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Kreisschreiben des

Bundesrates an sämtliche Kantonsregierungen, betreffend die Verordnung über Aufstellung und Betrieb von Dampfkesseln und Dampfgefäßen.

(Vom 16. Oktober 1897.)

Gelreue, liebe Eidgenossen !

Mit Kreisschreiben vom 17. Dezember 1895 (Bundesbl. IV, 764) hat unser Industriedepartement die Beaufsichtigung der Dampfkessel bei den Kantonsregierungen zur Sprache gebracht. Von allen Kantonen, ausgenommen Graubünden und Neuenburg, gingen hierauf über den bezeichneten Gegenstand Berichte ein, welche im allgemeinen bekunden, daß man ihm eine große Wichtigkeit beimißt.

In den meisten Kantonen schenkte man der Sache schon früher besondere Aufmerksamkeit; so bestehen in 15 Kantonen eigentliche Vorschriften oder Verordnungen. Andere haben sich begnügt, mit dem schweizerischen Verein von Dampfkesselbesitzern Verträge abzuschließen oder die Kesselinhaber zum Eintritt in diesen Verein zu verhalten ; aus 5 Kantonen wurde nicht gemeldet, ob und wie die Beaufsichtigung geregelt sei, jedenfalls ist sie da und dort überhaupt nicht geordnet.

Im übrigen sprechen sich aus : für den Erlaß einer eidgenössischen Verordnung . 12 Kantone, darunter für Einrichtung einer eidgenössischen Inspektion .

8 ,, für kantonale Verordnung u n d Inspektion . . .

4 " für Beibehaltung des status quo 4 ^ indifferent verhalten sich 3 ,, Wir haben uns nun entschlossen, der teilweise in die Form dringender Aufmunterung gekleideten Ansicht der Mehrzahl der Kantonsregierungen, soweit sie zur Angelegenheit Stellung nehmen,

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Folge zu geben und demnach eine V e r o r d n u n g b e t r e f f e n d Aufstellung und Betrieb von Dampfkesseln und D a m p f g e f ä ß e n , vom 16. Oktober 1897, erlassen, die wir Ihnen in Beilage übermitteln. Würden wir die Einführung einer Verordnung nach dem Muster der Ihnen im genannten Kreisschreiben mitgeteilten nur empfehlen, so würden die einen Kantone aus diesen oder jenen Gründen davon Umgang nehmen, andere würden Zusätze oder Abänderungen anbringen, so daß eine allseitige, sichere und einheitliche Regelung doch nicht zu erreichen wäre. Die Angelegenheit ist aber hinsichtlich der Sicherheit von Personen und auch von materiellen Werten von solcher Tragweite und die Verantwortlichkeit der Behörden ist eine so große, daß nichts unterlassen werden darf, um jene Sicherheit nach Möglichkeit zu garantieren.

Dafür sehen wir zur Zeit davon ab, eine eidgenössische Kesselinspektion einzuführen, und überlassen die Vollziehung der Verordnung den Kantonen. Es geschieht hauptsächlich im Hinblick auf die Thätigkeit des schweizerischen Vereins von Darnpfkesselbcsitzern, der bereits 3608 Kessel und 274 Dampfapparate einer regelmäßigen Inspektion unterzieht. Diese wird allgemein, auch in den Berichten der Kantonsregierungen, als eine zuverlässige und gut funktionierende anerkannt, und es ist deshalb kein Grund vorhanden , dieses ,,bewährte Stück gewerblicher Selbstkontrolle"', wie sich eine Regierung ausdrückt, durch eine staatliche Einrichtung zu ersetzen. Die Verordnung beabsichtigt denn auch keineswegs, die Thätigkeit des genannten Vereins durch ein anderes System zu ersetzen, sondern sie geht im Gegenteil darauf hinaus, die durch den Verein eingerichtete Inspektion anzuerkennen und an Stelle einer amtlichen gelten zu lassen. Was die außerhalb des Vereins stehenden Kessel betrifft, so bietet die Zuweisung des VerordnungsVollzugs an die Kantone den Vorteil, daß letztere deren Inhaber zum Eintritt in den Verein veranlassen können, wodurch die Beaufsichtigung dieser Kessel am einfachsten gerogelt wird.

Natürlich bleibt es den Kantonen unbenommen, diese Aufsicht auch anders zu gestalten, z. B. sie eigenen Experten zu übertragen, zumal solche in einzelnen Kantonen bereits funktionieren.

In Bezug auf einzelne Punkte haben wir folgendes zu bemerken : 1. Die Kompetenz des Bundes erstrockt sich nur auf die
Dampfkessel und Dampfgefäße solcher Betriebe, welche unter der eidgenössischen Fabrik- und Haftpflichtgesetzgebung stehen.

Wir empfehlen Ihnen aber dringend, unsere Verordnung auch auf a l l e ü b r i g e n Dampfkessel und Dampfgofäße a n w e n d b a r

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zu e r k l ä r e n . Eine solche einheitliche und gleichartige Behandlung ist so wünschenswert und vorteilhaft, daß wir uns darüber nicht weiter auszusprechen haben.

