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Schweizerilehes

B u u d e s bl a t t.

Jahrgang V. Band III.

Nro.

48.

Samstag, den 29. Oktober 1853.

«Ran abonnlrt ausschließlich beim nächstgelegenen Postamt. Preis für bas Jahr 1853 im ganzen Umfange der Schweiz p o r t o f r e i Frku. 4. 40 Centimen. Inserate sind f r a n k i r t an die Expedition ünzusenden. Gebühr 15 Sentirne« per Zeile oder deren Raum.

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Konzessionsakt des

Großen Rathes von Tessin für den Bau einet Eisenbahn von der Kantonsgränze aus dem Lukmanier nach der sardinischen Gränze bei Brissago und von Bellinzona nach Lugano.

(Vom 15. September 1853.)

Der G r o ß e Rath der R e p u b l i k und des K a n t o n s T e s s i n , nach Erwägung des von den Herren Killias und La Nieea im Namen einer englischen Gesellschaft gestellten ©efuches, welche fich behufs Erbauung der hienach urkundlich bezeichneten sogenannten Lukmaniereisenbahn gebildet hat, bewilligt obgenannter Gesellschaft die ausschließliche Konzession sür den Bau und Betrieb mit Lokomotiven Bundesblait. Iahrg. V. Bd. III.

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a. der (fifenbahn, welche von der fardinischen Gränze bei Brissago über Loearno, durch das Thaï des SEesfin und das Bleniothal auf den Lukmanier führt; b. der Eisenbahn von Lugano nach Bellinzona, und zwar unter folgenden Bedingungen: Art. 1. Die Dauer der Konzesfion ist von heutf an auf 99 auf einander folgende Jahre sestgesezt, nach deren Ablauf der Kanton fich vorbehält, dieselbe entweder aus beliebige Zeit zu erneuern, oder aber die Eisenbahn durch Rükkauf von den Eigenthümern selbst zu übernehmen, unbeschadet jedoch dem laut Bundesgesej »om 28. Heumonat 1852 der Eidgenossenschaft zustehenden Auslösungsrechte. Das nämliche Auslösungsrecht wird für die Dauer der Konzesfion auch dem Kanton v orbehalten.

Art. 2. Falls der Kanton seiner Zeit die Eisen-

bahn an fich ziehen und keine Verständigung hinfichtlich der zu leistenden Entschädigung zu Stande kommen sollte, so wird dieselbe durch ein Schiedsgericht bestimmt, wozu jeder Theil srei zwei Schiedsrichter erwählt, und sollten

diese über die Wahl des Obmanns fich nicht verständigen können, die oberste Gerichtsbehörde der Eidgenossenschaft den leztern bezeichnet.

Bei Ansmittlung der zu leistenden Entschädigung hat diefes Schiedsgericht zu berükfichtigen : a. den durchfchnittlichen Reinertrag der fraglichen Bahn* streke während der lezten zwanzig Betriebsjahre;

b. das ursprüngliche Anlagekapital der Bahn und ihres Zugehörs ; c. die muthmaßlichen Erstellungs- und Einrichtungskosten in dem Zeitpunkt der stattfindenden Auslösung;

551 d. den jeweiligen Zustand der Bahn und deren Minderwerth in Folge stattgehabter Abnuzung.

Art. 3. Für den Betrieb der Bahn foll während der ganzen Dauer der Konzession wenigstens die Hälfte der Angestellten aus Bewohnern (Schweizerbürgern) des Kantons Xesfin genommen werden.

Art. 4. Hinsichtlich der Zwangsabtretung von Privatrechten hat sich die Gesellschaft an die Bestimmungen des Bundesgesezes zu lallen.

§. 1. Der Boden von Gemeinden, Genossenfchaften, Korporationen, Kreisen, Bezirken und des Kantons,, welcher zu Weiden benuzt wird; der Kies, die Steine, Bausteine und andere Materialien, welche »on den Flußufern, ans Töbeln und von unbebauten Orten am Ab* hang der Berge genommen werden, find unentgeldlichabzutreten.

Art. 5. Die Gesellschaft ist verpflichtet, den Anschlußanderer vom Staate bewilligter oder von ihm selbst auszuführenden Eisenbahnen in dem Sinne zu gestatten, daß fie folche Bahnen an fchiflicher Sicile in die ihrigere aufnehmen, und die auf denselben ab« und zugehenden Personen und Waaren sowohl hinfichtlich der Fahrpreise als auch in jeder andern Beziehung durchaus gleich zu behandeln, wie diejenigen, welche nur auf der Hauptlinie befördert werden.

