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Konvention zwischen

der Schweiz und Frankreich zum gegenseitigen Schuze der Fabrik- und Handelsmarken, der Handelsfirmen und der industriellen Zeichnungen und Modelle.

(Unterzeichnet den 23. Februar 1882.)

Der Bundesrath der schweizerischen Eidgenossenschaft und Der Präsident der französischen Republik, in der Absicht, den Schuz des Eigenthums an den Fabrik- und Handelsmarken, den Handelsfirmen, den industriellen Zeichnungen und Modellen in der Schweiz und in Frankreich gegenseitig zu sichern, haben beschlossen, zu diesem Zweke eine Konvention einzugehen und zu ihren Bevollmächtigten ernannt, nämlich:

Der Bundesrath der schweizerischen Eidgenossenschaft: Herrn J. C. K e r n , außerordentlicher Gesandter und bevollmächtigter Minister der schweizerischen Eidgenossenschaft in Paris 5 Herrn K. E. L a r d y , Dr. jur., Legationsrath der schweizerischen Gesandtschaft in Paris; und

Der Präsident der französischen Republik: Herrn C. von F r e y c i n e t , Senator? Präsident des Ministerrathes, Minister der Auswärtigen Angelegenheiten; Herrn T i r a r d, Abgeordneter, Minister des Handels; Herrn M o r i z R o u v i e r , Abgeordneter, gewesener Minister des Handels und der Kolonien;

723 welche, nach gegenseitiger Mittheilung ihrer, in guter und gehöriger Form befundenen Vollmachten, sich über folgende Artikel geeinigt haben:

Fabrik- und Handelsmarken, Handelsnamen und Handelsfirmen.

Art. 1.

Die Bürger der beiden koutrahirenden Staaten sollen in Allem, was das Eigenth'um an Fabrik- und Handelsmarken betrifft, gegenseitig den gleichen Schuz genießen, wie die Einheimischen, unter der Bedingung, daß sie die hiefür durch die betreffende Gesezgebung der zwei Länder vorgeschriebenen Formalitäten erfüllen.

Die hohen Vertragsparteien werden einander zu dem Behufe die geforderten Formalitäten mittheilen und behalten sich das Recht vor, diese zu ändern, wenn sie es für nothwendig erachten.

Art. 2.

Der vorstehende Artikel findet nur auf solche Fabrik- und Handelsmarken Anwendung, welche in den zwei Ländern durch die Industriellen und Handelsleute, die davon Gebrauch machen, gesezlich erworben worden sind, d. h. es soll die Eigenschaft einer schweizerischen Marke in Frankreich nach französischem Geseze, einer französischen Marke in der Schweiz nach schweizerischem Geseze beurtheilt werden.

Art. 3.

Die Bürger der beiden kontrahirenden Staaten werden ebenso in dem andern Staate in Allem, was auf das Eigenthum an einem Handelsnamen oder einer Handelsfirma Bezug hat, den gleichen Schuz genießen, wie die Einheimischen, ohne dabei verpflichtet zu sein, dieselben zu hinterlegen, möge nun der Handelsname oder die Firma einen Theil der Fabrik- oder Handelsmarke bilden oder nicht.

Industrielle Zeichnungen und Modelle.

In Frankreich anzuwendende Bestimmungen.

Art. 4.

Die Schweizer werden in Frankreich in Allem, was das Eigenthum an industriellen Zeichnungen und Modellen betrifft, in gleicher

724 Weise geschüzt, wie die Einheimischen. Immerhin aber kann die Dauer dieses Schuzes nicht länger sein, als dies in Art. 10 hienach bestimmt ist.

Wenn die industrielle Zeichnung oder das Modell in der Schweiz Gemeingut Aller sind, so können sie in Frankreich nicht Gegenstand eines ausschließlichen Benuzungsrechtes sein. Die Rechte der schweizerischen Angehörigen sind in Frankreich nicht der Verpflichtung unterworfen, dort die fraglichen Zeichnungen oder Modelle auch anzuwenden.

Art. 5.

Die Schweizer können in Frankreich das ausschließliche Eigenthum an einer industriellen Zeichnung oder einem.Modell nur dann beanspruchen, wenn sie eine Skizze oder ein Muster beim Sekretariat des Conseil des prud'hommes des tissus in Paris hinterlegt haben.

Dieses Sekretariat wird diejenigen Zeichnungen und Modelle, zu deren Aufnahme in's Depot es nicht ermächtigt ist, an die kompetente Behörde übermitteln.

Für die Hinterlegung jeder industriellen Zeichnung oder eines Modells wird eine Gebühr bezogen, welche höchstens l Fr. betragen darf.

Jede Abtretung einer Zeichnung oder eines Modells soll gegen Entrichtung einer Gebühr von Fr. l einregistrirt werden.

Die für die Hinterlegung, sowie für Abtretung festgesezte Gebühr schließt alle weitern Kosten aus.

Art. 6.

