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Botschaft des

Bundesrates an die Bundesversammlung, betreffend Ent-wurf eines Bundesgesetzes über Bau und Betrieb der schweizerischen Nebenbahnen.

(Vom 5. März 1897.)

Tit.

Mit Beschluß vom 26./28. Juni 1893 haben die eidgenössischen Räte den Bundesrat eingeladen, zu prüfen, ob nicht für die Nebenbahnen durch Gesetz oder Verordnung besondere Bestimmungen betreffend Bau und Betrieb aufzustellen seien.

Nachdem wir die angeregte Frage durch die Organe unseres Eisenbahndeparternentes und durch andere Sachverständige einläßlich haben untersuchen lassen, sind wir zum Schlüsse gelangt, daß es sich empfehle, die bestehende Gesetzgebung über das schweizerische Eisenbahnwesen durch Erlaß besonderer Bestimmungen für die Nebenbahnen zu ergänzen, welche bezwecken, deren Bau und Betrieb zu erleichtern. Eine solche Stellungnahme des Bundes zu gunsten der Nebenbahnen wird durch die bisherige Entwicklung des schweizerischen Eisenbahnwesens notwendig gefordert, was sich aus nachfolgenden Erwägungen ergiebt.

Das zur Vermittlung des großen Transitverkehres bestimmte Bahnnetz der Schweiz ist im wesentlichen fertig gestellt. Dasselbe ist nur noch zu ergänzen durch den Alpenübergang des Simplon im Westen und durch eine Verbindung des Kantons Graubünden, namentlich des Engadins, mit den ausländischen Bahnnetzen im Südosten. Ob der internationale Verkehr mit der Zeit sich derart

155 gestalten wird, daß uoch gewisse Abkürzungen des Hauptnetzes wünschbar werden, läßt sich heute nicht mit Sicherheit ermessen, ist aber jedenfalls nicht als eine dringende Aufgabe der Gegenwart zu betrachten.

Damit ist nun aber nicht gesagt, daß das schweizerische Bahnnetz für einmal als abgeschlossen anzusehen sei. Die Hauptlinien bestehen, es fehlen aber die vielen Verzweigungen, welche notwendig sind, um einerseits allen Gegenden des Landes die Vorteile der modernen Verkehrsmittel zugänglich zu machen und anderseits ·den Hauptbahnen eine stets zunehmende Alimentation zu sichern.

Wie die großen Nachbarstaaten in neuerer Zeit ihre Bauthätigkeit in Eisenbahnsachen in der Hauptsache darauf konzentrieren, durch Erstellung von Nebenbahnen und Kleinbahnen das ganze Land an die Hauptbahnen anzuschließen, so hat sich auch bei uns das Bestreben nach Begünstigung der Nebenbahnen geltend gemacht und neben dem angeführten Postulat 'vom 26./28. Juni 1893 in seitherigen weitern Kundgebungen der Bundesversammlung seinen offiziellen Ausdruck gefunden. Diese Bestrebungen sind unzweifelhaft berechtigt, und es dürfte überflüssig sein, des nähern auseinanderzusetzen, welche wirtschaftlichen Vorteile durch Eröffnung neuer Bahnverbindungen den bis jetzt auf der Seite liegenden Thälern zugewendet werden. Es ist längst statistisch nachgewiesen, wie viel billiger Personen und Güter mit der Bahn gegenüber dem Fuhrverkehr befördert werden können, wie viel rascher der Transport bewerkstelligt werden kann und wie sehr sich ein vorhandener kleinerer Verkehr hebt und sogar ganz neue Verkehre geschaffen werden, wenn die Vermittlung billiger und rascher stattfindet. Wenn ·es sich um bessere Verbindung mit wichtigern Verkehrscentren, mit größern Städten, handelt, werden sich die neuen Verkehrsbezieliungen sehr rasch entwickeln; die regere Entfaltung des wirtschaftlichen Lebens wird aber auch da nicht ausbleiben, wo der Anschluß abgelegener Thalschaften angestrebt wird. So manche Wasserkraft bleibt unbenutzt wegen Mangel an genügenden Verbindungen und die Industrie wird gewissermaßen gezwungen, sich an einzelnen Punkten zu konzentrieren, während bei größerer Verteilung im Lande herum einerseits billigere Arbeitskraft zu erlangen wäre, anderseits den Bewohnern dieser abgelegenen Gegenden Gelegenheit zu reichlicherem Erwerb
geboten würde. Ein wesentliches Hülfsmittel, die krankhafte Anschwellung der größern Städte einzudämmen und das Land vor Verarmung zu schützen, liegt in der Anlage zweckmäßiger Nebenbahnen, welche eine gesunde Décentralisation der Industrie fördern.

Trotz der zwingenden Logik, welche thunlichste Förderung der Nebenbahnen verlangt^ müssen wir aber konstatieren, daß deren

756 Erstellung bei uns sehr langsam vor sich geht. Der Hauptgrund ist wohl, daß der Verkehr, der diesen Bahnen zufällt, im Anfange naturgemäß ein kleiner sein wird, somit nur dann ausreicht, die Bahnunternehmung genügend zu alimentieren, wenn Anlagekapital und Betriebskosten niedrig bemessen werden können. Die Aussicht auf Rentabilität ist eine derart beschränkte, daß das Privatkapital sich selbstverständlich zurückhält und die unmittelbar interessierte Landesgegend selbst eintreten muß. Daher das Bestreben, die Förderung der Nebenbahnen dadurch zu bewirken, daß auf dem Wege der Gesetzgebung günstigere Bedingungen für Bau und Betrieb derselben geschaffen, durch Beschränkung der Bau- und Betriebskosten die Situation der bestehenden Bahnen verbessert und die vorteilhaftere Erstellung neuer ermöglicht werde.

So anerkennenswert diese Bestrebungen sind, darf anderseits nicht übersehen werden, daß nicht von der Abänderung von Detailpunkten das Heil erwartet werden darf; die Vorschriften für Erhaltung eines sichern Betriebes dürfen nicht außer acht gesetzt und die Anforderungen an die Erbauung richtig konstruierter Bahnen dürfen nicht unter das zulässige Maß herabgemindert werden, wenn nicht herbe Enttäuschungen eintreten sollen und eine vermeintliche Ersparnis beim Beginne des Betriebes einer unverhältnismäßigen Ausgabensteigerung nach kürzester Frist rufen soll.

Wenn die Frage der Nebenbahnen in der Schweiz richtig gelöst werden soll, dürfen wir uns auch nicht beeinflussen lassen vom zufälligen Ausgangspunkte der Bewegung unter den Nebenbahnen selbst, welche den Erlaß von Bau- und Betriebsvorschriften verlangen, indem sie sich über die Aufsichtsbehörde wesentlich in der Richtung beklagen, dieselbe verhindere mit schablonenhaften Maßregeln die Gestaltung eines billigen Betriebes und mache damit die finanzielle Situation der Nebenbahnen zu einer unhaltbaren.

Diese Forderung ist mit Eingabe vom März 1895 von 27 Nebenbahnen unter Bezugnahme auf das Postulat der Bundesversammlung vom 26./2S. Juni 1893 an unser Eisenbahndepartement gestellt worden, indem sie ,,Vorschläge betreffend besondere Bestimmungen über Bau und Betrieb von Nebenbahnen11 einreichten und eventuell den Erlaß gesetzlicher Vorschriften anregten. Es wird später nachzuweisen sein, daß die erhobenen Vorwürfe nicht gerechtfertigt sind.
Vorerst ist zu untersuchen, welches denn die Nebenbahnen seien, die durch die Gesetzgebung besonders zu berücksichtigen sind.

Die Antwort lautet nun für die Schweiz in der Regel einfach dahin, Nebenbahnen seien alle schweizerischen Eisenbahnen, die nicht dem Netze der sogenannten fünf schweizerischen Hauptbahnen, der Jura-Simplon-Bahn, der Centralbahn, der Nordostbahn, der Ver-

757 einigten Schweizerbahnen und der Gotthardbahn, angehören. Diese Antwort ist insofern richtig, als zu den Nebenbahnen allerdings diejenigen Linien nicht gezählt werden dürfen, welche den Durchgangsverkehr für Personen und Güter zu vermitteln haben. Der große Transitverkehr stellt bei der Personenbeförderung weitgehende Anforderungen bezüglich Schnelligkeit und Bequemlichkeit und bedingt daher eine sehr solide Bahnanlage, leistungsfähige Lokomotiven und den neuesten Anforderungen entsprechend konstruierte Wagen. Das Bedürfnis, das Wagenmaterial fremder Bahnen cirkulieren und im Austausch schweizerische Wagen auf fremde Bahnen übergehen zu lassen, fordert die Anpassung unseres Betriebsmaterials an die besten Konstruktionen des Auslandes, die Einführung all der Einrichtungen," welche nicht nur möglichste Sicherheit des Betriebs garantieren, wie kontinuierliche Bremsen u. s. w., sondern auch den Anforderungen der Transitreisenden an eigentlich luxuriöse Bedienung entsprechen, wie Schlafwagen, Speisewagen etc.

