Jahresbericht 2012 der Parlamentarischen Verwaltungskontrolle Anhang zum Jahresbericht 2012 der Geschäftsprüfungskommissionen und der Geschäftsprüfungsdelegation der eidgenössischen Räte vom 24. Januar 2013

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Die Aktivitäten der PVK im Jahr 2012 auf einen Blick Im Laufe des Jahres 2012 sind zwei Evaluationen der Parlamentarischen Verwaltungskontrolle (PVK) veröffentlicht und vier neue Untersuchungen gestartet worden.

Zudem hat die PVK auf Beschluss der Geschäftsprüfungskommissionen der eidgenössischen Räte (GPK) die 2010 sistierte Evaluation Wahl des obersten Kaders durch den Bundesrat fortgesetzt. Ferner hat sie im Berichtsjahr verschiedene Stellungnahmen für Nachkontrollen der GPK verfasst sowie Themenvorschläge für das Jahresprogramm 2013 der GPK ausgearbeitet.

Abgeschlossene Untersuchungen Der Evaluation der strategischen Steuerung der Sozialversicherungen durch den Bundesrat liegt die Fragestellung zugrunde, welche Steuerungsmöglichkeiten der Bundesrat in den Sozialversicherungen hat und inwiefern er eine angemessene Steuerung der Sozialversicherungen vornimmt. Die Evaluation kommt zum Schluss, dass die strategische Steuerung durch den Bundesrat insgesamt gut funktioniert, stellt aber auch fest, dass in verschiedener Hinsicht Optimierungsbedarf existiert. So bestand für die strategische Analyse, also für die Lageanalyse und Früherkennung im Bereich der Sozialversicherungen, kein übergeordnetes, systematisches Vorgehen. Insbesondere machte der Bundesrat zu wenig prospektive Wirkungsanalysen.

Zudem war bis 2011 in keinem der untersuchten Bereiche (AHV, IV, Berufliche Vorsorge und Krankenversicherung) eine explizite Strategie ausformuliert. Soweit vorhanden, mussten die Elemente einer Strategie aus verschiedenen Dokumenten (Botschaften, Grundsatzentscheide usw.) rekonstruiert werden. Dabei hat sich gezeigt, dass strategische Ziele zwar vorhanden, jedoch grösstenteils sehr allgemein formuliert und vor allem nicht priorisiert waren. Weiter konzentrierte sich der Bundesrat sehr stark auf die Weiterentwicklung der Gesetzgebung. Ausführungsbestimmungen verwendete er vergleichsweise wenig als Instrument der strategischen Steuerung.

Damit schöpfte er seinen Handlungsspielraum, den er insbesondere bei der Krankenversicherung hat, nicht umfassend aus. Bezüglich der Rolle des Bundesratskollegiums weisen die Ergebnisse der Evaluation darauf hin, dass sich der Bundesrat als Kollegialbehörde im Untersuchungszeitraum nicht aktiv und systematisch mit der Weiterentwicklung der Sozialversicherungen befasst haben
dürfte.

In den 1990er-Jahren wurden die Bundesunternehmen Post, Swisscom und SBB verselbständigt. Gleichzeitig wurden die Märkte, in denen diese Unternehmen tätig sind, teilweise geöffnet. Vor diesem Hintergrund stellt die Untersuchung der Praxis des UVEK in der Steuerung von Post, Swisscom und SBB die Frage, wie der Bund unter diesen veränderten Bedingungen seine verselbständigten Unternehmen steuert. Die von Professor Reto Steiner (Universität Bern) durchgeführte Studie gelangt zum Fazit, dass das Steuerungsmodell von der Konzeption her geeignet ist, die Unternehmen zu steuern, macht aber Vorbehalte gegenüber der Ausgestaltung in der Praxis. So sind die strategischen Ziele des Bundesrates sehr zahlreich, nicht immer stufengerecht und kaum priorisiert. Zudem werden mögliche Zielkonflikte nicht angesprochen. Vor diesem Hintergrund hat der Bund in mehreren Fällen in Entscheide der Unternehmen eingegriffen, obwohl diese den strategischen Zielen

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des Bundesrates nicht widersprachen. Damit hat der Bundesrat den Autonomiebereich der Unternehmen verletzt. Im Bericht werden hierzu etwa die Auseinandersetzungen um die Verteilzentren der Post oder das Industriewerk Bellinzona erwähnt.

Ein weiteres kritisches Ergebnis betrifft die Grundlagen, auf denen der Bundesrat die Zielerreichung bzw. die Performance der Unternehmen kontrolliert. Hervorzuheben ist hier, dass sein direkter Zugang zu den Unternehmensdaten rechtlich nicht gesichert ist.

Laufende Untersuchungen Aussenpolitische Themen wie zum Beispiel die schwierigen Verhandlungen mit Deutschland über ein Steuerabkommen oder den Flughafen Zürich sorgen immer wieder für Schlagzeilen. Nicht selten wird dabei auch die Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen beteiligten Departementen und Ämtern der Bundesverwaltung kritisiert. Die GPK haben bereits früher darauf hingewiesen, dass die Koordination der schweizerischen Aussenpolitik aufgrund der Internationalisierung zugleich schwieriger und dringlicher wird. Angesichts dieser Problematik haben sie die PVK beauftragt, die Stärken, Schwächen, Chancen und Risiken der interdepartementalen Zusammenarbeit in der Aussenpolitik zu eruieren. Die Untersuchungsergebnisse sollen der zuständigen Subkommission im Juli 2013 vorgelegt werden.

Seit das Abkommen über die Personenfreizügigkeit im Juni 2002 in Kraft getreten ist, hat die Einwanderung aus EU/EFTA-Staaten stark zugenommen. Dies führte zu einer politischen Debatte über Kosten und Nutzen der Personenfreizügigkeit sowie über die Möglichkeiten der Behörden, die Zuwanderung zu steuern. Vor diesem Hintergrund haben die GPK die PVK mit einer Evaluation zum Aufenthalt von Ausländerinnen und Ausländern unter dem Personenfreizügigkeitsabkommen beauftragt. Die Evaluation untersucht die Aufenthaltsverläufe der zugewanderten Personen. Zudem werden die Praxis der kantonalen Behörden beim Erteilen von Aufenthaltsbewilligungen sowie die Aufsicht des Bundes unter die Lupe genommen.

Vertieft geht die Evaluation der Frage nach, inwiefern die zugewanderten Personen Arbeitslosenentschädigung bzw. Sozialhilfe beanspruchen und insbesondere, ob dies Konsequenzen hat für ihren Aufenthalt. Die PVK wird ihren Bericht voraussichtlich im November 2013 der zuständigen Subkommission präsentieren.

Die Besetzung von Topkaderstellen
des Bundes hat in den vergangenen Jahren heftige Kontroversen ausgelöst. Vor diesem Hintergrund beauftragten die GPK die PVK am 23. Januar 2009 mit einer Evaluation zur Wahl des obersten Kaders durch den Bundesrat. Diese Evaluation musste jedoch abgebrochen werden, da gemäss Bundesrat die Informationsrechte der GPK nicht ausreichten, um die für diese Untersuchung erforderlichen Auskünfte einzuholen. Die Bestimmungen über die Informationsrechte sind inzwischen präzisiert worden und in revidierter Fassung seit dem 1. Januar 2012 in Kraft, wodurch die Evaluation neu lanciert werden konnte. Untersuchungsgegenstand sind nun die gesamten Ernennungen von Topkadern, die der Bund im Jahr 2012 vorgenommen hat. Die Ergebnisse der PVK sollen der zuständigen Subkommission im Juli 2013 vorgelegt werden.

Zum Beizug externer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Bundesverwaltung stellen sich Fragen in Bezug auf die Bedeutung, die Transparenz und die Zweckmäs-

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sigkeit dieser Praxis. Daher haben die GPK die PVK mit einer Untersuchung über die externen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Bundesverwaltung beauftragt. Die Evaluation soll anhand von Fallstudien in ausgewählten Verwaltungsstellen erstens aufzeigen, wie die Transparenz des Beizugs externer Mitarbeitender zu beurteilen ist. Zweitens geht sie der Frage nach, wie es mit der Gleichbehandlung von externen und internen Mitarbeitenden steht. Drittens prüft sie, ob die Strategie zweckmässig ist, welche die Ämter beim Einsatz externer Arbeitskräfte verfolgen.

Der zuständigen Subkommission soll der Bericht im November 2013 vorgestellt werden.

Rund ein Fünftel der gesamten Kosten der obligatorischen Krankenpflegeversicherung sind auf die Medikamentenversorgung zurückzuführen. Damit ein Arzneimittel von der obligatorischen Krankenversicherung (OKP) vergütet wird, muss es vom Bundesamt für Gesundheit auf die Spezialitätenliste gesetzt werden. Die PVK wurde von der GPK mandatiert, die Prozesse der Zulassung und Überprüfung von Medikamenten in der OKP zu evaluieren. Die Untersuchung basiert auf einem Rechtsgutachten, einem internationalen Systemvergleich und einer systematischen Evaluation des Vollzugs der Zulassung wie auch der Überprüfung nach drei Jahren. Die Untersuchungsergebnisse sollen im Juni 2013 der zuständigen Subkommission vorgelegt werden.

