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Schweizerische Bundesversammlung,

Die gesetzgebenden Räte der Eidgenossenschaft sind am 6. Dezember 1897 zur ordentlichen Wintersession zusammengetreten.

Neugewählte Mitglieder.

Nationalrat.

Herr Z s c h o k k e , Konrad, von und in Aarau.

,, E g l o f f , Konrad, von Tägerweilen in Frauenfeld.

Ständerat.

Herr W i n i g e r , Joseph, von Ermensee, in Luzern.

Das am 18. November vom Bundesrate festgesetzte Traktandenverzeichnis weist auf: 1. Wahlaktenprüfung.

2. Wahlen: a. Bundesrat, Präsidium.

b. Suppléant des Bundesgerichts.

3. Wahl der Geschäftsprüfungskommissionen.

4. Altertümersammlung Denier.

5. Untere Landwasserstraße.

6. Maggiakorrektion.

7. Tessinkorrektion .

8. Flonkorrektion.

9. Rhonekorrektion.

10. Oberaufsicht über die Forstpolizei.

11. Rechtseinheit.

12. Rekurs Lurati und Moroni.

13. Rekurse Si moni und Mariotti.

14. Rekurs Muggli-Peter.

15. Rekurs Fischer.

16. Rekurs Sanvico.

17. Postulat betreffend litterarische und künstlerische Werke.

18. Begnadigungsgesuch Kunz und Genossen.

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Errichtung von Maschinengewehrabteilungen.

Relief der Schweiz.

Luftschiffereompagnie.

Rekurs Fournier.

Armeeverpflegungsmagazine.

Nachtragskredite pro 1897. III. Serie.

Budget pro 1898.

Internationales Münzübereinkommen.

Ruhetage der Grenzwächter und untern Zollbeamten.

Alkoholzehntel pro 1895.

Alkoholverwaltung. Geschäftsführung und Rechnung pro 1896.

Alkoholverwaltung. Betriebsbudget pro 1898.

Weltausstellung in Paris 1900.

Kranken- und Unfallversicherung.

Lohnzahlung; Arbeitszeit an Samstagen; internationaler Arbeiterschutz.

34. Phosphorzündhölzchen.

35. Eisenbahngeschäfte: a. Lauterbrunnen-Visp.

6. Spiez-Gemmi-Leuk.

36. Nebenbahnengesetz.

37. Post-, Telegraphen- und Telephongebäude in Zug.

38. Revision des Nationalratsreglementes.

39. Revision des Ständeratsreglementes.

40. Motion Gaudard.

41. Motion Cramer-Frey.

42. Motion Curti.

43. Motion Jenny.

44. Motion Wullschleger.

Allfällig weiter hinzukommende Gegenstände.

Im N a t i o n a l r a t eröffnete der Präsident, Herr Dr. Grieshaber, die Session mit folgender Ansprache: Meine Herren Nationalräte ! Zunächst habe ich das Vergnügen, Sie, werte Herren Kollegen, bei unserm Zusammentritt zur ordentlichen Wintersession, in der Bundesstadt herzlich zu begrüßen.

Unsere beiden vorangegangenen Sessionen hatten das Besondere, <5aß es jeweilen e i n Traktandum war, das unsere Zeit vorweg in Anspruch nahm. Erst war dies die Kranken- und Unfallversicherung und hernach der Eisenbahnrückkauf. So kam es, daß für die ändern Geschäfte wenig Zeit übrig blieb und unter denselben nur die dringlichsten und auch diese nur mit einer gewissen Hast erledigt

1220 werden konnten. Verschiedene Traktanden mußten daher von Session zu Session verschoben werden, ja es trat der außergewöhnliche Fall ein, daß in der Junisession die Beratung des Geschäftsberichtes unterbrochen und auf eine spätere Session verlegt werden mußte.

Heute befinden wir uns in der angenehmen Lage, uns sämtlichen Geschäften mit Muße widmen zu können, und ich denke, wir wollen diesen günstigen Umstand benutzen und darnach trachten, auf der Traktandenliste, soweit die Sachen spruchreif hegen, gründlich aufzuräumen. Doch bezüglich eines Traktandums, desjenigen der Rechtseinheit, dürfte eine Ausnahme gemacht werden und dies auch nur deshalb, um unserm Rate für die Zeit, während welcher der Ständerat die Kranken- und Unfallversicherung behandelt, die Arbeit nicht ausgehen zu lassen. Geschieht dies, so wird meines Erachteos die gegenwärtige Session kaum mehr als 14 Tage in Anspruch nehmen, doch werden wir uns endgültig erst gegen Ende der zweiten Woche hierüber schlüssig machen können.

