566

# S T #

Botschaft des

Bundesrathes an die Bundesversammlung, betreffend Gewährleistung einer theilweisen Abänderung der Verfassung des Kantons Luzern vom Jahr 1875.

(Vom 9. Dezember 1882.)

Mit Zuschrift vom 6. Dezember dieses Jahres hat uns die Regierung des Kantons Luzern mitgetheilt, daß der Große Rath am 11. Oktober abhin ein Gesetz betreffend Abänderung der Staatsverfassung des Kantons Luzern vom Jahr 1875 erlassen und dasselbe am 12. November der Volksabstimmung unterstellt habe. Nachdem dieses Verfassungsgesetz von der großen Mehrheit des Volkes angenommen worden, habe der Große Rath am 30. November dasselbe in Kraft getreten erklärt. Infolge dessen und in Beachtung der in Art. 6 der Bundesverfassung enthaltenen Vorschrift ersuche die Regierung um die Gewährleistung dieses Verfassungsgesetzes von Seite des Bundes.

Wir haben nun die Ehre, Ihnen dieses Verfassungsgesetz mit folgenden Bemerkungen vorzulegen.

Durch Art. l desselben wird der Absatz 2 des § 5 der Verfassung von 1875 gestrichen. Dieser Absatz hatte folgenden Wortlaut: ,,Die Kettenstrafe als solche ist abgeschafft; ebenso die Todesstrafe.

Körperliche Strafen sind untersagt." -- An dessen Stelle tritt jetzt folgende Vorschrift: ,,Die Todesstrafe soll wieder eingeführt und über deren Anwendung ein Gesetz erlassen werden. Nach dieser Redaktion wäre die Einführung der Kettenstrafe, sowie der körperlichen Strafen nicht mehr untersagt. Da jedoch durch die Revision

567

des Artikel 65 der Bundesverfassung, vom 28. März 1879 (Amtl.

Samml. n. F., IV, 193) die körperlichen Strafen von Bundeswegen untersagt sind, so kann in dem Umstände, daß die Verfassung des Kantons Luzern dieses Verbotes nicht mehr ausdrücklich erwähnt, kein Widerspruch mit der Bundesverfassung erblickt werden, indem die letztere selbstverständlich maßgebend bleibt.

Mit Art. 2 dieses "Verfassungsgesetzes werden einige Abänderungen in der Eintheilung der Großrathswahlkreise des Kantons Luzern eingeführt. -- Durch Art. 3 wird die Stadt Luzern als Hauptort des Kantons erklärt und es ist der weitere Inhalt des frühern § 24 der Verfassung, wonach die Stadt Luzern auch ala der ordentliche Sitz der Kantonsbehörden erklärt war, gestrichen, so daß letztere nicht mehr nothwendig in Luzern ihren Sitz haben müssen. -- Art. 4 der Revision ermöglicht künftig auch einen Beschluß des Großen Rathes dem fakultativen Referendum zu unterstellen. -- Mit Art. 5 der Revision wird der § 43 der bisherigen Verfassung dahin abgeändert, daß statt der früheren 55 Wahlkreise für die Wahl der Mitglieder des Großen Rathes künftig nur 53 bestehen werden, und daß hiebei nicht mehr je 1000 Seelen der Bevölkerung des Wahlkreises als Basis dienen, sondern 1000 Seelen der s c h w e i z e r i s c h e n W o h n b e v ö l k e r u n g nach Maßgabe der jeweiligen neuesten eidgenössischen Volkszählung.

Nachdem diese Berechnungsart bei der Gewährleistung des Verfassungsdekretes des Kantons Tessin vom 8. Januar 1880 als zuläßig anerkannt worden, bleibt hierüber nichts Weiteres zu bemerken. -- Durch Art. 6 der Revision wird der dritte Absatz des § 58 der Verfassung gestrichen, welcher sich auf die Bestätigung einiger militärischer Wahlen, soweit sie nach der Bundesgesetzgebung der Regierung zukamen, bezieht. -- Die Art. 7 und 10 der Revision gestatten, daß künftig aus der Regierung und aus dem Obergerichte je zwei Mitglieder der Bundesversammlung angehören können, während früher nur je ein Mitglied in die letztere gewählt werden durfte. -- Die Art. 8 und 9 der Revision beziehen sich auf Wahlen und innere Organisation, ebenso auch die übrigen Artikel. Wir erwähnen bloß noch, daß in Art. 11 der Revision eine besondere Ordnung der eigenthümlichen Verhältnisse der Gemeinden WillisauStadt und Willisau-Land durch den Großen Rath vorgesehen ist,
so daß Konflikte, wie sie in Rekursen zu Tage traten, künftig nicht mehr eintreten werden.