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Inhaltsverzeichnis Die Aktivitäten der PVK im Jahr 2012 auf einen Blick

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Abkürzungsverzeichnis

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1 Die PVK, der Evaluationsdienst der Bundesversammlung

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2 Untersuchungen im Rahmen der parlamentarischen Oberaufsicht 2.1 Überblick zu den Untersuchungen 2.2 Abgeschlossene Untersuchungen 2.2.1 Steuerung der Sozialversicherungen durch den Bund 2.2.2 Praxis des UVEK in der Steuerung von Post, Swisscom und SBB 2.3 Laufende Untersuchungen 2.3.1 Interdepartementale Zusammenarbeit in der Schweizer Aussenpolitik 2.3.2 Aufenthalt von Ausländerinnen und Ausländern unter dem Personenfreizügigkeitsabkommen 2.3.3 Wahl des obersten Kaders durch den Bundesrat 2.3.4 Externe Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Bundesverwaltung 2.3.5 Zulassung und Überprüfung von Medikamenten in der obligatorischen Krankenpflegeversicherung

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3 Publikationen ausserhalb der Schriftenreihe der PVK, Vorträge und Lehrveranstaltungen

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4 Verwendung des Expertenkredits

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5 Neue Evaluationen im Jahr 2013

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Anhang Vorschläge der PVK für Evaluationen im Jahr 2013

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Abkürzungsverzeichnis AuG BAG BK BV EAK EDA EDI EFD EFV EJPD EVD FK-N FZA GPK GPK-N GPK-S IB KV OKP PVK RAV REMA SEVAL SR UVEK VBS WZW ZEMIS

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Bundesgesetz vom 16. Dezember 2005 über die Ausländerinnen und Ausländer (SR 142.20) Bundesamt für Gesundheit Bundeskanzlei Berufliche Vorsorge Eidgenössische Arzneimittelkommission Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten Eidgenössisches Departement des Innern Eidgenössisches Finanzdepartement Eidgenössische Finanzverwaltung Eidgenössisches Justiz- und Polizeidepartement Eidgenössisches Volkswirtschaftsdepartement (seit 1. Januar 2013: Eidgenössisches Departement für Wirtschaft, Bildung und Forschung, WBF) Finanzkommission des Nationalrates Freizügigkeitsabkommen (Abkommen über die Personenfreizügigkeit zwischen der Schweiz und der EU sowie den EFTA-Staaten, SR 0.142.112.681) Geschäftsprüfungskommissionen der eidgenössischen Räte Geschäftsprüfungskommission des Nationalrates Geschäftsprüfungskommission des Ständerates Integrationsbüro EDA/EVD (seit 1. Januar 2013: Direktion für europäische Angelegenheiten, DEA) Krankenversicherung Obligatorische Krankenpflegeversicherung Parlamentarische Verwaltungskontrolle Regionale Arbeitsvermittlungsstellen REengineering MAilprocessing (Reorganisation der Briefverteilung der Post) Schweizerische Evaluationsgesellschaft Systematische Rechtssammlung Eidgenössisches Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation Eidgenössisches Departement für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport Wirksamkeit, Zweckmässigkeit und Wirtschaftlichkeit Zentrales Migrationssystem

Bericht 1

Die PVK, der Evaluationsdienst der Bundesversammlung

Das Kerngeschäft der Parlamentarischen Verwaltungskontrolle (PVK) ist die Durchführung von Evaluationen. Diese stellen angesichts der zunehmend komplexen Aufgaben des Staates und der knappen öffentlichen Finanzen ein wichtiges Instrument der wirkungsorientierten Staatsführung dar. In Ergänzung zum klassischen Instrumentarium der politischen Kontrolle untersuchen Evaluationen die Konzeption, die Umsetzung und die Wirkungen staatlicher Massnahmen mit wissenschaftlichen Methoden. Die PVK führt Evaluationen im Auftrag der Geschäftsprüfungskommissionen der eidgenössischen Räte (GPK) durch und überprüft auf Antrag der Legislativkommissionen die Wirksamkeit von Massnahmen des Bundes.1 Im Weiteren übernimmt sie Kurzaufträge zur Abklärung spezifischer Fragen im Rahmen laufender Geschäfte der GPK. Zudem unterstützt die PVK die parlamentarischen Kommissionen auch bei der politischen Verarbeitung von Evaluationsergebnissen sowie bei Nachkontrollen und weist die GPK auf Themen hin, die einer vertieften Abklärung bedürfen.

Die Untersuchungsergebnisse der PVK finden in den Entscheidungsprozessen von Parlament und Exekutive vielerlei Verwendung. Die GPK haben aufgrund von PVK-Evaluationen zahlreiche Empfehlungen an den Bundesrat gerichtet oder Gesetzesänderungen angeregt. Die Evaluationen haben auch eine gewisse Langzeitwirkung. Aufgrund der differenzierten Informationen einer Wirksamkeitsprüfung können die GPK im Rahmen von Nachkontrollen besser beurteilen, ob die Regierung die festgestellten Defizite angemessen angegangen ist und nötigenfalls gesetzliche Massnahmen ergreifen. Die Evaluationsergebnisse werden zudem immer wieder in parlamentarischen Vorstössen und Debatten zitiert. In den letzten Jahren hat der Bundesrat in seinen Botschaften zur Begründung von Gesetzesrevisionen zunehmend auf Berichte der PVK verwiesen.

Die PVK-Berichte werden in der Regel veröffentlicht; sie können bei der PVK bestellt oder von ihrer Homepage2 herunter geladen werden. Weiterhin auf ihrer Homepage zu finden ist eine Internetpräsentation, die aus Anlass des 20-JahresJubiläums der PVK realisiert worden ist. Sie stellt die Arbeit der PVK anhand einzelner Evaluationen und Presseartikeln sowie mittels Statements aus Politik, Wissenschaft und Medien vor. In der Frühjahrssession 2012 hat die PVK in Anknüpfung an dieses Jubiläum im
Parlamentsgebäude einen Informationsstand gestaltet, um ihre Tätigkeit den neu- und wiedergewählten Ratsmitgliedern sowie einem weiteren Interessentenkreis bekannt zu machen.

Die PVK arbeitet auf der Basis von Einzelaufträgen der parlamentarischen Kommissionen. Sie ist Teil der Parlamentsdienste und administrativ dem Sekretariat der GPK unterstellt. In wissenschaftlicher Hinsicht ist die PVK selbständig und orien1

2

Aufgaben und Rechte der PVK sind in Artikel 10 der Verordnung der Bundesversammlung vom 3.10.2003 zum Parlamentsgesetz und über die Parlamentsverwaltung (Parlamentsverwaltungsverordnung, ParlVV; SR 171.115) umschrieben.

www.parlament.ch (> Organe und Mitglieder > Kommissionen > Parlamentarische Verwaltungskontrolle > Veröffentlichungen)

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tiert sich an den einschlägigen Standards der Evaluationsforschung. Sie koordiniert ihre Aktivitäten mit den anderen Kontrollorganen des Bundes (z. B. mit der Eidgenössischen Finanzkontrolle).

Zur Erfüllung ihres Auftrags steht der PVK ein interdisziplinär zusammengesetztes Team mit 430 Stellenprozenten zur Verfügung. Die PVK bzw. die von ihr beauftragten externen Expertinnen und Experten verfügen über weit reichende Informationsrechte. Sie verkehren mit allen Bundesbehörden, Amtsstellen und übrigen Trägern von Bundesaufgaben direkt und können von ihnen Auskünfte und Unterlagen einholen. Die Auskunftspflicht wird nicht durch das Amtsgeheimnis beschränkt.

Rechtliche Grundlage dieser umfassenden Informationsrechte sind Artikel 67 und Artikel 153 des Parlamentsgesetzes3 sowie Artikel 10 der Parlamentsverwaltungsverordnung.

2

Untersuchungen im Rahmen der parlamentarischen Oberaufsicht

2.1

Überblick zu den Untersuchungen

Im Berichtsjahr haben die GPK zwei Evaluationen der PVK veröffentlicht. Auf diese wird in Abschnitt 2.2. eingegangen. Die laufenden Untersuchungen werden in Abschnitt 2.3 vorgestellt. Es sind dies vier Evaluationen, welche die GPK bei der Festlegung ihres Jahresprogrammes am 27. Januar 2012 aus insgesamt zwölf Evaluationsvorschlägen der PVK4 ausgewählt haben: ­

interdepartementale Zusammenarbeit in der Schweizer Aussenpolitik,

­

Aufenthalt von Ausländerinnen und Ausländern unter dem Personenfreizügigkeitsabkommen,

­

externe Mitarbeiter/innen in der Bundesverwaltung,

­

Zulassung und Überprüfung von Medikamenten in der obligatorischen Krankenpflegeversicherung.

Zudem haben die GPK beschlossen, dass die PVK die folgende, 2010 sistierte Evaluation wieder aufnehmen soll: ­

3 4

Wahl des obersten Kaders durch den Bundesrat.

Bundesgesetz vom 13.12.2002 über die Bundesversammlung (Parlamentsgesetz, ParlG; SR 171.10).