Meine Herren ! Seit unserer kurzen Trennung hat der Tod unserm Rate einen schweren Verlust gebracht. H e i n r i c h H ä b e r l in, unser allseitig hochgeschätzter Kollege, der gewandte Parlamentarier, der schlagfertige Redner, der aufrichtige Ratgeber, der gute Gesellschafter und treue Freund ist nicht mehr. An den Debatten der letzten Session hat er noch lebhaften Anteil genommen, in bester Stimmung kehrte er, um den Sonntag bei den Seinen zu verbringen, am 9. Oktober nach Hause, um nicht wiederzukehren. Ein tückisches Leiden mit heftigen Fieberanfällen hatte ihn erfaßt und schon am 16. Oktober in seinem 62. Lebensjahr dahingerafft.

Heinrich Häberlin wurde in Bissegg bei Weinfelden geboren; er studierte die Rechte und übte his 1883 als gesuchter und stai-k beschäftigter Anwalt die Advokatur aus. 1883 irat er in den thurgauischen Regierungsrat ein, in welchem er mit Auszeichnunij das Departement der Justiz und der Poli/ei bekleidete. In militärischer Beziehung nahm er den Rang eines Oberstlieutenants ein Unserm Rate gehörte der Verstorbene seit 1873 ununterbrochen a n , von 1889 auf 1890 war er dessen Präsident. Sie alle, meine Herren, haben Heinrich Häberlin hier an der Arbeit gesehen. Sie konnten beobachten, mit welchem Interesse derselbe den Verhnndlungen folgte, mit welcher Leichtigkeit und Rnschheit
er kraft seines durchdringenden Verstandes und einer tüchtigen juridischen Ausrüstimg sich in den schwierigsten Fragen zurechtzufinden verstund und wie leicht es ihm deshalb war, jeder/.eit in die Debatten ein/unreifen und dieselben durch ein klares und bündiges, oft durchschlagendes Votum zu befruchten. Wurde er hei seinem lebhaften Temperament, sowie seiner wuchtigen und markigen Redeweise überhaupt wohl

1221 auch einmal etwas derb, so blieben doch auch sein im ganzen wohlgesinntes Wesen und sein teilnehmendes Mitgefühl an den Geschicken Anderer nicht verborgen. Dazu war Häberlin eine durchaus lautere, offene und gerade Natur, das ,,Amicus Piato, sed magis amica veritasa schien er sich als unverbrüchliche Norm zur Devise erkoren zu haben, an deren strikter Anwendung Freund oder Gegnerschaft nichts änderte. So kam es, daß Häberlin nicht allein bei der radikaldemokratischen Gruppe, deren einflußreiches Mitglied er war, in hohem Ansehen stand, sondern beim ganzen Rate, und daß die Lücke, welche sein Hinscheid verursacht hat, nicht allein in seiner Gruppe, soudern vom gesamten Rat schmerzlich empfunden werden wird. Der ausgesprochene Rechtssinn unseres Kollegen Häberlin hatte denselben vorzüglich zum Richteramt qualifiziert ; ohne Zweifel wäre er auch 1893 ins Bundesgericht gewählt worden, dessen langjähriger Suppléant er war, allein er lehnte die ihm angebotene Kandidatur ab.

Daß ein Mann von den Charakter- und Geisteseigenschaften eines Häberlin auch seinem Heimatkanton große Dienste leistete und daselbst eine leitende Rolle spielte, ist leicht begreiflich. Der Bund und der Kanton Thurgau verbinden sich deshalb in der Trauer um den Verlust eines so talentvollen und warmen Patrioten.

Ist Kollege Häberlin auch zu früh von uns geschieden, so war ihm doch vergönnt, sich ohne vorangegangene längere Leidenszeit zur Ruhe legen zu dürfen. Mitten aus seiner Arbeit ist er herausgerissen worden, aus derjenigen Thätigkeit, in welcher er besonders excellierte, der parlamentarischen. Während seines kurzen Krankenlagers waren seine Gedanken stets bei unserer Arbeit in Bern, während seiner FieberphanUtsien wie während der lichten Momente.

Ihr galt sein letzter Federzug; noch am Tage vor seinem Tode schleppte er sich unter Aufbietung der letzten Kräfte in das Nebenzimmer, um eine Depesche an den Präsidenten Ihres Rates aufzusetzen, worin er mitteilte, daß er mit Freuden für beide Bundeso gesetze gestimmt haben würde und worin er um Beschleunigung bat. Gewiß ein schönes Beispiel seltener Pflichttreue.

Indem ich hiermit die ordentliche Wintersession für eröffnet erkläre, lade ich Sie ein, sich zu Ehren unseres verstorbenen Kollegen Häberlin von Ihren Sitzen zu erheben.

Im S t ä n d e r a t gedachte Herr Präsident Raschein bei der Sessiouseröffnung ebenfalls des verstorbenen Herrn Nationalrates.

Häberlin.

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