752

# S T #

Bericht des

Bundesrates an die Bundesversammlung über das Gesuch des Herrn Ingenieur J. Glaser, in Samen, um Wiedererwägung einzelner Bestimmungen der Konzession einer Eisenbahn von Göschenen nach Andermatt (Schöllenenbahn).

(Vom 12. Dezember 1895.)

Tit.

Nachdem Sie durch Bundesbeschluss vom 5. April d. J. Herrn J. Glaser, Ingenieur, d a m a l s i n o Bern, nunmehr in Sarneu, die Konzession für eine Bisenbahn von Göschenen nach Andermatt (Schöllenenbahn) erteilt hatten, stellte der Konzessionär mit Eingabe vom 25. April 1895 das Gesuch, es möchte Ihnen sein Konzessionsbegehren vom 18. November 1894 zur nochmaligen Erwägung und Abänderungdesß genannten Bundesbeschlusses im Sinne des bundesrätlichen Entwurfes vorgelegt werden. In spätem Zuschriften vom 24. Mai und 1. November 1895 wiederholte und erweiterte Herr Glaser sein Gesuch, indem er noch Abänderung: einiger anderer nach unserm Antrage in die Konzession aufgenommenen Bestimmungen anbegehrte.

1. Das ursprüngliche Wiedererwägungsgesuch betrifft die Bestimmung in A r t . 12, AI. 2, wonach für die Zeit vom November bis April täglich mindestens ein gemischter Zug nach beiden Richtungen zu führen ist. Diese Bestimmung ersucht Petent fallen zu lassen und durch die von uns in der Botschaft vom 30. März 1895 beantragte zu ersetzen, welche die Gesellschaft bloß verpflichtet,, während der Betriebseinstellung in angemessener Weise für Postverbindung zu sorgen. Die Verpflichtung zu beschränktem"' Winter-

753

betrieb -- führt die Eingabe aus -- sei für die Schöllenenbahn eine Existenzfrage. Der o b l i g a t o r i s c h e Winterbetrieb dürfte -- wenn die Bahngesellschaft über den Winter für angemessene Postverbindung sorge -- kaum als ein Bedürfnis bezeichnet werden.

Es verwahre sich denn auch das Ursernthal feierlichst gegen eine aolche, die Schöllenenbahn gefährdende Beslimmung.

Dem seiner Zeit von Herrn Ingenieur Grüssy eingereichten Konzessionsgesuch, dem ein solches des Herru Oberst Arnold in Altdorf folgte, seien damals von Seiten des Kantons Uri keine ernstlichen Schwierigkeiten bereitet worden, und es vermöge Petent nicht einzusehen, inwiefern sich nun im Verlaufe von etwa fünf Jahren die Situation '/M ungunsten des Unternehmens verändert haben sollte.

In der Herrn Grüssy erteilten Konzession sei vom Winterbetrieb vollständig abgesehen worden. Es sei nicht Sache des Gesuchstellers, die direkten und indirekten Vorteile, welche dem Kanton Uri durch die Schöllenenbahn erwachsen würden, speeiell und näher zu beleuchten; aber darauf gestatte er sich hinzuweisen, daß die Schöllenenbahn mit der BestimmungO des obligatorischen Winter~ betriebes wohl für immer verunmöglieht werden dürfte, indem hiermit selbst der Eidgenossenschaft ein sehr unbequemer Präcedenzfall geschaffen würde.

Mit Zuschrift an das Eisentfahndepartement vom 31. Mai 1895 nahm der Korporationsrat Ursern, als Vertreter der Bevölkerung des Ursernthiiles, Veranlassung, das Wiederei'wägungsgesuch des Konzessionärs auf das nachdrücklichste zu unterstützen.

Die Bevölkerung des Ursernthales wünsche die Schöllenenbahn und sei geneigt, dem Konzessionsinhaber möglichst entgegenzukommen.

Dagegen sei sie weit entfernt, Winterbetrieb /.u verlangen, wohl wissend, daß eine solche Verpflichtung das Unternehmen in Frage stellen, ja sogar auf eine Reihe von Jahren verunmöglichen dürfte.

Die Korporationsverwaltung glaube die Auffälligkeit betonen zu sollen, daß man Herrn Glaser Verbindlichkeiten auferlegen wolle, die man gegenüber den frühern Bewerbern, Herrn Ingenieur Grüssy und Herrn Landammann Arnold, nicht einmal in Anregung brachte.

