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Botschaft des

Bundesrathes an die Bundesversammlung, betreffend Zusicherung eines Bundesbeitrages an den Kanton Tessin für die Korrektion des Tessinflusses auf der Strecke von Bellinzona bis Langensee.

(Vom 10. Oktober 1882.)

Tit.

Wir sind im Falle, Ihnen ein Subventionsgesuch vorzulegen, betreffend die Korrektion des Tessinflusses auf der Strecke von Bellinzona bis zur Mündung in den Langensee. Dasselbe ist vom Staatsrathe des Kantons Tessin mittelst Memorials vom 14. Februar 1882 uns eingereicht worden unter Beifügung einer technischen Vorlage, bestehend aus den das Projekt darstellenden Plänen, einem es motivirenden Bericht des Kantonsingenieurs und den Kostenvoranschlägen.

Diese Vorlage ist, nachdem sie auf diesseitige Veranlaßung mit Schreiben des genannten Staatsrathes vom 17. April dieses Jahres noch eine Ergänzung erfahren hatte, dem eidgenössischen Oberbauinspektorate zur Prüfung und Begutachtung überwiesen worden, eine Aufgabe, deren Lösung zufolge der bei in Rede stehendem Korrektionswerke zu überwindenden Schwierigkeiten eine sehr eingehende Behandlung des Projektes nothwendig machte.

Das Bedürfniß dieser Korrektion ist laut dem genannten Memorial im Kanton Tessin schon längst gefühlt worden, demgemäß sind auch schon früher Projekte für dieselbe ausgearbeitet wurden. Die Größe

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der Kosten habe aber von der Ausführung zurückgeschreckt, trotzdem das Bedürfniß immer dringender geworden sei. Erst nachdem das eidgenössische Wasserbaupolizeigesetz solchen Werken die Unterstützung des Bundes gewährt und nach der Erweiterung des Interessentenkreises durch die Gotthardbahn könne an diese Ausführung gedacht werden. Aber auch so sei dieselbe zufolge der geringen Leistungsfähigkeit der meisten Interessenten nur dann möglich, wenn der Bundesbeitrag in dem vom Gesetze gestatteten Maximum verabfolgt werde, was der Staatsrath von Tessin mit Rücksicht sowohl auf die übrigen Verhältnisse, als namentlich zufolge der Beziehungen des Bundes zur Gotthardbahn als gerechtfertigt erachtet.

Betreffend die Einzelheiten des Projektes verweist das Memorial auf die technische Vorlage, bezüglich welcher der Staatsrath sich glaubt versichert halten zu dürfen, daß sie den Anforderungen des Gesetzes vollständig genüge.

" Wiewohl dies im Allgemeinen wirklich der Fall ist, so haben sich gleichwohl gewisse Ergänzungen und Präzisirungen des Projektes als nothwendig erwiesen. Eine solche Ergänzung ist mit dem erwähnten Nachtrage vom 17. April schon geliefert worden. Dieselbe betrifft eine Verlängerung der Einschränkung des Tessin an ihrem untern Ende über die seichte Uferzone hinaus bis zum tiefen See, um zu verhüten, daß vor der Mündung des korrigirten Flusses sich eine nachtheilige Geschiebsablagerung bilde. Diese Verlängerung veranlaßt eine Vermehrung der Kosten von 160,000 Franken.

Weit wichtiger ist aber der Umstand, daß die Vorlage zwei Projekts Varianten von solcher Verschiedenheit enthält, daß der einen eine Devissumme von Fr. 3,547,454 und der andern eine solche von nur Fr. 2,232,779 entspricht. Indem der Bundesrath auf eine solche alternative Kostenangabe hin seine Anträge an die Bundesversammlung nicht formuliren konnte, mußte diese Projektfrage vorher so weit geregelt werden, 'als zu derjenigen wenigstens approximativen Feststellung der Voranschlagssumme nothwendig ist, welche der Art. 9 des eidgenössischen Wasserbaupolizeigesetzes schon in diesem Stadium einer Subventionsangelegenheit verlangt.

Dieses ist dann auch im Einverständnisse mit der Regierung von Tessin geschehen. Den nähern Mittheilungen hierüber finden wir nöthig, solche über die von Tessin eingesandten Projekte, sowie über die
natürlichen Verhältnisse des Tessinflusses voranzuschicken, Verhältnisse, welche nach der übereinstimmenden Ansicht der tessinischen Techniker und des Oberbauinspektorates berücksichtigt werden müssen, um das Gelingen des beabsichtigten Korrektionswerkes zu sichern, beziehungsweise einen Mißerfolg zu verhüten.

42 Nach beiden genannten Projekten hat die in Rede stehende Korrektion ungefähr 2 km. unterhalb der Tessinbrücke von Bellinzona bei der Eisenbahnstation Giubiaseo zu beginnen. Bei jener Brücke selbst ist der Boden auf der linken Seite so tief, daß sie von großen Hochwassern, wie dem von 1868, umgangen wird, und es fehlt daher dort die nöthige Anlehnung für die Korrektion. Diese Anlehnung ist dagegen an genanntem Anfangspunkte in Schuttkegeln dort mündender Wildbäche geboten, und zwar in dem deiSementina auf der rechten und in demjenigen der Morobbia auf der linken Seite. Die Länge des korrigirten Flußlaufes von da bis zum See wird etwas über 11 km. betragen. Die Gefalle nehmen von 2,62 °/oo und 2,35 °/oo ab bis auf 0,98 °/oo.

Der Uebergang zu diesem letztern Gefäll, welches ungefähr bei der Brücke des nach Locamo führenden Armes der Gotthardbahn beginnt und dem Bereiche des vom See ausgeübten Staues entspricht, ist ein ziemlich unvermittelter. Das Alignement ist in den beiden Projekten etwas verschieden, indem im zweiten Projekte zwei im ersten enthaltene Kurven weggelassen sind. Uebrigens haben die Kurven große Halbmesser, auch sind sie nicht angenommen, ohne daß gewisse Motive dafür in den Lokalverhältnissen bestehen ; ein solches liegt namentlich in der erwähnten Eisenbahnbrücke vor.

Außer den schon genannten zwei Wildbächen nimmt der Tessin auf der zu korrigirenden Strecke noch drei weitere auf: Riale di Progero und Riale di Cugnasco auf der rechten und Riale Trodo auf der linken Seite. Indem dadurch die Geschiebe, welche er schon vom obern Laufe herführt, noch vermehrt werden, ist es nothwendig, nach Möglichkeit die Bedingungen zu schaffen, welche für die Abfuhr jener Geschiebe in den See nothwendig sind.