Es ist selbstverständlich, daß für die Bedienung des bloßen LokalVerkehrs eine Reihe der Anforderungen ohne Anstand wegfallen können, welche für den Transitverkehr im weitern und engern Sinne wünschbar sind. Im Lokalverkehr handelt es sich in der Regel um die Befahrung kleinerer Strecken, wo eine mäßige Geschwindigkeit ausreicht und eine Ausscheidung der Abteilungen für Raucher und Nichtraucher u. s. w. überflüssig ist. Die Verminderung der Fahrgeschwindigkeit gestattet aber sofort eine Reihe von Erleichterungen für'den Betrieb.

Ähnlich verhält es sich mit der Bedienung des Güterverkehrs.

Wo die gewaltigen Massen des Transitverkehrs zu bewältigen sind, müssen an die Bahnanlage und an das Rollmaterial höhere Anforderungen gestellt werden ; es empfiehlt sich, reine Güterzüge zu führen, was für die Bedienung eines kleinen Lokalverkehrs überflüssig ist und unnötige Kosten verursacht. Ebenso liegt es auf der Hand, daß für den kleinen Lokal verkehr die Stationseinrichtungen viel einfacher gehalten werden können, daß das Publikum mit seinen Ansprüchen an Wartelokale u. s. w. sich auf das Notwendigste zu beschränken hat etc.

Es wird somit vorerst daran festzuhalten sein, daß zu den Nebenbahnen nicht zu zählen sind die Bahnlinien, welche den Durchgangsverkehr mit dem Ausland für Personen und Güter
zu vermitteln haben. Dabei ist aber sofort darauf aufmerksam zu machen, daß Bahngesellschaften, welche mit ihren Linien diesen Durchgangsverkehr bedienen, gleichzeitig einzelne Bahnstrecken betreiben, welche lediglich für den Lokalverkehr bestimmt sind und ausschließlich den Charakter von Nebenbahnen haben; nicht die

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Firma der Gesellschaft ist das Maßgebende, sondern die Beschaffenheit der einzelnen Linien. Es wäre somit eine Ausscheidung nicht richtig, welche die Linie Herzogenbuchsee-Solothurn oder WohlenBremgarten gleich behandeln würde wie die Linie Aarau-Bern, weil zufällig alle drei von der nämlichen Bahnuuternehmung, der Cenlralbahn, betrieben werden.

Wenn so die thatsächliche Ausscheidung schon nach der negativen Seite nicht so einfach ist, wie es auf den ersten Blick scheinen könnte, gestaltet sich die Sache noch viel schwieriger, wenn eine positive Definition für die Nebenbahnen aufgestellt werden soll.

Man ist eben daran gewöhnt, die verschiedenartigsten Dinge unter den Begriff ,,Nebenbahnen" unterzubringen. Nebenbahnen wollen z. B. sein die Schweizerische Seethalbahn, die Emmenthalbahn, die Tößthalbahn und die Neuenburger Jurabahn, sobald sie Erleichterungen für den Betriebsdienst gegenüber der Aufsichtsbehörde beanspruchen; sie stellen sich aber als gleichberechtigte Hauptbahnen hin, wenn sie bezüglich der Verkehrsbedienung den sogenannten Hauptbahnen Konkurrenz machen. Als Nebenbahnen wollen ferner behandelt sein alle Specialbahnen, wie Zahnradbahnen, Drahtseilbahnen, sodann alle Bergbahnen, die nur während der Sommersaison im Betrieb stehen, unabhängig davon, ob sie nach Specialsystemen betrieben werden oder nicht. Einreihung in diese Kategorie verlangen ferner alle Straßenbahnen, ob normalspurig oder schmalspurig, und endlich auch noch alle städtischen Straßenbahnen.

Diese bloße Aufzählung, die nicht einmal erschöpfend ist, genügt, um nachzuweisen, daß die verschiedenartigsten Dinge zusammengefaßt werden, sodaß eine positive Definition für die Nebenbahnen nicht möglich ist. Es ist diesfalls zu erwähnen, daß die Unmöglichkeit einer Definition anderwärts ebenso sich herausgestellt hat, wie bei uns. Bei der Vorberatung des Gesetzes über Kleinbahnen, vom 28. Juli 1892, in den preußischen Kammern blieb das Suchen nach einer positiven Begriffsbestimmung erfolglos und es wurde nach mehrfachen Versuchen die Redaktion gewählt: ,,Kleinbahnen sind die dem öffentlichen Verkehre dienenden Eisenbahnen, welche wegen ihrer geringen Bedeutung für den allgemeinen Eisenbahnverkehr dem Gesetze über die Eisenbahnunternehmungen vom 3. November 1838 nicht unterliegen. Insbesondere sind Kleinbahnen der Regel nach
solche Bahnen, welche hauptsächlich den örtlichen Verkehr innerhalb eines Gemeindebezirkes oder benachbarter Gemeindebezirke vermitteln, sowie Bahnen, welche nicht mit Lokomotiven betrieben werden. Ob die Voraussetzung für die Anwendbarkeit des Gesetzes vom 3. November 1838 vorliegt, entscheidet auf Anrufen der Beteiligten das Staatsministerium.*

759 In Anlehnung an diese mehr negative Definition bestimmt das österreichische Gesetz über die Lokalbahnen und Kleinbahnen vom 1. Januar 1895: ,,Unter Kleinbahnen sind jene für den öffentlichen Verkehr bestimmten Lokalbahnen von ganz untergeordneter Bedeutung (normal- oder schmalspurige Zweigbahnen, Straßenbahnen mit Dampf- oder elektrischem Betrieb, ändern mechanischen Motoren oder animalischer Kraft, Seilbahnen u. s. vv.) zu verstehen, welche ohne Verbindung mit einer Eisenbahn höherer Ordnung oder lediglich mit einseitigem Anschlüsse an eine solche Bisenbahn ausschließlich den örtlichen Verkehr in einer Gemeinde oder zwischen benachbarten Gemeinden vermitteln und bezüglich welcher eine ihren Charakter alterierende Fortsetzung oder die Einbeziehung in eine Eisenbahn höherer Ordnung ausgeschlossen erscheint. Die Anerkennung einer Lokalbahn als Kleinbahn und die Konzessionserteiluug für dieselbe steht dem Staatsministerium zu."1 Auch diese Definition ist trotz der größern Detaillierung nicht präcis, da das Kriterium des zweiseitigen Anschlusses an Eisenbahnen höherer Ordnung so wenig ausreicht, eine genügende Unterscheidung zu geben, wie etwa der Hinweis auf die Spurweite ; es kann so gut normalspurige Nebenbahnen geben, wie Schmalspurbahnen, die einem großen Verkehr dienen. Trotz der gegebenen Anhaltspunkte hängt schließlich doch alles von der Einreihung durch das Staatsministerium ab. Ebenso verzichten auf eine Definition das französische Gesetz vom 11. Juni 1880 sur les chemins de fer d'intérêt local et les tramways und die Projekte für dessen Revision von 1893, sowie die belgischen Gesetze vom 28. Mai 1884 und vom 24. Juni 1885 sur les chemins de fer vicinaux. Dabei ist nicht zu übersehen, daß namentlich in Preußen und Österreich es sich darum handelte, drei Kategorien von Bahnen zu unterscheiden, die Hauptbahnen, die Lokalbahnen und die Kleinbahnen, und daher das Bedürfnis für genauere Definition ein größeres war, als bei uns, wo lediglich den Hauptbahnen, an die größere Anforderungen bezüglich Bau und Betrieb zu stellen sind, alle ändern entgegengesetzt werden. Für alle diese ist es nämlich gleich wünschenswert, daß nicht nur in Bezug auf die Vorarbeiten, den Bau und die Ausrüstung alle thunlichen Erleichterungen gewährt werden, sondern auch in Bezug auf den Betrieb von den für die Hauptbahnen
angeordneten Sicherheitsvorkehren und Verkehrsvorschriften insoweit Umgang zu nehmen ist, als dieses mit Rücksicht auf die besondern Verkehrs- und Betriebsverhältnisse, insbesondere die ermäßigte Fahrgeschwindigkeit zulässig ist. Weitgehende Vereinfachung und thunlichste Individualisierung in Berücksichtigung der konkreten Verhältnisse hat bei allen unsern Nebenbahnen gleichmäßig Platz zu greifen.

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Es genügt daher, wenn das Gesetz die Ausscheidung zwischen Hauptbahnen und Nebenbahnen ohne weitere-Specialisierung ausspricht und als charakteristisches Merkmal aufstellt einerseits die Bedienung des großen Durchgangsverkehrs für Personen- und Güterbeförderung, anderseits die Vermittlung des bloßen Lokalverkehrs und die Erfüllung von Specialzweeken, denen die Bergbahnen und ähnliche Unternehmungen dienen.

Dabei wird der Fall eintreten können, daß über die Einreihung einer Bahn Zweifel entstehen und widersprechende Ansichten vertreten werden. Hierfür muß eine Behörde als kompetent zum Entscheid erklärt werden. Da es sich wesentlich um die Beurteilung technischer Fragen handelt, erscheint die Zuständigkeit der Admininistrativbehörde als das richtige, und wird daher vorgeschlagen, den Entscheid dem Bundesrate zu übertragen. Damit befinden wir uns in Übereinstimmung mit dem von den ändern Staaten eingehaltenen Verfahren.

