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4744 Botschaft des

Bundesrates an die Bundesversammlung über die Erteilung einer neuen Konzession für die elektrische Strassenbalm in St. Gallen und Umgebung.

(Vom 29. Mai 1945.)

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Herr Präsident!

Hochgeehrte Herren!

Durch Bundesbeschluss vom 21. Dezember 1894 wurde einem Initiativkomitee zuhanden einer zu bildenden Aktiengesellschaft die Konzession für den Bau und Betrieb einer elektrischen Strassenbahn von Bruggen durch die Stadt St. Gallen nach Neudorf-St. Fiden. mit Abzweigung von St. Gallen nach Heiligkreuz erteilt. Diese Konzession wurde mit Bundesbeschluss vom 28. Marx 1896 auf die politische Gemeinde St. Gallen übertragen. Durch Bundesbeschlüsse und Bundesratsbeschlüsse vom 24. Juni 1910, 7. Oktober 1910, 13. April 1911 und 14. Februar 1920 erfuhr die Konzession gewisse Änderungen.

Auf Ende Dezember 1944 ist die auf die Dauer von 50 Jahren erteilte Konzession der Trambahn der Stadt St. Gallen abgelaufen. Mit Eingabe vom 27. Dezember 1944 hat der Stadtrat St. Gallen um Erneuerung seiner Konzession nachgesucht.

Der Inhalt des nachfolgenden Entwurfes einer neuen Konzession, mit dem sich die Kantonsregierung und der Stadtrat von St. Gallen einverstanden erklärt haben, gibt uns zu folgenden Bemerkungen Anlass.

Es handelt sich in der Hauptsache um eine Zusammenfassung des bestehenden Eechtszustandes in einen neuen, einheitlichen Akt. Die Konzession soll wiederum für die Dauer von 50 Jahren erneuert werden. Die verschiedenen Bestimmungen entsprechen dem üblichen Konzessionsinhalt und wurden in der redaktionellen Fassung den neueren Konzessionen angepasst.

In Art. 5 wird entsprechend dem Wortlaut anderer neuerer Strassenbahnkonzessiorien der Bundesrat ermächtigt, nicht nur die Ausdehnung der Konzession auf weitere Linien, sondern sogar die Einschränkung oder gänzliche

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Aufhebung des Betriebes auf einzelnen Strecken des Strassenbahnnetzes und die Beseitigung der Bahneinrichtungen zu gestatten.

Nach Ziff. II des Entwurfes sind sämtliche Bundesbeschlüsse und Bundesratsbeschlüsse, die durch die neue Konzession ersetzt werden, aufgehoben.

In Ziff. III -ist das Inkrafttreten der neuen Konzession rückwirkend auf den 1. Januar 1945 vorgesehen.

Wir empfehlen Tb n en die Annahme des nachfolgenden Beschlussesentwurfes und benützen den Anlass, Sie,. Herr Präsident, hochgeehrte Herren, unserer vollkommenen Hochachtung zu versichern.

Bern, den 29. Mai 1945.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident :

Ed. v. Steiger.

Der Bundeskanzler:

Leimgruber.

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(Entwurf.)

Bundesfoeschluss über

die Erteilung einer neuen Konzession für die elektrische Strassenbahn in St. Gallen und Umgebung.

Die Bundesversammlung der schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsicht 1. einer Eingabe des Stadtrates St. Gallen vom 27. Dezember 1944, 2. einer Botschaft des Bundesrates vom 29. Mai 1945, beschliesst: I.

Der Stadtgemeinde St. Gallen wird unter den in den nachstehenden Artikeln enthaltenen Bedingungen eine neue Konzession für den Bau und Betrieb eines Strassenbahnnetzes auf dem Gebiete der Stadt St. Gallen und Umgebung erteilt.

Art. 1.