Diese Aufgabe bietet besondere Schwierigkeiten wegen des schon erwähnten Seestaues, eines Staues, welcher zufolge der starken Schwankungen des Wasserstandes des Langensees hier größer als an irgend einem andern Schweizersee ist. Dazu kommt dann der allgemeine Charakter der Gewässer des Südabhanges der Alpen, welchen der Tessin in vollem Maße theilt.

Mag nun größere Intensität der Niederschläge, oder größere Steilheit der Abhänge, oder geringere Bewaldung derselben, oder die Beschaffenheit des Bodens die Schuld tragen, jedenfalls ist es Thatsache, daß diese Gewässer im Verhältnisse zum
Einzugsgebiete weit größere Hochwasser als die des Nordab.hanges haben. Indem aber bezüglich der Nieder- und Mittelwasser wohl eher das Gegentheil der Fall ist, wie sich schon aus dem verhältnißmäßigen Mangel an Gletschern erklärt, so ergibt sich daraus eine Differenz

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zwischen den niedrigem Wasserständen und den Hochwassera, besonders den außerordentlichen, welche die Bestimmung eines konvenabeln Flußquerproflls sehr erschwert.

Um im vorliegenden Falle eine Grundlage für diese Bestimmung zu erhalten, hat man versucht, die maximale sekundliche Abflußmenge zu ermitteln, welche der Tessin anläßlich des seit langer Zeit höchsten Hochwassers von 1868 bei Bellinzona führte. Hiezu ist an geeigneten Stellen die damalige Wasserhöhe möglichst genau ermittelt und dann aus dem so erhaltenen Wasserquerschnitte und Gefalle die Wassermenge berechnet worden. Die so erhaltenen Resultate können selbstverständlich aus verschiedenen Gründen nur auf annähernde Genauigkeit Anspruch machen. Immerhin ergibt sich aus denselben mit einem gewissen Maße von Wahrscheinlichkeit, daß jene sekundliche Abflußmenge nicht unter 2500 m8 angenommen werden darf, und daß es sogar räthlich erscheint, der Bestimmung des Profils für die Korrektion noch eine größere Abflußmenge zu Grunde zu legen, was dann auch mit 2900 m 3 geschehen ist.

Was für' große Ziffern dies für einen Fluß, dessen Gebiet (für Bellinzona) 1500km2 beträgt, sind, ergibt der Vergleich mit andern Flüssen, wie z. B. der Rhone und dem Rhein. Denn die größten sekundlichen Wassermengen der Rhone im untersten Laufe (oberhalb dem Genfersee) betragen nicht ganz 1000m3 bei einem Gebiete von über 5000 km2; und für den Rhein ist die maximale sekundliche Abflußmenge des Hochwassers von 1868 bei der Tardisbrücke, wo sein Gebiet 4200km 2 beträgt, zu ungefähr 3000m 3 bestimmt worden. Demnach würde also auf gleiches Gebiet bezogen die maximale Abflußmenge des Tessins mehr als das Sechsfache von derjenigen der Rhone und immerhin das Doppelte derjenigen des Rheins betragen, ein auffallendes Verhältniß, selbst wenn berücksichtigt wird, daß je größer das Gebiet, um so weniger alle Theile desselben von gleich intensiven Niederschlagen betroffen werden.

Direkt aus der Größe des Gebietes und den Niederschlagsmengen zuverläßigere Schlüsse auf die Abflußmengen als die vorstehenden zu ziehen, fiudet das Oberbauinspektorat unthunlieh, weil eine erfahrungsmäßige Regel hiezu, welche für den vorliegenden Fall anwendbar wäre, nicht besteht. Wollte man annehmen, daß die am 27. September 1868 zu Bernhardin gemessene Regenmenge von 253,9 mm. in 24 Stunden im ganzen
Gebiete des Tessinflusses gefallen und auch ganz abgeflossen sei, so würde dies zu Bellinzona eine sekundliche Abflußmenge von 4408 m 3 ergeben. Allein man weiß, daß nicht alle Zuflüsse des Tessins in gleichem Maße und zu gleicher Zeit zum damaligen Hochwasser kontribuirt haben ; und ·wenn einerseits innert besagten 24 Stunden zeitweise ohne Zweifel

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noch mehr Regen als nach dem Durchschnitte der Regenmenge der ganzen 24 Stunden gefallen ist, so ist es andererseits doch unzuläßig, anzunehmen, daß diese Regenmenge ganz abgeflossen und in gleichen Zeitabschnitten, wie sie gefallen, auch zu Bellinzona angelangt sei.*) Ueber die von Tessin eingesandten zwei Alternativprojekte ist hienach noch Folgendes mitzutheilen.

Das erste Projekt beruht auf dem Systeme des Doppelprotiles, bei welchem das innere oder eigentliche Flußbett durch submersible Parallelen, das ganze Profil durch die in gewissen Abständen von erstem befindlichen nicht submersibeln Hinterdämme begrenzt, durch Traversen aber, welche zwischen diesen beidseitigen Parallelen angebracht sind, die Bildung erhöhter Vorländer bewirkt, beziehungsweise deren Bestand gesichert wird.

E,ine besondere Anordnung dieses Projektes besteht darin, daß.

das Profil sich entsprechend der Abnahme des Gefälles successive erweitert, das Innere von 75m. bis auf 117m., das Ganze von 260 m. bis auf 416 m. Die Traversen sollen in Abständen von 180 m. angebracht werden.

Dem zweiten Projekte ist das an der Rhonekorrektion angewandte System zu Grunde gelegt, bestehend aus den beidseitigen Hinterdämmen mit an dieselben angelehnten, flußwärts geneigten Traversen, zwischen deren Spitzen oder Köpfen -- im Sinne des Querprofiles verstanden -- das eigentliche Flußbett liegt. Die Traversenköpfe verbindende submersible Parallelen werden bei diesem System in der Regel nicht angewandt, dagegen folgen sich die Traversen in kleinen Abständen, an der Rhone in solchen von 30 m., laut dem vorliegenden zweiten Projekte in solchen von 40 m.

