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Bericht des

Bundesrates an die Kommission des Nationalrates für das Rückkaufsgesetz über Art. 47 a, betreffend die Bisenbahnverbindungen der Ostschweiz.

(Vom 13. September 1897.)

Tit.

Der Ständerat hat Art. 47 des Rückkaufsgesetzes im Anschluß an die über die Simplonbahn erlassenen Bestimmungen durch folgenden Zusatz ergänzt: ,,Der Bund wird in gleichem Maße auch die Bestrebungen für Realisierung einer dem Art. 3 des Eisenbahngesetzes vom 23. Dezember 1872 entsprechenden A l p e n b a h n im O s t e n der S c h w e i z fördern."

In Ihrer Mitte hat Herr Th. Curti den Antrag gestellt, diesen Zusatz abzuändern wie folgt : ,,Der Bund wird in gleichem Maße auch eine E i s e n b a h n verbindung mit dem Engadin und engere Verbindungen der Ostschweiz mit Italien und Österreich fördern" -- und Sie haben uns diesen Vorschlag zur Berichterstattung überwiesen.

Der Beschluß des Ständerates hat den Vorzug, daß er sich genau auf dem Boden des Bundesgesetzes über Bau und Betrieb der Eisenbahnen vom 23. Dezember 1872 und des Bundesgesetzes

vom 22. August 1878 betreffend Gewährung von Subsidien für Alpenbahnen hält; er bietet Garantie dafür, daß die Verstaatlichung der Hauptbahnen den an einem östlichen Alpenübergang beteiligten Kantonen keine ungünstigere Stellung schafft.

Wenn wir auch mit dieser Gleichstellung in der Förderung eines Alpenüberganges zwischen dem Osten und Westen des Landes einverstanden sind, können wir dagegen den über dieses Ziel hinausgehenden Absichten, welche der Antrag des Herrn Th. dirti verfolgt, nicht beistimmen.

Wie dem Wortlaute desselben und der Motivierung vom 22. August 1897 zu entnehmen ist, wird beabsichtigt, neben der Festhaltung der Verpflichtungen für eine östliche Alpenbahn dem Bunde schon im Rückkaufsgesetze folgende weitere Aufgaben zu überbinden : die Unterstützung der Bündner Thalbahnen, welche mit Eingabe der Regierung des Kantons Graubünden an don Bundesrat zu Händen der Bundesversammlung vorn 25. Juni 1897 bereits nachgesucht worden ist, und eine nähere Verbindung der Ostschweiz mit der Gotthardbahn durch Erstellung einer Rickenbahn. Durch Einbezug dieser neuen Aufgaben in das Rückkaufsgesetz würde nun nicht etwa die Gleichstellung von Ost und West erreicht, sondern vielmehr eine Bevorzugung der östlichen Kantone geschaffen, indem die Unterstützung von Nebenbahnen im Innern, des Kantons Graubünden und eine neue Verbindung mit dem eentralen Alpenübergang mit der östlichen Alpenbahn kombiniert würde. Wenn dieser Anregung entsprochen werden wollte, könnte mit gleichem Grund eine Ausführung der Lötschbergbahn und eine Beteiligung an einer Reihe anderer Projekte zum voraus verlangt werden. So bestimmt wir die Ansicht teilen, daß die Verstaatlichung der Hauptbahnen einem Ausbau des schweizerischen Bahnnetzes nach verschiedenen Richtungen rufen wird, so entschieden müssen wir daran festhalten, daß die Übernahme dieser Aufgaben durch den Bund jeweilen ein einläßliches Studium erfordert und auf Grund des Art. 3 (neu 4) des Rückkaufsgesctzes vor sich zu gehen hat. Auch die Frage der Bündner Thalbahnen muß eingehend untersucht werden, bevor der Bundesversammlung eine Beschlußfassung beantragt werden kann ; die bezüglichen Studien, wenn sie in dem der Wichtigkeit des Gegenstandes entsprechenden Umfange vorgenommen werden, erfordern geraume Zeit und küuucn nicht so rasch zum Abschluß gebracht werden,
daß eine Behandlung in der nächsten Session der Bundesversammlung möglich würde ; es wäre daher verfrüht, eine bezügliche Bestimmung in das Rückkaufsgesetz aufzunehmen. Bezüglich einer Linie Romanshorn-