Die Verhältnisse in kommerzieller und technischer Beziehung seien dieselben geblieben. Die Thalschaft Ursera, als Hauptinteresseutin, befriedige sich mit dem projektierten Sommei'betrieb, wie denn auch andere
Bergbahnen vom Winterbetrieb entlastet worden seien, und keine gegenteiligen Präeedenzfälle vorlägen, auf die man abstellen könnte. Es wolle der Verwallung scheinen, daß Motive besonderer Art -- wie Beseitigung des Projektes oder Entlastung des Kantons Uri von den Kosten des öchneebruchs in der Schöllenen -- Veranlassung gegeben haben mögen, den Winterbetrieb zu beantragen.

754

Die Beseitigung dieser ungleichen und nachteiligen Situation möchte auch die Korporationsverwaltung bestens empfehlen und sie hoffe, daß die Thalschaft Berücksichtigung finde und kein für die Zukunft nachfeiliges Präjudiz geschaffen werde.

In einer spätem Eingabe vom 29. November 1895 betont der genannte Korporationsrat die Dringlichkeil des Wiedererwägungsgesuches, indem insbesondere darauf hingewiesen wird, daß mit dern elektrischen Bahnbetrieb die Einführung der elektrischen Beleuchtung für die Dorfschafteu Andennatt und Hospenthal verbunden werden möchte.

Die Regierung des Kantons Uri, welcher wir die Wiedererwägungsgesuche des Konzessionsinhabers zur Vernehmlassung mitteilten, bestätigte mit Bezug auf die Frage des Winterbetriebs ihren schon dem ursprünglichen Kouzessionsbegehren gegenüber eingenommenen Standpunkt, indem sie bemerkt, daß die Sehöllenenbahn nicht nur den Verkehr der Fremden zu vermitteln und zu fördern, sondern auch den Interessen der Landesbevölkerung zu dienen habe.

Sie wünscht deshalb, daß die Gesellschaft verpflichtet werde, den Bahnbetrieb, wenn immer möglich, auf das ganze Jahr auszudehnen, und daß gesagt werde, daß es während der Betriebseinstellung Sache der Gesellschaft sei, auf ihre Kosten für die Beförderung von Personen, Gepäck und Postsendungen ia angemessener Weise zu sorgen.

Die Regierung ersucht, wenn die Konzession wirklich geändert werden wollte, ihren Antrag möglichst unverändert an die Stelle der jetzigen Bestimmung zu setzen.

Nachdem wir Ihnen schon in der Botschaft vom 30. März 1895 beantragt hatten, von der Statuierung der förmlichen Verpflichtung, zum Winterbetrieb, wie bei der frü-hern Konzessionserteilung, Umgang zu nehmen, dagegen zu bestimmen, daß die Gesellschaft auch während der Betriebseinstellung in angemessener Weise für die Beförderung von Personen, Gepäck und Postsendungen Vorsorge zu treffen habe, und erst auf einen im Schöße der eidgenössischen Räte gestellten Antrag die vom Konzessionär beanstandete Bestimmung betreffend o b l i g a t o r i s c h e n Winterbetrieb aufgenommen wurde, sehen wir davon ab, zu dem Wiedererwägungsgesuch unserseits Stellung zu nehmen. Indem wir Ihnen dasselbe hiermit unterbreiten , stellen wir es Ihrer Erwägung anheim, ob Sie demselben im Hinblick auf die dafür geltend gemachten Gründe und die Stellungnahme
der nächstbeteiligten Bevölkerung des Ursernthales, sowie der Regierung von Uri entsprechen wollen.

2. Was die übrigen Abänderungsbegehren betrifft, so beantragen wir Ihnen, auf dieselben nicht einzutreten, und gestatten uns, zur Begründung einige Bemerkungen beizufügen.

755

a. Die Bestimmung in Art. 7, Alinea 2, betreffend allfällig im Interesse der Landesverteidigung an der Bahn erforderliche Bauten und sonstige Vorkehren, die sich nach Ansicht des Petenten besonders beim Fort Bühl leicht zu weit ausdehnen könnten, namentlich aber der Vorbehalt des Rechtes der unentgeltlichen Zerstörung der im Vorterrain der Befestigungswerke gelegenen Bauobjekte werden als zu weit gehende Forderungen bezeichnet und deren Fallenlassen gewünscht.

Wir halten indessen dafür, daß an der schon in die frühere Konzession aufgenommenen Bestimmung festgehalten werden sollte.