Im Falle einer Nachmachung, welche die durch die zwei vorgehenden Artikel gewährleisteten Rechte verlezen würde, werden die nachgemachten Gegenstände mit Beschlag belegt und es werden die Gerichte die durch das Gesez bestimmten Strafen in gleicher Weise zur Anwendung bringen, wie wenn es sich um die Nachmachung einer französischen industriellen Zeichnung oder Modells handeln würde.

Die Merkmale, durch welche eine Nachmachung bedingt ist, werden durch die französischen Gerichte nach der jeweilen auf dem Gebiete der Republik herrschenden Gesezgebung festgestellt.

In der Schweiz anzuwendende Bestimmungen.

Art. 7.

Die Bestimmungen der drei vorgehenden Artikel sollen für den Schuz des in Frankreich gehörig erworbenen Eigenthums an

725 industriellen Zeichnungen und Modellen gegenrechtlich in der Schweiz ebenfalls Anwendung finden.

Art. 8.

Die für die Civilentschädigung oder für die Bestrafung der Vergehen kompetenten schweizerischen Gerichte sollen auf dem ganzen Gebiete der Eidgenossenschaft die Bestimmungen des vorstehenden Artikels sowie der nachfolgenden zu Gunsten der französischen Eigenthümer von industriellen Zeichnungen und Modellen in Anwendung bringen.

Dabei ist man einverstanden -- jedoch unter dem Vorbehalt der in Art. 24 vereinbarten Garantien --, daß diese Bestimmungen .

durch gesezgeberische Vorschriften ersezt werden können, welche die zuständigen schweizerischen Behörden in Bezug auf das industrielle Eigenthum, immerhin aber auf Grundlage der Gleichstellung der Ausländer mit dea Einheimischen, erlassen mögen.

Art. 9.Die für Erwerb des Eigenthums an industriellen Zeichnungen und Modellen in Art. 5 vorgeschriebene Hinterlegung (Dépôt) hat beim eidgenössischen Departement des Handels und der Landwirthschaft in Bern zu erfolgen.

Art. 10.

Die gemäß Art. 9 erfolgte Hinterlegung der industriellen Zeichnungen und Modelle sichert das Eigenthum des Hinterlegers je nach seiner Deklaration für l, 2 oder 3 Jahre, vom Tage der Hinterlegung an gerechnet; es kann jedoch mittelst einer neuen Hinterlegung jederzeit die Fortdauer dieses Rechtes auf weitere 3 Jahre erwirkt werden.

Art. 11.

Die Hinterlegung kann entweder offen, mit Unterschrift und Siegel des Hinterlegers versehen, oder unter versiegeltem Umschlag erfolgen. Im leztern Falle darf der die Zeichnung oder das Muster enthaltende Umschlag nicht früher als l Jahr nach Hinterlegung geöffnet werden.

Nach dieser Frist ist es gestattet, von den hinterlegten Zeichnungen oder Modellen Einsicht zu nehmen. Auf Begehren des Hinterlegers aber, oder im Falle der Anfechtung auf richterliche Verfügung hin kann der Umschlag jederzeit geöffnet werden.

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Art. 12.

Die Hinterlegung ist als nicht geschehen zu betrachten in folgenden Fällen: 1) wenn die Zeichnung oder das Modell nicht neu ist; 2) wenn schon vor der Hinterlegung Erzeugnisse, die nach der hinterlegten Zeichnung oder dem Modell geschaffen worden, in den Handel gebracht worden sind.

Art. 13.

Wer Zeichnungen oder Modelle nachmacht oder solche, von denen er weiß, daß sie nachgemacht sind, verkauft oder importirt, wird gemäß den Bestimmungen des nachfolgenden Artikels bestraft.

Art. 14.

Jeder Nachmacher ist mit einer Buße von wenigstens Fr. 100 bis auf höchstens Fr. 2000, und der Verkäufer mit einer solchen von wenigstens Fr. 25 bis àìif höchstens Fr. 500 zu bestrafen ; sie sind überdies zu verurtheilen, dem Eigenthümer den verursachten Schaden zu ersezen.

Die Konfiskation der nachgemachten Gegenstände soll sowohl gegenüber dem Nachmacher als gegenüber dem Einführer und dem Verkäufer ausgesprochen werden.

In allen Fällen können die Gerichte auf das Begehren der Civilpartei anordnen, daß ihr auf Absehlag der ihr gebührenden Entschädigung die nachgemachten Gegenstände zugestellt werden.

Art. 15.

Die Konfiskation der nachgemachten Erzeugnisse, Zeichnungen oder Modelle kann selbst im Falle der Freisprechung vom Gerichte ausgesprochen werden ; desgleichen auch die Konfiskation der Werkzeuge und Utensüien, die speziell zur Ausführung des Vergehens gedient haben.

Art. 16.

Die Eigenthümer industrieller Zeichnungen oder Modelle können auf eine Verfügung der zuständigen Behörde hin, mit oder ohne Beschlagnahme, detaillirte Verzeichnisse oder Beschreibungen derjenigen Erzeugnisse aufnehmen lassen, welche in Uebertretung der Bestimmungen der gegenwärtigen Uebereinkunft zu ihrem Schaden nachgemacht sein sollen.

