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Botschaft des

Bundesrathes an die Bundesversammlung, betreffend den am 23. Februar 1882

abgeschlossenen Niederlassungs-

vertrag zwischen der Schweiz und Frankreich.

(Vom 3l. März 1882.)

Tit.

Seit mehreren Jahrhunderten bildet die Niederlassung der Schweizer in Frankreich und der Franzosen in der Schweiz den Gegenstand von Verträgen zwischen beiden Ländern. Die unserer Botschaft vom 21. März, betreffend den Handelsvertrag, unter Ziffer VI. beigefügte historische Notiz gibt die wichtigern Quellen an, wo die altern Verträge zu finden sind, durch welche dieses Verhältniß zwischen beiden Ländern geordnet worden ist.

Der Niederlassungsvertrag vom 30. Juni 1864 war, mit wenigen Ausnahmen, eine einfache Wiederholung des Vertrages von 1827.

Der neue Vertrag, den wir Ihrer Prüfung zu unterstellen die Ehre haben, ist seinerseits beinahe eine Integralerneuerung des-Vertrages vom 30. Juni 1864.

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Wir glauben daher auf folgende wenige Bemerkungen uns be schränken zu können : 1. Nachdem die Bundesverfassung seit 1865 bezüglich des Niederlassungsrechtes jeden Unterschied zwischen den Christen und Nicht-Christen aufgehoben hat, ist in Art. l die spezielle Erwähnung des den französischen Israeliten bewilligten Niederlassungsrechtes weggelassen worden.

2. Durch Art. 2 sind die französischen Konsulate und ViceKonsulate in der Schweiz ermächtigt worden, den Franzosen Matrikulationsscheine auszustellen. Nach dem alten Vertrage hätten diese Zeugnisse nur durch die französische Botschaft in Bern ausgestellt werden sollen, allein schon gegenwärtig werden mehr derselben von den Konsulatskanzleien als von der Botschaft ertheilt. Ferner enthält der neue Vertrag nicht mehr die Vorschrift, daß die französische Botschaft und die Konsulate von ihren Landsleuten ein Zeugniß über sittliche Aufführung sich vorlegen lassen sollen, weil es den französischen Agenten in der Schweiz meistens unmöglich ist, solche Informationen sich zu verschaffen, und weil überdies die Bundes- und Kantonalbehörden keinerlei Mittel besizen, sich zu überzeugen, daß diese Agenten wirklich die erwähnten Erkundigungen erheben. Wenn eine schweizerische Behörde gegründete Ursache hat, anzunehmen, daß ein Franzose in seinem Heimatlande eine Verurtheilung erlitten habe, so genügt es, an die schweizerische Gesandtschaft in Paris zu schreiben, welche in ganz kurzer Zeit vom Staatsanwalt des Kreises, in welchem die fragliche Person geboren ist, die Angabe der Strafen, welche gegen sie ausgesprochen sein sollten, erhalten kann.

3. Bezüglich derjenigen Personen, welche in die Lage kommen sollten, durch gesezliche Verfügung, oder gemäß den Gesezen oder Verordnungen über die Sittenpolizei und über den Bettel, weggewiesen zu werden, ist an dem jezigen Zustande nichts geändert worden. Die Schweiz wird daher in dieser Beziehung auch künftig in Frankreich ein Privilegium genießen, das von nicht unbedeutendem Werthe ist, wenn man die strengen Vorschriften des französischen Gesezes von 1849, genannt ^Loi de sûreté générale", in Betracht zieht. Man hat sich darauf beschränkt, am Schlüsse von Art. 5 bezüglich der Wiederaufnahme ausgewiesener Individuen in ihrer Heimat vorzuschreiben, daß sie daselbst ihre Heimatrechte beibehalten haben, anstatt, wie es
1864 geschah, daß sie daselbst ihre Rechte n a c h den d o r t i g e n G e s e z e n beibehalten haben. Es versteht sich von selbst, daß ihre Rechte den Gesezen entsprechen müssen.

695 4. Die Bürger des einen Staates sind auch fernerhin von jedem Militärdienst und von jeder Militärtaxe im andern Lande befreit.