2. Die in der Verordnung enthaltenen Bestimmungen sind als Minimum dessen anzusehen, was im Interesse der Sicherheit gefordert werden muß. Es ist den Kantonen freigestellt, weiter zu gehen, sowie auch vorhandene weitergehende Vorschriften fortbestehen zu lassen. Vorbehalten bleiben natürlich die Bestimmungen der Verordnung vom 5. Februar 1895, betreffend den Unterhalt des Rollmaterials der schweizerischen Eisenbahnen (A. S.

n. F. XV, 11), und vom 18. Februar 1896, betreffend den Bau und Betrieb von Dampfschiffen (A. S. n. F. XV, 405).

3. In Übereinstimmung mit Ihrer Berichterstattung empfehlen wir, für Untersuchungen, welche außerhalb des schweizerischen Vereins von Dampfkesselbesitzern vorgenommen werden, den Bezug von T a x e n vorzuschreiben, welche n i c h t geringer als die vom Verein festgesetzten sind, damit nicht dem letztern ein Teil seiner Mitglieder entzogen und seine Thätigkeit geschwächt werde. Auf der ändern Seite erklärt der Vereinsvorstand in seinem Schreiben vom 2. Februar 1897, daß er zu seinem Bedauern dem Wunsche zweier Kantonsregierungen betreffend R e d u k t i o n seiner Untersuchungstaxen aus folgenden Gründen nicht entsprechen könne : ,,Wir sind durch unsere Statuten genötigt, nebst den Arbeiten für möglichste Sicherheit auch solche für möglichste Ökonomie des Betriebes vorzunehmen, und werden wohl nicht im Falle sein, letztere weniger, als es bisher geschah, pflegen zu dürfen ; ebensowenig können wir die Hoffnung hegen, daß mit der kleinen Vermehrung der Kesselzahl, die uns die Verordnung bringen wird, eine verhältnismäßige Verminderung der Ausgaben sich ergeben werde; das Gegenteil wird eher eintreten, indem die Kessel der großen Industriecentren fast alle schon beim Verein sind und der Zuwachs zum größten Teil aus einzelnen und entfernt gelegenen Objekten bestehen wird.

,,Sodann wird uns das neue Regime auch neue Verpflichtungen und Arbeiten bringen, für die wir uns nicht extra bezahlt machen dürfen.

,,Ebensowenig wird es möglieh sein, die Gehälter und Auslagen unserer Angestellten zu beschneiden oder die Einlage in den Altersfonds derselben zu ermäßigen ; auch hier wird eher das Gegenteil in Aussicht genommen werden müssen.

499 ,,Im weitern darf nicht übersehen werden, daß wir im Verhältnis zu unseren Leistungen und mit Rücksicht auf die teilweise sehr zerstreute Lage unserer Revisionsobjekte sowieso schon die billigsten Taxen von allen anderen Vereinen haben und auch unsere bisherigen Betriebsvorschläge nur bescheidene Beträge aufweisen, die es bis heute noch nicht erlaubt haben, unseren Reservefonds auch nur annähernd auf die in § 26 unserer Statuten in Aussicht genommene Höhe zu bringen. Auch der Vorschlag des letzten Jahres wird zeigen, daß wir von diesem Ziele noch lange recht weit entfernt bleiben werden."

4. Die von 3 Kantonen zum Verordnungsentwurf vorgebrachten t e c h n i s c h e n A b ä n d e r u n g s v o r s c h l ä g e sind vom schweizerischen Verein von Dampfkesselbesitzern eingehend begutachtet worden. Wir haben ihnen Rechnung getragen, wo es zulässig oder wünschenswert erschien. Wir erwähnen hier nur in Bezug auf die von einer Kantonsregierung gemachte Anregung, die Verordnung auf alle Motoren, namentlich auch auf die durch explosible Stoffe getriebenen auszudehnen, daß diese Ausdehnung aus technischen und Zweckmäßigkeitsgründen sich nicht empfiehlt, bezw.

daß diese Apparate besonderer Vorschriften bedürfen.

Wir empfehlen Ihnen im Interesse der Sache gewissenhaften Vollzug der Verordnung und ersuchen Sie, dieselbe und Ihre entsprechenden Verfügungen allen Interessenten zur Kenntnis bringen zu wollen.

Gern benutzen wir auch diesen Anlaß, Sie, getreue, liebe Eidgenossen, samt uns in Gottes Machtschutz zu empfehlen.

B e r n , den 16. Oktober 1897.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident: D euch er.

Der I. Vizekanzler: Schatzmann.

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Kreisschreiben des Bundesrates an sämtliche Kantonsregierungen, betreffend die Verordnung über Aufstellung und Betrieb von Dampfkesseln und Dampfgefäßen. (Vom 16.

Oktober 1897.)

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20.10.1897

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