Art. 6. Der Kanton verpflichtet fich, falls die fchon bestehenden Verordnungen ungenügend sein sollten. Strafbestimmungen gegen die Beschädigung der Bahnanlagen und die Verhinderung des Betriebes zu erlassen und die Unternehmung im Allgemeinen zu unterfiüzcn und jta befchüzen.

Die polizeiliche Aufficht der -Bahn ist übrigens, unter

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ter Ueberwachung der Regierung, und unbeschadet den Rechten der Ortspolizei, der Gesellschaft anvertraut, welche zu diesem Zweke besondere Eifenbahnangestellte -ernennt, die durch die dazu berechtigten Behörden beeidigt werden follen.

Art. 7. Die Betriebsgesellschaft als folche, die Eisenbahn mit den Bahnhöfen und Stationsgebäulichleiten nebst ihrem Betriebsmaterial find von aller kautonalen und kommunalen Besteurung frei.

Einzelne Angestellte, die im Kanton wohnen, so wie Gebäude und Liegenfchaften außer dem Bahnkörper, unterliegen gleich andern der Besteurung.

Art. 8. Die Gesellschaft ihrerseits ist verpflichtet, beim Bau der Eisenbahn alle für die Privat- und össcntliche Sicherheit nöthigen Veranstaltungen zu treffen, namentlich sur Offenhaltung der bestehenden Straßen und für die Kommunikation dießfeits und jenseits der Bahn zu forgcn und die hiezu erforderlichen Brüken, Durchgänge, Uebergänge und Wege auf ihre Kosten zu ·erstellen und zu unterhalten..

Dergleichen hat die Gesellschaft da, wo wegen Anlegung der Eisenbahn eine bereits bestehende Haupt- oder Verbindungsstraße eine veränderte Richtung erhalten muß, die dießfälligen Kosten allein, und bei fpäterer Erbauung von Straßen, welche die Bahn durchkreuzen, ein Viertel der dadurch verursachten Mehrkosten zu tragen.

Ueber die Nothwendigkeit und Ausdehnung solcher Bauten und Anlagen entscheidet die Kantonsregierung ohne Weiterzug.

Art. 9. Sowol während des Baues als beim nachherigen Betriebe der Bahn find von der Gesellschaft und

553 aus ihre Kosten alle nöthigen Vorkehrungen gegen Storung des Verkehrs auf den Straßen, gegen Befchädigungen an Grundstufen und Gebäulichkeiten, so wie

überhaupt gegen Gefährdung der öffentlichen Sicherheit zu treffen.

Die Kantonsregierung behält sich vor, die dießfalls erforderlichen Maßnahmen vorzuschreiben und zu diefem Behuf zu jeder beliebigen Zeit die Eisenbahn mit allen ihren Einrichtungen untersuchen zu lassen.

Art. 10. Die Bahn soll fortwährend, so lange die Konzeffion dauert, in beständig regelmäßigem Betrieb erhalten und das Publikum gut und ficher bedient werden.

Dem Kanton steht das Recht zu, fich von der Solidität und Sicherheit der Bauten und des Betriebs jederzeit Gewißheit zu verfchassen.

Art. 11. Sämmtliche Statuten der Aktiengesellschaft, so wie Baupläne, insbesondere die Pläne, betreffend die Bahnrichtung, die Anlegung der Bahnhöfe und Stationêorte, die Durchgänge und Ucbcrgänge, die Kornktionen von Straßen und Gewässern bedürfen der Gutbeißung der Kantonsregierung und können nur mit deren Zustimmung wieder abgeändert werden.

Art. 12. Die Gefcllfchaft ist gehalten, alljährlich einen Auszug aus ihren Rechnungen und Verhandlungen, woraus der jeweilige Stand des Unternehmens erfichtlich ist, der Kantonsregierung vorzulegen.

Art. 13. Die Gesellschaft ist gleich andern PrivatUnternehmungen den Gesezen und Verordnungen des Kantons unterworfen.

Sie hat im Kanton an einem noch zu bestimmenden, von der Kantonsregierung gutzuheißenden Orte ein Domizil zu bezeichnen, allwo fie für persönliche Klagen

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iivilgerichtlich belangbar ist. Sie wird zu diesem Behufe einen bevollmächtigten Vertreter dafelbst aufstellen.

Für dingliche Klagen gilt das Forum der gelegenen Sache.

Art. 14. Größere oder kleinere Truppenkorps, welche im Kantonaldienste stehen, fo wie deren Materielles, müssen auf Anordnung der zuständigen Militärbehörde um die Hälfte der niedrigsten gahrtaxe durch die ordentlichen Bahnzüge und, wenn ein Crtrazug verlangt wird, um den vollen Betrag .der niedrigsten Fahrtare befördert werden.