Die zwölf Evaluationsvorschläge sind im Anhang des PVK-Jahresberichtes 2011 aufgeführt; BBl 2012 6873. Die PVK nimmt in die Liste der Evaluationsvorschläge sowohl eigene wie auch Vorschläge von Kommissionsmitgliedern auf.

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Tabelle 1 Übersicht Untersuchungen der PVK Untersuchung

Behandlung Subkommission

Interdepartementale Zusammenarbeit in der Schweizer Aussenpolitik Aufenthalt von Ausländerinnen und Ausländern unter dem Personenfreizügigkeitsabkommen Wahl des obersten Kaders durch den Bundesrat Externe Mitarbeiter/innen in der Bundesverwaltung Zulassung und Überprüfung von Medikamenten in der OKP

Juli 2013 November 2013 Juli 2013 November 2013 Juni 2013

2.2

Abgeschlossene Untersuchungen

2.2.1

Steuerung der Sozialversicherungen durch den Bund

Die Sozialversicherungen haben im Bundeshaushalt grosses finanzielles Gewicht und stehen seit geraumer Zeit vor grossen Herausforderungen. Weil zudem umstritten ist, welche Steuerungsmöglichkeiten der Bundesrat in den Sozialversicherungen hat und inwieweit er die Entwicklung der Sozialversicherungen strategisch steuert, hat die Geschäftsprüfungskommission des Ständerates (GPK-S) die PVK mit der Untersuchung der Steuerung der Sozialversicherungen durch den Bundesrat in den letzten beiden Legislaturperioden (Dezember 2003 bis März 2011) beauftragt. Die PVK hat die Evaluation gemeinsam mit INFRAS Forschung und Beratung (Zürich) und Büro Vatter, Politikforschung & -beratung (Bern) durchgeführt. Die GPK-S hat deren Ergebnisse Anfang April 2012 veröffentlicht.5 Gegenstand und Vorgehen Gegenstand der Untersuchung waren die strategische Analyse und die strategische Planung der einzelnen Sozialversicherungen durch den Bundesrat als Teil des gesamten politischen Steuerungsprozesses (vgl. Abbildung 1). Es wurde untersucht, welche Grundlagen der Bundesrat zur strategischen Analyse erarbeiten lässt und wie er auf dieser Grundlage die Weiterentwicklung der Gesetzgebung und den Erlass von strategisch relevanten Ausführungsbestimmungen (Verordnungen, Weisungen) strategisch plant. Geprüft wurde weiter die Umsetzung der strategischen Planung in verbindliche Erlasse, soweit diese im Kompetenzbereich des Bundesrates liegt (Verordnungsgebung). Schliesslich wurde auch Rolle und Einbezug wichtiger Akteure analysiert.

5

BBl 2012 8913

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Abbildung 1 Strategische politische Steuerung

Die Untersuchung ist hauptsächlich anhand von Fallstudien zur AHV, zur IV, zur Beruflichen Vorsorge (BV) und zur Krankenversicherung (KV) vorgenommen worden. Ergänzend wurde eine Grobanalyse der übrigen Sozialversicherungen (Arbeitslosenversicherung, Erwerbsersatzordnung, Ergänzungsleistungen zu AHV und IV, Familienzulagen, Unfallversicherung und Militärversicherung) durchgeführt.

Gesamtbeurteilung der strategischen Steuerung Mit der strategischen Steuerung der Sozialversicherungen soll der Bundesrat im Sinne seiner Staatsleitungsfunktion eine langfristig ausgerichtete, koordinierte, zielund wirkungsorientierte Weiterentwicklung der Bundespolitik anstreben. Die Fallstudien zeigen, dass die strategische Steuerung der AHV, der IV, der BV und der KV durch den Bundesrat insgesamt grundsätzlich positiv zu beurteilen ist. Der Bundesrat hat die sich in diesen Sozialversicherungen stellenden Herausforderungen grösstenteils rechtzeitig und angemessen erkannt, mehrheitlich aktiv kohärente Gesetzesrevisionen vorbereitet und seine Entscheide transparent kommuniziert.

Damit hat er seine Führungsverantwortung in wichtigen Steuerungsaufgaben überwiegend wahrgenommen und seinen Handlungsspielraum in der Weiterentwicklung der Gesetzgebung grösstenteils angemessen ausgeschöpft.

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Die strategische Steuerung der untersuchten Sozialversicherungen durch den Bundesrat weist jedoch bedeutende Schwächen auf: Erstens besteht bei den Datengrundlagen, der Forschung und prospektiv ausgerichteten Wirkungsanalysen Verbesserungsbedarf. Zweitens waren die grundlegenden Strategien des Bundesrates zur Bewältigung der längerfristigen Herausforderungen in den untersuchten Sozialversicherungen bis 2011 nicht ausreichend geklärt und dokumentiert. Drittens fehlte eine übergreifende ziel- und wirkungsorientierte Planung, insbesondere auch betreffend Ausführungsbestimmungen. Viertens verhielt sich der Bundesrat teilweise auf strategischer Ebene, bei der Weiterentwicklung der Gesetzgebung und beim Erlass von Ausführungsbestimmungen reaktiv und zu wenig vorausschauend.

Strategische Analyse Die Bundesbehörden verfügen über ein breites, grundsätzlich geeignetes und kohärentes Instrumentarium zur Analyse der Herausforderungen und der Auswirkungen von Massnahmen. Die Instrumente sind in den letzten Jahren ausgebaut und verfeinert worden. Der Bundesrat hat die sich stellenden strategischen Herausforderungen mehrheitlich rechtzeitig und angemessen erkannt. Bei den Analyseinstrumenten bestehen jedoch verschiedene Optimierungsmöglichkeiten, vor allem bei den Datengrundlagen (v. a. BV) und in der Forschung (v. a. AHV und BV), wobei die Entwicklung hier in die richtige Richtung zeigt. Verbesserungsmöglichkeiten bestehen auch bezüglich prospektiv ausgerichteter Wirkungsanalysen von geplanten und längerfristig in Betracht gezogenen Massnahmen. Zudem könnten sich die Bundesbehörden besser auf das Erkennen von dynamischen Entwicklungen (z. B. der Finanzmärkte) und deren Folgen für die Sozialversicherungen (v. a. BV) vorbereiten und wichtige politische Akteure (z.B. die Kantone) im Sinne der jüngsten Anstrengungen noch stärker und systematischer in die Erarbeitung der strategischen Analyse miteinbeziehen (v. a. KV). Zudem könnten die Ergebnisse der strategischen Analyse in einer periodisch aktualisierten Gesamtsicht dargestellt werden.

Strategische Planung Die strategischen Ziele des Bundesrates stimmen in hohem Masse mit den identifizierten Herausforderungen überein. Sie sind jedoch grösstenteils allgemein formuliert. Bei den Strategien des Bundesrates, d. h. bei der Definition von Stossrichtungen und möglichen
Massnahmen zur Erreichung der strategischen Ziele bestehen verschiedene Schwächen: Erstens verfügte der Bundesrat bis 2011 nicht über explizite, aktualisierte und öffentlich zugängliche Strategiepapiere.6 Zweitens sind die Strategien zur längerfristigen Weiterentwicklung der Gesetzgebung teilweise nicht geklärt. Beispielsweise sind die längerfristig erforderlichen Massnahmen zur Konsolidierung der AHV und der BV nicht klar. Drittens enthielten die strategisch relevanten Dokumente des Bundesrates bis 2011 kaum Aussagen zu den auf der Ebene der Ausführungsbestimmungen verfolgten Stossrichtungen. Bei den untersuchten Sozialversicherungen ist die Position des Bundesrates grösstenteils nur in Bezug auf die kurz- und mittelfristigen Gesetzesrevisionen klar. Viertens hat der Bundesrat teilweise reaktiv und wenig vorausschauend gesteuert. Insbesondere waren keine Strategien zur Bewältigung der Folgen einer negativen Entwicklung der Finanzmärkte vorbereitet (betrifft v. a. BV).

6

Das Strategiepapier des Bundesrates zur Gesundheitspolitik (Dokument des EDI vom 22. Juni 2011) ist im Juni 2011 publiziert worden.

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Die politische Planung des Bundesrates zur Konkretisierung und Etappierung seiner Strategie ist ebenfalls verbesserungsfähig. Insbesondere fehlte bis 2011 eine Planung, die neben den Gesetzesrevisionen auch den strategisch relevanten Spielraum bei den Ausführungsbestimmungen umfasst. Die Legislaturplanungen erfüllen die Anforderungen an eine ziel- und wirkungsorientierte Planung nicht.

Der Bundesrat hat die Weiterentwicklung der Gesetzgebung (Gesetzesrevisionen) nach der Ablehnung von vorangehenden Vorlagen oder als Reaktion auf sich verändernde wirtschaftliche Faktoren und parlamentarische Aufträge in der Regel sehr rasch geplant. Hervorzuheben sind insbesondere die umfassenderen Planungen von Gesetzesrevisionen nach Grundsatzentscheiden des Bundesrates (z. B. Richtungsentscheide zur AHV und zur IV aufgrund des «Panoramas der Sozialversicherungen» im Jahr 2004) und die rasche Erarbeitung der vom Parlament geforderten 6. IV-Revision. Zudem definierte er in der Regel die Ausrichtung, den Inhalt und die Etappierung der auszuarbeitenden Vorlagen. Damit hat er seine Führungsverantwortung in der Weiterentwicklung der Gesetzgebung grundsätzlich wahrgenommen.