Es sollen die jeweiligen Bundesgesetze sowie alle übrigen Vorschriften der Bundesbehörden über Bau und Betrieb der schweizerischen Eisenbahnen jederzeit genaue Beachtung finden.

Art. 2.

Die Trambahn der Stadt St. Gallen wird als Nebenbahn im Sinne des Bundesgesetzes vom 21. Dezember 1899 erklärt.

Art. 8.

Die Konzession wird für die Dauer von 50 Jahren, d, h. bis 81. Dezember 1994 erteilt.

Bundesblatt.

97. Jahrg. Bd. I.

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Art. 4.

Die Konzession gut für folgende Strecken: 1. Bruggen-St, Gallen (Hauptbahnhof)-St. Fidon-Neudorf ; 2, St. Gallen (Hauptbahnhof)-Heiligkreuz; 8. St. Gallen (Hauptbahnhof )-Nest.

Art. 5.

Der Bundesrat kann nach Anhörung der Eegierung des Kantons St. Gallen unter den in der gegenwärtigen Konzession enthaltenen Bedingungen der Stadtgemeinde St, Gallen den Bau weiterer neuer Linien und die Verlegung bestehender Linien im Gebiete der Stadt und der Umgebung be-willigen und ihr gestatten, den Betrieb auf einzelnen Strecken des Strassenbahnnetzes zu beschränken oder ganz aufzuheben und die Bahneinrichtungen zu beseitigen.

Art. 6.

In bezug auf die Benützung der öffentlichen Strassen für Anlage und Betrieb der Strassenbahn gelten die vom Gemeinderat der Stadt St. Gallen und vom Grossen Bat des Kantons St. Gallen aufgestellten Vorschriften, soweit sie nicht mit den Bestimmungen der gegenwärtigen Konzession und der Bundesgesetzgebung in Widerspruch stehen.

Art. 7.

Den eidgenössischen Kontrollorganen, welchen die Überwachung des Baues und Betriebes der Strassenbahn obliegt, ist zur Erfüllung ihrer Aufgabe zu jeder Zeit Einsicht in alle Teile der Bahn, der Stationen und des Materials zu gestatten sowie das zur Untersuchung nötige Personal und Material zur Verfügung zu stellen.

Art. 8.

Der Bundesrat kann verlangen, dass Beamte oder Angestellte der Strassenbahn, die in dor Ausübung ihrer Funktionen zu begründeten Klagen Anlass geben und gegen welche die Verwaltung nicht von sich aus einschreitet, zur Ordnung gewiesen, bestraft und nötigenfalls entlassen werden.

Art. 9.

Die Spurweite der Strassenbahn beträgt 1,0 Meter.

Art. 10.

Die Ausführung von Bauten sowie der zum Betrieb der Strassenbahn erforderlichen Einrichtungen darf nur geschehen auf Grund von Ausführungs-

687 planen, die vorher dem Bundesrate vorgelegt und von diesem genehmigt worden sind.

Der Bundesrat ist berechtigt, auch nach Genehmigung der Pläne eine Abänderung dieser Anlagen zu verlangen, wenn eine solche durch die Fürsorge für die Sicherheit des Betriebes geboten ist.

Art. 11.

Gegenstände von wissenschaftlichem Interesse, welche durch Bauarbeiten zutage gefördert werden, wie Versteinerungen, Münzen, Medaillen usw., sind Eigentum des Kantons St. Gallen und an dessen Regierung unentgeltlich abzuliefern,

Art. 12.

Der Konzessionärin ist im allgemeinen anheimgestellt, die Zahl der täglichen Züge und deren Verkehrszeiten festzusetzen. Immerhin sind die Fahrpläne nach den geltenden Bestimmungen vor der Inkraftsetzung der Aufsichtsbehörde, die auch über die Fahrgeschwindigkeit der Züge entscheidet, zur Genehmigung vorzulegen.

Art. 18.

Die Wagen führen nur eine Klasse, deren Typus durch den Bundesrat genehmigt werden muss.