5. Die Vorschriften des Niederlassungsvertrages sind auch auf Algerien und auf die französischen Kolonien ausgedehnt worden.

Dieser Punkt bildete den Gegenstand einer besondern Deklaration zwischen den Regierungen der beiden Länder vom 24. Juli 1865 (Amtl. Samml. Bd. VIII, S. 456 und 549). Immerhin ist die Erklärung von 1865 in dem Sinne verbessert worden, daß die Schweizer in Algerien nicht mehr verpflichtet sind, im Falle eines Aufstandes zu den Waffen zu greifen. Auf der andern Seite hat Frankreich Werth darauf gelegt, daß bezüglich der andern französischen Kolonien, mit Ausnahme von Algerien, das besondere Régime, welchem diese Besizungen unterstellt sind, vorbehalten werde.

Dieser Vorbehalt ist im neuen Vertrage zwischen Frankreich und Spanien enthalten, weil das Kabinet zu Madrid verlangt hatte, ein besonderes Régime für seine Kolonien beibehalten zu können, wodurch Frankreich zu dem Gegenvorbehalt von eventuellen Repressalien für den Fall veranlaßt wurde, als Spanien zum Nachtheil der Franzosen sein Kolonialsyslern abändern würde. In Folge der Meistbegünstigungsklausel, welche in dem französischspanischen Vertrage enthalten ist, war es der französischen Regierung nicht möglich, gegenüber der Schweiz eine abweichende Bestimmung anzunehmen (siehe Protokoll der Konferenzen zu Paris, .Pagina 297).

6. Die Erklärung vom 30. Juni 1864 (Amtl. Samml. Bd. VIII, S. 378), betreffend die Gleichstellung der Schweizer mit den Engländern und Belgiern im Paßwesen, ist nicht in den Niederlassungsvertrag aufgenommen worden, weil diese Erklärung keine beschränkte Dauer hat und von Frankreich nicht gekündigt worden iat.

· 7. Die Gültigkeitsdauer des Vertrages ist auf 10 Jahre fixirt.

8. Endlich ist die im Jahre 1864 vereinbarte absolute Konnexität zwischen dem Handelsvertrag und dem Niederlassungsvertrag aufgehoben worden, in dem Sinne, daß nach Auswechslung der Ratifikationen beide Verträge getrennt bestehen sollen, und daß bei Ablauf ihrer Gültigkeit jeder derselben für sich entweder beibehalten oder revidirt werden kann.

Gestüzt auf vorstehende wenige Bemerkungen, erlauben wir uns, Ihnen die Genehmigung des als Beilage angefügten Beschlussesentwurfes zu empfehlen.

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Wir benuzen mit Vergnügen auch diesen Anlaß, Sie, Herr Präsident, hochgeehrte Herren, wiederholt unserer ausgezeichnetsten Hochachtung zu versichern.

B e r n , den 31. März 1882.

Im Namen des Schweiz. Bundesrathes, Der Bundespräsident:

Bavier.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Bingier.

697 (Entwurf.)

Bundeslbeschluß betreffend

den Niederlassungsvertrag vom 23. Februar 1882 zwischen der Schweiz und Frankreich.

Die Bundesversammlung der s c h w e i z e r i s c h e n E i d g e n o s s e n s c h a f t , nach Einsicht : .

1) des am 23. Februar 1882 betreffend die Niederlassung der Schweizer in Frankreich und der Franzosen in der Schweiz zu Paris abgeschlossenen Vertrages ; 2) der Botschaft des Bundesratb.es vom 31. März 1882, beschließt: Art. 1. Der genannte Vertrag ist in Form und Inhalt ratiflzirt.

Art. 2. Der Bundesrath ist mit der Vollziehung des gegenwärtigen Beschlusses beauftragt.

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Botschaft des Bundesrathes an die Bundesversammlung, betreffend den am 23. Februar 1882 abgeschlossenen Niederlassungsvertrag zwischen der Schweiz und Frankreich. (Vom 3l. März 1882.)

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