Der strategisch relevante Handlungsspielraum des Bundesrates zum Erlass von Ausführungsbestimmungen ist in den untersuchten Sozialversicherungen sehr unterschiedlich. Die Kompetenzen des Bundesrates sind insbesondere in der KV von grosser strategischer Bedeutung. Der Bundesrat hat seinen Handlungsspielraum bei den Ausführungsbestimmungen jedoch zu wenig aktiv, vergleichsweise spät und noch zu wenig umfassend ausgeschöpft. Er hat grösstenteils auf politischen Druck reagiert und seine Möglichkeiten nicht systematisch ausgeschöpft.

Information über die strategische Analyse und Planung Die Bundesbehörden haben die Entscheide und die Ergebnisse der strategischen Analyse und Planung über Medienmitteilungen und Fachartikel systematisch kommuniziert. Hervorzuheben sind zudem die systematische Veröffentlichung der Grundlagen zu Gesetzesvorlagen (v. a. Berichte und Botschaften) und der direkte Kontakt mit wichtigen politischen Akteuren im Rahmen von parlamentarischen Beratungen, Anhörungen und Dialogen. Bei der Information besteht jedoch Verbesserungsbedarf: Erstens könnte eine Gesamtsicht der Ergebnisse der strategischen Analyse erarbeitet, periodisch
aktualisiert und veröffentlicht werden, z. B. im Rahmen einer entsprechend ergänzten Berichterstattung gemäss Artikel 76 des Bundesgesetzes über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts7. Zweitens könnte der Bundesrat seine Strategie zur Bewältigung der Herausforderungen in den untersuchten Sozialversicherungen dokumentieren, bei Bedarf aktualisieren und veröffentlichen. Drittens sollte der Bundesrat die Auswirkungen von geplanten Massnahmen in den Botschaften noch umfassender darstellen.

Rolle des Bundesratskollegiums Angesichts der grossen finanziellen und politischen Bedeutung der Sozialversicherungen für den Bund drängt sich eine aktive Rolle des Bundesratskollegiums auf.

Soweit aus den im Rahmen der vorliegenden Untersuchung zugänglichen Informationen ersichtlich, hat der Bundesrat als Kollegialbehörde die Weiterentwicklung der untersuchten Sozialversicherungen weder aktiv vorangetrieben noch sich kontinuierlich und systematisch damit beschäftigt.

7

Bundesgesetz über den Allgemeinen Teil der Sozialversicherungen (ATSG, SR 830.1).

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2.2.2

Praxis des UVEK in der Steuerung von Post, Swisscom und SBB

Im Zuge der Liberalisierungsbemühungen in der EU reformierte auch die Schweiz seit der zweiten Hälfte der neunziger Jahre verschiedene Infrastrukturmärkte, unter anderen den Postverkehr, den Telekommunikationsbereich und die Eisenbahnen.

Eine unterschiedlich weit gehende Öffnung der Märkte ging einher mit der Verselbständigung der bisherigen Bundesbetriebe. Mit der Verselbständigung sollten die Post, die Swisscom und die SBB die nötige Unabhängigkeit von der Politik und damit den nötigen Spielraum erhalten, um sich als starke, wettbewerbsfähige und nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen geführte Unternehmen in einem liberalisierten Umfeld zu behaupten. Post, SBB und Swisscom erbringen nach ihrer Ausgliederung aus der zentralen Bundesverwaltung weiterhin öffentliche Aufgaben.8 Der Bund bleibt deshalb Eigentümer (Post, SBB) oder Mehrheitsaktionär (Swisscom) und kann weiterhin direkt auf seine Unternehmen Einfluss nehmen.

Die Diskussionen zur Steuerung der drei Unternehmen bewegten sich bislang auf einer grundsätzlich-konzeptionellen Ebene. Eine empirische Analyse der Steuerungspraxis durch den Bund, welche Grundlage für die Weiterentwicklung der Public Corporate Governance bilden könnte, ist bislang ausgeblieben. Zudem fehlten Erkenntnisse über die Entwicklung der Leistungsfähigkeit nach der Ausgliederung.

Vor diesem Hintergrund hat die Geschäftsprüfungskommission des Nationalrates (GPK-N) die PVK mit der Untersuchung dieser Problematik beauftragt. Die PVK hat in der Folge Prof. Dr. Reto Steiner vom Kompetenzzentrum für Public Management (KPM) der Universität Bern mit einem Mandat für diese Evaluation betraut.

Dieser hat die Untersuchung in Zusammenarbeit mit weiteren Experten durchgeführt und ist verantwortlicher Autor des Expertenberichtes zuhanden der PVK, den die GPK-N im Frühling 2012 publiziert hat.9 Die betriebswirtschaftlich ausgerichtete Evaluation untersuchte zwei Fragestellungen: ­

Wie ist die konkrete Praxis des Bundesrates und der Verwaltung in der Eignersteuerung von Post, SBB und Swisscom zu beurteilen?

­

Wurden die Ziele der Verselbständigung erreicht, namentlich die Steigerung der Effizienz, Leistungs- und Wettbewerbsfähigkeit?

Rechtliche Konzeption der Eignersteuerung Formell beschränkt sich bei der Post, den SBB und der Swisscom die Eignersteuerung auf drei Instrumente:

8

9

Die Unternehmen sind auch wirtschaftlich von grosser Bedeutung. Der Umsatz der drei Unternehmen (Post: 8,7 Mia. CHF, SBB: 7,8 Mia. CHF, Swisscom 12 Mia. CHF) betrug im Jahr 2010 rund die Hälfte der Ausgaben des Bundes (60,5 Mia. CHF). Die Unternehmen beschäftigen fast dreimal mehr Mitarbeitende als die zentrale Bundesverwaltung (Anzahl Vollzeitstellen bei Post: 45 129, SBB: 28 143, Swisscom: 19 547 und Bundesverwaltung: 33 312). Vgl. Reporting Personalmanagement Bundesverwaltung 2010 des Bundesrates.

Praxis des Bundes bei der Steuerung von Post, SBB und Swisscom, Expertenbericht zuhanden der Parlamentarischen Verwaltungskontrolle vom 30. August 2011.

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­

Wahl des Verwaltungsrates: Der Bundesrat wählt die Verwaltungsräte der Unternehmen direkt (Post) oder über die Generalversammlung (SBB und Swisscom) und kann sie abberufen.10

­

Strategische Ziele (Eignerstrategie): Für alle drei Unternehmen legt der Bundesrat strategische Ziele fest. Mit den strategischen Zielen kann der Bund in seiner Rolle als Eigner ergänzend zur Gesetzgebung Einfluss auf die Aufgabenerfüllung ausüben und dabei den raschen Wandel im Tätigkeitsgebiet der Unternehmen Rechnung tragen. Diese Ziele können sowohl unternehmensbezogen (z. B. Gewinn- und Umsatzentwicklung) wie auch aufgabenbezogen (z. B. Entwicklung neuer Aufgabenschwerpunkte) sein.

Gemäss Corporate-Governance-Bericht11 sollen aufgabenbezogene vor allem zum Zuge kommen, wenn die Aufgabenerfüllung nur in den Grundzügen durch die Gesetzgebung und kaum durch den Markt bestimmt wird sowie in erheblichem Umfang aus Steuermitteln finanziert ist.12

­

Genehmigung von Geschäftsbericht und Rechnung: Im Rahmen der Genehmigung von Geschäftsbericht und Rechnung erstattet der Verwaltungsrat Bericht über das abgelaufene Geschäftsjahr sowie die Erreichung der strategischen Ziele des Bundesrates.

Praxis der Eignersteuerung Im Rahmen der Evaluation wurde von den externen Experten untersucht, wie die Instrumente der strategischen Ziele und der Berichterstattung in der Praxis angewendet werden.13 Der Bericht gelangt zum Fazit, dass das Steuerungsmodell von der Konzeption her geeignet ist, die Unternehmen als Eigner zu steuern, die Ausgestaltung aber Defizite und bei Krisen oder unerwarteten Vorkommnissen an Grenzen stösst. Folgende Punkte lassen sich dabei hervorheben: ­

10

11 12

13

Strategische Ziele: Die durch den Bundesrat gesetzten Ziele sind nicht immer stufengerecht formuliert und zum Teil systemfremd. Zudem setzt der Bundesrat einen ausgeprägten Fokus auf die zahlreichen aufgabenbezogenen Ziele, wobei das Verhältnis zu den unternehmensbezogenen Zielen unklar bleibt. Aufgabenorientierte Ziele stehen neben finanziellen Zielen und auf Zielkonflikte wird nicht eingegangen. Konflikte werden zwar in der Regel im konkreten Einzelfall geklärt, dazu fehlt aber eine generell-abstrakte Auslegeordnung.

Der Verwaltungsrat trägt als oberstes Führungsorgan der Unternehmen die volle Verantwortung gegenüber dem Eigentümer Bund und ist für die Umsetzung der Eignerstrategie in die Unternehmensstrategie zuständig.

Vgl. Bericht des Bundesrates zur Auslagerung und Steuerung von Bundesaufgaben (Corporate-Governance-Bericht) vom 13. September 2006.