Auch nach diesem Projekte würde eine successive Erweiterung des Profiles stattfinden, und zwar würde das ganze Profil (zwischen den Oberkanten der Hinterdämme) von 125m. zu oberst bis 174m. beim See, und dessen innerer, zwischen den Traversenspitzen liegender Theil entsprechend von 44 m. auf 60 m. anwachsen.

Die Regierung von Tessin hat sich in ihrem genannten Memorial nicht darüber ausgesprochen, welchem der beiden Projekte sie den Vorzug gebe, es müßte denn sein, daß dies mit der Aeußerung geschehen wollte, sie (die Regierung) theile die Ansicht ihres technischen Inspektorates, daß die für das erste Projekt devisirten Kosten bei der Ausführung bedeutend vermindert werden könnten, sei es
durch Weglassung einiger zunächst nicht nöthig erscheinender Arbeiten, sei es in Folge bei der Bauvergebung erzielbarer Abschläge, *) Man sehe darüber noch. Anmerkung auf Seite 48.

45 letzteres zwar ein Grund, der sich ebenso für die Möglichkeit weiterer Reduktion der Kosten des zweiten Projektes anfuhren läßt.

Unter solchen Umständen fanden wir uns veranlaßt, die genannte Regierung um Mittheilung ihrer eigentlichen Meinung in der Sache zu ersuchen. Dann fanden auch Verhandlungen zwischen dem.

dortigen kantonalen und dem eidgenössischen Bauinspektorate statt, und man gelangte so zu einer grundsätzlichen Vereinbarung, welche auf eine Kombination zwischen den beiden von Tessin eingesandten Projekten abzielt, allerdings mit wesentlichen Abweichungen von beiden.

Auch haben sich, nachdem die Regierung von Tessin mit Schreiben vom 28. August abbin die vom dortigen Bauinspektorate vorgenommene Bearbeitung des kombinirten Projektes eingesandt hat, gegenüber derjenigen des eidgenössischen Oberbauinspektorates einige Verschiedenheiten ergeben. Allein trotzdem genügt die erzielte Einigung, da es sich jetzt eben nur um ein Vorprojekt und einen approximativen Kosten veranschlag handelt.

Denn indem man bezüglich des Letztern zu analogen Schlüssen gelangt ist, kann die Begleichung der bezüglich des erstem noch bestehenden Differenzen erst bei .Aufstellung des definitiven Ausführungsprojektes, dessen Genehmigung dem Bundesrathe vorbehalten bleibt, stattfinden.

Zur Veranschaulichung des Weitern, was über dieses kombinirte Projekt zu sagen ist, werden hienach eine Karte als Situationsplan, ein Uebersichtslängenprofil und typische Zeichnungen nach Entwurf des Oberbauinspektorates beigefügt.

Der leitende Gedanke bei Aufstellung desselben war, dem erwähnten Charakter des Tessinflusses durch die Bildung einestheils eines innern Profiles für die gewöhnlichen Wasserstände, anderntheils aber eines Expansionsprofiles für die größern und besonders für die nur periodisch eintretenden außerordentlichen- oder Katastrophen - Hochwasser zu entsprechen und zugleich in einem breiten und bewachsenen Vorlande dem wilden Flusse eine die größte Gewähr bietende Schranke zu setzen.

Ersteres Profil muß geeignet sein, die kleinern und mittlern Wasser genügend einzuengen, um sie für die Geschiebsbewegung wirksam zu machen, zugleich aber die größern Wasser bis zu den gewöhnlichen Hochwasserständen zu fassen, dies ebenfalls um eine die Schiebkraft beeinträchtigende zu große Ausbreitung des Wassers zu verhindern. Diese
Aufgabe erfüllt das Rhonesystem, ohne ein Doppelprofil im Sinne doppelter Parallelen zu besitzen, und dasselbe erscheint daher gerade deßhalb hier besonders angezeigt, weil bei

46 seiner Anwendung das hier erforderliche gewissermaßen dreifache Profil bloß mit zwei Parallelen auf jeder Seite erstellt werden kann.

Die das Rhonesystem sonst begrenzenden einfachen Parallelen bilden hier nämlich nicht den Abschluß des ganzen Profiles, sondern es geschieht dies erst durch die weiter zurückgestellten Hochwasserdämme, wodurch zwischen diesen letztern und den vorgenannten Parallelen eben der verlangte Expansionsraum und genanntes Vorland geschaffen werden. Daraus ergibt sich auch selbstredend, daß die Parallelen des Wallisersystems hier nicht, wie es sonst deiFall ist, insubmersibel sein dürfen, da sie eben den großen Hochwassern die Ueberströmung in den äußern Raum gestatten müssen.

Das kombinirte Projekt entspricht also dem zweiten Projekte von Tessin insofern, als es für das innere Profil das Rhonesystem, freilich mit der in der Natur der Sache liegenden Modifikation annimmt, andererseits entspricht es dem ersten Projekte in dessen Hauptmotiv durch Beifügung des Expansionsraumes für die außerordentlichen Hochwasser.

Dagegen bezieht sich eine weitere Modifikation auf das Maß der Profilbreite und das den Projekten von Tessin zu Grunde gelegte Prinzip der successiven Vermehrung derselben flußabwärts.

Die überhaupt sehr großen und noch im umgekehrten Verhältnisse zur Abnahme der Gefalle wachsenden Profilbreiteu des ersten Projektes finden sich im Berichte des Kantonsingenieurs mit der Absicht motivirt, die Wasserstände im neuen Flußbette möglichst unter der Ebene des anliegenden Bodens zu halten. Nun ist dies gewiß ein sehr berechtigtes Motiv, indem es keine größere Sicherheit gegen das Austreten eines Flusses gibt, als wenn sein Bett auch entsprechend den Hochwassern in den Boden eingesenkt ist. Andererseits darf aber bei einem so geschiebreichen Flusse, wie der Tessin ist, diejenige Einschränkung nicht unterlassen werden, welche nöthig ist, um ihn zur Fortbewegung der Geschiebe zu befähigen, indem sonst nicht nur keine Vertiefung des Flußbettes, sondern eine Erhöhung desselben eintreten und in Folge dessen trotz der großen Breiten das Wasser dennoch auf die unerwünschte Höhe ansteigen wird.