Wenn der Konzessionär es ablehnt, die zur Unschädlichmachung der Bahnanlage in Bezug auf die Befestigungswerke notwendigen Vorkehren auf Kosten der Gesellschaft zu treffen, beziehungsweise im Kriegsfall die Beseitigung gewisser Anlagen ohne Entschädigung zu gestatten, so müßte unseres Erachtens vor allem in Erwägung gezogen werden, ob nicht überhaupt die Konzession aus militärischen Gründen zu verweigern sei. Jedenfalls aber scheint es uns grundsätzlich unannehmbar, daß dem Bunde aus der Erstellung einer solchen Touristenbahn dadurch Kosten erwachsen sollen, daß er mittelst besonderer Vorkehren seine mit großen Kosten erstellten Befestigungswerke vor Beeinträchtigung durch die Bahn schützen muß. Eine unverhältnismäßig starke Belastung des Unternehmens wird übrigens die angefochtene Bestimmung nicht zur Folge haben, da der Bund seine Forderungen in billiger Weise nur auf das dringend Notwendige beschränken wird.

b. Weiter möchte Petent die Bestimmung in A r t . 23 betreffend Herabsetzung der Taxen bei Erzielung eines Reinertrages von über 6 °/o während 3 Jahren nur auf die in Art. 15, letztes Alinea, in Aussieht genommenen ermäßigten Taxen zu gunsten der einheimischen Bevölkerung beziehen und unter letzterer bloß die Ortsbevölkerung von Göschenen und des Ursernthales, nicht aber alle Kantonsangehörigen verstehen. Die Anwendung auf alle Taxen sei nicht gerechtfertigt, da dieselben in der Konzession gegenüber dem Gesuche schon eine wesentliche Herabsetzung erfahren hätten. Es erscheine billig, daß dem mit dem Unternehmen verbundenen Risiko auch die Chance eines eventuellen höhern Gewinnes gegenüberstehe.

Zu diesem Postulat bemerken wir, daß es sich bei Art. 23 um eine ständige Konzessionsbestimraung handelt, von der eine
Ausnahme bloß für die Jungfraubahn gemacht wurde, mit welcher aber das hier in Rede stehende Unternehmen nicht derart gleiche Verhältnisse aufweist, daß eine Ausnahme von der sonst allgemein auch für Touristen- und Bergbahnen geltenden Regel gerechtfertigt erschiene.

756

c. Bezüglich des A r t , 19 führt der Gesuchsteller, wie schon anläßlich der Konzessionskonferenz, an, daß zwischen Göschenen und Andermatt keine Zwischenstation, wohl aber beim Urnerloch ein kurzer H a l t zur Besichtigung des Wasserfalles bei der Teufelsbrücke vorgesehen sei. Wenn dieser Halt als Zwischenstation mit besondern Taxen betrachtet werden sollte, so müßte derselbe wegfallen.

Indem wir auf das zu diesem Punkte in der mehrgenannten Botschaft vom 30. März 1895 Gesagte verweisen, b e a n t r a g e n w i r , von einer Änderung des Art. 19 jedenfalls Umgang zu nehmen.

d Ebenso empfehlen wir Ihnen, den Wortlaut des A r t . 20, der ein ständiger ist, zu belassen und dem Antrüge des Konzessionärs, die Worte im Domizil des Aufgebers, bezw. des Adressaten" zu streichen, keine Folge zu geben. Die Durchführung dieser auf den Camionnagedienst'bezüglichen Bestimmung, bei welcher jeweilen den besondern Verhältnissen des einzelnen Falles in weitgehendste Maße Rechnung getragen wird, hat bisher auch bei kleinen Unternehmungen zu keinen Schwierigkeiten geführt.

Genehmigen Sie, Tit., auch bei diesem Anlasse die Versicherung unserer vollkommenen Hochachtung.

B e r n , den 12. Dezember 1895.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der B u n d e s p r ä s i d e n t :

Zem p.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Ringier.

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Bericht des Bundesrates an die Bundesversammlung über das Gesuch des Herrn Ingenieur J. Glaser, in Sarnen, um Wiedererwägung einzelner Bestimmungen der Konzession einer Eisenbahn von Göschenen nach Andermatt (Schöllenenbahn). (Vom 12. Dezember 1895.)

In

Bundesblatt

Dans

Feuille fédérale

In

Foglio federale

Jahr

1895

Année Anno Band

4

Volume Volume Heft

54

Cahier Numero Geschäftsnummer

---

Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

18.12.1895

Date Data Seite

752-756

Page Pagina Ref. No

10 017 264

Das Dokument wurde durch das Schweizerische Bundesarchiv digitalisiert.

Le document a été digitalisé par les. Archives Fédérales Suisses.

Il documento è stato digitalizzato dell'Archivio federale svizzero.