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Botschaft des

Bundesrates an die Bundesversammlung, betreffend Erweiterung der Konzession einer Eisenbahn RorschachHeiden.

(Vom 27. September 1897.)

Tit.

Der Betriebschef der Rorschach-Heiden-Bergbahn stellte namens des Verwaltungsrates mittelst Eingabe vom 19. August 1897 d a s Gesuch u m Erteilung der K o n z e s s i o n f ü r e i n nach einem neuen S t e i n b r u c h in der,,Krinne"* bei Wienachten.

Dem allgemeinen Berichte ist zu entnehmen, daß das neue Geleise eine Länge von ungefähr 250 Metern erhalten würde. Der Fuß des Steinbruches käme etwa 21 Meter höher als die Schienenkante der Zahnstangen weiche zu liegen, welche vom Hauptgeleise in das neue Verbindungsgeleise führen werde. Der Minimalradius betrage 75 Meter und die Maximalsteigung 10°/o. Dieselbe sei mittelst Zahnstange zu überwinden. Auf der Abzweigungsstelle werden voraussichtlich ein kleines Gebäude und eine Brückenwage errichtet werden.

Des weiteren wird ausgeführt, die Gesellschaft lege großen Wert darauf, die Konzession für das neue Teilstück zu erhalten, weil ihr aus der Ausbeutung des neuen Steinbruches, deren Erträgnis auf circa 200 Wagenladungen à 10 Tonnen pro Jahr zu veranschlagen sei, eine bedeutende Verbesserung der Einnahmen resultiere.

Dem Konzessionsgesuche war ein Brief des Herrn Dr. Forrer in St. Gallen an Herrn Nationalrat Sonderegger in Heiden nebst

318 einem Auszug aus dem Protokoll des Regierungsrates des Kantons St. Gallen beigegeben, woraus hervorgeht, daß Herr Sonderegger, als Eigentümer der Parzelle, welche ausgebeutet werden soll, vom Gemeioderat von Thal über das zwischen jenem Grundstück und der Linie Rorschach-Heideu gelegene Territorium der Ortsgemeinde Thal ein F j j a h r r e c h t behufs Anlage eines Verbindungsgeleises verlangt hatte, daß aber dieses Begehren abgewiesen worden war, und daß auch der Regierungsrat, an welchen der Petent rekurriert hatte, der Ansicht des Gemeinderates von Thal beigetreten war. Wenn sich die Bahagesellschaft also die Verbindung mit dem neuen Steinbruch sichern wollte, so blieb ihr nichts übrig, als eine Bundeskonzession für das Verbiodunggeleise zu verlangen.

Nachdem die Regierungen von Appenzell Außer-Rhoden und von St. Gallen zur Vernehmlassung eingeladen worden waren, äußerte sich die erstgenannte Behörde dahin, die Ausnützung der Steinbrüche werde zweifellos der Prosperität der Bahn ,,bedeutend günstig zu statten kommen". Ernste Bedenken scheinen keioe berechtigt zu sein, weshalb die Regierung die Erweiterung der Konzession beantrage. Dabei erachte sie indessen folgende Begehren als angemessen : 1. daß der Durchlaß recht solid und derart weit erstellt werde, daß mit Beruhigung vorausgesetzt werden dürfe, es genüge derselbe auch bei den größten Regengüssen; 2. der nördlich an das Bächlein anstoßende Schlipfboden sei gründlich zu entwässern und gegen Schlipf bestmöglich zu versperren.

Diesen Vorbehalten wird natürlich anläßlich der Vorlage und Genehmigung des definitiven Bauplanes Rechnung getragen werden.

Der Regierungsrat des Kantons St. Gallen übermittelte dem Eisenbahndepartement mit seiner Vernehmlassung vom 17. dieses Monats Kopie einer Eingabe des Gemeinderates von Thal, worin die Gründe auseinandergesetzt werden, welche die letztere Behörde veranlassen, eine ablehnende Haltung einzunehmen. Vor allem wird bestritten, daß ein öffentliches Interesse bestehe, das projektierte Bahngeleise zu bauen. Das Interesse liege einzig und allein bei Herrn Sonderegger und der Rorschach-Heiden-Bahn. Arbeiter fänden sowohl in den Brüchen von Thal, als in denjenigen von Wienachten genügend Beschäftigung; es gebe sogar Zeiten, wo eher mehr angestellt würden, wenn solche vorhanden wären. Sodann wird auf
die Gründe verwiesen, welche die Gemeinde Thal seiner Zeit zu ihrem Veto gegen die ursprünglich als Fahrstraße projektierte Zufahrtslinie veranlassten. Die Ortsgemeindeverwaltung dürfe, um die Ausbeute der obern Sandsteinlager bequem zu machen, nicht die

