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Bundesrathsbeschluss betreffend

den Rekurs der Frau Anna Buob, geb. Brändli von Hergiswyl, wohnhaft im Pfyfferhüsli im Reußthal, wegen Wegweisung aus der luzernischen Gemeinde Littau.

(Vom 25. April 1882.)

Der schweizerische Bundesrath hat in Sachen der Frau Anna Buob, geb. Brandii, von Hergiswyl, wohnhaft im Pfyfferhüsli im Reußthal, wegen Wegweisung aus der luzernischen Gemeinde Littau ; nach angehörtem Berichte des Justiz- und Polizeidepartements und nach Einsicht der Akten, woraus sich ergeben : I. Der Gemeinderath von Littau beschloß die Ausweisung der Rekurrentin. Sie beschwerte sich bei der Regierung des Kantons Luzern, welche am 26. Januar 1882 den Beschluß des Gemeinderathes, gestützt auf Art. 45 der Bundesverfassung und auf § 67, litt, a und § 69 des kantonalen Gesetzes über das Niederlassungswesen bestätigte, sowie gestützt auf folgende Gründe: Es sei der gewerbsmäßige Bettel der Rekurrentin durch Landjäg erkorporal Willimann und mehrere Privatpersonen bezeugt.

Allerdings habe der Gemeinderath von Littau eine Aufforderung an die Heimatgemeinde der Rekurrentin zur angemessenen Unterstützung nicht erlassen, weil er vorausgesehen, daß eine solche nicht erfolgen würde und die Rekurrentin, selbst im Falle der

715 Unterstützung, sich von der langen Gewohnheit des Bettels doch nicht würde abhalten lassen.. Die Richtigkeit dieser Ansicht werde auch durch die eigene Aussage des Ehemannes der Frau Buob unterstützt, daß sie, ungeachtet er Vermögen besitze, dem gewohnten Gassenbettel nachlaufe. Aus Art. 45 der Bundesverfassung, Absatz 3, 4 und 5, könne übrigens gefolgert werden, daß die Aufforderung zur Unterstützung nur für nicht kantonsangehörige Einwohner erforderlich sei.

II. Frau Buob beschwerte sich gegen diesen Entscheid. Sie bestreitet die Glaubwürdigkeit des Zeugnisses des Landjägerkorporals Willimann. Der Art. 45, Absatz 3, der Bundesverfassung sei zugegebener Maßen nicht erfüllt, indem eine Aufforderung zur Unterstützung an die Heimatgemeinde erforderlich sei. Sie bestreitet, jemals dem Gassenbettel nachgelaufen zu sein, und behauptet, daß die Ansicht der Regierung über den Sinn des Art. 45 der Bundesverfassung einer Verletzung des Art. 4 derselben gleichkäme.

III. Die Regierung ziehe sich lediglich auf fügte bei, daß auch der keinen Bemerkungen sich

des Kantons Luzern antwortete, sie bedie Begründung ihres Entscheides, und Gemeinderath der Gemeinde Littau zu veranlaßt gesehen habe.

IV. Auf die Einladung des eidg. Justiz- und Polizeidepartementes hat die Regierung des Kantons Luzern von der Gemeinde Hergiswyl, dem Heimatort der Frau Buob, geb. Brandii, verlangt, daß sie sich ausdrücklich darüber erkläre, ob sie ihrer Gemeindeangehörigen in der Gemeinde Littau eine hinreichende Unterstützung gewähren wolle oder nicht ; die genannte Gemeinde erwiderte hierauf mit Schreiben vom 31. März abhin, daß sie diese Unterstützung des bestimmtesten ablehne; in E r w ä g u n g : 1) daß durch die vorliegenden Akten vollständig erwiesen ist, daß Frau Buob verarmt ist und dem Bettel obliegt; 2) daß Art. 45 der Bundesverfassung ausdrücklich sagt, daß die Niederlassung den Personen entzogen werden kann, welche der öffentlichen Wohlthätigkeit zur Last fallen und deren Heimatgemeinde eine angemessene Unterstützung, trotz amtlicher Aufforderung, nicht gewährt; 3) daß mithin der Art. 45 der Bundesverfassung auf den vorliegenden Fall Anwendung findet;

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beschließt: 1. Der Rekurs der Frau Anna Buob, geb. Brandii, wird als unbegründet abgewiesen.

2. Dieser Beschluß ist der Regierung des Kantons Luzern, sowie der Frau Anna Buob, geb. Brandii, unter Rückschluß ihrer beigebrachten Belege, mitzutheilen.

B e r n , den 25. April 1882.

Im Namen des Schweiz. Bundesrathes, Der Bundespräsident:

Bavier.

Der Stellvertreter des Kanzlers der Eidgenossenschaft: Schatzmann.

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Kreisschreiben des

Bundesrathes an sämmtliche eidgenössischen Stände, betreffend die Arbeit in den Fabriken.

(Vom 19. September 1882.)

Getreue, liebe Eidgenossen !

Laut Artikel 17 des Bundesgesetzes über die Arbeit in dea Fabriken erstatten die Kantonsregierungen dem Bundesrathe am Schlüsse jedes Jahres über ihre Thätigkeit, behufs Vollziehung des Gesetzes, über die dabei zu Tage getretenen Erscheinungen, über die Wirkung des Gesetzes u. s. w. einen ausführlichen Bericht.

Bis jetzt ist diese Vorschrift nicht zur Ausführung gelangt, und mit Rücksicht auf die von den Fabrikinspektoren jährlich erstatteten eingehenden Berichte glaubten wir davon abstehen zu sollen, an jene Gesetzesbestimmung zu erinnern und jene Mittheilungen zu verlangen. Nachdem nun aber mehrere Jahre verflossen sind, seitdem das Gesetz in Kraft getreten ist, halten wir dafür, der Moment sei gekommen, um von den Kantonsregierungen den vorgeschriebenen Bericht sich geben zu lassen. Wir ersuchen Sie demnach, uns denselben bis Ende März 1883, und zwar über die ganze Zeit vom Inkrafttreten des Gesetzes an bis Ende 1882 in den im Artikel 17 des Gesetzes bezeichneten Richtungen zu erstatten.

Was die Anordnung des Berichts betrifft, so halten wir dafür, daß es als zweckmäßig erscheine, wenn Sie in Ihren Erörterungen den Titeln der einzelnen Artikel des Gesetzes folgen.

Es empfiehlt sich, daß Sie hiebei insbesondere auch über die zur Ausführung des Gesetzes aufgestellten Vorschriften, über die

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Bundesrathsbeschluss betreffend den Rekurs der Frau Anna Buob, geb. Brändli von Hergiswyl, wohnhaft im Pfyfferhüsli im Reußthal, wegen Wegweisung aus der luzernischen Gemeinde Littau. (Vom 25. April 1882.)

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23.09.1882

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