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Bundesratsbeschluß über

die Eingabe des Centralkomitees des schweizerischen Typographenbundes und des Comité central de la Fédération des typographes de la Suisse romande, vom 2. Januar 1897, betreffend Aufstellung von hygieinischen Vorschriften für die Arbeitsräume etc.

(Vom 30. November

1897.

D e r s c h w e i z e r i s c h e B u n d e s rat,

hat über die Eingabe des Centralkomitees des schweizerischen Typographenbundes und des Comité central de la Fédération des typographes de la Suisse romande, vom 2. Januar 1897, auf den Antrag des Industriedepartements, folgenden Beschluß gefaßt:

A.

in thatsächlicher Beziehung wird festgestellt: Mit Eingabe vorn 2. Januar 1897 richteten das Centralkomitee des schweizerischen Typographenbundes und das Comité central de la Fédération des typographes de la Suisse romande an den Bundesrat folgende Begehren : 1. ,,Es sei im Hinblick auf die Häufigkeit der Lungenschwindsucht, wie sie im Buchdruckgewerbe, namentlich bei den Schrift setztern, zu Tage tritt, die Arbeiterschutzgesetzgebung dahin zu erweitern, daß für dieses Gewerbe besondere hygienische Vorschriften

1209 in Bezug auf die Arbeitsräume erlassen würden, beziehungsweise, es möge der hohe Bundesrat auf dem Verordnungswege die nötigen Bestimmungen in beregtem Sinne treffen.

2. ,,Es sei dus Haftpflichtgesetz dahin zu ergänzen, daß die Versicherung der Arbeiter gegen Unfall obligatorisch erklärt werde und Berufskrankheiten den Unfällen im Betriebe gleichgestellt würden.

Zur Unterstützung des erstgenannten Begehrens wurde eine ,,Statistik über die Lohn-, Arbeits-, sanitären und Vereinsverhältnisse, sowie der Überzeitarbeit in den Buchdruckereien im Gebiete des Schweizerischen Typographenbundes, umfassend die Monate Oktober, November und Dezember 1893", vorgelegt.

Mit Schreiben vom 5. Januar 1897 übermtitelte das schweizerische Industriedepartement die Eingabe dem Verein schweizerischer Buchdruckereibesitzer zur Vernehm lassung. Die ,,Antwort des Vereins schweizerischer Buchdruckereibesitzer", begleitet ,,mit einem medizinischen Gutachten von Prof. Dr. Albrecht Burckhardt, ordentlicher Professor an der Universität Basel", datiert vom 25. August 1897 und ging am 9. September ein; sie schließt dahin, der Bundesrat möge ,,dem Gesuche, ,,,,die Arbeitergesetzgebung dahin zu erweitern, dass für das Buchdruckgewerbe besondere hygienische Vorschriften in Bezug auf die Arbeitsräume erlassen würden"", keine Folge geben ; dem ersten Teil des Postulates um Ergänzung des Haftpflichtgesetzes ,,,,daß die Versicherung der Arbeiter gegen Unfall obligatorisc erklärt werde"" nach Möglichkeit entsprechen: dem zweiten Teile des Postulates, ,,,,daß Berufskrankheiten den Unfällen im Betriebe gleichgestellt würden"", keine weitere Folge geben, da diese Forderung durch das erweiterte Haftpflichtgesetz vom 26. April 1887 schon in diesem Sinne ihre Erledigung gefunden hat."

Die Akten gingen am 20. September 1897 an die eidgenössischen Fabrikinspektoren zu gemeinschaftlicher Begutachtung.

Diese liegt in einem Schreiben vom 26. Oktober vor.

B.

Es fällt in Betracht: Ad i. Die eidgenössischen Fabrikinspektoren äußern sich über diesen Punkt in folgender Weise:

1210 ,,Das beiliegende Gutachten des Herrn Professor Dr. Albrecht Burckhardt in Basel enthebt uns der Mühe, auf Grund statistischer Belege die Richtigkeit der von den Potenten gemachten Voraussetzung zu prüfen, daß der Beruf der Buchdrucker und speciell der Schriftsetzer ganz besonders der Lungenschwindsucht unterworfen sei. Wir stimmen seinen bezüglichen Ausführungen, wie überhaupt seinem ganzen Gutachten vollkommen bei. Dasselbe beruht auf dem Studium ganz zuverlässigen Materials, wie es nicht gerade reichlicher zu Gebote steht, während viele andere Publikationen über den gleichen Gegenstand auf mehr als nur unzuverlässiger und nur zu oft auf bloß ad hoc zusammengestellter Grundlage ruhen. Wir stimmen ihm aber auch darin bei, was er über die schlechte Beschaffenheit der Arbeitsräume als Grund der Schwindsucht sagt.

Die Arbeitslokale an und für sich sind in Neubauten ganz gut.

Es wird bei den Plangenehmigungen und Betriebsbewilligungen streng darauf gesehen, daß sie allen hygienischen Anforderungen entsprechen. Einläßliche Normen hierfür sind, wie Ihnen wohl bekannt ist, längst aufgestellt worden. Die bisher schon vorhandenen, zum Teil recht alten Arbeitsräume lassen allerdings oft sehr zu wünschen übrig. Allein die Zahl dieser mangelhaften Räume nimmt mit jedem Jahr ab, und wo sie fortbestehen, wird alles gethan, um genügende Lüftung und Reinhaltung herbeizuführen. Ist aber dies erreicht, besteht auch in alten, niedrigen und sonst mangelhaften Lokalen kein Grund mehr, sie als gefährlich für die Gesundheit der darin Beschäftigten zu erklären.