Der Begriff der Nebenbahnen, in dieser umfassenden Weise angewendet, kann nun keineswegs als Grundlage einheitlicher gesetzlicher Detailvorschriften oder gar einheitlicher Betriebsreglemente u. s. w. dienen, da eben die Individualität der einzelnen so verschiedenartigen Unternehmungen besonders zu berücksichtigen ist.

Es ist aber nicht zu übersehen, daß immerhin mehrfache Gesichtspunkte einheitlich für diese ungleichartigen Unternehmungen in Betracht fallen können, insbesondere insoweit als es sich um deren Beziehungen zu der Aufsichtsbehörde und zu den Hauptbahnen handelt. Gerade diese Beziehungen sind es aber, welche nur auf dem Wege der Gesetzgebung geordnet werden können, da hierfür Abänderungen bestehender gesetzlicher Normen erforderlich sind.

Wenn somit die gestellte Frage praktisch beantwortet werden soll, werden die gemeinsamen allgemeinen Gesichtspunkte von den separaten Einzelvorschriften für specielle Arten von Unternehmungen auszuscheiden sein, um ein brauchbares Resultat zu erreichen. Dabei muß der Grundsatz leitend sein, eine solche Beordnung ins Auge zu fassen, daß die Nebenbahnen lebensfähig werden.

Konzessionserteilung.

Bezüglich der Erteilung der Konzessionen bestehen für alle Bahnen einheitliche Vorschriften ; die Konzessionsgesuche sind mit den erforderlichen Nachweisen dem Bundesrate einzureichen, welcher den beteiligten Kantonsregierungen Gelegenheit giebt, sich über dieselben vernehmen zu lassen. Es folgt hierauf die Vorlage des Bundesrates an die Bundesversammlung, welche ausschließlich zur Konzessionserteilung befugt ist.

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Dieses Verfahren bedingt einen langsamen Geschäftsgang. Da die Bundesversammlung in der Regel nur zwei bis dreimal im Jahre zusammentritt, vergeht ein ziemlicher Zeitraum, bis die Gesuche überhaupt zur Behandlung kommen können; die Beratung der Vorlagen durch die beiden Räte erfordert wieder eine gewisse Zeiund veranlaßt zuweilen die Verschiebung der endgültigen Eiiedit gung von einer Session zur ändern.

Ferner ist zu konstatieren, daß die Behandlung dieser Konzessionsgesuche durch die eidgenössischen Räte zum größten Teile eine rein formelle ist. Die Vorschriften der Konzessionen müssen schon wegen der gleichmäßigen Behandlung aller Bewerber möglichst übereinstimmen; eine Abweichung von den hergebrachten Grundsätzen findet somit in der Regel nicht statt und es ist daher begreiflich, daß sich nur die Interessenten um diese Traktanden bekümmern. Trotz der summarischen Behandlung nehmen diese Gegenstände gleichwohl einen erheblichen Teil der zur Verfügung stehenden Zeit in Anspruch und belasten die Traktandenliste der Bundesversammlung.

Es erscheint daher zweckmäßig, der Bundesversammlung die Konzessionserteilung für die Nebenbahnen abzunehmen und dieselbe .dem Bundesrate zu überweisen, wenigstens in allen Fällen, in welchen keine widersprechenden Interessen vorliegen und es sich daher um einen rein formellen Akt handelt. Dabei ist allerdings vorzubehalten, daß der Bundesversammlung der Entscheid überall da gewahrt bleibt, wo Konflikte zwischen konkurrierenden Bewerbern bestehen oder wo Kantone Einsprache gegen die Konzessionserteilung erheben, und zwar ist es zweckmäßig, in solchen Fällen eine direkte Behandlung der Vorlage durch die Bundesversammlung eintreten zu lassen und nicht etwa bloß ein Rekursrecht an dieselbe zu eröffnen.

Um zu konstatieren, in welchen Fällen solche Anstände sich ergeben, sind die Konzessionsgesuche mit Ansetzung einer Einsprachefrist von vier Wochen im Bundesblatte zu veröffentlichen. Wenn innerhalb dieser Frist keine Einsprache angemeldet wird, erfolgt die Konzessionserteilung ohne weiteres definitiv durch den Bundesrat. Wenn dagegen Interessenten Einsprachen anmelden oder wenn eine beteiligte Kantonsregierung die Konzessionserteilung beanstandet, hat Vorlage an die Bundesversammlung zu erfolgen, welche in einem solchen Falle über die Kouzessionserteilung beschließt. In
gleicher Weise ist vorzugehen, wenn der Bundesrat die Erteilung einer Konzession verweigern will. Die Annahme unseres Vorschlages wird in den meisten Fällen eine raschere Konzessionserteilung ermöglichen, ohne daß irgend welche Rechte oder Interessen verletzt werden.

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Bei Nebenbahnen kann auch für Konzessionsübertragungen im Sinne des Art. 10 des bestehenden Eisenbahngesetzes vom 23. Dezember 1872 die Mitwirkung der Bundesversammlung in der Regel entbehrt werden und es genügt deren Eingreifen in bestrittenen Fällen.

Bahnbau.

Betrachten wir die E r s t e l l u n g der N e b e n b a h n e n , so ist die Forderung begründet, daß deren b a u l i c h e A n l a g e n sä einfach gehalten werden dürfen, als es der Charakter der jeweiligen Unternehmung erlaubt. Außer dieser allgemeinen Regel einheitliche Bau- und Konstruktionsvorschriften aufzustellen, geht aber schon deswegen nicht an, weil sich der Umfang der Anlagen eben durchaus nach dem zu erwartenden Verkehr zu richten hat, wenn dieselben rationell erstellt werden sollen. Eine Nebenbahn, welche in erster Linie dem Personenverkehr dient und nur einen ganz untergeordneten landwirtschaftlichen Güterverkehr zu vermitteln hat, ist eben anders zu konstruieren in Unterbau, Oberbau und Stationseinrichtungen, als eine solche, welche große Gütertransporte für eine bereits vorhandene oder in sicherer Aussicht stehende Industrie besorgen muß.

Bezüglich der Anforderungen, die in bautechnischer Hinsicht zu stellen sind, wird sich somit das Gesetz damit begnügen müssen, die Aufsichtsbehörde zu ermächtigen, nur das Notwendige zu verlangen und die Riehtungen zu bezeichnen, nach welchen eine andere Behandlung der Nebenbahnen als der Hauptbahnen einzutreten hat.

Dabei ist aber sofort der Vorbehalt beizufügen, daß eine durchaus solide und betriebssichere Anlage gefordert werden muß und nicht etwa auf Kosten dieser notwendigen Grundlage eines jeden Bahnbetriebes gespart werden darf.

In der oben erwähnten Eingabe der Nebenbahnen vom März 1895 werden bezüglich der Bahnanlage Vorschriften beantragt über Spurweite, Begrenzung des lichten Raumes, Einfriedigungen, Warnungstafeln, Stationseinrichtungen, Geleiseabstand auf den Stationen, Signale etc., ferner bezüglich des Rollmateriales Bestimmungen über dessen Beschaffenheit im einzelnen (Bauart der Lokomotiven, speciell der Lokomotivkessel, Konstruktion der Wagen u. s., w.) Es liegt nun auf der Hand, daß diese Vorschriften unmöglich für alle Nebenbahnen dieselben sein können. Das Gesetz müßte also entweder allgemeine Normen aufstellen und gleichzeitig die Aufsichtsbehörde ermächtigen,
alle möglichen Ausnahmen zu gestatten oder dasselbe müßte für jede Art von Nebenbahnen besondere Regeln festsetzen, was einer äußerst umfangreichen Anlage des Gesetzes rufen würde. Wenn schon für die Fixierung solcher rein technischer

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Verhältnisse an sich der Weg der Gesetzgebung sich nicht eignet und daher auch das Bundesgesetz über den Bau und Betrieb der Eisenbahnen vom 23. Dezember 1872 keineswegs solche Detailvorschriften erlassen, sondern sich mit Aufstellung der leitenden Grundsätze begnügt hat, kann von einer Festlegung solcher Vorschriften durch das Gesetz für die Nebenbahnen umsoweniger die Rede sein, als unter denselben die Specialbahnen mit besondern Betriebssystemen, wie Zahnradbahnen, Drahtseilbahnen, elektrische Bahnen inbegriffen sind, bei denen die technische Entwicklung noch weit mehr im Fluß ist, als bei den Normalbahnen. Da muß die Möglichkeit gegeben sein, den Fortschritten der Technik sich rasch anzupassen, was für den langsamen Weg der Gesetzesrevision ganz unthunlich ist. Es gilt dieses ebensowohl für die Anforderungen an .Unter- und Oberbau wie für diejenigen an die maschinellen Einrichtungen, an die verschiedenen Motorensysteme, an das Betriebsmaterial überhaupt. Durch gesetzliche Bindung solcher Regeln würde gerade der Schablone gerufen, welche so lebhaft angefochten wird. Hier ist nun speciell hervorzuheben, daß das Eisenbahndepartement innerhalb der bestehenden gesetzlichen Schranken schon .bisher das Möglichste gethan hat, der Individualität der verschiedenen Bahnsysteme gerecht zu werden. Wohl aber ist es angezeigt, daß die Aufsichtsbehörde gesetzlich ermächtigt wird, erleichternde Ausnahmen gegenüber dem Eisenbahngesetze von 1872 eintreten zu lassen und zwar in weiterm Umfange, als es bisher nach Art. 29, letzter Absatz, dieses Gesetzes gestattet war. Wenn auch in der Praxis thunlichste Rücksicht auf die speciellen Verhältnisse genommen wurde, fehlte hierfür eigentlich die gesetzliche Grundlage und diese ist in der Form allgemeiner Grundsätze zu geben.