Aus dieser Rücksicht ist anderwärts, z. B. bei der Korrektion der Aare im Haslithale und bei derjenigen der Reuß bei Altdorf, sogar zum Gegentheil von der von Tessin beantragten Maßregel
gegriffen worden, indem man mit der Abnahme des Gefälles auch die Profilbreite abnehmen ließ. Bei der Reußkorrektion wird aber dieser Anordnung ein Theil der Schuld an der beim Hochwasser

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von 1868 durch Ausspühlung der Flußsohle erfolgten Zerstörung ihres untersten Theiles beigemessen. Indem nämlich jenes Hochwasser der Reuß bei niedrigem Stande des "Vierwaldstättersees eintrat, entstand in Folge dessen auf der Mündungsstrecke ein anormales Gefäll und eine entsprechende Geschwindigkeit, und es ist allerdings nicht zu bezweifeln, daß diese durch die starke Einengung noch gesteigert und dadurch jene schädliche Wirkung derselben mit veranlaßt wurde.

Ueberhaupt aber bringen zu starke Einengungen den ökonomischen Nachtheil, daß man mehr Kosten auf die Fundamentversicherungen verwenden muß, als es sonst der Fall wäre.

Wenn sonach die Anwendung dieses Hilfsmittels für den vorliegenden Fall sich nicht zu empfehlen schien, so konnte doch andererseits auch die Erweiterung des Profiles nicht angemessen erscheinen. Denn die Zuflüsse, welche der Tessin auf dieser Strecke erhält, sind nicht so wasserreich, um dieselbe zu motiviren, dagegen bilden die Geschiebe, welche sie ihm zuführen, gerade einen Grund mehr, seine Schiebkraft nicht durch Vergrößerung der Breite zu vermindern.

Uebrigens ist, wie aus genannter Beilage ersichtlich, die nun für die ganze Länge der Korrektion bis zur Eisenbahnbrücke gleichmäßige Breite des Profiles größer festgesetzt, als sie in der obern Hälfte der Korrektion nach dem zweiten Projekte von Tessin angenommen war.

Die Erweiterung des äußern Profiles wurde bloß auf der Strecke von der Eisenbahnbrücke bis zum See beibehalten, und zwar aus zwei Gründen. Der erste hängt mit den Folgen zusammen, welche das Zusammentreffen eines Tessinhochwassers mit einem niedrigen Stande des Langensees aus früher erwähntem Grunde haben könnte. Zwar kann nicht vermieden werden, daß in diesem Falle ein mehr als normales Gefäll entsteht, aber immerhin wird dasselbe und die daraus sich ergebende Geschwindigkeit der Strömung weniger groß sein, wenn das Flußprofil breiter gehalten ist.

Der andere Grund bezieht sich gerade auf den gegentheiligen Fall des Zusammentreffens eines Tessinhochwassers mit einem sehr hohen Seestande und dem durch letztern bewirkten Stau. Bei dem bisherigen nicht eingedämmten Zustande des Tessinflusses dehnt sich der See bei hohen Wasserständen horizontal aus, und ersterer mündet an einer weiter zurückliegenden Stelle; beim Hochwasser von 1868 reichte der See bis oberhalb der jetzigen Eisenbahnlinie gegen Locamo. Nach der Eindämmung des Flusses ändert sich dies insoweit, als seine Mündung auch bei den höchsten Seeständen,

sofern die Dämme hoch genug sind, erst am Ende dieser letztern stattfindet. Dazu bedarf es aber eines gewissen Gefälles, und dieses gestaltet sich nach einer Staukurve, welche neben Seehöhe und Abflußmenge abhängig ist von der Profilbreite, indem sie in umgekehrtem Verhältnisse zu der Größe derselben steiler oder weniger steil wird.

Daher empfiehlt sich auch aus diesem Grunde mit Rücksicht sowohl auf die erforderliche Höhe der Dämme der untersten Strecke der Korrektion als auf die Eisenbahnbrücke die Erweiterung des Profiles unterhalb der letztern. Uebrigens hat die mit den denkbar ungünstigsten Paktoren, wie die Erfahrung beim Hochwasser von 1868 sie in einer vielleicht noch zu hoch angenommenen Wassermenge des Tessins von 2900 m 3 und einem Seestande von 7,44 m. liefert, gemachte Berechnung ein Resultat bezüglich dieser Stauhöhe ergeben, das mit den Verhältnissen der mehrerwähnten Brücke durchaus verträglich ist. Als denkbar extremst dürfen aber ohne Zweifel die vorstehenden Ziffern angesehen werden, da, was den Tessin betrifft, seit 1868 nicht annähernd so große Wasserstände vorgekommen sind, vorher aber, um einen ähnlichen zu finden, bis 1834 zurückgegangen werden muß. Ein Seestand von 7,44 m., bei welchem die Häuser in Locamo und Magadino, wie in allen Ortschaften längs dem Langensee, bis zu dem ersten Stockwerk im Wasser standen, ist aber bekannterweise überhaupt niemals vorgekommen. Die seitherigen höchsten Stände sind 4,75 m.

(1872) und 3,26 m. (1880).* Was das Alignement betrifft, so ist für das kombinirte Projekt dasjenige des zweiten Projektes angenommen worden. Der Unterschied gegenüber dem ersten Projekt besteht darin, daß für dieses wegen der großen Breite seines Profiles um dem Bodenvorsprung bei Progero auszuweichen, eine Doppelkurve eingeschaltet wurde.

Bei der geringern Breite des zweiten Projektes ist dies nicht nothwendig, und für das kornbinirte Projekt besteht diese Nothwendig* Nach ,,Lombardini, Guida allo studio dell'idrologia fluviale etc., Milano 1870" war der höchste früher bekannte Stand des Langensees, der von 1807, nach dem Pegel von Pallanza l m. tiefer als der von 1868. Nach gleicher Quelle wäre 1868 der Zufluß zum Langensee in einzelneu Momenten zu 10,000m3 per Sekunde anzunehmen, und es3 würde hienach für das ganze Gebiet per Kilometer 3einen Abfluß von 1,5m
und für den Tessin allein im Ganzen zirka 2300 m treffen. Es muß dann aber zugleich angenommen werden, daß die Maxima der einzelnen Zuflüsse größer als nach dem Durchschnitt des ganzen Beckens waren, welches Letztere das Vierfache desjenigen des Tessin ist. Lombardini sagt auch, der Tessin ergehe sich gegenüber den andern (lombardischen) Flüssen als anormal bezüglich des Betrages der Hochwasser.