Wir können somit die Schilderungen, welche in der Petition von der Beschaffenheit der Lokale gemacht wird, nicht als zutreffend anerkennen; sie ist allzu ungünstig. Dies geht übrigens sogar aus der ^Statistik11 des Typographenbundes hervor, nach welcher die zu beanstandenden Räume in auffallend kleiner Zahl sich vorfinden.

Weit schlimmer steht es mit der Lüftung und Reinhaltung der Lokale. Daran mag wohl oft der Prinzipal schuld sein; aber ebenso oft, vielleicht öfter, seine Gehülfen. Insbesondere einer rationellen, ausreichenden Ventilation legen dieselben oft alle möglichen Hindernisse, in den Weg. Es gehen bei dem Inspektor Klagen über Luftverderbnis ein, und wenn er Abhülfe zu schaffen versucht, werden alle Ventilationseinrichtungen, deren Anwendung
thunlich ist und die auch an zahlreichen ändern Orten gerne benutzt werden, unter allen möglichen Begründungen zurückgewiesen.

Am betrübendsten ist aber, wie wenig die persönliche Hygieine beachtet wird. Es wird auf den Boden gespuckt und die ein-

1211 trocknenden und zerstäubenden Tuberkelbacillen eingeatmet; es wird Tabak geraucht, trotz hustenden Kollegen, die im gleichen Räume arbeiten ; die feuchten Cigarreastumpfe werden auf den Rand des Setzkastens gelegt und, mit ßleistaub beschmutzt, wieder in den Mund gesteckt ; in der halbgeöffneten Schublade des Korpus werden Erfrischungen aufbewahrt, auf die der Letternstaub herunterfällt.

In diesen Mißbräuchen liegt die Hauptquelle der tuberkulösen Infektion und der vielbeklagten Bleivergiftung.

Das Fabrikinspektorat hat es übrigens nicht unterlassen, unermüdlich auf diese Übelstände aufmerksam zu machen, und Sie haben unsern Konferenzprotokollen entnommen, daß eine Anleitung zur Vermeidung der sanitarischen Gefahren in Buchdruckereien in Ausarbeitung begriffen ist. Durch diese und die Baunormen ist eigentlich weit mehr geleistet, als die Petenten verlangen, welche von Vorschriften für das persönliche Verhalten der in Buchdruckereien beschäftigten Personen nichts erwähnen. a Es ist beizufügen, daß der Bundesrat beabsichtigt, in nächster Zeit Vorschriften betreffend den Neu- oder Umbau von Fabrikanlagen zu erlassen, bezw. die bisherigen unverbindlichen ,,Normen a des Fabrikinspektorats in Vorschriften umzuwandeln, nachdem die durch das Kreisschreiben des Industriedepartements vom 31.Dezember 1896 angehobene bezügliche Enquete nunmehr beendet ist. Außerdem ist zu bestätigen, daß die Fabrikinspektoren sich seit geraumer Zeit damit befassen, Anleitungen zur Verhütung von Unfällen und Krankheiten in verschiedenen Berufen auszuarbeiten. Auch die Buchdruckereien bilden den Gegenstand dieser Fürsorge, indem eine sie betreffende Anleitung nächstens einer letzten Beratung unterzogen wird. Allerdings sollen diese Anleitungen einstweilen nicht den Charakter von Vorschriften erhalten, da es als zweckmäßig erscheint, sie vorerst durch praktische Anwendung zu erproben.

Dagegen ist mit Bestimmtheit zu erwarten, daß die geplanten Bauvorschriften, wie die Anleitung auf die hygieinischen Verhältnisse in den Buchdruckereien einen heilsamen Einfluß ausüben werden.

Es darf also angenommen werden, daß diejenigen Vorkehren, welche die Petenteu im Auge haben, auf dem Punkte sind, verwirklicht zu werden; die Vorbereitungen hierzu sind schon vor Eintreffen der Eingabe vom 2. Jannar 1897 unternommen worden, und der
Bundesrat sieht sieh durch letztere nicht veranlaßt, von dem durch ihn eingeschlagenen Wege abzuweichen.Ad 2. Der Bundesrat weiß die Gründe, welche die Petenten zur Stellung dieses Begehrens bewogen haben, sehr wohl zu würdigen. Es ist aber darauf aufmerksam zu machen, daß dieses nicht die Haftpflichtgesetzgebung, sondern die Gesetzgebung betreffend

1212 die Kranken- und Unfallversicherung beschlägt, und daß der Bundesvat seinen Vorschlägen betreffend letztere das Obligatorium der Versicherung gegen Krankheit und Unfall bereits zu Grunde gelegt hat (siehe Botschaft vom 21. Januar 1896). Was speciell die Berufskrankheiten betrifft, so würden sie nach den gegenwärtigen Gesetzesentwürfen ein Jahr lang von der (obligatorischen) Krankenver-sicherung ausgehalten, nachher nach Maßgabe der bisherigen Haftpflicht der Arbeitgeber behandelt; zu verweisen ist auf die bezüglichen Verhandlungen der nationalrätlichen Kommission (Protokoll Seilen 177--181) und des Rates selbst (Stenographisches Bulletin Seiten 1282--1286, 13. Oktober 1897). DerBundesratt hat also, soweit an ihm, den unter Ziffer 2 angegebenen Gegenstand der Petition bereits behandelt.

Demnach wird beschlossen: Der Petition wird keine Folge gegeben.

B e r n , den 30. November 1897.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, D e r Bundespräsident

Deucher.

Der I. Vizekanzler: Schatzmann

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08.12.1897

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1208-1212

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