Da ist es nun klar, daß für Bahnen mit kleinem Verkehr Unterund Oberbau schwächer konstruiert, die Stationsanlagen auf das Notwendigste reduziert werden können, daß Wartelokale und Einfriedigungen ganz wegfallen dürfen, je nach den örtlichen Verhältnissen. Auch die Anforderungen an die Ausrüstung der Personenwagen und an das Betriebsmobiliar sind herabzusetzen und die möglichste Einfachheit ist zu gestatten. In das Detail dieser Einrichtungen kann aber das Gesetz unmöglich sich einlassen.

Es genügt aber nicht, überflüssige Bauausgaben durch
Reduktion der bautechnischen Anforderungen zu vermeiden. Auch wenn diesfalls die engsten Schranken eingehalten werden, wird die A u f b r i n g u n g d e r e r f o r d e r l i c h e n G e l d e r meistens eine schwierige sein. Das wirksamste Mittel zur Hülfe wäre nun unzweifelhaft die Zusieherung einer entsprechenden S u b v e n t i o n d u r c h den B u n d und prinzipiell wäre gegen eine solche gewiß so wenig etwas

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einzuwenden, wie gegen Verwendung der Bundesgelder für Straßenbauten, Flußkorrektionen, Wildbachverbauungen u. s. w., indem deren wirtschaftlicher Nutzen für das ganze Land ebenso groß sein würde. Anderseits ist aber nicht zu verkennen, daß es sich mehr um die Befriedigung lokaler oder höchstens interkantonaler Wünsche und Interessen handelt, deren Berücksichtigung bisher in der Regel den Kantonen überlassen worden ist. Abgesehen davon, ob aus politischen Gründen der Übergang zu einem neuen Systeme wünschenswert erscheine oder nicht, liegt in der Schweiz eine Veranlassung zur Zuwendung erheblicher Zuschüsse des Bundes an Nebenbahnen nicht in gleicher Weise wie im Auslande vor, solange eine indirekte Kompensation für diese Zuwendungen fehlt. Wenn der Staat in Preußen, Sachsen, Bayern u. s, w. erhebliche Summen für die Nebenbahnen (Lokalbahnen, Vicinalbahnen, Sekundärbahnen, Kleinbahnen u. s. w.) auswirft, geschieht es namentlich auch darum, weil die Hauptbahnen im Besitze des Staates sich befinden und durch die Erstellung der Nebenbahnen dem Hauptnetze neuer Verkehr zugeführt wird. So lange daher bei uns die Hauptbahnen nicht verstaatlicht sind, wird an eine direkte Subventionierung nicht zu denken sein.

Die bestehenden Privatbahnen verhalten sich aber ablehnend oder doch wenigstens zögernd gegenüber den in ihrem Verkehrsgebiete entstehenden neuen Bahnen, weil sie öfter eine gewisse Verkehrsablenkung fürchten, welche die günstige Wirkung der Zuleitung neuen Verkehrs aufhebt, namentlich aber auch, weil sie die Subventionen an ändern Bahnen nicht dem Bauconto belasten dürfen.

Wenn sie die Subvention in der Form der Zeichnung von Aktien oder Obligationen leisten, ist eben zu befürchten, daß diese Wertschriften mit Rücksicht auf die zweifelhafte Situation der neuen Unternehmungen nicht im Nennwerte in der Bilanz belassen werden dürfen, sondern auf einen tiefern Kursstand abgeschrieben werden müssen. Findet die Unterstützung der Nebenbahnen aber in der Form einer direkten Subvention à fonds perdus statt, so darf dieselbe, zufolge bestimmter gesetzlicher Vorschrift, nicht auf Baurechnung getragen werden. Es müßten somit auf Grund der bestehenden Gesetzgebung alle diese Subventionen direkt auf Betriebsrechnung abgeschrieben oder den zu amortisierenden Beträgen beigefügt werden. Es liegt auf der Hand,
daß weder das eine noch das andere Verfahren für die Hauptbahnen einen besondern Anreiz zur Beteiligung an Nebenbahnen bilden kann. Daher empfiehlt es sieh, die Bestimmung zu treffen, daß S u b v e n t i o n e n à f o n d s p e r d u s , die von H a u p t b a h n e n an die Erstellung von Nebenbahnen geleistet werden, dem Bauc o n t o der erstem o h n e A b z u g belastet werden dürfen.

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Die Konsequenz einer solchen Bestimmung ist allerdings, daß beim konzessionsgemäßen Rückkauf der Bund mit diesen Beträgen belastet wird ; beim Rückkauf nach dem Anlagekapital direkt und beim Rückkauf nach dem kapitalisierten Reinertrag indirekt durch Entlastung der Betviebsreehnung von bezüglichen Abschreibungen.

Das Opfer, welches diesfalls vom Bunde zu bringen ist, wird aber ein verhältnismäßig kleines sein und fällt nicht in Betracht gegenüber den Leistungen, welche das Ausland, z. B. Frankreich, Belgien, Deutschland und Italien, für Ausgestaltung ihres Sekundärbahnuetzes bringen. Eine solche indirekte Unterstützung der Nebenbahnen durch Erleichterung der Finanzierung derselben, unter Beteiligung der Hauptbahnen, ist wirtschaftlich gewiß nur zu rechtfertigen.

Wir nehmen auch keinen Anstand, diese ausnahmsweise Belastung des Baucontos, im Widerspruche zu Art. 9 des Rechnungsgesetzes vom 27. März 1896, vorzuschlagen, welcher in litt, c diese Verrechnung von Subventionen oder Beiträgen an andere Eisenbahnen ausdrücklich untersagt. So richtig es ist, solche Beiträge grundsätzlich aus der Baurechnung zu entfernen, da sie in keinem Zusammenhang mit der Erstellung der subventionierenden Bahn stehen, kann unseres Erachtens eine Ausnahme von der Regel gemacht werden, um einen bestimmten volkswirtschaftlichen Nutzen, die Förderung der Nebenbahnen durch die Hauptbahnen zu erreichen.

Wir verhehlen uns dabei nicht, daß für den Fall des Rückkaufes, diese Subventionen von den Bahnen eigentlich nur vorgeschossen worden sind und vom Bunde rückerstattet werden müssen, wie wenn sie eine wirkliche Bauausgabe für die subventionierende Bahn wären. Aufrecht bleibt die Bestimmung des Art. 9, daß Subventionen à fonds perdus, die eine Bahn erhalten hat, von ihr nicht in die Bilanz aufgenommen werden dürfen.

Die nämlichen Grundsätze müssen Anwendung finden, wenn eine Nebenbahn Subventionen an eine andere Nebenbahn leistet.

Bahnbetrieb.

Was nun die Forderung um Gewährung günstiger B e t r i e b s b e d i n g u n g e n betrifft, so ist zu konstatieren, daß von den bereits bestehenden Nebenbahnen hierauf aus leicht begreiflichen Gründen der größte Nachdruck gelegt wird. Enthält doch der oben erwähnte, von 27 Nebenbahnen im März 1895 eingereichte Entwurf ,,besonderer Bestimmungen über Bau und Betrieb von Nebenbahnen 11
im wesentlichen Vorschläge zu einem Betriebsreglement. Dabei ist hervorzuheben, daß alle diese Postulate auf V e r m i n d e r u n g der B e t r i e b s k o s t e n abzielen. Dazu ist im allgemeinen zu bemerken, daß auch bei Nebenbahnen die finanziellen Rücksichten nicht in Bundesblatt, 49. Jahrg. Bd. 1.

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den Vordergrund gestellt werden dürfen, insoweit es sich um die Sicherheit des Betriebes und um die Vorsorge für das Personal handelt. Bezüglich der Anforderungen für eine genügende S i c h e r u n g d e s B e t r i e b e s ist zuzugeben, daß allerdings nicht Durchführung einer Schablone verlangt werden darf. Unrichtig ist aber der Vorwurf, daß bisher schablonenmäßig und bureaukratisch verfahren worden sei. Eine genaue und objektive Prüfung des bisherigen Verfahrens der Aufsichtsbehörde wird vielmehr den Nachweis leisten, daß dieselbe sich die Anpassung an den speciellen Charakter der einzelnen Nebenbahnen stets zur Pflicht gemacht hat.

Dabei versteht es sich von selbst, daß über Detailpunkte abweichende Ansichten in guten Treuen bestehen können ; es ist aber klar, daß im Zweifelsfalle die Sorge für vollständige Sicherheit in erster Linie maßgebend sein muß.