49 keit bloß mit Rücksicht auf das innere Profil auch nicht. Wie aber aus dem Nachfolgenden und der Karte ersichtlich ist, wurde ins Auge gefaßt, den Hinterdamm auf der rechten Seite erst von besagtem Vorsprunge abwärts auszuführen. In konstruktiver Beziehung werden der nachfolgenden Besprechung des Kostenvoranschlages einige Bemerkungen beigefügt.

Die eingereichten Kostenvoranschläge, deren Beträge schon früher angegeben wurden, sind detaillirt durchgeführt, indem sie die Quantitäten der einzelnen Arbeitsgattungen für die betreffenden Abtheilungen und Objekte der Korrektion angeben und die Berechnung der Kosten nach ausgesetzten Einheitspreisen enthalten.

Daher ist auch in dieser Beziehung der Anforderung des Art. 9 des eidgenössischen Wasserbaupolizeigesetzes vollkommen genügt.

Im Uebrigen sind diese Voranschläge von zweierlei Gesichtspunkten zu betrachten, erstlich von dem der Projekte, für welche sie bearbeitet worden sind, und zweitens von dem dea nun aufgestellten, aus denselben kombinirten Projektes.

In ersterer Beziehung findet das Oberbauinspektorat sich weder durch die in Rechnung gebrachten Arbeitsinengen, noch durch die Einheitspreise zu Bemerkungen veranlaßt. Dies um so weniger, als eine bei solchen Wasserbauten vorkommende Kategorie von Arbeiten vielleicht zu wenig berücksichtigt sind, nämlich diejenigen, welche, indem sie nur eine vorbereitende Bestimmung erfüllen, sich aus den definitiven projektgemäßen Baubestandtheilen nicht ergeben.

In zweiter Beziehung läßt sich zwar nicht bezweifeln, daß ein .nach dem modifizirten Projekte bearbeiteter Kostenvoranschlag weder mit demjenigen für das erste, noch mit demjenigen für das zweite der eingesandten Projekte ganz übereinstimmen wird. Von einer diesbezüglichen Nebeneinanderstellung mit letzterm kann überhaupt nicht die Rede sein, und was die Vergleichung mit ersterem betrifft, so hat der mit dem Schreiben der Regierung von Tessin vom 28. August eingereichte Voranschlag in Wirklichkeit eine etwelche Erhöhung der Kosten ergeben, indem er die Summe von Fr. 3,871,249 ausweist.

Trotzdem dürfte es sich Angesichts der von der Regierung von Tessin und dem dortigen Bauinspektorate von einer angemessenen Bauausführung erwarteten Ersparniß rechtfertigen, den Kostenvoranschlag zum ersten Projekte auch für das kombinirte Projekt als s o l c h
e n v o n b l o ß a p p r o x i m a t i v e r R i c h t i g k e i t beizubehalten. Wir wollen denselben indessen als Maßstab für die Berechnung des Maximums des Bundesbeitrages auf Fr. 3,800,000 abrunden, trotzdem kein Hinderniß besteht, das zum Zwecke besagter Ersparniß ..geeignete Verfahren wirklich einzuschlagen.

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Demselben wird es unter Anderai entsprechen, die Ausführung der Hinterdämme so weit als möglich zu verschieben, wodurch vermieden wird, daß dieselbe in Dimensionen und in einer Ausdehnung stattfindet, welche sich später als nicht nothwendig erweisen könnten.

Es darf nämlich mit Sicherheit schon von den übrigen Arbeiten, mögen dieselben im vollständigen Ausbau des oben beschriebenen Innern Profiles oder auch nur in den demselben angehörigen und vorläuflg bloß am höhern Terrain angelehnten Traversen bestehen, eine gewisse Vertiefung des Flußbettes erwartet werden, deren Maß aber nicht zum voraus zu bestimmen ist. Andererseits wird mit diesen Traversen, wenn sie im letzterwähnten Falle weiter nach rückwärts verlängert werden, eine Bodenerhöhung bewirkt. Je nach dem Maße dieser letztern und der erzielten Flußbettvertiefung gestaltet sich aber die nöthige Höhe der Hinterdämme verschieden, und es kann unter Umständen sogar ihr Bedürfniß dahin fallen.

Nun besteht auf einzelnen Abtheilungen der fraglichen Flußstrecke, beziehungsweise ihrer Ufer, jedenfalls keine Dringlichkeit für die Ausführung der Hinterdämme. Dies gilt erstlich am linken Ufer bis hinunter zur Mündung der Morobbia, wo auf der linken oder untern Seite dieses Zuflusses zur Rückbindung des Hinterdammes genügende Terrainhöhe besteht. Auf der rechten Seite des Tessins kann einstweilen dieser Damm erst bei dem schon erwähnten Bodenvorsprung bei Progero beginnen, indem auf dieser ganzen 5 km. langen Strecke das Hochufer in geringer Entfernung hinter der Korrektionslinie liegt und das etwa übertretende Wasser an dem meist aus altem Flußbette bestehenden Boden nichts schaden kann. Um diesen zu erhöhen und die Geschwindigkeit der Strömung auch aus anderer Rücksicht zu mäßigen, wären hier bloß einige aus Flußsteinen zu erstellende Querdämme bis an besagtes Hochufer zurück zu führen.

Am pressantesten ist die Anlage der Hochwasserdämme linkseits von der Morobbia weg und rechtseits von Progero weg bis zur Eisenbahnbrücke und wohl auch noch ein Stück unterhalb derselben, somit auf etwa der Hälfte von der im Kostenvoranschlage berechneten Dammlänge. Immerhin sind auch auf diesen Strecken die dringendsten Arbeiten diejenigen, welche den Stromstrich bestimmen, indem mit denselben die Gefahr der weitern Ausbildung der Serpentinen mittelst Abreißens des
Bodens beseitigt ist, und es darf somit die aus Gründen der Oekonomie der Ausführung wünschbare etwelche Verschiebung der Erstellung der Hochwasserdämme im Allgemeinen als zuläßig angesehen werden.

Bezüglich der Parallelen des innern Profiles besteht ein ähnliches Verhältniß. Die angenommene Größe und Form dieses Profiles bedingt eine bestimmte Höhe derselben über dem Flußbette.