Aufgrund eines Postulats der Finanzkommission des Nationalrates (FK-N, 07.3775) wurde die aufgabenbezogene Steuerung im 16. Leitsatz zur Corporate Governance des Bundes sogar stärker hervorgehoben. Das Parlament hat zudem die Bedeutung der strategischen Ziele als Instrument der Steuerung bestätigt, indem es auf der Grundlage einer Parlamentarischen Initiative der FK-N (07.494) die Möglichkeit gibt, dem Bundesrat neu Aufträge zur Festlegung oder Änderung strategischer Ziele zu geben und den Bundesrat verpflichtet, strategische Ziele für alle ausgelagerten Einheiten zu erlassen.

Nicht untersucht wurde aufgrund der parallelen Untersuchung zur Wahl oberster Kader durch den Bundesrat (vgl. Kapitel 2.3.3) das Instrument «Wahl des Verwaltungsrates».

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­

Kontrolle der Zielerreichung: Der Bundesrat kann sich bei der Kontrolle der Zielerreichung einzig auf die Daten der Unternehmen stützen. Zu diesen Daten hat der Bund keinen direkten Zugang. Diese Situation ist problematisch, weil die Berichterstattung ein Gegengewicht zur weitgehenden betrieblichen Autonomie bei der Umsetzung der strategischen Ziele bildet.

Dass der Kontrollierte die Kontrolle über die Kontrolldaten und der Bund keinen rechtlich garantierten Zugriff darauf hat, kann eine wirksame Überwachung gerade in Konfliktsituationen erschweren und das Risiko von Fehleinschätzungen erhöhen.

­

Weitere Steuerungsaktivitäten: Die tatsächliche Steuerungspraxis beschränkt sich nicht auf die im Gesetz explizit vorgesehenen formellen Instrumente.

Daneben haben auch regelmässige, weitgehend standardisierte Eignergespräche und informelle Kontakte zwischen den Unternehmen, der Verwaltung, aber auch zu Bundesratsmitgliedern einen wichtigen Stellenwert für die Steuerung der Unternehmen. Diese Praxis gefährdet die Trennung der Verantwortlichkeiten und die Autonomie, welche den Unternehmen innerhalb des Rahmens von Gesetzen und Strategie zukommt. Dies zeigt sich besonders deutlich an den fünf vertieft untersuchten Fällen14, die als eigentlicher Härtetest für die mit der Auslagerung angestrebten Trennung der politischen und unternehmerischen Verantwortlichkeiten angesehen werden können. In vier Fällen hat der Eigner (Bund) in Entscheide eingegriffen, bei welchen sich die Unternehmen durchaus im Rahmen der strategischen Ziele bewegten. Zum Beispiel hat er sich gegen die von der Post geplante Reduktion der Briefpostzentren von 18 auf 3 ausgesprochen oder nach dem Entscheid der SBB zur Schliessung des Industriewerks Bellinzona und dem nachfolgenden Streik einen runden Tisch zur (alternativen) Lösungsfindung eingesetzt. Damit hat der Bundesrat wohl die Autonomie der Unternehmen verletzt und in den Verantwortungsbereich der Verwaltungsräte eingegriffen.

Performanz der Unternehmen Der Expertenbericht gelangt zum Schluss, dass die Unternehmen ihre Effizienz, Leistungs- und Wettbewerbsfähigkeit seit der Ausgliederung verbessern konnten.15 Eine Steigerung hat insbesondere bei der Performanz aus Unternehmenssicht stattgefunden. Die finanziellen Kennzahlen haben sich bei allen drei Unternehmen auch im internationalen Vergleich positiv entwickelt. Bei den SBB muss einschränkend festgehalten werden, dass auch die Leistungen der öffentlichen Hand zugenommen haben und das Unternehmen ­ wie alle anderen europäischen Bahnunternehmen ­ ohne diese finanzielle Unterstützung in der heutigen Form nicht überlebensfähig wäre. Zudem ist das erwirtschaftete Ergebnis von SBB Cargo nach wie vor als sehr kritisch zu beurteilen. Die Leistungen der öffentlichen Hand an die SBB haben zwar 14

15

Zum Umgang der Entscheidungsträger mit unternehmens- und aufgabenbezogenen Zielsetzungen und möglichen Zielkonflikten sind fünf kritische Ereignisse genauer analysiert worden, nämlich bei der Post (1) die Reduktion der Anzahl Briefzentren im Rahmen des Projekts REMA und (2) die Reorganisation des Poststellennetzes, bei den SBB (3) die strategische Ausrichtung von SBB Cargo und (4) der Streik im Industriewerk Bellinzona sowie bei der Swisscom (5) die Auslandstrategie.

Dabei muss offen bleiben, ob und in welchem Masse diese Verbesserungen auf die Verselbständigung der Bundesbetriebe oder auf andere Faktoren (z.B. Marktentwicklung, technologische Entwicklungen) zurückzuführen sind.

3625

im internationalen Vergleich zu einer überdurchschnittlichen Zunahme der Laufkilometer geführt, aber noch nicht zu einer deutlichen Steigerung des Konzerngewinns.

Im internationalen Vergleich fällt gemäss Expertenbericht bei Post, den SBB und der Swisscom auf, dass die relativen Veränderungen bei verschiedenen Indikatoren geringer als bei anderen europäischen Vergleichsunternehmen ausgefallen sind. So war die Mitarbeiterproduktivität bei den SBB zwar in absoluten Zahlen betrachtet am höchsten, für die relative Veränderung traf dies jedoch nicht zu. Dies lässt sich mit den hohen Ausgangswerten erklären, welche eine deutliche Steigerung wohl erschweren.

Aus Sicht der Kunden hat sich gemäss Expertenbericht die Leistung der Bundesunternehmen ebenfalls positiv entwickelt, so insbesondere bei der Kundenzufriedenheit und Pünktlichkeit. Die Werte waren auch hier bereits bei der Ausgliederung hoch, weshalb die relativen Veränderungen eher gering sind. Schwierig gestaltet sich die Interpretation der Preisentwicklung bei Post und Swisscom.16 Kaufkraftbereinigt lagen die Preise bei der Swisscom im Bereich Mobiltelefonie im europäischen Mittelfeld und bei der Festnetztelefonie sogar deutlich darunter. Kaufkraftbereinigt befand sich die Post im internationalen Vergleich ebenfalls unter dem Durchschnitt vergleichbarer Länder. Ohne Kaufkraftbereinigung lagen die Preise hingegen sowohl bei Post als auch Swisscom deutlich höher als in den Vergleichsländern.

2.3

Laufende Untersuchungen

2.3.1

Interdepartementale Zusammenarbeit in der Schweizer Aussenpolitik

Der Chefredaktor der Handelszeitung schrieb anfangs Mai 2012 einen Kommentar mit dem Titel «Aussenpolitik: Formtief eines Superstars», wobei mit Superstar die Schweiz gemeint ist. Für Schlagzeilen sorgten in letzter Zeit unter anderem der Steuerkonflikt mit den USA und der Fluglärmstreit mit Deutschland. Auf Schweizer Seite sind in diesen beiden Fällen mehrere Bundesstellen involviert: beim US-Steuerstreit das Eidgenössische Finanzdepartement (EFD), das Eidgenössische Justizund Polizeidepartement (EJPD) und das Eidgenössische Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA), bei der Fluglärm-Problematik das Eidgenössische Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (UVEK) und das EDA.

Verschiedene Medien haben darauf hingewiesen, dass die Koordination zwischen den beteiligten Stellen in beiden Fällen nicht optimal funktioniert habe.

Die Diskussion über die ungenügende Koordination in der Schweizer Aussenpolitik ist nicht neu. Die GPK haben sich bereits zu Beginn der 1990er Jahre mit dem Thema befasst und festgestellt, dass die Koordination der Aussenpolitik aufgrund der Internationalisierung zugleich schwieriger und dringlicher werde. In einem Bericht zur Organisation des Aussennetzes des EDA im Jahr 2002 hat die GPK-N erneut konstatiert, dass die Zusammenarbeit unter den Departementen verbessert werden müsse, um eine kohärente Aussenpolitik zu gewährleisten. Der Bundesrat hat die Koordination und Kohärenz der Aussenpolitik im Jahr 2005 an einer Klausur 16

Bei den SBB sind Preisvergleiche wegen gänzlich unterschiedlicher Tarifsysteme nur schwer möglich.

3626

erörtert. Dabei hat er die Zuständigkeiten diskutiert und festgehalten, dass die aussenpolitische Strategie vom EDA vorbereitet und vom Bundesrat validiert werden solle.

Angesichts der bis heute aktuellen Problemlage haben die GPK die PVK am 27. Januar 2012 mit der Untersuchung der interdepartementalen aussenpolitischen Zusammenarbeit beauftragt. Erste Abklärungen der PVK haben gezeigt, dass die schweizerische Aussenpolitik ein relativ unübersichtliches Feld ist (vgl. Abbildung 2). Das EDA ist faktisch bei etlichen wichtigen aussenpolitischen Dossiers nicht federführend. Oftmals werden Geschäfte oder Themen in anderen Departementen und Ämtern betreut, die dafür teilweise auch eigene «Stellen für Internationales» geschaffen haben. Häufig unterbreiten die anderen Departemente aussenpolitische Geschäfte direkt dem Bundesrat, weshalb sich das EDA in diesen Fällen nur noch im Rahmen des Mitberichtsverfahrens äussern kann. Um die Zusammenarbeit der verschiedenen Akteure zu erleichtern, gibt es eine Vielzahl von Instrumenten, Vereinbarungen und Grundlagendokumenten (z.B. interdepartementale Zielvereinbarungen oder Sektorstrategien).