Ebenso selbstverständlich ist es, daß die Kräfte des P e r s o n a l s bei den Nebenbahnen gerade so gut gegen übermäßige Inanspruchnahme zu schützen sind, wie bei den Hauptbahnen. Befinden sich doch unter diesen Nebenbahnen solche, deren Betriebsweise an das Personal noch höhere Anforderungen stellt, als diejenige der Hauptbahnen ; wir verweisen nur auf den Betrieb der Bergbahnen. Da ist genaue Einhaltung der Ruhezeit und Schute gegen Überanstrengung gerade so notwendig, wie bei den Hauptbahnen. Wenn somit grundsätzlich an den Forderungen der bestehenden Gesetze nicht gemindert werden darf, wird dagegen die Aufsichtsbehörde in Zukunft so wenig wie bisher unterlassen, innerhalb des ihr durch das Gesetz gegebenen Spielraumes Ausnahmen von der Regel in Berücksichtigung besonderer Verhältnisse eintreten zu lassen.

Abgesehen von diesen zwei Gesichtspunkten der vollständigen Wahrung der Betriebssicherheit und der Fürsorge für das Personal ciebt es aber eine Reihe von Beziehungen, in denen der Gesetzgeber zu gunsten dos Betriebes der Nebenbahnen eintreten kann und darf. Je nach der Beschaffenheit der einzelnen Bahn können gegenüber den für die Hauptbahnen geltenden Vorschriften nach folgenden Richtungen Erleichterungen gewährt werden : Die Bahnbewachung und Bahnbegehung kann wesentlich vereinfacht werden ; eine Abschließung und Bewachung der Bahnübergänge ist bei mäßiger Fahrgeschwindigkeit überflüssig, unter Vorbehalt ausnahmsweise ungünstiger
lokaler Verhältnisse und starker Frequenz des Straßenverkehrs. Das Stationspersonal wird in Übereinslimmung mit den wenig umfangreichen Stationseinrichtungen in geringer Zahl genügen; Haltestellen bedürfen überhaupt kein ständiges Personal und auch der Dienst in den Stationen kann unter

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Umständea zum Teil Anwohnern der Bahn als Nebenbeschäftigung übertragen werden. Für die Komposition der Züge ist größere Mannigfaltigkeit zuzugestehen, unter anderai durch Weglassen des Schutzwagens. Die Ausstattung der Personenwagen kann einfacher gehalten und von der Forderung besonderer Coupés für Nichtraucher Umgang genommen werden. Zur Wagenbeleuchtung und Wagenbeheizung sind ältere und billigere Systeme zuzulassen. Bezüglich der Einführung kontinuierlicher Bremsen und der Zahl der zu bedienenden Handbremsen können je nach Umständen geringere Anforderungen gestellt werden. Das Zugsbegleitungspersonal darf thunlichst reduziert werden, und es genügt für kleine Züge ein Manu.

Die Bedienung der Lokomotive durch einen Mann kann ausnahmsweise unter besonders günstigen Verhältnissen gestattet werden.

Die Revision der Lokomotiven und Wagen ist in den der geringern Inanspruchnahme des Rollmaterials entsprechenden Intervellen vorzunehmen. Die Signaleinrichtungen können auf das Notwendigste beschränkt werden. Der Telegraph darf durch das Telephon ersetzt werden. Höchstens zwei Wagenklassen werden in der Regel genügen. Auf Anbringung von Abtritten und Gefangeneozellen in den Personen- und Gepäckwagen ist zu verzichten. Die Billetausgabe kann dem Zugspersonal übertragen werden. Die Abfertigung von Gepäck ist auf die Stationen zu beschränken ; falls solches auch auf Haltestellen aufgegeben wird, wird dasselbe erst auf der nächsten Station eingeschrieben. Der Güterverkehr wird auf die eigentlichen Stationen beschränkt.

Es versteht sich von selbst, daß diese Erleichterungen nicht ohne weiteres auf alle Nebenbahnen angewendet werden können.

Wo ein größerer Verkehr zu bewältigen ist, muß mehr Personal zu dessen Bedienung vorhanden sein als für einen kleinern. Für Specialbahnen sind ganz besondere Vorschriften erforderlich, für den Unterhalt und die Bewachung der Bahn sowohl wie für den Zugs- und Fahrdienst. Ebenso erfordern die besondern Verhältnisse der Straßenbahnen und namentlich der Tramways ausnahmsweise Bestimmungen. Es ist daher nicht möglich, diese Erleichterungen im Gesetze zu formulieren, vielmehr muß gerade in dieser Beziehung volle Individualisierung eintreten, welche der Aufsichtsbehörde auf dem Wege der Verordnung überlassen werden muß; das Gesetz hat nur die grundsätzliche Wegleitung zu geben.
Es kommen hier die nämlichen Gesichtspunkte zur Geltung.

auf welche schon bezüglich des Bahnbaues hingewiesen worden ist.

Der Eisenbahnbetrieb ist eben in fortwährender Umbildung und . Fortentwicklung begriffen, die steten Verbesserungen, die im Inund Auslande eingeführt werden, bedingen eine successive Änderung

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der Vorschriften, welche von der Aufsichtsbehörde zur richtigen Überwachung des Dienstes erlassen werden müssen. Wenn nun zur Weiterbildung solcher Vorschriften jeweilen eine Gesetzesänderung erforderlich wäre, würde geradezu geschaffen, was von den Interessenten so lebhaft befürchtet wird, bureaukratischer Stillstand.

Es kann auch aus diesem Grunde für diese Betriebsvorschriften nur die Form der Ausführungsbestimmungen, der Réglemente und Verordnungen gewählt werden.

Daß die zu erlassenden speciellen Verordnungen vom Bundesrat, beziehungsweise unserm Eisenbahndepartemente auszugehen haben, dürfte nicht anzufechten sein. Ob für deren Vorberatung eine eigene Dienstabteilung für Sekundärbahnen beim Eisenbahndepartemente einzurichten sei, hängt von der Organisation des letztern im allgemeinen ab und ist daher hier nicht zu erörtern. Dagegen muß die Anregung* der Eingabe der Nebenbahnen vom März 1895 bestimmt zurückgewiesen werden, es sei eine Expertenkommission zur Begutachtung von Anständen zwischen Bundesverwaltung und Eisenbahngesellschaften zu schaffen. Die Aufsichtsbehörde ist das zur Wahrung der Verkehrsinteressen bestellte Staatsorgan, dem die letztinstanzliche Entscheidung zustehen muß; dieselbe kann sich unmöglich in die Stellung einer Partei hinabdrücken lassen, welcher die Bahnen als gleichberechtigte Gegenpartei gegenüberstehen würden. Nachdem die Hauptbahnen seit dem Erlaß des Bundesgesetzes über Bau und Betrieb der Eisenbahnen vom 23. Dezember Ib72 darauf verzichtet haben, derartige unzulässige Prätentionen zu erheben, kann keine Rede davon sein, den Nebenbahnen eine solch privilegierte Stellung anzuweisen. Im Gesetze ist daher der Bundesrat als die Stelle zu bezeichnen, welche die verschiedenen Verordnungen für die Nebenbahnen erläßt.

Abgesehen von diesen Betriebsvorschriften im engern Sinne kann aber für die Nebenbahnen noch in aaderer Weise für finanzielle Erleichterung gesorgt werden.

Nach der bestehenden Gesetzgebung sind auch die Nebenbahnen z u r u n e n t g e l t l i c h e n B e f ö r d e r u n g d e r P o s t verpflichtet, soweit es.sieh um postregalpflichtige Sendungen handelt; diese Last ist keineswegs unerheblich, namentlich da, wo ein besonderer Postwagen in den Zug eingestellt werden muß und die Vermittlung der Posttransporte in dem Gepäckwagen nicht ausreicht. Nun ist
sicher, daß die Übernahme der Posttransporte durch eine Nebenbahn der Postverwaltung in der Regel nicht gewinnbringende Routen entzieht und sie daher nicht etwa finanziell schädigt, daß sie ihr vielmehr meistens solche Postverbindungen abnehmen wird, die nur mit Zuschüssen aufrecht erhalten werden

769 können. Wo die Verhältnisse so liegen, ist es aber gewiß nur gerechtfertigt, daß die Postverwaltung e i n e b i l l i g e E n t s c h ä d i g u n g f ü r d i e B e f ö r d e r u n g d e r P o s t l e i s t e t , insoweit es sich um selbständige Nebenbahnen und nicht um einzelne Nebenlinien der Hauptbahnen handelt. Dieses Verfahren wird z. B. in Preußen beobachtet. Es ist nur billig, daß der Bund den ihm erwachsenden Vorteil zum Teil wenigstens zu gunsten der Nebenbahnen verwendet und ihnen dadurch eine Unterstützung gewährt, ohne daß die Staatskasse geschädigt wird; der Gewinn, den sie durch Eröffnung der neuen Bahnlinie macht, wird nur etwas geringer.

Es empfiehlt sich, im Gesetze selbst die Grundsätze aufzunehmen, nach welchen die Entschädigung vom Bunde zu leisten ist. Eine volle Vergütung der bezüglichen Kosten durch die Postverwaltung an die Bahn, auch wenn dieselben auf die Selbstkosten beschränkt werden, erscheint nirht billig, indem die Gesichtspunkte, welche den Gratistransport für die Hauptbahnen rechtfertigen, auch für die Nebenbahnen in Betracht fallen, nur in verminderlern Maße.