Art. 15. Die Marimalansäze für den Perfonen- und Waarentransport sotten annähernd nach Mapgabe des Durchschnittes der Fahr- und Frachttarife auf andern schweizerischen Eisenbahnen festgestellt werden.

Art. 16. Die Erdarbeiten follen spätestens bis zum 1. März 1854 auf der Linie von Biasea nach Loearno und von Lugano nach Bellinzona lebhaft in Angriff ge* nommen und später ohne Unterbrechung fortgeführt werden.

Die Studien und Expropriationen müssen nnmittelbar nach der Uebergabe des Konzeffionsaftes begonnen und fortgesezt werden.

§. 1. Zur Vollendung der Linien von Olivone nach Soearno und von Lugano nach Bellinzona wird eine grifi von 4 Iahren nach obigem Datum eingeräumt.

In gleicher Zeit foll eine fahrbare Straße über den Lukmanier erstellt werden, welche die Bahnen auf der tessinischen und graubündnerischen Seite verbindet.

Eines oder mehrere Dampsschiffe haben zwischen Lugano und Eapolago in Uebereinstimmung mit den

555 îïifenbahnen den Personen- und Waarentransport zu verfehen.

§. 2. Binnen 12 Iahren, vom 1. März 1854 an gerechnet, muß die Eisenbahn vermittelst des Tunnels durch den Sukmanier und der durch die Technik geboienen Mittel dergestalt hergestellt sein, daß man die Linie zwischen Loearno und Rorschach ohne Unterbrechung benuzen kann.

§. 3. Die Bahnstreke zwischen Loearno und der îardinischen Gränze soll gleichzeitig mit der entsprechenden sardinischen Linie vollendet werden.

Art. 17. Die Gesellschaft ist ermächtigt, unter Vorbehalt der Genehmigung der Kantonsregierung, die ihr ertheilte Konzession mit allen bezüglichen Rechten und Verpflichtungen an Andere, seien es einzelne Personen oder Gesellschaften, abzutreten.

In diesem Falle bleibt der Kantonsregierung aber ausdrüklich das Recht vorbehalten, nothigenfalls Abänderungen in dem Konzessionsakte vorzunehmen.

Art. 18. Streitigkeiten zwischen dem Kanton und der Gesellschaft, welche an fich zivilrechtlicher Natur find, und deren Entscheid nicht bereits durch gegenwärtigen Konzessionsakt der Kantonsregierung vorbehalten ist, sollen unweiterzüglich durch ein Schiedsgericht entschieden werden, welches jeweilen auf die im Art. 2 vorgeschriebene Weife zu bilden ist.

Art. 19. Die Konzessionärs haben zu gleicher Zeit, »o ihnen die Konzession übergeben wird, eine Kaution von 500,000 Franken in baar an die Kantonskasse zu entrichten.

Die Summe ist dem Fiskus verfallen, wenn zu der sestgesezten Zeit die Arbeiten nicht angefangen oder dit

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Sinien Locarne -Olivone und Sugano-Bellinzona nicht vollendet sein sollten.

Art. 20. Die Konzession erlischt, und die schon erbauten Bahnstreken sallen dem Staate anheim, falls di-...Linien Loearno-Olivone und Lugano #Bellinzona fechs Monate nach Verfluß der festgesezten Frist noch nicht vollendet find.

Art. 21. Falls nach Verfluß des lezten Termins' von 12 Iahren nicht die ganze Linie im Betriebe und

auch keine Wahrscheinlichkeit für die baldige Vollendung (binnen 1 Iahr) vorhanden wäre, kann die Kantonsregierung die Streken Biasea-Loearno bis an die fardinifche Gränze und .Lugano - Bellinzona auslofen und jeder andern Gesellschaft, welche sich verpflichtet, die Alpen wirklich mit einer ununterbrochenen Eisenbahn zu übersteigen, überlassen.

Die konzessionirte Gefellfchaft muß in diesem .Jalle ein Iahr vorher benachrichtigt werden, daß man beabfichtige, mit einer andern Gefellfchaft in Unterhandlung zu treten. Der effektive Ankauf und die wirkliche Abtretung der Bahnstreken kann jedoch nur dann stattfinden, wenn ein anderer Alpenübergang in Betrieb gesezt sein wird.

Art. 22. Die Regierung von Tessin verpflichtet sich, vor dem Ablauf eines Iahres nach dieser Konzessionsertheilung keine andere Konzession für den Bau von Eifenbahnen auf ihrem Gebiete zu bewilligen.