319 eigene Gewinnung in Frage stellen, ja teilweise geradezu verunmöglichen. Ebensowenig könne der Gemeinde zugemutet werden, ihre eigenen Interessen zu opfern, um eim'gen anderò ein lukrativeres Geschäft einzurichten.

Der Regierungsrat berief sich auf den Bundesbeschluß vom 23. Dezember 1885 betreffend die Erweiterung der Konzession für eine Regionalbahn im Traversthal und auf die betreffende Botschaft des Bundesrates, woraus hervorgehe, daß derartige Unternehmungen als im öffentlichen Interesse gelegen betrachtet werden, und daß grundsätzlich die Zulässigkeit solcher Konzessionserweiterungen ausgesprochen worden sei. Die Regierung sei daher nicht im Falle, gegen die Konzessionierung des projektierten Anschlußgeleises Einsprache zu erheben. Sie habe den Lokalbehörden den Rat erteilt, auf dem Gebiet der Gemeinde Thal in gleicher Weise vorzugehen und setze voraus, daß einer solchen Anlage gegenüber sowohl von den Bundesbehörden, als auch von der Bahnverwaltung gleiches Entgegenkommen Platz greifen werde.

Auch wir. sind der Ansicht, daß dem Gesuche um Konzessionserweiterung entsprochen werden könne und solle. Dabei gehen wir von den gleichen Erwägungen aus, welche den Bundesrat in der Botschaft vom 13. November 1885 betreffend Erweiterung der Konzession für eine Regionalbahn im Traversthal (Bundesbl. 1885, IV, 246) geleitet haben, nämlich: einmal, daß das Gesetz über die Rechtsverhältnisse der Verbindungsgeleise nicht etwa den Sinn habe, die Annäherung der Eisenbahnen an industrielle Etablissemente zu hindern, sondern daß man damit im Gegenteil den Erschwerungen entgegentreten wollte, welche von den Eisenbahngesellschaften oft auf die Bewilligung von Anschlußgeleisen gelegt wurden, und sodann, daß ein öffentliches Interesse darin liege, wenn, wie es auch hier der Fall ist, eine Geleiseerweiterung eine vermehrte Ausnutzung vorhandenen, sonst wertlosen Rohmaterials ermöglicht. Es ist nämlich der in der Eingabe des Gemeinderates von Thal enthaltenen Behauptung, dem Besitzer der fraglichen Parzelle sei Gelegenheit geboten, auf seinem eigenen Grund und Boden eine Abfuhrlinie zu erstellen, entgegenzuhalten, daß eine Kommission der Regierung von Appenaell Außer-Rhoden an Ort und Stelle eine Besichtigung vorgenommen und -- laut Vernehmlassung der Regierung vom 5. September 1897 -- folgenden Befund abgegeben
hat: ,,Die Erstellung der Bahnlinie nach Plan erscheint als die kürzeste und kann bei dem durchweg felsigen Untergrunde solid gestaltet werden. D a s nördlich anstoßende, auch dem Steinbruchbesitzer g e h ö r e n d e T e r r a i n ist u n g e e i g n e t , w e i l S c h l i p f b o d e n ; d e r s e l b e soll gegenteils noch besser gesichert werd e n g e g e n A b r u t s c h u n g e n n a c h d e m b e s t e h e n d e n Damm. a

320 In den konferenziellen Verhandlungen, welche am 20. d. Mts.

stattfanden, einigte man sich auf den nachfolgenden Beschlußentwurf.