Es geht auch nicht an, eine absolute Regel aufzustellen, da die Verhältnisse wesentlich verschieden sind. Die eine Nebenbahn ermöglicht die Aufhebung eines Postkurses, der nur Verlust gebracht hat, eine andere ersetzt eine rentable Touristenroute; die Möglichkeit muß also gegeben sein, diesen verschiedenen Verhältnissen Rechnung zu tragen. Wo z. B. der Postverkehr so bedeutend ist, daß er die Einstellung eines besondern Bahnpostwagens erfordert, umfaßt er zu einem erheblichen Teile nicht regalpflichtige Stücke, für deren Transport den Bahnen eine Entschädigung schon nach dem bestehenden Gesetze entrichtet wird ; er hat zudem einen Umfang, .welchem der verfügbare Raum im Gepäckwagen der Bahn nicht genügen würde, so daß zeitweise ein zweiter Gepäckwagen einzustellen wäre. Die Verwendung eines eigenen Bahnpostwagens, welcher von der Postverwaltung geliefert und unterhalten wird und ihr daher erhebliche Kosten verursacht, liegt somit im Interesse der Bahn und es darf ihr der Gratistransport des Postwagens wohl zugemutet werden. Dagegen empfiehlt es sich, auf anderer Grundlage indirekt eine Entschädigung für den Transport auch der regalpflichtigen Postgegenstände einerseits und für die Beförderung des
Postpersonals andererseits zu gewähren. Von den regalpflichtigen Gegenständen kann freilich die Briefyost außer Betracht fallen, da Gewicht und Volumen der Briefsendungen in den meisten Fällen sehr gering ist im Verhältnis zur Tragkraft und zum Räume der Bahngepäckwagen. Eine Belastung der Bahn bildet aber der Fahrpostverkehr. Wenn jedoch für den Transport der regalpflichtigen Fahrpoststücke eine besondere Entschädigung auf Grund der Selbst-

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kosten ausgerechnet werden wollte, würde eine weitläufige und komplizierte Ermittlung ein nur geringes Resultat ergeben. Es ist einfacher und dient auch deu Nebenbahnen besser, wenn die Entschädigung für den Transport der nicht regalpflichtigen Poststücke höher bemessen und denselben der volle Betrag der für die Bahnen geltenden Eilguttaxe, bezw. der höchsten Gütertaxe, und da, wo keine Gütertransporte stattfinden, der Gepäcktaxe zugestanden wird, und zwar auf dem Gesamtgewichte per Monat berechnet. Dieser Vorschlag enthält für die Nebenbahnen eine erhebliche Begünstigung, da denselben nach den bestehenden Vereinbarungen, gleich wie den Normalbahneo, für die Beförderung der nicht regalpflichtigen Fahrpoststücke nur 75% der Eilguttaxe vergütet werden; 25 °/o kommen in Abzug wegen der geringern Transportleistungen für diese Gegenstände im Sinne des Art. 19 des Eisenbahngesetzes, da sich die Bahnen mit den Speditionsformalitäten, der Überwachung, dem Aufund Abladen u. s. w. für dieselben nicht zu befassen haben. Diese 25 %, welche den Nebenbahnen nicht in Abzug gebracht werden sollen, bilden nun eine indirekte Entschädigung für die ändern Transporte. In der Regel wird es beiden Teilen dienen, auf dieser Grundlage eine Aversalsumme für die auszurichtende Entschädigung zu vereinbaren, was ausdrücklich vorbehalten wird.

Bezüglich der Beförderung der Beamten und Angestellten der Postverwaltung ist zu bemerken, daß die Gratisbeförderung auch vom Standpunkte der Billigkeit aus gerechtfertigt ist, da das Mitfahren des Postpersonals im Gepäckwagen oder im Bahnpostwagen keine nennenswerte Belastung der Bahn veranlaßt. Gleichwohl halten wir es für angemessen, eine mäßige Entschädigung zu bewilligen, um den Nebenbahnen eine gewisse Einnahme zu sichern.

Zu deren Bemessung gehen wir von der bestehenden niedrigsten Taxe der Normalbahnen aus. Die Arbeiterabonnemeute der Centralbahn und der Jura-Simplon-Bahn ergeben nämlich bei einer Taxe von 40 Cts. per Monat und Kilometer und monatlich rund 26 Doppelfahrten für eine Fahrt hin und zurück in III. Klasse einen Betrag von 1,5 Cts. per Kilometer oder für einen Kilometer einfacher Fahrt 8 /* Ct. Wenn dieser Ansatz auf l Ct. aufgerundet wird, sind für einen Postbeamten, der während des ganzen Jahres eine 10 Kilometer lange Bahnstrecke täglich einmal hin und her befährt,
zu vergüten 365 X 10 X 2 = Fr. 73. Wir gehen aber, einem Gesuche des Verbandes der schweizerischen Nebenbahnen entsprechend, noch weiter und nehmen einen Ansatz von 2 Cts. an, welcher allerdings noch hinter der gewöhnlichen Retourtaxe (bei der Centralbahn) von f\

--^-- = 3,226 Cts. für eine Fahrt zurückbleibt, also eine gewisse

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Einnahme darstellt, dafür aber auch .der Post Verwaltung eine auf ungefähr Fr. 54,000 per Jahr berechnete Belastung verursacht.

Durch Aufnahme eines bestimmten Ansatzes in das Gesetz werden alle Schwierigkeiten der Ausrechnung der betreffenden Selbstkosten der Bahnen vermieden.

Die vorgeschlagenen Vergütungen sind allerdings auch zu beschränken auf die Zeitdauer, während welcher der Reinertrag der Bahn weniger als 4 °/o ausmacht. Wenn diese Rentabilität erreicht wird, liegt eine Veranlassung zu besonderer Berücksichtigung einer Nebenbahn nicht mehr vor.

Mit Rücksicht auf die ausnahmsweisen Betriebsverhältnisse der eigentlichen Bergbahnen, welche nur während der Sommermonate betrieben werden und nicht Bestandteile einer Hauptbahn bilden, erseheint es auch unbillig, denselben bei Betriebsunterbrechungen, die infolge von Naturereignissen eintreten, die Sorge für Bestellung eines periodischen Personentransportes zu überbinden. Die Folgen der höhern Gewalt sollen auch von den Reisenden pro rata getragen werden ; die Bahn wird durch Abgang der Betriebseinnahmen schon genug geschädigt. Dabei bleibt die Verpflichtung derselben vorbehalten, durch sofortige Erstellung von provisorischen Wegen die Verbindung der noch betriebsfähigen Bahnstrecken herzustellen, und es liegt auch keine Veranlassung vor, dieselben vom Transporte der Posteffekten zu entbinden.

Nach allen diesen Richtungen rechtfertigt es sich, die Nebenbahnen von den Verpflichtungen der Artikel 19 und 21 des Eisenbahngesetzes von 1872 zu entheben, beziehungsweise die bezüglichen Leistungen herabzumindern.

Es kann ferner die Frage aufgeworfen werden, ob nicht auch die durch Art. 25 des genannten Gesetzes für die Eisenbahnen vorgeschriebenen Begünstigungen der M i l i t ä r t r a n s p o r t e für die Nebenbahnen ganz oder teilweise außer Kraft gesetzt werden sollen.

Diese Frage ist zu verneinen, soweit es sich um Vermittlung dieser Transporte von einer Ortschaft zur ändern handelt, indem die Nebenbahnen, soweit es notwendige Transportleistungen betrifft, für das Militärwesen so gut Opfer bringen sollen, wie die Hauptbahnen.

Wohl aber ist es gerechtfertigt, für die Bahnen innerhalb einer Ortschaft (städtische Tramways, Seilbahnen zu einem Aussichtspunkt innerhalb der gleichen Ortschaft) eine Ausnahme festzusetzen. Die militärischen Interessen
verlangen diese Transporte eben nicht, es handelt sich ausschließlich um Fahrten zur persönlichen Bequemlichkeit oder zum persönlichen Vergnügen. Da diesfalls bereits Ausnahmen bestehen, ist es augezeigt, dieselben gesetzlich in allgemein verbindlicher Weise zu regeln.

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Für die Nebenbahnen wäre es sehr erwünscht, B e f r e i u n g von d e r S t e u e r p f l i c h t zu erhalten, wie dieselbe in den frühern kantonalen Konzessionen den Bahnen zugesichert worden ist. Da aber die Steuerhoheit den Kantonen zusteht, kann sich die Bundesgesetzgebung in dieses Gebiet nicht einmischen. Es muß den Kantonen überlassen werden, ob sie von sich aus in dieser Richtung etwas thun wollen.

Es sind aber nicht nur die Beziehungen der Nebenbahnen zum Bunde, die auf dem Wege der Gesetzgebung verbessert werden können; auch die V e r h ä l t n i s s e z u den H a u p t b a h n e n rechtfertigen ein Eingreifen des Gesetzgebers.