Art. 14.

Die Konzessionärin übernimmt die Beförderung von Personen sowie von Handgepäck. Zur Beförderung von lebenden Tieren ist sie nicht verpflichtet.

Über die Einrichtung eines Güterdienstes entscheidet der Bundesrat.

Art. 15.

Für die Beförderung von Personen darf eine Taxe von 20 Bappen für den ersten Kilometer und von 10 Bappen für jeden .weiteren Kilometer der Bahnlänge bezogen werden. Es sind Abonnementsbillette zu ermässigten Taxen nach mit dem Bundesrate zu vereinbarenden Bestimmungen auszugeben.

Kinder bis zum vollendeten 4. Lebensjahr in Begleitung Erwachsener sind unentgeltlich zu befördern, wenn für sie kein besonderer Sitzplatz beansprucht wird.

Handgepäck ist so weit frei, als es ohne Belästigung der Mitreisenden im Personenwagen untergebracht werden kann; soweit dafür besonderer Platz in Anspruch genommen wird, ist die entsprechende Personentaxe zu bezahlen.

Im Falle der Einrichtung eines Güterdienstes setzt der Bundesrat die Taxen fest.

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Art. 16.

Bei der Festsetzung der Taxen werden Bruchteile eines Kilometers für einen ganzen Kilometer gerechnet.

Art. 17.

Für die Einzelheiten des Transportdienstes sind besondere Réglemente und Tarife, aufzustellen.

Art. 18.

Der nach gegenwärtiger Konzession zulässige Höchstbetrag der Beförderungspreise ist verhältnismässig herabzusetzen, wenn der auf das Anlagekapital entfallende Jahresgewinn in sechs aufeinanderfolgenden Jahren im Durchschnitt und für jedes einzelne der drei letzten Jahre 6 % übersteigt, sofern nicht die Unternehmung den Bedürfnissen der Bevölkerung durch Gewährung anderer Preiserleichterungen oder durch Einführung von Verkehrsverbesserungen genügend Rechnung trägt. Über das Mass der Herabsetzung entscheidet der Bundesrat, Wenn der Jahresgewinn in drei aufeinanderfolgenden Jahren 2 % des Anlagekapitals nicht erreicht, erlangt die Unternehmung ein Anrecht auf angemessene Erhöhung des nach gegenwärtiger Konzession zulässigen Höchstbetrages der Beförderungspreise. Über das Mass der Erhöhung entscheidet der Bundesrat.

Art. 19.

Die Konzessionärin ist verpflichtet: a. einen allgemeinen Reservefonds zu äufnen; fr. das Personal gegen Krankheit zu versichern; c. für das Personal eine Alters-, Invaliditats- und Hinterbliebenenversicherung zu unterhalten; ä. die Beisenden bei einer Anstalt oder einem Eisenbahnverband gegen diejenigen Unfälle zu versichern, für die sie gemäss den geltenden gesetzlichen Bestimmungen haftpflichtig ist.

Art. 20.

' Für die Ausübung des Eückkaufsrechtes des Bundes oder, wenn er davon keinen Gebrauch machen sollte, des Kantons St. Gallen gelten folgende Bestimmungen : a. Der Rückkauf kann jederzeit erfolgen; er ist dem Stadtrat von St. Gallen drei Jahre zum voraus schriftlich anzukündigen.

b. Durch den Rückkauf wird der Bund Eigentümer der Bahn mit ihrem Betriebsmaterial und allem übrigen Zugehör. Immerhin bleiben die Rechte Dritter hinsichtlich der Krankenkasse und der Alters-, Invaliditats- und

689 Hinterbliebenenversicherung vorbehalten. Zu welchem Zeitpunkte der Bückkauf auch erfolgen mag, ist die Bahn samt Zugehör in vollkommen befriedigendem Zustande abzutreten. Sollte dieser Verpflichtung nicht Genüge getan werden und sollte auch die Verwendung des Erneuerungsfonds dazu nicht ausreichen, so ist ein verhältnismässiger Betrag von der Bückkaufssurame in Abzug zu bringen.

c. Die Entschädigung für den Bückkaul beträgt den zweiundzwanzig«inhalbfachen Wert des durchschnittlichen Beinertrages derjenigen zehn Jahre, die dem Zeitpunkt, in welchem der Bückkauf notifiziert wird, unmittelbar vorangehen, unter Abzug des Erneuerungsfonds.