Vertieft sich das Profil mehr als nach Voraussicht, so stehen die Parallelen zu hoch. Zufolge dieses Umstandes ist es angezeigt, entweder die Ausbildung des Flußbettes zuerst mit andern Mitteln, wie anfängliche Erstellung bloß der Traversen, zu bewirken, oder die Parallelen so anzulegen, daß ihr späteres Umsetzen zum Zwecke der Anpassung an das Flußbett, so wie es sich wirklich ausgebildet hat, ohne großen Verlust an Konstruktionsarbeit stattfinden könne. Letzteres wird erzielt, wenn so wenig Konstruktion als möglich daran verwendet wird, wie es bei einem bloß aus aufgeschichteten Steinen bestehenden Körper der Fall ist.

Das Wuhr des tessinischen Projektes, bestehend aus einem.

Kern von Flußsteinen und einem gepflasterten Mantel darüber, entspricht dieser Anforderung dagegen nicht ; denn um dasselbe einer bei seiner Erstellung nicht vorgesehenen Lage des Flußbettes nachträglich anzupassen, wäre sein gänzlicher Umbau mit Preisgebung der ganzen auf die erste Konstruktion, abgesehen vom Material, verwendeten Kosten nothwendig. Das Gleiche gilt von den Traversen und überhaupt von allen Bestandteilen des Systems. Zur Erzielung der möglichsten Oekonomie ist es somit nothwendig, die Anlage der Bestandtheile des Systems in ihrer definitiven Gestalt so weit als möglich auf den Zeitpunkt zu verschieben, wo die ihre richtige Lage bedingenden Verhältnisse des Flußbettes sich schon in bedeutendem Maße ausgebildet haben, und es ist dies möglich, wenn diese Ausbildung bewirkt wird entweder mit provisorischen, bloß diesem transitorischen Zwecke dienenden Anlagen oder mit Elementen des Systems selbst, die aber so konstruirt werden, daß das Material derselben je nach eintretendem Bedürfnisse ohne großen Verlust an Konstruktionskosten in die dem veränderten Zustande des Flußbette» angepaßte Form umgesetzt werden kann.

Dieses Verfahren ist z. B. bei der Rhonekorrektion angewendet worden, indem die Traversen anfänglich bloß aus Steinwurf und erst nachträglich mit Benutzung dieses Materials aus eigentlichem Mauerwerk erstellt wurden. Es wird auf diesen Punkt bei Aufstellung des definitiven Ausführungsprojektes zurück zu kommen sein.
Betreffend das Bedürfniß der in Rede stehenden Korrektion genügt ein Blick auf die beiliegende Karte, um dasselbe außer Frage zu stellen. Denn diese zeigt das Bild eines Flusses, welcher sich im äußersten Zustande der Verwilderung befindet. Zwar ist es, indem diese Karte schon vor längerer Zeit aufgenommen wurde, nicht genau der gegenwärtige Zustand, welcher sich in die von

52 Tessin eingesandten Situationspläne eingezeichnet findet. Allein dieser ist jedenfalls nicht besser, wie sich schon aus folgender, dem Berichte des tessinischen Bauinspektorates entnommenen Schilderung .ergibt : ,,Um die Werthe zu ermitteln, welche für Bestreitung der Korrektion des Tessiaflusses in Mitleidenschaft zu ziehen sind, ist .zu beachten, daß der Lauf des letztern in auffallender Weise dahin neigt, das gegenwärtige Flußbett zum Nachtheil der linken Thalseite zu verlassen. Indem allgemein die Geschiebsablagerungen im Bette sich erhöht und befestigt haben, während der Boden der linken Thalseite aus feinerem Sande besteht, bewirkt die Strömung dort zahlreiche und gefährliche Uferbrüche. Die gegenwärtige Richtung des Flusses bei Motto Chicherio (rechtseits entsprechend St. Antonio auf beiliegender Karte) ist mehr als bedrohlich für die ganze Zone zwischen dieser Stelle, der Station von Cadenazzo und der Eisenbahnstrecke von dieser Station bis zur Tessinbrücke.

Wenn nicht die Kunst die weitere Ausbildung dieser großen Serpentine des Tessins verhindert, so wird sich das Wasser in kurzer Zeit eine Bresche quer durch die fruchtbarsten Wiesen der Ebene bis zur Eisenbahn öffnen, denn viele der dazwischen liegenden Stellen sind niedriger, als die den Fluß haltenden Ufer. Unweit oberhalb der Gotthardbahnbrücke kehrt dieser, nachdem er von Progero gegen Contone geströmt war, in scharfer Kurve zurück, um das rechtseitige Wuhr in sehr offensiver Weise anzugreifen und sich dann wieder unmittelbar unterhalb der Brücke in einer die Eisenbahn bedrohenden Weise gegen Quartino zu stürzen. Unterhalb dem Trodo fällt der Fluß nochmals heftig die linke Seite an, bringt dadurch die öffentlichen Arbeiten (Straße) und die Häuser der Fraktion del ponte (bei Magadino) in große Gefahr und biegt dann mit einem mehr als einen Kilometer langen Arm wieder ab, um die Felder auf der rechten Seite zu verwüsten. a Berücksichtigt man neben dem in solcher Weise geschilderten Zustande des Tessins die große Breite der dadurch bedrohten Ebene .zwischen Bellinzona und Magadiuo, wie auch die sehr bedeutende Fläche, welche jetzt schon verwüstet ist und der Kultur wieder gewonnen würde, so kann wohl nicht bezweifelt werden, daß hier die öffentlichen Interessen bestehen, welche die Ausführung der in Rede stehenden Korrektion und
ihre Unterstützung von Seite des Bundes nach dem Wasserbaupolizeigesetze rechtfertigen und beziehungsweise verlangen.

Beim Bestehen von so großen Interessen sollte auch die Möglichkeit bestehen, die nach Abzug des Bundesbeitrages verbleibende .Kostensumme beibringen zu könneo. Dieses scheint auch die Unter-

53 suchung dieses Punktes in dem Berichte des Bauinspektorates von Tessin zu bestätigen, eine Untersuchung, welche sich auf den Werth des der Kultur zurückzugebenden Bodens und auf den Mehrwerth erstreckt, welchen das übrige im Perimeter liegende Eigenthum theils durch Verbesserung seines Zustandes, theils durch Sicherung vor der es jetzt bedrohenden Gefahr erlangt.