Eine schwere Last für die Nebenbahnen bilden namentlich die A n s c h l ü s s e an die H a u p t b a h n e n . Der direkte Verkehr erfordert notwendig den unmittelbaren Betriebsanschluß, und zwar in der Regel unter Benutzung der Stationsanlage der Hauptbahn, da es ja an sich widersinnig wäre, zwei Stationen unmittelbar nebeneinander zu legen mit getrenntem Dienst für die Bahnen sowohl wie für das Publikum. Art. 30 des Eisenbahngesetzes von 1872 schreibt daher vor, daß jede Eisenbahnverwaltung verpflichtet ist, den technischen und Betriebsanschluß anderer schweizerischer Eisenbahnunternehmungen an die ihrige ohne Zuschlagstaxe oder Reexpeditionsgebühr und Erschwerung des durchgehenden Verkehrs in schicklicher Weise zu gestatten, und daß über allfällige Anstände der Bundesrat entscheide. ,,Soweit dabei die Mitbenutzung bestehender Bahnhofanlagen und Bahnstrecken bis zur Einmündungsstation erforderlich wird, ist dafür angemessene Entschädigung zu leisten, welche in Ermangelung einer Verständigung unter den Beteiligten vom Bundesgerichte bestimmt wird."

Obwohl der Gesetzgeber diese Verhältnisse in billiger Weise ordnen wollte, wird von den Nebenbahnen doch stets Klage geführt, daß diese Anschlüsse sie unbillig belasten und es gehören die bezüglichen Verhandlungen zu den unerquicklichsten im schweizerischen Eisenbahnwesen. .Der Grund liegt darin, daß die Hauptbahn und die Nebenbahn mit ganz verschiedenen Betriebsausgaben ÄU rechnen haben. Wenn die Hauptbahn in ganz korrekter Weise die Einheitssätze ihrer Auslagen zur Basis der Repartition nimmt, findet sich die Nebenbahn übervorteilt, weil für ihren internen Betrieb wesentlich niedrigere Sätze sich herausstellen. Es
bildet daher für letztere die Mitbenutzungsquote eine zu hohe Ausgabe, da sie pro rata Anlagen zu verzinsen hat, welche sie selbst niemals so groß erstellt hätte, und Betriebsmanipulationen zu den Selbstkosten der Hauptbahn zu vergüten hat, welche sie selbst auf ihrer Linie billiger besorgt.. Da kann es sieh nun allerdings fragen,

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ob der Hauptbahn nicht zugemutet werden darf, bei Ausmittlung der Entschädigung für Mitbenutzung den Umstand, daß jede einmündende Linie einen gewissen Verkehrszuwachs bringt, wenigstens insoweit zu berücksichtigen, daß sie höchstens die ihr zu Folge der Mitbenutzung effektiv erwachsenden Mehrausgaben in Rechnung stellt und zwar mit der weitern Einschränkung, daß die Nebenbahn höchstens zu bezahlen hat, was sie selbst auslegen müßte für Verzinsung der Anlage einer eigenen Endstation und für Besorgung des Betriebsdienstes auf derselben durch eigenes Personal. Die aus einer solchen Vorschrift resultierende Mindereinnahme wird für die Hauptbahn jedenfalls viel weniger ins Gewicht fallen, als die Mehrausgabe die Nebenbahn belastet. Wenn diesen Erwägungen bei Vereinbarung bezüglicher Mitbenutzungsverhältnisse auch öfter Rechnung getragen wird, fehlt hierfür doch bis jetzt die gesetzliche Grundlage und wird es für die Nebenbahnen von Bedeutung sein, ihnen diesfalls die erforderlichen Garantien zu geben. Grundsätzlich ist aber gegen eine solche Vorschrift nichts einzuwenden, weil sie nur die konsequente Fortbildung des bereits in Art. 30 des Eisenbahngesetzes niedergelegten Prinzips ist.

Rechnungswesen.

Erleichterungen werden von den Nebenbahnen auch beansprucht bezüglich des Rechnungswesens, und es ist zu deren Gunsten eine Ausnahmebestimmung bereits in das Bundesgesetz über das Rechnungswesen der Eisenbahnen vom 27. März 1896 aufgenommen worden.

Diesfalls ist zu bemerken, daß es nicht angeht, die Bestimmungen für die Nebenbahnen außer Kraft zu setzen, welche lediglich bezwecken, das Rechnungswesen klar zu gestalten und die Belastung des Baukonto mit Betriebsausgaben zu hindern. Die Rechnungsgrundsätze können für eine kleinere Bahuunternehmung nicht andere sein als für eine größere. Eine sachwidrige Anschwellung der Baurechnung durch unrichtige Buchführung ist bei der kleinsten Nebenbahn gerade so verwerflich und wirtschaftlich schädlich wie bei der Hauptbahn. Mangelhafte Bahnunterhaltung und Unterlassung der Rücklage der erforderlichen Reserven ist gerade so unrichtig und für die eigene Zukunft der Unternehmung verderblich wie bei der Hauptbahn. Wo aber unrichtige Buchungen und ungenügende Dotierung der Fonds bereits Platz gegriffen haben, ist eine nachträgliche Korrektur auch bei den Nebenbahnen
nicht zu vermeiden.

Berechtigt ist dagegen die Bemerkung, daß bei kleinern Unternehmungen mit beschränktem Verkehr, mit geringer Fahrgeschwindigkeit u. s. w. die Unterhaltungskosten und die Abnutzungen

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wesentlich geringer sein werden, als bei den Hauptbahnen. Die Einlagen in den Erneuerungsfonds sind daher auch geringer zu bemessen nnd es hat keinen Anstand, zur Beruhigung der Beteiligten eine Vorschrift in das Gesetz aufzunehmen, welche im Sinne des Art. 11, Alinea 2, des Rechnungsgesetzes besondere Bemessung dieser Einlagen ausdrücklich vorsieht.

Mit Rücksicht auf die Finanzlage vieler Nebenbahnen ist es angezeigt, denselben für nachträgliche Äufnung ihrer Erneuerungsfonds und für Tilgung der nachträglich abzuschreibenden Summen lange Fristen zu gewähren, damit die einzelnen Betriebsjahre nicht zu sehr belastet werden. Wenn der Bundesrat auch an Hand des Rechnungsgesetzes bereits in der Lage ist, genügend Rücksicht walten zu lassen, dient es doch zur Beruhigung der Interessenten, dieses Verhältnis auch in diesem Gesetze ausdrücklich zu erwähnen.

Sodann ist es nicht notwendig, von den Nebenbahnen die Einreichung besonderer Rückkaufsrechnungen zu verlangen, da es sich zur Zeit nicht darum handeln kann, auf den nächsten konzessionsgemäßen Termin auch die Nebenbahnen zu verstaatlichen. Es kann daher die bezügliche Arbeit und Mühe für Behandlung dieser besondern Ausweise den Bahnverwaltungen wie der Aufsichtsbehörde erspart werden, und es wird der Bundesrat voraussichtlich auf Beibringung der genannten Rechnungen und Ausweise zur Zeit verzichten, gemäß der ihm in Art. 3 des Rechnungsgesetzes erteilten Ermächtigung.

Abgesehen von diesen Punkten rechtfertigt es sieh nicht, die Bestimmungen des Rechnungsgesetzes außer Wirksamkeit zu setzen, da sie sich für die Nebenbahnen gerade so gut eignen und gerade so notwendig sind, wie für die Hauptbahnen.

Aus diesen Betrachtungen ergiebt sich, daß es nur bestimmte einzelne Punkte sind, in denen die bestehende Gesetzgebung über das schweizerische Eisenbahnwesen für die Nebenbahnen nicht paßt und daher eine Änderung derselben erforderlich ist. Es erscheint somit nicht zweckmäßig, für die Nebenbahnen ein umfassendes besonderes Eisenbahngesetz zu erlassen, sondern es empfiehlt sich, das Gesetz für die Nebenbahnen an das Bundesgesetz über Bau und Betrieb der Eisenbahnen vom 23. Dezember 1872 anzulehnen, da die Großzahl der Bestimmungen dieses Gesetzes für die Nebenbahnen so gut Anwendung zu finden hat, wie für die Hauptbahnen, und nur die Abweichungen festzusetzen sind, welche für die Nebenbahnen allein gelten sollen. Der-beiliegende Gesetzesentwurf bildet

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daher sachlich einen Nachtrag zum bestehenden Eisenbahngesetz, welcher sich auf die Zusammenstellung dieser Ausnahmen beschränkt.

Daß diese Ausnahmen eine wesentliche Erleichterung der Nebenbahnen bezwecken, werden Sie den vorstehenden Ausführungen entnommen haben, welche zugleich die Begründung der einzelnen Bestimmungen des vorgeschlagenen Gesetzesentwurfes enthalten, so daß eine specielle Besprechung der einzelnen Artikel nicht mehr notwendig erscheint. Wir bemerken nur noch, daß die Reihenfolge dieser Artikel sich der bessern Übersichtlichkeit wegen derjenigen des Eisenbahngesetzes anschließt.

Indem wir uns gestatten, Ihnen, Tit., den Entwurf zu einem Bundesgesetze über Bau und Betrieb der schweizerischen Nebenbahnen vorzulegen, benutzen wir den Anlaß zur wiederholten Versicherung unserer vollkommenen Hochachtung.

B e r n , den 5. März 1897.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident:

Deucher.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: ßingier.

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(Entwurf.)

Bundesgesetz über

Bau und Betrieb der schweizerischen Nebenbahnen.

Die Bundesversammlung der schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsicht einer Botschaft des Bundesrates vom 5. März 1897, beschließt:

Art. 1.