In seinem Beschlüsse vom 30. November 1882 konstatirte der Große Rath des Kantons Luzern, daß dieses Verfassungsgesetz von 9954 Anwesenden mit 8887 Stimmen angenommen worden sei und daß 1013 für Verwerfung gestimmt und 54 der Abstimmung sich

568

enthalten haben. Es wurde daher die dem Volke vorgeschlagene Verfassungsabänderung (siehe Beilage) als angenommen und als Bestandtheil des Grundgesetzes erklärt.

Aus obiger Darstellung des Inhaltes dieses Verfassungsgesetzes werden Sie mit uns entnehmen, daß dasselbe nichts enthält, was mit den Vorschriften der Bundesverfassung im Widerspruche wäre, und nachdem es von der absoluten Mehrheit der stimmenden Bürger angenommen ist, empfehlen wir Ihnen dessen Gewährleistung durch Annahme des folgenden Beschlußentwurfes.

Genehmigen Sie, Tit., die Versicherung unserer vollkommensten Hochachtung !

B e r n , den 9. Dezember 1882.

Im Namen des Schweiz. Bundesrathes, Der Bundespräsident:

Bavier.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Ringier.

569

(Entwurf)

Bundesfoescliluß betreffend

Gewährleistung des Verfassungsgesetzes des Kantons Luzern vom 11. Oktober 1882.

Die Bundesversammlung der s c h w e i z e r i s c h e n E i d g e n o s s e n s c h a f t , nach Einsicht einer Botschaft und eines Antrages des Bundesrathes vom 9. Dezember 1882 über ein Gesetz des Kantons Luzern vomii. Oktober 1882, betreffend Abänderung der Verfassung dieses Kantons vom Jahre 1875; in Betracht : de.ß diese Verfassungsrevision nichts enthält, was mit den Bestimmungen der Bundesverfassung im Widerspruche wäre, daß das vorliegende Verfassungsgesetz in der Volksabstimmung vom 12. November 1882 angenommen worden ist, beschließt: 1. Dem Verfassungsgesetze des Kantons Luzern vom 11. Oktober 1882 wird hiemit die Gewährleistung des Bundes ertheilt.

2. Der Bundesrath ist mit der Vollziehung dieses Beschlusses beauftragt.

570 Beilage.

r © S G t, Z

betreffend

Abänderung der Staatsverfassung des Kantons Luzern vom Jahr 1875.

Der Große Rath des Kantons Luzern, in Abänderung einiger Artikel der Kantonsverfassung von 1875, nach vernommenen Anträgen des Regierungsrathes und einer Kommission, beschließt: Art. 1. Der Absatz 3 des § 5 der Verfassung von 1875 wird gestrichen.

An dessen Stelle tritt folgender Absatz 3: Die Todesstrafe soll wieder eingeführt und über deren Anwendung ein Gpselz erlassen werden.

Art. 2. Betreffend die' im § 23 (und § 43} als Anhang zur Verfassung angeführte Eintheilung des Kantons in Großrathswahlkreise werden folgende Abänderungen getroffen : a. vom Wahlkreis Eschenbach wird die Gemeinde Rain abgetrennt und dem Wahlkreis Rothenburg zugetheilt; b. ebenso wird vom Wahlkreis Ermensee die Gemeinde Mosen abgetrennt und dem Wahlkreis Aesch zugetheilt; c. die Wahlkreise Nottwü und Oberkirch werden zu einem Wahlkreis verschmolzen ; d. vom Wahlkreis Ettiswil wird die Gemeinde Wauwil abgetrennt und dem Wahlkreis Schötz zugetheilt; e. die Wahlkreise Großdietwil und Altbüron werden zu einem Wahlkreis vereinigt.

571

Im Uebiïgen wird die Vertheilung der Großrathsmitglieder auf die einzelnen Wahlkreise nach Maßgabe der neuesten eidgenössischen Volkszählung vom 1. Dezember 1880 bereinigt.

Der § 23 der Verfassung soll demgemäß lauten : Der Kanton Luzern ist in fünf Aemter, in Gerichts bezirke, Friedensrichterkreise und in Gemeinden, sowie in d r e i u n d f ü n f z i g Großrathswahlkreise nach der am Ende beigefügten Uebersicht eingetheilt.

Art. 3. Der § 24 der Verfassung soll lauten : Die Stadt Luzern ist der Hauptort des Kantons.

Art. 4. Der § 39, zweiter Absatz soll lauten: Ueberdies kann der Große Rath auch ohne verfassungsmäßige Verpflichtung einen Beschluß dem fakultativen Referendum (wie in § 39, erster Absatz) oder aber der Volksabstimmung mit Ja und Nein (nach § 36) unterstellen.

Art. 5. euer § 43 soll lauten: Das souveräne Volk wählt nach Vorschrift der Verfassung und des Gesetzes in dreiundfünfzig Wahlkreisen nach der am Ende beigefügten Uebersicht in gemeindeweiser Abstimmung seine Stellvertreter in den Großen Rath.