Da wir es nicht angezeigt erachten, hier näher auf diese Untersuchung einzutreten, erlauben wir uns bloß bezüglich einer prinzipiellen Grundlage derselben ein Bedenken zu äußern. Es ist dort nämlich gesagt, bevor die Ebene von Magadino von der Eisenbahn durchlaufen worden sei, wäre das ganze Gebiet zwischen den beidseitigen Bergabhängen in den Perimeter für die Tessinkorrektio'n einzubeziehen gewesen; dies habe sich nun aber bezüglich des hinter der Eisenbahnlinie liegenden Theiles desselben geändert, da die Annahme nicht zuläßig sei, daß für die Sicherheit einer Bahn von so ausnahmsweiser Bedeutung nicht Vorsorge getroffen werde.

Wir finden, daß analog sich auch der Schluß rechtfertigen würde, daß auf den Partien, wo der Werth des Bodens zwischen dem Tessin und der Gotthardbahn die Kosten der Tessinkorrektion wesentlich übersteigt, wie es stellenweise wirklich der Fall sein dürfte, die letztez'e nicht in Mitleidenschaft gezogen werden könne.

Ueberhaupt aber erscheint die Aufstellung nicht haltbar, daß durch ein überwiegendes Interesse das hinterliegende nach seiner naturgemäßen Lage dem Interessentenkreise angehörige Eigenthum von den daherigen Verpflichtungen befreit werde.

Uebrigens sind im Kanton Tessin die daherigen Verhältnisse durch ein Gesetz vom 6. Juni 1853 geregelt. Dasselbe bestimmt, daß alle Flüsse und Wildbäche mit Dämmen und andern geeigneten Arbeiten geregelt und verwahrt werden sollen, daß zu diesem Behufe in den Fällen, wo dabei mehrere Eigenthümer betheiligt sind, Konsortien zu bilden seien, an welchen sich alle Privaten und Korporationen zu betheiligen haben, ^welche Eigenthum in einer Lage besitzen, daß es durch die betreffenden Arbeiten geschützt oder verbessert wird. Zufolge einer besondern Bestimmung haben auch der Staat und Eisenbahnunternehmungen sich zu betheiligen, wenn solche Werke irgend einem Eigenthum derselben nützlich sind. Auch ist das Verfahren bei Bildung der Konsortien, die Organisation dieser
letztern und ihre Geschäftsführung, sowie das Verfahren bei Ermittlung des Perimeters etc. bestimmt.

An diese das tessinische' Wasserbaupolizeigesetz betreffenden Notizen sind wir im Falle, die Mittheilung zu knüpfen, daß die Direktion der Gotthardbahn die Besorgniß ausgesprochen hat, diese ßnndesblatt. 34. Jahrg. Bd. IV.

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Unternehmung möchte, wenn lediglich nach erwähntem Gesetze verfahren würde, für die Kosten der Tessinkorrektion in zu hohem Maße in Anspruch genommen werden. Sie glaubt zufolge gemachter Erfahrungen, Veranlagung zu solchen Befürchtungen zu haben und findet, es sei denselben nur dadurch vorzubeugen, daß auf Grund der Bundesverfassung und der eidgenössischen Gesetze in das Subventionsdekret prinzipielle Bestimmungen bezüglich der Kostenvertheilung aufgenommen werden.

Wir können nicht finden, daß dies dem eidg. Wasserbaupolizeigesetze entsprechen würde, da dieses die Reglung der hierauf bezüglichen Verhältnisse der kantonalen Gesetzgebung überläßt.

Andererseits ist allerdings nicht zu übersehen, daß, wie auch das Maß der Betheiligung der Gotthardbahn beiirtheilt und bestimmt werden mag, das vorliegende Verhältniß nach verschiedenen Richtungen ein ausnahmsweises ist, welches eine gewisse Rücksichtnahme bei der Anwendung des tessinischen Gesetzes rechtfertigen dürfte.

So wäre es. z. B. begreiflich, wenn die genannte Direktion in der Bestimmung über das Stimmrecht im Konsortium dieses ausnahmsweise Verhältniß zu wenig berücksichtigt fände, indem jener Bestimmung zufolge einerseits die Einheit nach dem mindest Beitragenden bestimmt wird und andererseits kein Interessent mehr als 10 Stimmen erhält.

Was speziell den von der Direktion in's Ange gefaßten Punkt betrifft, so verfügt der Staatsrath laut Art. 7 des genannten Gesetzes (nebst Anderm): e. die Vornahme der Klassifikation des Eigenthums, welches aus der Korrektion Nutzen zieht und die Bestimmung der Beitragsquoten jedes Interessenten 5 f. die Schätzung von allem zu schützenden oder zu verbessernden Eigenthum, welche Schätzung von dem Geometer gemeinschaftlich mit dem Gemeindexperten und übrigens nach den gesetzlichen Bestimmungen vorzunehmen ist.

Wir glauben im gegenwärtigen Stadium der Angelegenheit und an d i e s e r S t e l l e nicht auf die Prüfung der Frage eintreten zu sollen, ob die letztere Bestimmung die nöthige Gewähr für Unparteilichkeit und Sachkenntniß unter den Verhältnissen des vorliegenden Falles biete, da angenommen werden darf, daß auch die Behörden des Kantons Tessin die Notwendigkeit anerkennen, diesen beiden Erfordernissen in vollstem Maße zu genügen.

Falls Sie dem vorliegenden Subventionsgesuche entsprechen, hat der Kanton
-Tessin sich über die Sicherung der Ausführung der Tessinkorrektion, also über die Deckung der nach Abzug des Bundesbeitrages bleibenden Kosten, zu erklären. Sofern sich dann

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diesbezügliche Anstände mit der Gotthardbahndirektion ergeben sollten, so könnte unter Umständen der Anlaß geboten sein, auf solche Fragen zurückzukommen, wenn dieselben nämlich dem Entscheide administrativer Behörden zufallen.

Es erübrigen uns noch ein paar Bemerkungen betreffend das Maß des für die Tessinkorrektion zu bewilligenden Bundesbeitrages.

Wir haben in frühern Botschaften ausgeführt, daß und warum wir auch unter der Herrschaft des eidg. Wasserbaupolizeigesetzes in Beziehung auf solche Flußkorrektionen glaubten bei dem Ansätze von Va der Kosten stehen bleiben zu sollen. Nachdem nun aber die Bundesversammlung in Abweichung von unsero demgemäß gestellten Anträgen für die Aare im Kanton Aargau und für die Thur in den Kantonen Zürich und Thurgau die Bundesbeiträge zu 40 °/o bewilligt hat, erachten wir, dies für Korrektionen ähnlicher oder selbst schwierigerer Art als Norm ansehen zu sollen, und können daher auch für die Tessinkorrektion keinen niedrigem Prozentsatz beantragen.