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St. Gallen-Wattwil-Rapperswil verweisen wir auf das schon in unserm Berichte vom 13. September d. J. über die Einbeziehung von Nebenbahnen in die erste Verstaatlichungsperiode Gesagte ; die bezüglichen Projekte 'sind noch in keiner Weise abgeklärt, solche für eine Hauptbahn mit normalen Steigungen und solche mit Steigungen bis zu 35 °/oo stehen sich gegenüber, Uznach und Rapperswü streiten sich um den Anschlußpunkt, und die Behörden des Kantons St. Gallen haben noch nicht Stellung genommen ; es fehlt somit an einer sichern Unterlage, wenn der Bund sogar zu gunsten dieser einzigen internen Linie eine Ausnahme gegenüber allen ändern internen Projekten machen wollte.

Zu untersuchen bleibt noch, ob die Fassung des Art. 47 a, Absatz 2, eine zu enge sei, um eine freie Bewegung in der östlichen Alpenbahnfrage zu ermöglichen. Mit dem Antragsteller gehen wir darin einig, daß es nicht angezeigt wäre, unter allen Umständen an einem dritten direkten Anschluß mit Italien festzuhalten, und daß, wie wir bereits in der Rückkaufsbotschaft angedeutet haben, auch eine Lösung der Alpenbahnfrage in Verbindung mit dem Engadin, also in südöstlicher Richtung, der nähern Prüfung wert ist. Wir sind aber der Ansicht, daß die Fassung des Ständerates allgemein genug gehalten sei, um die Auslegung zu gestatten, es könne auch eine Alpenbahn im Südosten der Schweiz, mit Ausmündung auf österreichisches Gebiet, auf die Bundessubvention und eventuell auf Ausführung durch den Bund Anspruch erheben. Art. 3 des Bundesgesetzes vom 23. Dezember 1872 spricht von den Verkehrsverbindungen der Schweiz mit Italien und ,,dem mittelländischen Meere" ; nun würde unzweifelhaft auch eine Alpenbahn im Südosten mit Ausmündung auf österreichisches Gebiet einem Mittelmeerhafen zustreben, und wäre somit der Anforderung des Gesetzes Genüge geleistet. Nebenbei bemerkt ist auch der Simplon streng genommen nicht ein Übergang im Westen der Schweiz, sondern ein solcher im Südwesten oder eigentlich im Süden, und doch ist es noch niemand eingefallen, zu bestreiten, daß er unter Art. 3 falle.

Wenn jedoch diesfalls Zweifel bestehen sollten und eine Verdeutlichung gewünscht würde, würde es sich empfehlen, nur im Beschlüsse des Ständerates hinter den Worten ,,im Osten" beizufügen ,,oder Südosten"1 der Schweiz. Mit einer solchen Einschaltung dürfte jeder Beunruhigung,
welche eine allzuenge Interpretation fürchtet, abgeholfen sein. Wir halten aber auch eine solche Einschaltung für überflüssig, da uns die vorliegende Fassung weit genug scheint und die Festhaltung an der bisherigen Redaktion unter diesen Umständen vorzuziehen ist.

235 Wir gestatten uns daher, Ihnen zu beantragen, es sei der vom Ständerate b e s c h l o s s e n e n F a s s u n g desArt.47a,, Absatz 2, betreffend die E i s e n b a h n v e r b i n d u n g e n d e r O s t s c h w e i z , , z u z u s t i m m e n und demnach der Antrag des Herrn Curti a b z u l e h n e n .

Genehmigen Sie, Tit., bei diesem Anlasse die Versicherung unserer vollkommenen Hochachtung.

B e r n , den 13. September 1897.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident:

Deucher Der Kanzler der Eidgenossenschaft : Ringier.

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Bericht des Bundesrates an die Kommission des Nationalrates für das Rückkaufsgesetz über Art. 47 a, betreffend die Eisenbahnverbindungen der Ostschweiz. (Vom 13.

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15.09.1897

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