Die Wahlversammlungen ernennen auf je tausend Seelen d e r s c h w e i z e r i s c h e n W o h n b e v ö l k e r u n g d e s Wahlkreises nach Maßgabe der jeweiligen neuesten e i d g e n ö s s i s c h e n Volkszählung ein Mitglied in den Großen Rath. Eine Bruchzahl von fünfhundert Seelen berechtigt ebenfalls zur Wahl eines Mitgliedes.

Art. 6.

Der dritte Absatz des § 58 ist zu streichen.

Art. 7. Der § 66 soll lauten: In der schweizerischen Bundesversammlung dürfen nicht mehr als zwei Mitglieder des Regierungsrathes gleichzeitig sitzen.

Art. 8. Der erste Absatz des § 72 soll lauten: Zur Handhabung der Gesetze und Verordnungen, zur Erhaltung der öffentlichen Ruhe und Sicherheit wählt der Große Rath für jedes Amt einen Amtsstatthalter.

Art. 9. Nach § 72 ist folgender § 72 bl» einzuschalten : Die für die Ueberwachung der Gemeinde-, Waisen- und Vogtrechnungen etc. nöthigen Einrichtungen regelt das Geset/..

572

Art. 10. Der letzte Satz des § 75 soll lauten: In der schweizerischen Bundesversammlung dürfen nicht mehr als zwei Mitglieder des Obergerichtes gleichzeitig sitzen.

Art. 11. Der § 94 erhält folgenden Zusatz: Ebenso bleibt dem Großen Rathe vorbehalten, mit Rücksicht auf die besondern gegenseitigen Verhältnisse der Gemeinden Willisau-Stadt und Willisau'-Land bezüglich der Wohnsitz- und Steuerverhältnisse ihrer Beamten eine von den allgemein gesetzlichen Vorschriften abweichende Regulirung zu treffen.

Art. 12. Nach § 94 ist folgender neue § 94 bi8 einzuschieben: Der Gesetzgebung steht die Bildung neuer, sowie die Auflösung und Vereinigung bestehender Gemeinden zu.

Art. 13. Im § 100 wird die Ziffer l betreffend Revision des Forstgesetzes gestrichen.

Art. 14. Gegenwärtiges Verfassungsgesetz, als dessen integrirender Theil die beigefügte Wahlkreiseintheilung zu betrachten ist, wird nach § 36 der Verfassung dem Volke zur Annahme oder Verwerfung vorgelegt.

Dasselbe ist urschriftlich in's Staatsarchiv niederzulegen und nach dessen Annahme durch das Volk in die Sammlung der kantonalen Gesetze aufzunehmen.

L u z e r n , den 11. Oktober

1882.

Namens des Großen Rathes, Der Präsident:

Alois Räber.

Die Sekretäre: Estermann-Leu.

Frz. Sidler.

573

# S T #

Botschaft des

Bundesrathes an die Bundesversammlung zu der mit Frankreich unterm 27. September 1882 abgeschlossenen Uebereinkunft betreffend unentgeltliche Verpflegung der Geisteskranken und verlassenen Kinder.

(Vom 11. Dezember 1882.)

Tit.

Wir haben die Ehre, Ihnen hiermit die Uebereinkunft mit Frankreich, betreffend die unentgeltliche Verpflegung von Geisteskranken und verlassenen Kindern, zur Prüfung vorzulegen, welche auf unsern Antrag mit der französischen Regierung unterhandelt und am 27. September 1882 von den beidseitigen Bevollmächtigten in Paris unterzeichnet worden ist.

Bald nach der Einführung der Bundesverfassung von 1848, wodurch der offizielle Verkehr mit den auswärtigen Staaten an die Bundesbehörden überging, hat sich bezüglich der Liquidation der Kosten für die Verpflegung dürftiger schweizerischer Angehöriger oder verlassener Kinder in andern Staaten und umgekehrt für die Verpflegung solcher Angehöriger anderer Staaten in der Schweiz eine sehr umfangreiche und oft unangenehme Korrespondenz entwickelt. Einzelne Staaten-hatten schon früher durch ihre Gesetzgebung den humanen Grundsatz aufgestellt, daß alle kranken und dürftigen Ausländer gleich den eigenen Angehörigen in die öffentlichen Anstalten aufgenommen und daselbst verpflegt werden sollen, in der Meinung, daß ihre Angehörigen in andern Staaten ebenso

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Botschaft des Bundesrathes an die Bundesversammlung, betreffend Gewährleistung einer theilweisen Abänderung der Verfassung des Kantons Luzern vom Jahr 1875. (Vom 9.

Dezember 1882.)

In

Bundesblatt

Dans

Feuille fédérale

In

Foglio federale

Jahr

1882

Année Anno Band

4

Volume Volume Heft

58

Cahier Numero Geschäftsnummer

---

Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

16.12.1882

Date Data Seite

566-573

Page Pagina Ref. No

10 011 706

Das Dokument wurde durch das Schweizerische Bundesarchiv digitalisiert.

Le document a été digitalisé par les. Archives Fédérales Suisses.

Il documento è stato digitalizzato dell'Archivio federale svizzero.