727 Dieso Verfügung ist auf einfaches Begehren und Vorweis des die Hinterlegung der industriellen Zeichnungen, beziehungsweise Modelle beurkundenden Verbalprozesses hin zu erlassen. Nöthigenfalls enthält sie die Bezeichnung eines Sachverständigen.

Wird die Beschlagnahme begehrt, so kann der Richter dem Gesuchsteller eine zum Voraus zu erlegende Kaution abverlangen.

Dem Inhaber der inventarisirten oder konfiszirten Gegenstände ist eine Abschrift der Verfügung und eventuell der Bescheinigung der stattgefundenen Kautionserlegung zuzustellen, Alles bei Strafe der Nichtigkeit und der Entschädigungspflicht.

Art. 17.

Unterläßt der Kläger, innerhalb 14 Tagen den Rechtsweg zu betreten, so fällt die Inventarisirung oder Beschlagnahme von Rechtswegen dahin, unbeschadet der Entschädigung, welche allfällig verlangt werden möchte.

Art. 18.

Die Verfolgung der in gegenwärtiger Konvention bezeichneten Vergehen vor den schweizerischen Gerichten findet nur auf Begehren des Geschädigten oder seiner Rechtsnachfolger statt.

Art. 19.

Die Klagen wegen Nachmachung der industriellen Zeichnungen und Modelle sind in der Schweiz bei dem Gerichte desjenigen Bezirkes anzubringen, in welchem die unbefugte Nachbildung oder der Verkauf stattgefunden hat.

Die Civilklagen sind summarisch abzuwandeln.

Art. 20.

Die durch gegenwärtige Konvention festgesezten Strafen dürfen nicht kumulirt werden; es ist demnach für alle dem ersten Akte der Strafverfolgung vorangegangenen Handlungen einzig je -die schwerste Strafe zu verhängen.

Art. 21.

Das Gericht kann das Anschlagen des Urtheils an den von ihm zu bestimmenden Orten und seine vollständige oder auszugsweise Einrükung in von ihm zu bezeichnende Zeitungen anordnen, Alles auf Kosten des Verurtheilten.

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Art. 22.

Die in den obigen Artikeln bezeichneten Strafen können beim Rükfall verdoppelt werden. Ein Rükfall ist vorhanden, wenn in den fünf vorangegangenen Jahren der Angeklagte wegen eines gleichartigen Vergehens schon verurtheilt worden ist.

Art. 23.

Wenn mildernde Umstände vorhanden sind, können die Gerichte die gegen die Schuldigen ausgesprochenen Strafen bis unter das vorgeschriebene Minimum ermäßigen und selbst die Gefängnißstrafe in eine Geldbuße umwandeln, in keinem Falle jedoch unter die einfachen Polizeistrafen herabgehen.

Art. 24.

Die hohen vertragschließenden Theile sind übereingekommen, die Bestimmungen der obigen Artikel 4 bis 23 einer Revision zu unterwerfen, wenn eine solche in Folge einer" neuen Gesezgebung in Betreff der Zeichnungen und Modelle im einen oder andern oder in beiden Ländern wünschenswert!! erscheinen sollte ; es bleiben aber immerhin die Bestimmungen der benannten Artikel für beide Länder so lange verbindlich, bis sie in beidseitigem Einverständnis abgeändert sind.

Sollten die gegenwärtig in Frankreich zum Schuze des Eigenthums an industriellen Zeichnungen oder Modellen eingeräumten Garantien während der Dauer der gegenwärtigen Konvention geändert werden, so ist die schweizerische Bundesbehörde berechtigt, die Bestimmungen der obigen Artikel 4 bis 23 durch die neuen, von der französischen Gesezgebung aufgestellten Vorschriften zu ersezen.

Art. 25.

Die gegenwärtige Konvention tritt mit dem 16. Mai 1882 in Kraft und bleibt vollziehbar bis zum 1. Februar 1892. Für den Fall, daß keiner der hohen vertragschließenden Theile ein Jahr vor Ablauf dieser Frist seine Absicht kundgegeben hat, von der Konvention zurükzutreten, bleibt diese von dem Tage ab, an welchem einer der beiden Theile sie gekündigt hat, noch ein weiteres Jahr lang verbindlich.

Diese Konvention ist zu ratifiziren, und die Ratifikationsurkunden sind spätestens am 12. Mai 1882, gleichzeitig mit denjenigen des unter dem heutigen Datum abgeschlossenen Handelsvertrages, in Paris auszuwechseln.

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Dessen zur Urkunde haben die beiderseitigen Bevollmächtigten die gegenwärtige Konvention unterzeichnet und derselben ihre Siegel .beigedrükt.

So geschehen in doppelter Ausfertigung zu P a r i s , am 23. Februar 1882.

(L. S.)

(L. S.)

Kern.

Lardy.

(L. S.) C. de Freycinet.

(L. S.) P. Tirard.

(L. S.) M. Rouvier.

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Konvention zwischen der Schweiz und Frankreich zum gegenseitigen Schuze der Fabrikund Handelsmarken, der Handelsfirmen und der industriellen Zeichnungen und Modelle.

(Unterzeichnet den 23. Februar 1882.)

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06.04.1882

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