3627

Abbildung 2 Schweizer Aussenpolitik auf exekutiver Ebene

Quelle: PVK in Anlehnung an Tripet (2012)17 1 Integrationsbüro EDA/EVD (IB): seit 1. Januar 2013 Direktion für europäische Angelegenheiten, DEA; 2 Eidgenössisches Volkswirtschaftsdepartement: seit 1. Januar 2013 Eidgenössisches Departement für Wirtschaft, Bildung und Forschung, WBF.

Aufgrund der oben geschilderten Unübersichtlichkeit hat die zuständige Subkommission der GPK-N am 22. Juni 2012 entschieden, dass die PVK eine breite Bestandesaufnahme zur interdepartementalen Koordination in der Aussenpolitik vornehmen soll. Zu diesem Zweck hat die PVK rund 35 Personen, die an verschiedenen Stellen in der Bundesverwaltung für die interdepartementale Koordination von aussenpolitischen Themen und Geschäften zuständig sind, befragt. Um die Stärken, Schwächen, Chancen und Risiken der interdepartementalen Zusammenarbeit bei aussenpolitischen Geschäften zu erkennen, stehen die praktischen Erfahrungen dieser Personen und ihre Bewertung der interdepartementalen Zusammenarbeit in der Aussenpolitik im Zentrum. Es ist dagegen nicht Ziel der Evaluation, Zusammenar-

17

Vgl. Tripet F. M. 2012 Ein Instrument der parlamentarischen Mitwirkung im Bereich der schweizerischen Aussenpolitik: Die Information und Konsultation gemäss Art. 152 Parlamentsgesetz, Cahier de l'IDHEAP Nr. 270, S. 94.

3628

beitsprozesse in konkreten Themenbereichen oder Geschäften detailliert zu rekonstruieren und zu untersuchen.

Basierend auf einer Umfrage bei den Departementen hat die PVK in einem ersten Schritt rund 20 Bundesstellen bestimmt, die sich regelmässig mit aussenpolitischen Themen beschäftigen und dabei mit anderen Dienststellen zusammenarbeiten. Auf dieser Grundlage hat sie in einem zweiten Schritt die zu interviewenden Personen ausgewählt und zu ihren Erfahrungen in der interdepartementale Zusammenarbeit in der Aussenpolitik befragt. Bei der Durchführung der Gespräche wurde die PVK durch Dr. Nico van der Heiden vom Zentrum für Demokratie der Universität Zürich unterstützt. Nachdem die PVK die Gespräche systematisch ausgewertet und zusammengefasst sowie den Ergebnisbericht erstellt hat, soll dieser den beteiligten Verwaltungsstellen im Frühling 2013 zur Konsultation zugestellt werden. Die zuständige Subkommission der GPK-N wird sich voraussichtlich im Juli 2013 mit dem Bericht befassen.

2.3.2

Aufenthalt von Ausländerinnen und Ausländern unter dem Personenfreizügigkeitsabkommen

Seit zehn Jahren ist das Abkommen über die Personenfreizügigkeit zwischen der Schweiz und der EU sowie den EFTA-Staaten (Freizügigkeitsabkommen, FZA) in Kraft.18 In diesen zehn Jahren hat die Zuwanderung aus dem EU/EFTA-Raum stark zugenommen, während sie bei Drittstaaten praktisch konstant geblieben ist. Insgesamt sind gut doppelt so viele Personen in die Schweiz eingewandert wie in den zehn Jahren zuvor. Die Debatte über das Ausmass der Zuwanderung, ihren Nutzen und ihre Kosten ist in vollem Gange.

Vor diesem Hintergrund haben die GPK die PVK am 27. Januar 2012 mit einer Evaluation zum Aufenthalt von Ausländerinnen und Ausländern unter dem FZA beauftragt. Gemäss Entscheid der zuständigen Subkommission der GPK-N vom 18. Juni 2012 soll die Evaluation untersuchen, über welche Handlungsspielräume die kantonalen Behörden bei der Erteilung von Aufenthaltsbewilligungen gemäss FZA verfügen und wie der Bund seine Aufsicht wahrnimmt. Vor allem aber soll die PVK die Aufenthaltsverläufe der Zugewanderten untersuchen, also analysieren, zu welchen Zwecken die Personen einreisen, wie oft und zu welchem Zweck sie ihren Aufenthalt verlängern und ob Aufenthaltsbewilligungen allenfalls auch widerrufen werden.

Überdies wird bei der Evaluation im Rahmen von zwei Vertiefungsmodulen der Bezug von Arbeitslosenentschädigung und von Sozialhilfe zu untersucht, denn beides kann gemäss dem FZA eine Auswirkung auf das Aufenthaltsrecht der Personen

18

Das Abkommen über die Personenfreizügigkeit war Teil der bilateralen Verträge I und trat mit den «alten» EU-Staaten (EU-15) und den EFTA-Staaten am 1. Juni 2002 in Kraft.

2006 wurde es auf Zypern und Malta (sog. EU-17) sowie die acht osteuropäischen Staaten (EU-8), die 2004 der EU beitraten, ausgedehnt. 2009 folgte die Erweiterung auf Bulgarien und Rumänien (EU-2), die seit 2007 der EU angehören.

3629

haben.19 Abbildung 3 gibt eine grafische Übersicht über die Evaluationsgegenstände und die Untersuchungsmodule.

Abbildung 3 Aufenthalt unter dem FZA - Evaluationsgegenstand mit Modulen Vertiefungsmodul Arbeitslosigkeit

Aufenthaltsbedingungen je nach Aufenthaltszweck, Aufenthaltsdauer und Herkunftsstaat

Aufenthaltsbedingungen bei Arbeitslosigkeit

Aufenthaltsbedingungen bei Sozialhilfeabhängigkeit

Prüfung der arbeitsmarktlichen Voraussetzungen

Information über Arbeitslose Sozialhilfebehörden

Erteilung der Aufenthaltsbewilligungen

Arbeitslosenkassen/RAV

Prüfung der Bedingungen

Kantonale Arbeitsmarktbehörden

Bundesrat/BFM

Vertiefungsmodul Sozialhilfe

Rechtliche Bestimmungen zum Aufenthalt (FZA, AuG, Verordnungen, Weisungen)

Umsetzung ­ Kantone

Kantonale Migrationsbehörden

Regelung und Aufsicht ­ Bund

Grundmodul

Information über Sozialhilfebezüger

Aufenthaltswerdegänge von EU/EFTA-Staatsangehörigen

Auswirkungen Wirtschaft

Auswirkungen Staat

Wirkungen

Einkommen/Ausgaben der Sozialwerke Wachstum Wettbewerbsfähigkeit usw.

Belastung öffentlicher Infrastrukturen Steuereinnahmen usw.

Ausgaben der Arbeitslosenversicherung

Sozialhilfeausgaben

Legende: Dicke Pfeile: Hauptfokus der Evaluation. Kursive Schrift: nur begrenzte Aussagen durch Evaluation zu erwarten. Abkürzungen: vgl. Abkürzungsverzeichnis.

19

Die GPK-N hat am 9. November 2012 entschieden, dass vorhandene Daten zum Bezug von Invalidenrenten in die Evaluation einbezogen werden sollen. Da Invalidenrentenbezüge allerdings nicht relevant sind für das Aufenthaltsrecht gemäss FZA, wird dieser Thematik kein eigenes Untersuchungsmodul gewidmet.

3630

Methodisch werden bei der Untersuchung in erster Linie bestehende Verwaltungsdaten ausgewertet. Anhand der Daten aus dem Zentralen Migrationssystem (ZEMIS), in dem sämtliche Aufenthaltsbewilligungen erfasst sind, werden die Aufenthaltsverläufe der zugewanderten EU/EFTA-Staatsangehörigen rekonstruiert.

Daraus lassen sich sowohl Rückschlüsse auf die Umsetzung der rechtlichen Vorgaben machen als auch Anhaltspunkte zu den Auswirkungen des FZA auf Wirtschaft und Staat gewinnen. Im Rahmen der Vertiefungsmodule ist eine Verknüpfung der Daten aus ZEMIS mit anderen Datenbanken vorgesehen. Aufbauend auf die statistischen Auswertungen sind verschiedene qualitative Erhebungen vorgesehen, um die kantonale Behördenpraxis und die Aufsicht durch den Bund zu analysieren.

Die PVK hat für die statistischen Auswertungen ein externes Mandat an die Arbeitsgemeinschaft der Berner Fachhochschule und der Interface GmbH, Luzern, vergeben. Es ist geplant, dass die Evaluationsergebnisse der zuständigen Subkommission der GPK-N im November 2013 vorgelegt werden.