Bei Ermittlung des Beinertrages darf lediglich die durch diesen Akt konzedierte Strassenbahnunternehmung mit Ausschluss aller andern etwa damit verbundenen Geschäftszweige in Betracht und Berechnung gezogen werden.

d. Der Beinertrag wird gebildet aus dem gesamten Überschuss der Betriebseinnahmen über die Betriebsausgaben, zu welch letzteren auch diejenigen Summen zu rechnen sind, welche auf Abschreibungsrechnung getragen wurden.

e. Im Falle des Bückkaufes im Zeitpunkte des Ablaufs der Konzession ist nach der Wahl des Bundes entweder der Betrag der erstmaligen Anlagekosten für den Bau und Betrieb oder eine durch bundesgerichtliche Abschätzung zu bestimmende Summe als Entschädigung zu bezahlen.

/. Streitigkeiten, die über den Bückkauf und damit zusammenhängende Prägen entstehen möchten, unterliegen der Entscheidung des Bundesgerichtes.

Art. 21.

Hat der Kanton den Bückkauf der Bahn bewerkstelligt, so ist der Bund nichtsdestoweniger befugt, sein daheriges Hecht, wie es in Art. 20 vorgesehen ist, jederzeit auszuüben, und der' Kanton hat unter den gleichen Bechten und Pflichten die Bahn dem Bunde abzutreten, wie letzterer dies von der Konzessionärin zu fordern berechtigt gewesen wäre.

II.

Auf den Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Beschlusses werden aufgehoben : 1. Bundesbeschluss vorn 21. Dezember 1894 betreffend Konzession einer elektrischen Strassenbahn von Bruggen über St. Gallen nach NeudorfSt. Eiden, mit Abzweigung von St. Gallen nach Heiligkreuz (E. A. S. 13, 275); 2. Bundesbeschluss vom 28. März 1896 betreffend Übertragung und Erweiterung der Konzession für eine elektrische Strassenbahn von Bruggen über St. Gallen nach Neudorf-St. Fiden, mit Abzweigung von St. Gallen nach Heiligkreuz (Anschlusslinie Bahnhof St. Gallen-Linsenbühl) (E. A. S.

14, 117);

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8. Bundesbeschluss vom 24. Juni 1910 betreffend Änderung der Konzession einer elektrischen Strassenbahn von Bruggen über St. Gallen nach Neudorf-St. Piden, mit Abzweigung von St. Gallen nach Heiligkreuz (E. A. S. 26, 147); 4. Bundesratsbeschluss vom 7. Oktober 1910 betreffend Ausdehnung der Konzession der Trambahn St. Gallen zum Zwecke der Portsetzung der Linie Bahnhof-Krontal bis zur Einmündung der Martinsbrücke (E. A. S. 26, 215); 5. Bundesratsbeschluss vom 13. April 1911 betreffend Ausdehnung der Konzession der Trambahn St, Gallen auf die Linie Union-Teufener Strasse (E. A. S. S7, 94); 6. Bundesbeschluss vom 14. Februar 1920 betreffend Änderung der Konzession der elektrischen Trambahn in St. Gallen und Umgebung (E. A. S.

36, 17).

III.

Der Bundesrat ist mit dem Vollzug der Vorschriften dieses Beschlusses, der rückwirkend auf l, Januar 1945 in Kraft tritt, beauftragt.

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1945

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12

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4744

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07.06.1945

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683-690

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