirtschaftsminister abgegebenen Erklärungen überein, wonach China die berechtigte Hoffnung habe, im Weltwirtschaftsverkehr eine bedeutende Bolle zu spielen. Das neue China werde höchste Anstrengungen machen, um sowohl als Land des Exports wie des Imports zur Belebung der Weltwirtschaft beizutragen.

Schliesslich sei auch hier der kulturellen Beziehungen gedacht, die die Schweiz mit dem grossen Eeich der Mitte verbinden. Es ist bekannt, welch tiefe Sympathie in unserem Land dem grossen und heldenmütigen chinesischen Volke während all der Kriegsjahre entgegengebracht worden ist. Sie fand ihren Ausdruck unter anderem im lebhaften Interesse, das schweizerische Kreise an den Bestrebungen und Schriften des «Chinesischen Kulturdienstes in der Schweiz» sowie an der zu Beginn dieses Jahres erfolgten Gründung einer «Chinesisch-schweizerischen Gesellschaft» genommen haben.

Ein so umfassender Ausbau des diplomatischen Aussendienstes, wie ihn die vorliegende Botschaft umreisst, bedarf ansehnlicher finanzieller Mittel. Es ist heute kaum, möglich, die Höhe der erforderlichen Kredite zu beziffern. Noch lassen sich die Bedingungen, unter denen die Errichtung der einzelnen Gesandtschaften zu erfolgen haben wird, nicht genügend überblicken. Die wirklichen Bedürfnisse ergeben sich erst im Zuge der Eeorganisation, zum Teil auch erst nach Sammlung gewisser praktischer Erfahrungen an Ort und Stelle. Gewiss wird sich der Bundesrat grösster Sparsamkeit befleissen. Er wird insbesondere prüfen, wo an Stelle eines Gesandten die Entsendung eines Geschäftsträgers genügen könnte. Die eidgenössischen Kate werden alljährlich bei Beratung des Voranschlages Gelegenheit bekommen, zu den einzelnen Posten Stellung

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zu nehmen. Sie dürften sich dabei vom Gedanken leiten lassen, den schon der Berichterstatter der nationalrätlichen Geschäftsprüfungskonnnission in der letzten Session ausgesprochen hat und der durch die Erfahrungen der letzten Jahre erhärtet wurde: dass es nicht ratsam wäre, dort Einsparungen zu machen, wo sie letzten Endes dem Volksganzen teuer zu stehen kämen.

«Der politische Àussendienst ist die erste Verteidigungslinie des Landes», erklärte unlängst der amerikanische Staatssekretär Grew. Dieser ehenso richtigen wie notwendigen Erkenntnis wird sich das Schweizervolk nicht verschliessen, das in den vergangenen Kriegsjahren mit unerschütterlicher Entschlossenheit die gewaltigen Lasten der Mobilmachung auf sich genommen hat.

Es ist heute eine erfreuliche und über viele Länder verbreitete Erscheinung, dass sich nicht mehr bloss einige begrenztere Kreise um solche Fragen bekümmern, sondern dass neben den «Kabinetten» weitgehend die Öffentlichkeit und ihre parlamentarischen Vertretungen die Stimme vernehmen lassen.

Auch in der Schweiz sind es nicht ausschliesslich gewisse Organisationen des Unternehmertums, die mit Vorschlägen für den diplomatischen und konsularischen Àussendienst hervortreten. Ebenfalls die Arbeitnehmerschaft, so der schweizerische Gewerkschaftsbund, zeigen ein reges und konstruktives Interesse an diesen Dingen. Nicht minder nehmen die übrigen Volksschichten an den aussenpolitischen Geschehnissen lebhaften Anteil.

Der Bundesrat ist sich bewusst, dass mit. der Errichtung der geplanten Gesandtschaften die Entwicklung nicht abgeschlossen sein wird.. Noch besteht in Osteuropa eme empfindliche Lücke in unsern diplomatischen Beziehungen, die geschlossen werden soll, sobald es die Verhältnisse gestatten. Hand in Hand mit der Errichtung neuer Aussenposten rnuss ferner die Erneuerung des bestehenden diplomatischen und konsularischen Apparates gehen.

Eine Eriedensorganisation ist im Werden. Wie immer die letzten Entscheidungen über die Haltung der Schweiz gegenüber dem neucrstandenen Weltsicherheitsbund ausfallen mögen, wird es ihr zum Nutzen gereichen, wenn sie sich durch den Ausbau ihrer diplomatischen Vertretungen freundschaftliche und vertrauensvolle Beziehungen zu möglichst zahlreichen Nationen schafft. Auf diesem Wege glaubt der Bundesrat zu gehen, wenn er den Bäten diese Botschaft
unterbreitet und den nachstehenden Entwurf zu einem Bundesbeschluss zur Annahme empfiehlt.

Wir versichern Sie, Herr Präsident, hochgeehrte Herren, unserer vollkommenen Hochachtung.

Bern, den 7. September 1943.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der B u n d e s p r ä s i d e n t :

Ed. v. Steiger.

Der Bundeskanzler:

Leimgrubcr.

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(Entwurf.)

Bundeslbesclüuss über

die Errichtung neuer schweizerischer Gesandtschaften im Auslande.

Die Bundesversammlung der schweizerischen E i d g e n o s s e n s c h a f t , nach Einsicht einer Botschaft des Bundesrates vom 7, September 1945, beschliesst:

Art. l.

Der Bundesrat wird ermächtigt, a, in Mexiko eine Gesandtschaft zu errichten und deren Leitung einem Gesandten zu übertragen, der gegebenenfalls auch bei andern Begierungen Zentralamerikas zu beglaubigen ist ; 6, in Peru eine Gesandtschaft zu errichten und deren Leitung einem Gesandten zu übertragen, der gleichzeitig bei den Begierungen von Bolivien und Ecuador beglaubigt wird; c. in Australien, in Kanada und in der Südafrikanischen Union Gesandtschaften zu errichten und deren Leitung je einem Gesandten oder Geschäftsträger zu übertragen; d, in China eine Gesandtschaft zu errichten und deren Leitung einem Gesandten zu übertragen.

Art. 2.

Der Bundesrat wird beauftragt, auf Grundlage der Bestimmungen des Bundesgesetzes vom 17. Juni 1874 betreffend Volksabstimmung über Bundesgesetze und Bundesbeschlüsse die Bekanntmachung dieses Bundesbeschlusses zu veranlassen und den Zeitpunkt seines Inkrafttretens festzusetzen.

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Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung über die Errichtung neuer schweizerischer Gesandtschaften im Ausland. (Vom 7. September 1945.)

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Jahr

1945

Année Anno Band

2

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19

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4814

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13.09.1945

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