Die Kompetenz der im Bundesgesez enthaltenen hierauf Jezfiglichen Verordnungen wird ausdrüklich vorbehalten.

Art. 23. Dem Kanton Tessin steht das Recht zu, für eine gleiche Anzahl von Direktoren und Mitgliedern des Verwaltungsrathes, wie jedem der Kantone St. Gallen

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wnd aller zwei noch

Graubünden, so wie im Allgemeinen der Genuß Rechte, Vorrechte und Begünstigungen, welche diesen Kantonen schon zugestanden find, oder späterhin bewilliget werden.

Bellinzona, den 15. Herbstmonat 1853.

Per John ...O-ìastetman : John ©nrnen.

Per SDÌ. .-f». picciotto: John (Sjur.»e»,».

John @urnen.

John SO. Brett.

Anhang zum K o n z e s s i o n s g e s u c h e für die Eisenbahn der Snkmaniergefellfchaft.

Art. 1. Die Lukmanierbahngesellfchaft verpflichtet sich, im Falle der Konzessionsbewilligung, auf allfälliges Verlangen der Tessiner Regierung, in Form eines Anleihens die Summe von 1J/2 Million Franken an die Kantonskasse zu entrichten, um damit fowol die für die Entfnmpfnng der Ebene bei Magadino, als die für die Eindämmung des Tessins projektirten Arbeiten auszuführen.

Die Gesellschaft behält fich vor, nach der Prüfung

der bezüglichen Pläne und Geseze, noch 500,000 Franken beizufügen, falls diefe Summe für die Vollendung der Werke no'thig sein sollte.

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Art. 2. Diefe Summe soll folgendermaßen bezahlt werden : a. 500,000 Franken, welche zugleich als Kaution für die Erfüllung der in der Konzessionsakte für die Lukmaniereifenbahn enthaltenen Verpflichtungen dienen sollen, bei der Uebergabe der Konzession; b. das Uebrige in Raten von 100,000 Franken aus drei Monate vorher zu machende Aufforderung der Regierung und nachdem sich eine Gefellfchaft für

die Ausführung gebildet haben wird.

Art. 3. Die Regierung von Tessi« hat 5% jährlichen

Zins zu bezahlen, mit Ausnahme der 500,000 Franken für die Kaution, für welche fie nur 4% jahrlich entrichtet.

Art. 4. Außer den Zinsen garantirt die Regierung auch die Rükzahlung des Kapitals innert der Frist von 25 Iahren, von der lezten Einzahlung an gerechnet.

Die Rükzahlung geschieht vom 15. Iahre an in gleichen jährlichen Raten.

Sie fichert dem Gläubiger alle in dem Geseze vom 9. Brachmonat 1853, besonders im Art. 19 enthaltenen ©arantien zu.

Art. 5. Die Gesellschaft behält fich fernere Unterhandlungen auch für die Ausführung diefes Projekts vor.

Art. 6. Die Regierung bewilligt der nämlichen Gesellfchaft den Vorzug für die Konzession einer Eisenbahnlinie zwischen Lugano und der Gränze bei Chiasso, und im Falle der Ausführung derselben, die unentgeldliche Benuzung der Brüke von Melide, mit der Bedingung, daß die Gefellfchaft nicht nur die Arbeiten für die Einrichtung der Bahn, sondern auch für den Uebergang der gewöhnlichen guhrwerke und Fußgänger auf ihre Kosten

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ausführen und unterhalten lasse, so wie für den voll* ständigen Unterhalt genannter Brüke sorge, so lange die Konzession dauert.

Falls eine andere Gesellschaft für diese Bahnstreke ernstliche Anerbietungen machen sollte, hat die Sukmanierbahngesellschaft (auf obgenannten Vorzug hin) sich zu erklären und die Arbeiten inner sechs Monaten, unter Androhung der Ungültigkeitserklärung, zu beginnen.

B e l l i n z o n a , den 12. Herbstmonat 1853.

Per John .SJîasterman: John @urnett.

Per m. H. picciotto: John ©utnett.

John .©ntnett.

John SS. Brett.

Für den Staatsrath, Der P r ä s i d e n t : S. «R u s c a.

Der Staatsschreiber :

J. B. *#ioda.

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Konzessionsakt des Großen Rathes von Tessin für den Bau einer Eisenbahn von der Kantonsgränze aus dem Lukmanier nach der sardinischen Gränze bei Brissago und von Bellinzona nach Lugano. (Vom 15. September 1853.)

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29.10.1853

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549-559

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10 001 262

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