2.3.3

Wahl des obersten Kaders durch den Bundesrat

Die Besetzung von Topkaderstellen des Bundes hat in den vergangenen Jahren heftige Kontroversen ausgelöst. Ein Beispiel dafür ist die ­ von den GPK untersuchte ­ Ernennung von Armeechef Roland Nef, der wenige Monate nach seinem Amtsantritt bereits wieder demissionierte.

Vor diesem Hintergrund beauftragten die GPK die PVK am 23. Januar 2009 mit einer Evaluation zur Wahl des obersten Kaders durch den Bundesrat. Diese Evaluation musste jedoch abgebrochen werden, da gemäss Bundesrat die Informationsrechte der GPK nicht ausreichten, um die für diese Untersuchung erforderlichen Auskünfte einzuholen. Die Bestimmungen über die Informationsrechte sind inzwischen präzisiert worden und in revidierter Fassung seit dem 1. Januar 2012 in Kraft.

Auf Antrag der zuständigen Subkommission beauftragten die GPK die PVK am 27. Januar 2012, die Evaluation mit einer neuen Fallauswahl wiederaufzunehmen.

Gegenstand der Evaluation ist das gesamte Stellenbesetzungsverfahren für das oberste Kader. Dieses Verfahren beginnt mit der Bedarfsanalyse auf Departementsebene und umfasst des Weiteren die (allfällige) Ausschreibung, die Auswahl einer Kandidatin oder eines Kandidaten sowie den entsprechenden Wahlvorschlag an den Bundesrat und endet mit dem Beschluss des Bundesrates in dieser Sache (Abbildung 4). Mit der Evaluation sollen insbesondere die beiden folgenden Fragen beantwortet werden: Ist das Verfahren zur Wahl des obersten Kaders der Bundesverwaltung zweckmässig? Gewährleisten die einschlägigen Rechtsgrundlagen eine angemessene Durchführung des Stellenbesetzungsverfahrens?

3631

Abbildung 4 Verfahren zur Wahl des obersten Kaders

Zur Beantwortung dieser Fragen untersucht die PVK rund 30 Auswahlverfahren aus dem Jahr 2012. Dabei führt sie Gespräche mit den Generalsekretariaten der Departemente und mit der Bundeskanzlei sowie Dokumentenanalysen durch. Ebenfalls geprüft werden die dem Bundesrat unterbreiteten Anträge sowie dessen Beschlüsse. Die daraus gewonnenen Informationen werden verglichen mit 45 Ernennungen von Topkadern durch den Bundesrat im Zeitraum von 2009 bis 2011 sowie mit 14 Ernennungen von Kadern, für die nicht der Bundesrat zuständig war.

Die Ergebnisse der Evaluation sollen der zuständigen Subkommission der GPK-N im Juli 2013 vorgelegt werden.

2.3.4

Externe Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Bundesverwaltung

In der Bundesverwaltung nehmen externe Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ähnliche Aufgaben wahr wie das öffentlich-rechtlich angestellte Personal. Dabei stellen sich allerdings verschiedene Fragen in Bezug auf die Bedeutung, die Transparenz und die Zweckmässigkeit dieser Praxis. Diese bei externen Firmen und Organisationen (z. B.

Universitäten) angestellten oder auch selbstständigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter erscheinen nämlich nicht in den Personalstatistiken des Bundes. In der Rechnung werden die entsprechenden Kosten nicht als Personal-, sondern als Sachaufwand ausgewiesen. Es ist deshalb durchaus denkbar, dass Personalengpässe und Kürzungen im Personaletat auf diesem Weg kompensiert werden. Es ist umstritten, ob der Einsatz externer Arbeitskräfte aus der Sicht des Bundes vorteilhaft ist, vor allem, wenn sich solche Vertragsverhältnisse über längere Zeit erstrecken. Zudem ergeben sich für Externe, obschon sie ähnliche Aufgaben wie Bundesangestellte wahrnehmen, Unterschiede in Bezug auf deren Bezahlung, Arbeitsbedingungen und rechtliche Stellung. Entsprechend sind die Vertragsverhältnisse unterschiedlich ausgestaltet.

Im Rahmen der Inspektion der GPK-S über den Expertenbeizug in der Bundesverwaltung20 konnte die PVK in ihrer Evaluation21 aufzeigen, dass der Beizug externer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zumindest in bestimmten Ämtern (z. B. im Bun20

21

Umfang, Wettbewerbsorientierung und Steuerung des Expertenbeizugs in der Bundesverwaltung. Bericht der Geschäftsprüfungskommission des Nationalrates vom 13. Oktober 2006.

Expertenbeizug in der Bundesverwaltung. Bericht der Parlamentarischen Verwaltungskontrolle zuhanden der Geschäftsprüfungskommission des Ständerates vom 16. Juni 2006.

3632

desamt für Informatik) sehr verbreitet ist. Der Bundesrat lehnte es 2007 aber ab, die Ausgaben für den Personalverleih auszuweisen, wie die GPK-S es im Kontext der Untersuchung empfohlen hatte.

Angesichts dieser mangelnden Transparenz und der Problemhinweise haben die GPK die PVK am 27. Januar 2012 mit einer Untersuchung über die externen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Bundesverwaltung beauftragt. In ihrer Sitzung vom 29. März 2012 hat die zuständige Subkommission der GPK-S beschlossen, in zwei Etappen vorzugehen. Zunächst sollte die PVK eine Auswertung der quantitativen Daten durchführen und aufgrund deren Ergebnisse der Subkommission einen Vorschlag für das weitere Vorgehen vorlegen. An der Sitzung vom 17. Oktober 2012 hat die Subkommission in der Folge über die Ausführung der Evaluation entschieden.

Die PVK soll sich auf jene rund zehn Bundesämter konzentrieren, bei welchen aufgrund der quantitativen Indikatoren die grösste Wahrscheinlichkeit besteht, dass sie externe Arbeitskräfte in einem relevanten Umfang beschäftigen. Um die verschiedenen Praktiken der Bundesämter beim Beizug von externen Mitarbeitenden zu ermitteln, wird die PVK Gespräche in den Bundesämtern führen, die Mandats- und Dienstverträge auswerten sowie Abklärungen beim Personal vornehmen. In einem zweiten Schritt werden bei den Bundesämtern, in denen externe Mitarbeitende die grösste Bedeutung haben, folgende Evaluationsfragen im Rahmen von Fallstudien vertieft untersucht werden: ­

Wie ist die Transparenz des Beizugs externer Arbeitskräfte zu beurteilen?

­

Wie steht es mit der Gleichbehandlung von externen und internen Mitarbeitenden?

­

Wie ist die Zweckmässigkeit der Strategie zu bewerten, welche die Verwaltungsstellen beim Beizug externer Arbeitskräfte verfolgen?

Im Rahmen der Fallstudien wird die PVK Gespräche mit den Verantwortlichen des jeweiligen Bundesamtes führen und voraussichtlich auch externe Mitarbeitende und gegebenenfalls Personalvermittler befragen. Der zuständigen Subkommission der GPK-S soll der Bericht im November 2013 präsentiert werden.

2.3.5

Zulassung und Überprüfung von Medikamenten in der obligatorischen Krankenpflegeversicherung

Nach Jahren des Anstiegs der Medikamentenkosten zulasten der obligatorischen Krankenpflegeversicherung (OKP) stagnierten die Ausgaben im Jahr 2010 erstmals.

Mit jährlich knapp fünf Milliarden Franken machen sie jedoch nach wie vor etwa ein Fünftel der gesamten Kosten der OKP aus. Damit ein Arzneimittel von der OKP vergütet wird, muss es vom Bundesamt für Gesundheit (BAG) in die sogenannte Spezialitätenliste aufgenommen worden sein. Für die Aufnahme des Medikamentes sind die Kriterien Wirksamkeit, Zweckmässigkeit und Wirtschaftlichkeit (WZW) ausschlaggebend. 2010 wurden rund achtzig Prozent der Medikamentenkosten von den Krankenversicherern übernommen, Tendenz steigend.

Der Prozessablauf der Zulassung und der Überprüfung ist in Abbildung 5 vereinfacht dargestellt. Das Gesuch zur Aufnahme eines Medikamentes in die Spezialitätenliste muss vom Lizenzinhaber eingereicht werden, sofern dieser Interesse an einer Ver3633

gütung durch die Krankenversicherer hat. Anschliessend wird das Gesuch durch das BAG beurteilt; ihm steht die Eidgenössische Arzneimittelkommission (EAK) beratend zur Seite. Die Empfehlung der EAK ist eine der Grundlagen, auf welche sich das BAG beim Entscheid zur Aufnahme des Medikamentes oder zur Ablehnung eines Gesuchs stützt. Bei einer Aufnahme wird gleichzeitig der zu vergütende Höchstpreis festgelegt. Die Gesuche zur Aufnahme von Generika werden in einem beschleunigten Verfahren, ohne den Einbezug der EAK, geprüft. Die WZW-Kriterien werden bei den zugelassenen Arzneimitteln nach drei Jahren überprüft.