Nebenbahnen sind die Bahnen und Bahnstrecken auf schweizerischem Gebiete, welche vorzugsweise dem Lokalverkehr oder speciellen Verkehrszwecken dienen und nicht den großen Durchgangsverkehr für Personen und Güter vermitteln.

Der Bundesrat wird nach Inkrafttreten dieses Gesetzes die Bahnen und Bahnstrecken bezeichnen, welche als Nebenbahnen zu betrachten sind.

Art. 2.

Für die schweizerischen Nebenbahnen gelten die Bestimmungen des Bundesgesetzes über Bau und Betrieb der Eisenbahnen auf dem Gebiete der schweizerischen Eidgenossenschaft vom 23. Dezember 1872 und aller ändern für die schweizerischen Eisenbahnen erlassenen Bundesgesetze, insoweit nicht in diesem Gesetze ausdrücklich abweichende Vorschriften aufgestellt sind.

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Art. 3.

Die Konzessionen für Nebenbahnen werden nicht von der Bundesversammlung, sondern vom Bundesrate erteilt, und zwar nach Maßgabe der in Abschnitt I und II des Bundesgesetzes vom 23. Dezember 1872 aufgestellten Grundsätze.

Wenn jedoch gegen Erteilung einer Konzession von Kantonen oder ändern Interessenten Einsprache erhoben wird, oder wenn die Erteilung der Konzession vom Bundesrate verweigert werden will, hat der letztere das gestellte Konzessiousgesuch der Bundesversammlung zur Beschlußfassung vorzulegen.

Konzessionsgesuche für Nebenbahnen sind im Buudesblatte mit Bestimmung einer Frist von vier Wochen zur Anmeldung allfälliger Einsprachen zu veröffentlichen.

Art. 4.

Das O gleiche Verfahren ist einzuhalten für BehandlungO von Begehren um Übertragung einer Konzession für eine.

Nebenbahn in ihrer Gesamtheit oder einzelner in derselben enthaltenen Rechte oder Pflichten an einen Dritten im Sinne ·des Art. 10 des Bundesgesetzes vom 23. Dezember 1872.

Art. 5.

Der Bundesrat wird .bei Genehmigung des Bauplanes der Nebenbahnen und bei den übrigen auf Grund dea Art. 14 des Bundesgesetzes vom 23. Dezember 1872 zu treffenden Maßnahmen in Berücksichtigung der Eigenart der verschiedenen Systeme der Nebenbahnen die thunlichst einfache und ökonomische Bauausführung gestatten, immerhin unter Wahrung vollständiger Sicherheit des Betriebes.

Insbesondere sind Einfriedigungen der Bahn mir_ da zu verlangen, wo die Fahrgeschwindigkeit der Bahnzüge und die Sicherheit des Hahn- und des Straßenverkehrs eine solche durchaus erfordern.

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Art. 6.

Der Bund wird den Nebenbahnen, welche nicht Bestandteile des Netzes einer Hauptbahn bilden, für die Beförderung der nicht regalpflichtigen Fahrpoststücke die volle Eilguttaxe, beziehungsweise die höchste Gütertaxe, und da, wo Gütertaxen nicht bestehen, die volle Gepäcktaxe vergüten.

Die Entschädigung wird auf Grund des monatlichen Gesamtgewichtes der nicht regalpflichtigen Fahrpoststücke ermittelt und kann für dieselbe ein Aversalbetrag vereinbart werden.

Für die Beförderung der zu den Posttransporten gehörigen Kondukteure und der zu den Bahnpostwagen gehörenden Beamten und Angestellten wird vom Bunde ferner den genannten Nebenbahnen eine Entschädigung von 2 Cts. per Fahrt und Kilometer vergütet.

Diese vom Bunde zu leistenden Entschädigungen, insoweit sie über die auf das Bundesgesetz vom 23. Dezember 1872 begründeten Entschädigungen hinausgehen, fallen weg, sobald und für so lange, als die Bahnunternehmung nach Abzug der auf Abschreibungsrechnung getragenen oder einem Reservefonds einverleibten Summen einen Reinertrag von 4 °/o oder mehr abwirft.

Im übrigen gelten die Bestimmungen des Art. 19 des Bundesgesetzes vom 23. Dezember 1872.

Art. 7.'

Die nur während der Sommermonate im Betriebe stehenden eigentlichen Bergbahnen, welche nicht Bestandteile des Netzes einer Hauptbahn bilden, sind nicht verpflichtet, wenn der Betrieb durch Naturereignisse zeitweise unterbrochen wird, auf andere Weise für Herstellung des periodischen Personentransportes bis zur Wiedereröffnung des Bahnbetriebes zu sorgen.

Art. 8.

Die Bestimmungen des Art. 25 des Bundesgesetzes vom 23. Dezember 1872 betreffend Begünstigungen für die Militär-

779 transporte finden keine Anwendung auf städtische Tramways, auf Nebenbahnen, welche der Personenbeförderung innerhalb einer Ortschaft dienen, und auf die nur während der Sommermonate im Betrieb stehenden Bergbahnen, welche nicht Bestandteile des Netzes einer Hauptbahn« bilden.

Art. 9.

Der Bundesrat wird bei Aufstellung der Bestimmungen zur Sicherung der technischen Einheit im schweizerischen Eisenbahnwesen, sowie bei Aufstellung der Vorschriften, nach welchen auf allen schweizerischen Bahnen gleichmäßig zum Behuf der Sicherheit des Dienstes verfahren werden soll, und bei der Sorge für Erhaltung der Bahnen und des Bahnmaterials in einem die nötige Sicherheit gewährenden baulichen Zustande und für Ausrüstung der Bahnen mit Betriebsmaterial gemäß dem bestehenden Verkehrsbedürfnis, der Eigenart der Nebenbahnen Rechnung tragen. Er wird daher besondere Vorschriften erlassen für die normal- und schmalspurigen Nebenbahnen und die Straßenbahnen mit Dampfbetrieb oder mit elektrischem Betrieb zur Bedienung des Lokalverkehrs, für die Bergbahnen, die nur während der Sommermonate betrieben werden, insbesondere für die Zahnradbahnen und Drahtseilbahnen, sowie für die Tramways.

Er wird beim Erlaß dieser Vorschriften neben der Wahrung vollständiger Betriebssicherheit auf Ermöglichung einer thunlichst ökonomischen Gestaltung des Betriebes Rücksicht nehmen.

Art. 10.

Soweit zur Herstellung des technischen und Betriebsanschlusses von Nebenbahnen an Hauptbahnen die Mitbenützung bestehender Bahnhofanlagen und Bahnstrecken bis zur Einmündungsstation erforderlich wird, ist dafür angemessene Entschädigung nach folgenden Grundsätzen zu leisten. Der Bahn, welche die Anschlußstation beziehungsweise Anschlußstrecke, besitzt und verwaltet, sind höchsten»

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die ihr zufolge der Mitbenützung erwachsenden Mehrausgaben an Verzinsung des Anlagekapitals der nach Bedarf erweiterten Anlagen und Einrichtungen, sowie an Betriebskosten zu vergüten, jedenfalls aber nicht mehr als der Betrag, welcher von dei- Anschlußbahn für Verzinsung der Anlage einer eigenen Endstation, beziehungsweise Zufahrtsstrecke, und für Besorgung des Betriebsdienstes auf denselben auszugeben wäre. Die zu entrichtende Entschädigung wird in Ermanglung einer Verständigung unter den Beteiligten vom Bundesgerichte bestimmt.

Art. 11.

Bei Erlaß des in Art. 36 des Bundesgesetzes vom 23. Dezember 1872 vorgesehenen Transportreglementes wird der Bundesrat den Nebenbahnen nach Möglichkeit Erleichterungen gewähren.

Art. 12.

Wenn sich eine Bahnunternehmung an der Erstellung einer Nebenbahn durch Leistung einer Subvention à fonds perdu beteiligt, ist sie berechtigt, deren Betrag ohne Abzug und ohne Verpflichtung zu Abschreibungen ihrem Bauconto zu belasten. Auf schon geleistete Subventionen findet diese Bestimmung keine Anwendung.

Art. 13.

Den Nebenbahnen, welche nicht Bestandteile des Netzes einer Hauptbahn bilden, werden bei Anwendung des Bundesgesetzes über das Rechnungswesen der Eisenbahnen vom 27. März 1896 folgende Ausnahmen gestattet : 1. Bei Bemessung der normalen Einlagen in den Erneuerungsfonds sind die bei den Nebenbahnen bestehenden besondern Verhältnisse entsprechend zu berücksichtigen.

2. Bei Festsetzung der Fristen für die Tilgung der zu amortisierenden Verwendungen ist der finanziellen Lage der Nebenbahnen gebührend Rechnung zu tragen.

781 Art. 14.

Der Bundesrat wird beauftragt, auf Grundlage der Bestimmungen des Bundesgesetzes vom 17. Juni 1874, betreffend die Volksabstimmung über Bundesgesetze und Bundesbeschlüsse, die Bekanntmachung dieses Gesetzes zu veranstalten und den Beginn der Wirksamkeit desselben fest zusetzen.

Bundesblatt. 49. Jahrg. Bd. 1.

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Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung, betreffend Entwurf eines Bundesgesetzes über Bau und Betrieb der schweizerischen Nebenbahnen. (Vom 5. März 1897.)

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