Derselbe stimmt im wesentlichen mit dem Bundesbeschluß betreffend Erweiterung der Konzession für eine Regionalbah'n im Traversthal vom 23. Dezember 1885 (E. A. S. VIII, 329 ff.) überein. In Art. 4 wurde die Vollendungsfrist nach dem Wunsche der Konzessionärin auf zwei Jahre angesetzt, um ihr die Möglichkeit zu bieten, das Tracé successive auf die nötige Tiefe einzuschneiden, unter fortwährender Verwertung des Aushubmaterials. In Art. 5 ist, um der Linie den Charakter der Öffentlichkeit zu wahren, die Einführung der Personenbeförderung vorbehalten, sobald sich hierfür ein Bedürfnis zeigen sollte. Die Aufstellung von Taxnormen wurde unterlassen; es wird am besten und einfachsten sein, wenn der Bundesrat s. Z. unter Berücksichtigung der Betriebs- etc. Verhältnisse die nötigen Vorschriften erläßt.

Indem wir Ihnen den Beschlußentwurf zur Annahme empfehlen, benutzen wir auch diesen Anlaß, Sie, Tit., unserer vorzüglichen Hochachtung zu versichern.

B e r n , den 27. September

1897.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, .Der B u n d e s p r ä s i d e n t :

Deucher.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Ringier.

321 (Entwurf.)

Bundesbeschluß betreffend

die Erweiterung der Konzession einer Eisenbahn Rorschach-Heiden.

Die Bundesversammlung der schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsicht 1. einer Eingabe des Betriebschefs, namens des "Verwaltungsrates, der Rorschach-Heiden-Bergbahn, vom 19. August 1897; 2. einer Botschaft des Bundesrates vom 27. September 1897, beschließt: Art. 1. Der H o r s c h a c h - H ei d e n - B e r g b a h n - G e s e l l schaft wird gestattet, eine A b z w e i g u n g ihrer Linie von km. 2,666 nach einem neuen Steinbruch in der K rinne bei Wienachten zu erstellen und zu diesem Zwecke ein neues Geleise in der Länge von circa 250 m. zu legen, welches einen integrierenden Bestandteil der ganzen Bahnanlage ausmacht.

Art. 2. Hinsichtlich des Baues und des Betriebes dieser Strecke soll die Gesellschaft den jeweiligen Bundesgesetzen, sowie allen übrigen Vorschriften über den Bau und Betrieb der schweizerischen Eisenbahnen ebenso unterstellt sein, wie dies hinsichtlich der bereits im Betrieb stehenden Linie der Fall ist.

Art. 3. Die Konzession für die in Art. l genannte Geleisestrecke geht mit demjenigen Zeitpunkt zu Ende, auf welchen die durch Bundesbeschluß vom 26. Januar 1874 der internationalen Gesellschaft für Bergbahnen in Basel erteilte und durch Bundesbeschluß vom 11. November 1874 auf die Rorschach-Heiden-Bergbahn-GesellBundesbatt. 49. Jahrg. Bd. IV.

23

322 schaft übertragene Konzession für die Linie von Heiden bis aum Anschluß an die Vereinigten Schweizerbahnen beim Bahnhof St. Scholastica in Rorschach erlöschen wird.

Art. 4. Binnen einer Frist von 6 Monaten, vom Datum dieses Konzessionsgesuches an gerechnet, sind dem Bundesrate die vorschriftsmäßigen technischen und finanziellen Vorlagen einzureichen.

Binnen sechs Monaten nach stattgefundener Plangenehmigung ist mit den Erdarbeiten zu beginnen und innert zwei Jahren von diesem Zeitpunkt an die neu konzessionierte Strecke zu vollenden und in Betrieb zu setzen.

Art. 5. Die Gesellschaft ist bis auf weiteres nur zum Gütertransport auf der neuen Linie verpflichtet; der Bundesrat wird, sobald das Bedürfnis vorhanden ist, den Zeitpunkt bestimmen, in welchem die Personenbeförderung zu beginnen hat.

Die Fahrt- und Betriebsordnung, sowie die Bestimmung der Taxen wird den Verhältnissen entsprechend durch den Bundesrat festgesetzt.

Art. 6. In allem übrigen gelten für das neue Bahnstüek die Bedingungen der Konzession für die Linie Rorschach-Heiden vom 26. Januar 1874 (E. A. S. IV, 15 ff.}, soweit solche überhaupt, darauf anwendbar sind.

Art. 7. Der Bundesrat ist mit der Vollziehung dieses Beschlusses beauftragt.

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Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung, betreffend Erweiterung der Konzession einer Eisenbahn Rorschach-Heiden. (Vom 27. September 1897.)

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30.09.1897

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