Die Regierung von Tessiu stellt, wie oben schon bemerkt wurde, sogar auf 50 °/o ab, jedoch ist der einläßlichem Behandlung des Gegenstandes in dem Berichte, auf welchen das Schreiben der Regierung sich bezieht, die Voraussetzung bloß eines Bundesbeitrages von 40 °/o zu Grunde gelegt. Wir können auch unserseits trotz der anerkannten Schwierigkeiten, welche die Ausführung der Tessinkorrektion bietet, nicht finden, daß in einer Unternehmung, welche den Interessenten so großen und so unmittelbaren Nutzen gewährt, der Ausnahmefall erblickt werden hönne, für welchen das Gesetz einen Beitrag von der Hälfte der Kosten gestattet. Daherige weitere Ausführungen glauben wir hier unterlassen zu dürfen, nachdem solche an anderer Stelle und namentlich in der Botschaft über den auch noch in Behandlung befindlichen Subventionsfall betreffend die Rheinkorrektion im Dornlesçhg sich finden.

Nachdem im Vorstehenden das von der Regierung des Kantons Tessin für die Korrektion des Tessinflusses eingereichte Subventionsgesuch in allen in Betracht kommenden Beziehungen beleuchtet sein dürfte, erlauben wir uns, den nachfolgenden, diesem Gesuch entsprechenden Beschlußentwurf' Ihnen zu unterbreiten und zur Genehmigung zu empfehlen.

Genehmigen Sie, Tit., die Versicherung unserer vollkommensten Hochachtung.

B e r n , den 10. Oktober 1882.

Im Namen des Schweiz. Bundesrathes, Der B u n d e s p r ä s i d e n t :

Bavier.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Ringier.

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Bundesbeschluß betreffend

einen Bundesbeitrag für die Korrektion des Tessinflusses von Bellinzona bis zum Langensee.

Die Bundesversammlung der s c h w e i z e r i s c h e n Eidgenossenschaft^.

nach Einsicht 1) eines Memorials des Staatsrathes des Kantons Tessinvom 24. Februar 1882, und zweier Nachträge zu demselben vom 17/April und 28. August 1882 ; 2) einer Botschaft des Bundesrathes vom 10. Oktober 1882 ; auf Grund des Bundesgesetzes betreffend die Wasserbaupolizei im Hochgebirge, vom 22. Juni 1877 im Allgemeinen, und speziell in Anwendung vom Art. 9, Alinea l und Art. 10, Alinea 2 desselben, beschließt: Art. 1. Dem Kanton Tessin wird für die Korrefction< des Tessinflusses auf der Strecke von Bellinzona bis zur Mündung in den Langensee im Sinne der näheren Bezeichnung, derselben auf dem Situationsplane ein Bundesbeitrag zugesichert. Dieser Beitrag wird auf 40°/o der wirklichen Kostem festgesetzt, jedoch mit der Beschränkung, daß er im Maximum' nicht mehr als 40°/o der Voranschlagssumme von Fr. 3,800,000, also in runder Summe nicht mehr als Fr. 1,520,000 betragen darf.

57 Art. 2. Die definitiven Ausführungsprojekte und die jährlichen Bauanträge bedürfen der Genehmigung des Bundesrathes.

Art. 3. Für den vollständigen Ausbau dieser Korrektion werden 10 Jahre, vom Inkrafttreten gegenwärtigen Beschlusses an gerechnet, festgesetzt, vorbehaltlich der Bestimmung in Alinea 2 des hier folgenden Artikels 4.

Art. 4. Die Ausbezahlung der Bundesbeiträge erfolgt im Verhältniß des Fortschreitens der Ausführung nach Maßgabe der von der Kantonsregierung eingereichten und vom Bundesrathe geprüften und genehmigten Kostenausweise 5 das Jahresmaximum ist auf Fr. 150,000 festgesetzt.

Sollten die von der Wasserwirkung abhängigen · Umstände es nicht gestatten, alle im Kostenvoranschlage ausgesetzten Arbeiten in der festgesetzten Bauzeit von 10 Jahren auszuführen, so kann alsdann für die Ausführung der rückständigen und nach vorgenommener Untersuchung sich noch als nothwendig erweisenden Arbeiten, beziehungsweise für den Bezug der entsprechenden Beiträge, eine angemessene weitere Frist nach Antrag des Bundesrathes bewilligt werden.

Art. 5. Bezüglich der bei Berechnung der Bundesbeiträge in Anschlag kommenden Kosten und der Nachweise für letztere gelten die Bestimmungen in § 7 der Vollziehungsverordnung des- Bundesrathes vom 8. März 1879 zum eidgenössischen Wasserbaupolizeigesetze.

Art. 6. Der Bundesrath läßt die planmäßige Bauausführung und die Richtigkeit der Arbeits- und Kosteuausweise kontroliren. Die Kantonsregierung wird zu diesem Zwecke den Beauftragten des Bundesrathes die nöthige Auskunft und Hilfeleistung zukommen lassen.

Art. 7. Die Zusicherung des Bundesbeitrages tritt in Kraft, nachdem von Seite des Kantons Tessin die Ausführung dieser Korrektion gesichert sein wird.

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Für die Vorlegung der bezüglichen Ausweise wird der Regierung eine Frist von sechs Monaten, vom Datum dieses Beschlusses an gerechnet, gesetzt.

Art. 8. Der Unterhalt des subventionirteu Werkes ist gemäß dem eidgenössischen Wasserbaupolizeigesetze vom Kanton Tessin zu besorgen und vom Bundesrathe zu überwachen.

Art. 9. Dieser Beschluß tritt, als nicht allgemein verbindlicher Natur, sofort in Kraft.

Art. 10. Der Bundesrath ist mit der Ausführung desselben beauftragt.

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Botschaft des Bundesrathes an die Bundesversammlung, betreffend Zusicherung eines Bundesbeitrages an den Kanton Tessin für die Korrektion des Tessinflusses auf der Strecke von Bellinzona bis Langensee. (Vom 10. Oktober 1882.)

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21.10.1882

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