Abbildung 5 Prozessablauf der Zulassung und der Überprüfung kassenpflichtiger Medikamente (vereinfacht) Akteure

Lizenzinhaber

Ablauf

Marktzugelassenes Arzneimittel

Eingabe Überprüfung alle drei Jahre

Eingang Gesuch

BAG

EAK

ordentliches Verfahren

beschleunigtes Verfahren

Begutachtung & Empfehlung an BAG WZW Kriterien nicht erfüllt

BAG Beurteilung Gesuche

WZW Kriterien erfüllt: Aufnahme in die Spezialitätenliste inkl. Höchstpreis

WZW Kriterien nicht erfüllt Überprüfung

WZW Kriterien erfüllt: Weiterführung / Preisanpassung

Die mit der Spezialitätenliste verbundenen Verfahren stehen von verschiedener Seite in der Kritik. So wird moniert, dass die Prüfung der Aufnahmekriterien durch das BAG und die EAK mangelhaft sei. Für eine adäquate Beurteilung lägen die nötigen Informationen von Swissmedic nicht vor. Weiter wurde der Vorwurf laut, dass viele Mitglieder der EAK im Abhängigkeitsverhältnis zur Pharmaindustrie stünden, weshalb Wirtschaftlichkeitsüberlegungen zu wenig berücksichtigt werden.

Vor diesem Hintergrund haben die GPK am 27. Januar 2012 die PVK mit einer Untersuchung hinsichtlich der Verfahren der Zulassung und Überprüfung kassenpflichtiger Medikamente beauftragt. Neben der Beurteilung der allgemeinen Verfahren hat die zuständige Subkommission der GPK-S entschieden, der Preisfestlegung speziell Beachtung zu schenken. Ein weiteres Augenmerk richtet sich auf die Zulassung der komplementärmedizinischen Arzneimittel sowie der Generika. Die Evalu-

3634

ation ergänzt eine Untersuchung der PVK zur Bestimmung und Überprüfung ärztlicher Leistungen in der OKP aus dem Jahr 2008.22 Die Evaluation basiert auf drei unterschiedlich ausgerichteten Teilen: ­

Der erste Teil analysiert die Qualität der zahlreichen Rechts- und Verwaltungsnormen, die den Verfahren der Zulassung und Überprüfung von Medikamenten zugrunde liegen. Das Rechtsgutachten wird durch Prof. Dr. Thomas Gächter von der Universität Zürich erarbeitet.

­

Die Evaluation des Vollzugs wird im zweiten Untersuchungsteil abgedeckt.

Anhand einer Analyse von ausgewählten Arzneimittel-Dossiers und leitfadengestützten Interviews mit beteiligten Akteuren evaluiert die PVK den Vollzug der rechtlichen Vorgaben. Die Zweckmässigkeit und die Anwendung der WZW-Kriterien wie auch die Kompetenzaufteilung zwischen dem BAG und der EAK stehen dabei im Zentrum des Interesses. Ebenfalls soll geprüft werden, welchen Einfluss die Verfahren in der Tendenz auf die Medikamentenpreise haben. Die PVK hat zu diesem Zweck rund zwanzig Gespräche mit Mitarbeitenden des BAG, mit EAK-Mitgliedern und mit Vertreterinnen und Vertretern von beteiligten oder direkt betroffenen Verbänden geführt. Dieser Evaluationsteil wird von Josef Hunkeler, einem früheren Mitarbeiter der Preisüberwachung, fachlich begleitet.

­

Kernstück des dritten Teils ist ein Vergleich zwischen dem System der Schweiz mit jenen in Deutschland, Niederlande und Österreich. Dabei steht die Frage im Zentrum, wie die Verfahren der Zulassung und Überprüfung kassenpflichtiger Medikamente in der Schweiz im Vergleich zu den Verfahren in diesen drei Ländern zu beurteilen sind. Die Analyse richtet sich nach der in der Wissenschaft gängigen Prozessaufteilung von «Begutachtung, Bewertung und Entscheidung»23 und diskutiert die vier Fälle aus diesem Blickwinkel. Der internationale Vergleich wird von Prof. Dr. Tilman Slembeck von der Universität St. Gallen durchgeführt.

Die Ergebnisse der drei Evaluationsteile werden von der PVK in einem Bericht zusammengeführt und voraussichtlich im Juni 2013 der zuständigen Subkommission der GPK-S vorgelegt.

3

Publikationen ausserhalb der Schriftenreihe der PVK, Vorträge und Lehrveranstaltungen

Um ihre Aktivitäten und Forschungsergebnisse auch in der interessierten Öffentlichkeit bekannt zu machen und methodische Fragen im akademischen Umfeld zur Diskussion zu stellen, publiziert die PVK in Fachzeitschriften. Im Berichtsjahr erschienen folgende Publikationen:

22 23

PVK, 2008, Bestimmung und Überprüfung ärztlicher Leistungen in der obligatorischen Krankenversicherung, 21.08.2008, BBl 2009 5589.

Assessment, Appraisal and Decision

3635

­

Andereggen, Céline (2012). Evaluation der Vernehmlassungs- und Anhörungspraxis des Bundes, in: LeGes, Gesetzgebung & Evaluation, 2012/1, S. 45­59;24

­

Ledermann, Simone (2012). Exploring the Necessary Conditions for Evaluation Use in Program Change, in: American Journal of Evaluation 2012 33(2), S. 159­178;

­

Sager, Fritz und Céline Andereggen (2012). Dealing With Complex Causality in Realist Synthesis: The Promise of Qualitative Comparative Analysis, in: American Journal of Evaluation 2012 33(1), S. 60­78.

Ausserdem war die PVK mit Vorträgen an universitären Lehrveranstaltungen und Fachtagungen präsent. Mitarbeitende der PVK referierten unter anderem im Rahmen ­

des OECD High-Level Parliamentary Seminar, Best Practices in Governance ­ The Role of Parliaments, Santiago de Chile (Thema: Methodologies of Law Evaluation. Experience of the Parliamentary Control of Administration, Switzerland),

­

des SEVAL-Jahreskongresses (Methodenatelier: «Wissenschaftlicher» bewerten in Evaluationen),

­

einer Lehrveranstaltung des politikwissenschaftlichen Seminars der Universität Luzern (Thema: Parlament, Bundesverwaltung und PVK),

­

der Vorlesung Politikevaluation an der Universität Bern (Gastvorträge zur Qualität und Nutzung von Evaluationen und zur PVK als Beispiel einer institutionalisierten Evaluationsstelle auf Bundesebene),

­

der Vorlesung Politikevaluation an der Universität Lausanne (Thema: Die Evaluation im Schweizer Parlament. Die Rolle der Parlamentarischen Verwaltungskontrolle),

­

des Masterstudiengangs «Action et politiques sociales» an der Haute école de travail social et de la santé, Lausanne. (Thema: Politikevaluation).

4

Verwendung des Expertenkredits

Für den Beizug externer Experten und Expertinnen hat die PVK im Berichtsjahr total 112 200 Franken verwendet. In Tabelle 2 ist die Aufteilung dieses Betrags auf die einzelnen Untersuchungen dargestellt.

24

Dieser Artikel findet sich auch auf der Webseite der PVK: www.parlament.ch (> Organe und Mitglieder > Kommissionen > Parlamentarische Verwaltungskontrolle > Veröffentlichungen>Andere Veröffentlichungen).

3636

Tabelle 2 Verwendung des Expertenkredits im Jahr 2012 Untersuchung

Aufwand in Fr.

Interdepartementale Zusammenarbeit in der Schweizer Aussenpolitik Aufenthalt von Ausländerinnen und Ausländern unter dem Personenfreizügigkeitsabkommen Zulassung und Überprüfung von Medikamenten in der OKP

5

Status

12 800 in Bearbeitung 57 100 in Bearbeitung 42 300 in Bearbeitung

Neue Evaluationen im Jahr 2013

Die neuen Evaluationen haben die GPK am 24. Januar 2013 aus insgesamt sechs Evaluationsvorschlägen25 ausgewählt, welche die PVK den GPK für das Jahresprogramm 2013 unterbreitet hat. Es handelt sich um folgende drei Untersuchungen:

25

­

Kooperationen der Schweizer Armee,

­

Sicherung landwirtschaftlichen Kulturlandes,

­

Sicherstellung der Unabhängigkeit von Regulierungs- und Aufsichtsorganen.

Vgl. Anhang. Diese sechs Anträge haben die Subkommissionen der GPK in einem ersten Schritt aus einer grösseren Auswahl von Themenvorschlägen ausgewählt.

3637

Anhang

Vorschläge der PVK für Evaluationen im Jahr 2013 EJPD/BK ­

Vorkehrungen zur Einhaltung rechtlicher Vorgaben in der Bundesverwaltung (Compliance)

­

Bundesrecht und grenzüberschreitende Kriminalität

EDA/VBS ­

Kooperationen der Schweizer Armee

­

Probleme in der Armeelogistik

EDI/UVEK ­

Sicherung landwirtschaftlichen Kulturlandes

­

Sicherstellung der Unabhängigkeit von Regulierungs- und Aufsichtsorganen

3638

Kontakt Parlamentarische Verwaltungskontrolle Parlamentsdienste CH-3003 Bern Tel. +41 31 323 09 70 Fax +41 31 323 09 71 E-Mail: pvk.cpa@parl.admin.ch www.parlament.ch > Organe und Mitglieder > Kommissionen > Parlamentarische Verwaltungskontrolle Originalsprachen des Berichtes: Deutsch und Französisch (Abschnitt 2.3.3) 3639

3640